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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 02.12.2003
Aktenzeichen: 3 L 290/02
Rechtsgebiete: BSHG, FKPG, SGB X


Vorschriften:

BSHG § 97
FKPG § 7
SGB X § 2 III
SGB X § 111
SGB X § 120 2
1. Die Ausschlussfrist des § 111 SGB X für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen der Leistungsträger untereinander ist auch auf den Erstattungstatbestand des § 2 Abs.3 SGB X anwendbar.

2. Der Lauf der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X n.F. setzt nicht voraus, dass eine rückwirkende Entscheidung des Erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht ergeht. Diese verfahrensrechtliche Variante ist (nur) Gegenstand des § 111 Satz 2 SGB X n.F..


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 3 L 290/02

Datum: 02.12.2003

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten, die der Klägerin für die Unterbringung der Frau ... in der Landesklinik Brandenburg entstanden sind.

Die am 27. Mai 1944 geborene Frau .., die geistig wesentlich behindert ist, hatte nach Auskunft der zuständigen Meldebehörde ihren Aufenthalt zunächst in ..., im heutigen Landkreis Wittenberg. Seit dem 22. September 1977 ist sie für Brandenburg, ..., gemeldet (Sitz der Landesklinik). Die Kosten der Unterbringung trug seit Inkrafttreten des BSHG in den neuen Bundesländern zunächst das Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. §§ 39 ff. BSHG, und seit dem 1. Januar 1996 die Klägerin als örtlicher Träger der Sozialhilfe.

Mit Schreiben an die Stadt Wittenberg vom 14. Dezember 1999, dort eingegangen am 17. Dezember 1999 und weiter geleitet an den Landkreis Wittenberg am 21. Dezember 1999 meldete die Klägerin Kostenerstattung gem. § 2 Abs. 3 i. V. m. § 102 Abs. 2 SGB X vom 27. Juni 1993 bis zum Ende der Leistungsgewährung an und zugleich den Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Der Landkreis Wittenberg verwies mit Antwortschreiben vom 22. Dezember 1999 auf Verhandlungen des überörtlichen Leistungsträgers mit dem Ziel eines gegenseitigen Kostenverzichts. Mit weiterem Schreiben vom 3. Januar 2000 verzichtete der Landkreis auf die Einrede der Verjährung.

Mit Anschreiben vom 27. April 2000 übersandte die Klägerin die Akten an den Landkreis Wittenberg, der zum 1. Juni 2000 als neuer Leistungsträger eintrat. Der Beklagte erkannte mit Schreiben an den Landkreis vom 17. Oktober 2000 seine Zuständigkeit als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ab 1. Januar 2000 und mit weiterem Schreiben vom 9. Juli 2001 ab 1. Dezember 1998 an. Die Zuständigkeit erstreckt sich lt. Vermerk des Landkreises vom 7. November 2000 auch auf die Bearbeitung des Erstattungsantrags. Mit Schreiben an die Klägerin vom 28. Juni 2001 teilte der Landkreis der Klägerin mit, er werde die Unterbringungskosten auf Anordnung des Beklagten für den Zeitraum Januar 2000 bis Mai 2000 erstatten (20.349,32 DM). Mit weitem Schreiben an die Klägerin vom 4. Juli 2001 erkannte der Beklagte die Erstattungsforderung auch für den Zeitraum 1. Dezember 1998 bis 31. Dezember 1999 an (54.708,10 DM) und verwies im Übrigen auf die Ausschlussfrist des § 111 SGB X.

Am 22. Dezember 1999 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die örtliche Zuständigkeit für den Hilfefall sei bereits bei Inkrafttreten des § 97 Abs. 2 BSHG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 27. Juni 1993 - FKPG - auf den Beklagten übergegangen. Sie habe allerdings die Hilfe im Hinblick auf die damals vorherrschende Rechtsauffassung zur Anwendung des BSHG im Beitrittsgebiet weiter gewährt. Klarheit habe erst das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 1998 - 5 C 30.97 - gebracht. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht gem. § 111 SGB X ausgeschlossen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränke sich auf die Erstattungstatbestände der §§ 102 ff. SGB X und erstrecke sich nicht auf den hier einschlägigen § 2 Abs. 3 SGB X. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Gesetz. Insbesondere verweise auch § 2 Abs. 3 Satz 3 SGB X nur auf § 102 Abs. 2 SGB X, nicht aber auf weitere Vorschriften wie den § 111 SGB X.

Die Klägerin hat eine Abtretungserklärung des Landesamts für Soziales und Versorgung Brandenburg vom 21. Dezember 2000 betreffend die Erstattungsansprüche wegen der Leistungen des überörtlichen Trägers vorgelegt. Hinsichtlich der Kostenerstattung für Leistungen seit dem 1. Dezember 1998 hat sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und im Übrigen beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr die für Frau... im Zeitraum 1.Januar 1995 bis 30. November 1998 erbrachten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 96.673,15 € (= 189,076,24 DM) nebst 4 v. H. Zinsen ab dem 22. Dezember 1999 zu erstatten.

Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung der Klägerin angeschlossen und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Klägerin seien nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit durch Gesetzesänderung die weiter gewährten Leistungen gem. § 2 Abs. 3 SGB X erstattet worden. Diese Vorschrift sei - ausgehend vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 1997 - 5 C 30.97 - auch im Verhältnis der Leistungsträger untereinander im Beitrittsgebiet anzuwenden. Die Klägerin habe den Anspruch aber erst mit Schreiben vom 14. Dezember 1999 bei dem Landkreis Wittenberg als dem herangezogenen Träger der Sozialhilfe (§ 5 Heranziehungsverordnung - BSHG) angemeldet. In Anwendung des § 111 SGB X seien daher nur die ab dem 1. Dezember 1998 erbrachten Leistungen zu erstatten. § 111 SGB X sei nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - auch auf die Erstattung gem. § 2 Abs. 3 SGB X anzuwenden. Durch die Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom 1. Januar 2002 habe sich hieran nichts geändert.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 5. September 2002 das Verfahren im Umfang der Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und der Klägerin die Verfahrenskosten auferlegt. Zur Begründung ist ausgeführt, für den Hilfefall sei infolge der Neufassung des § 97 Abs. 2 BSHG durch das FKPG vom 23. Juni 1993 (BGBl. I, 944) ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit eingetreten. Dies begründe dem Grunde nach den Erstattungsanspruch für die weiterleistende Klägerin gem. § 2 Abs. 3 SGB X. Der Anspruch sei hier jedoch gem. § 111 SGB X ausgeschlossen. Die Erstattung sei auf einen Zeitraum von 12 Monaten vor der Geltendmachung des Anspruchs beschränkt. Die daraus resultierende Forderung habe der Beklagte erfüllt. Die Kammer schließe sich insoweit der vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - vertretenen Rechtsauffassung an. Die Gesetzesmaterialien bestätigten, dass die §§ 107 ff. SGB X auf sämtliche Erstattungsbestände des Sozialgesetzbuches anzuwenden seien (BT-Drs. 9/95, S. 17). Auf die Kenntnis des vorleistenden Leistungsträgers von seiner Unzuständigkeit komme es nicht an. Außerdem obliege es dem Leistungsträger, das Fortbestehen seiner Leistungspflicht zu prüfen. Die rechtssystematischen Bedenken der Klägerin überzeugten nicht. Wenn § 2 Abs. 3 Satz 3 SGB X nur auf § 102 Abs. 2 SGB X verweise ("Umfang des Erstattungsanspruchs") besage dies nicht, dass die Anwendung des § 111 SGB X ausgeschlossen sein solle. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom 1. Januar 2001. Die Vorschrift werde im Bereich des Sozialhilferechts nicht praktisch.

Gegen dieses ihr am 29. September 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Oktober 2002 eingegangene, vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz vor, § 111 SGB X beziehe sich allein auf die in Kap. III, 2. Abschn. SGB X geregelten Erstattungstatbestände. Eine ausdehnende Anwendung auf den Erstattungstatbestand des § 2 Abs. 3 SGB X verbiete sich. Soweit diese Vorschrift ihrerseits auf § 102 Abs. 2 SGB X verweise, beschränke sich dies auf den Umfang des Anspruchs und erlaube keine weitergehenden Schlüsse. Angesichts dieser Gesetzessystematik seien Rückschlüsse dieser Art auch nicht aus den Gesetzesmaterialien zu ziehen. Eindeutige Aussagen zu dieser Frage ließen sich auch der Kommentarliteratur nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass sie ihre Leistungspflicht ständig habe überprüfen müssen. Für den Hilfefall sei nach dem Landesrecht des Landes Brandenburg zunächst der überörtliche Leistungsträger zuständig gewesen. Außerdem habe erst das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 1998 - 5 C 30.97 - Klarheit über die Rechtslage gebracht.

Die Neufassung des § 111 SGB X mit Wirkung vom 1. Januar 2001 lasse im Übrigen die Auslegung zu, dass die Ausschlussfrist generell erst bei Kenntnis von der Entscheidung des zuständigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht zu laufen beginne. Im Falle der Frau... habe der Beklagte jedenfalls nicht vor Klageerhebung über seine Leistungspflicht entschieden. Schließlich sei auch die Kostenentscheidung hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils nicht nachvollziehbar. Ihr sei im Hinblick auf die drohende Verjährung nichts anderes übrig geblieben als Klage zu erheben.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 5. September 2002 nach ihrem Klageantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, die Klägerin habe nicht erwarten können, dass eine Entscheidung zu ihrem Erstattungsbegehren noch vor Klageerhebung am 22. Dezember 1999 ergehen werde. Das Verwaltungsgericht habe in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - zu Recht entschieden, dass die Ausschlussfrist des § 111 SGB X auch auf den Erstattungsanspruch des § 2 Abs. 3 SGB X Anwendung finde. Die Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom 1. Januar 2001 komme nicht zum Tragen. Der Lauf der Ausschlussfrist sei im Sozialhilferecht allein gem. § 111 Satz 1 zu beurteilen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und des Beklagten (Beiakten A, B) Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu. Die Klägerin sowie vorübergehend auch das Landesamt für Soziales und Versorgung haben seit Inkrafttreten des BSHG in den neuen Bundesländern der Frau ... Eingliederungshilfe für Behinderte gem. §§ 39 ff. BSHG durch Aufnahme in die Landesklinik Brandenburg gewährt. Sie waren für diese Hilfe als Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, denn Frau... hielt sich in ihrem Zuständigkeitsbereich tatsächlich auf, § 97 BSHG i. d. F. der Bekanntmachung vom 23. März 1994, BGBl. I, 646). Mit Inkrafttreten des Art. 7 FKPG vom 27. Juni 1993 änderte sich die örtliche Zuständigkeit. Für die Hilfe in stationären Einrichtungen ist seither nicht mehr der Sozialhilfeträger am Ort des tatsächlichen Aufenthalts zuständig, sondern gem. § 97 Abs. 2 BSHG der Träger, in dessen Bereich der Hilfeempfänger vor der Aufnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte ("Abkehr vom Aufenthaltsprinzip", vgl. LPK, 5. Aufl., § 97 Rdnr. 2). Um die Kontinuität der Leistungserbringung zu wahren, hatte die Klägerin die Hilfe nach allgemeinem Verfahrensrecht gem. § 2 Abs. 3 Satz 1SGB X allerdings noch so lange weiter zu erbringen, bis sie von dem nunmehr zuständigen Beklagten fortgesetzt wurde. Dieser hat ihr jedoch gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X als der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. Der besondere Erstattungstatbestand des § 103 BSHG, der sich auf Vorleistungen bei Eil- oder Zweifelszuständigkeiten gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bezieht (vgl. LPK, § 97 Rdnr. 81; Hauck/Haines, SGB X 3, K § 102 Rdnr. 35), ist nicht einschlägig.

Der Beklagte stellt seine Erstattungspflicht gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X auch nicht in Abrede. Streitig geblieben ist indes, ob die Klägerin sich die Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegenhalten muss. Die Frage ist mit dem Verwaltungsgericht zu bejahen. Der Rechtsauffassung der Klägerin, die den Anwendungsbereich des § 111 SGB X aus rechtssystematischen Gründen auf die Erstattungstatbestände der §§ 102 bis 105 SGB X beschränkt sehen will, ist nicht zu folgen.

Die Rechtsauffassung der Klägerin stützt sich im Wesentlichen auf die Stellung des § 111 SGB X im dritten Kapitel des SGB X ("Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten", und hier speziell den 2. Abschn. "Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander", §§ 102 bis 114 SGB X). Allerdings sind auch im zweiten Abschnitt eingangs einige Erstattungstatbestände selbständig geregelt (§§ 102 bis 105 SGB X). Dies berechtigt aber nicht zu der Annahme, die dann folgenden Verfahrensvorschriften seien gerade und ausschließlich auf diese Erstattungstatbestände zu beziehen. Das Verfahrensrecht des SGB X soll vorbehaltlich abweichender Vorschriften in besonderen Teilen (§ 37 SGB I) die gesamte öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden auf dem Gebiet des SGB regeln, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Auch mit den §§ 102 bis 114 SGB X wurde eine übergreifende Regelung der Erstattungsansprüche konzipiert, mit der die bislang sehr verstreut geregelte Materie übersichtlich gestaltet werden sollte (Kittner/Reinhardt, Basiskommentar, Anm. vor §§ 102 bis 114). Die Verfahrensvorschriften der §§ 106 bis 114 SGB X können bei dieser gesetzgeberischen Konzeption des Verfahrensrechts nicht allein auf die Erstattungstatbestände der §§ 102 bis 105 SGB X bezogen werden. Diese Erstattungstatbestände erfassen nur einen begrenzten Ausschnitt der möglichen Erstattungsfälle. Neben die Erstattungstatbestände der §§ 102 bis 105 SGB X treten außer § 2 Abs. 3 SGB X insbesondere die Erstattungstatbestände des Sozialhilferechts gem. §§ 103 ff. BSHG, die den genannten Erstattungstatbeständen nicht nur rechtsdogmatisch sondern auch in ihrer praktischen Bedeutung vorgehen dürften. Es ist indes - soweit erkennbar .- unbestritten, dass das Verfahrensrecht des Kap. III Abschn. II SGB X auch für diese Erstattungstatbestände ergänzend heranzuziehen ist, soweit nichts Abweichendes geregelt ist. Dies gilt nach der Streichung des § 112 BSHG durch das FKPG insbesondere für die Ausschlussfrist des § 111 SGB X, vgl. LPK, vor § 103 Rdnr. 9. Die generelle Geltung der §§ 108 bis 114 SGB X für alle im Sozialgesetzbuch geregelten Erstattungstatbestände betonen auch Hauck/Haines, a. a. O., K § 102 Rdnr. 33 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung (abgedr. a. a. O., M 010, S. 16/17 sowie K § 111 Rdnr. 12; ebenso Kittner/Reinhardt, a. a. O., § 111 Rdnr. 1). Ein Anlass, bei dem Erstattungstatbestand des § 2 Abs. 3 SGB X abweichend zu verfahren, ist nicht ersichtlich. Vielmehr bestätigt die Verweisung des § 2 Abs. 3 Satz 3 auf § 102 Abs. 2 SGB X, dass der Gesetzgeber auch diesen Erstattungstatbestand in den Zusammenhang des Dritten Kapitels, 2. Abschn. SGB X stellt. Dies entspricht auch der Gesetzesbegründung, nach der mit dieser Vorschrift eine "Anpassung an die Konzeption des Dritten Kapitels" beabsichtigt ist (BT-Drs. 9/1753, Begründung zu § 14 Nr. 2, S. 48; vgl. Hauck/Haines, a. a. O., § 102 Rdnr. 35). Auch mit Blick auf den Gesetzeszweck ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen gerade der Erstattungsanspruch des § 2 Abs. 3 SGB X nicht der Ausschlussfrist des § 111 SGB X unterliegen sollte. Das praktische Bedürfnis, klare Verhältnisse der Leistungsträger untereinander unabhängig von der Verjährung gem. § 113 SGB X zu schaffen (vgl. Hauck/Haines, a. a. O., K § 111 Rdnr. 1), besteht auch bei diesem Erstattungsanspruch.

Der Senat sieht nach allem keine Hinderungsgründe für die Anwendung des § 111 SGB X auf den Erstattungsanspruch des § 2 Abs. 3 SGB X und befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 -, ZFSH/SGB 3/2001, S. 163.

Die weiteren, an den neugefassten Wortlaut des § 111 SGB X anknüpfenden Bedenken der Klägerin gegen die Anwendung dieser Vorschrift auf ihr Erstattungsbegehren erweisen sich ebenfalls als unbegründet. Die Neufassung beruht auf Art. 10 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I, 1983), in Kraft getreten am 1. Januar 2001. Sie ist gem. § 120 Satz 2 SGB X i. d. F. des genannten Gesetzes auf die Erstattungsverfahren anzuwenden, die am 1. Juni 2000 noch nicht abschließend entschieden waren, mithin auch auf das vorliegende Erstattungsverfahren. Die Neufassung lässt den bisherigen § 111 Satz 1 SGB X unberührt und betrifft nur Satz 2. Im Zusammenhang lautet die Vorschrift jetzt wie folgt:

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Der neugefasste Satz 2 ist bei Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien nicht dahin zu verstehen, dass der Beginn der Ausschlussfrist gem. Satz 1 stets davon abhängig sein soll, dass der neue Leistungsträger eine Entscheidung über seine Leistungspflicht trifft. Die Bestimmung ist vielmehr dahin auszulegen, dass im Falle einer solchen Entscheidung die Frist des Satz 1 nicht beginnt, bevor der Erstattungsberechtigte hiervon Kenntnis erlangt. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 14/4375) wurde es als unbefriedigend empfunden, dass der Erstattungsanspruch in der bisherigen, an die Entstehung des Anspruchs anknüpfenden Fassung des § 111 Satz 2 SGB X ausgeschlossen war, wenn einem Hilfeempfänger durch einen anderen Leistungsträger rückwirkend Leistungen gewährt wurden, der Leistungsbezug aber schon mehr als ein Jahr zurücklag (rückwirkende Versichertenrente eines Unfallversicherungsträgers an eine Empfängerin von Arbeitslosenhilfe; ebenso beim Bezug von Kranken- Rentenversicherung). Der erstattungsberechtigte Träger habe in solchen Fällen keine Möglichkeit, seinen Erstattungsanspruch fristgerecht geltend zu machen (a. a. O., S. 60).

Dieser Beispielsfall verdeutlicht, dass dem Gesetzgeber eine besondere verfahrensrechtliche Konstellation vor Augen stand. Angesprochen sind diejenigen Fälle, in denen durch die rückwirkende Entscheidung eines anderen Leistungsträgers der Leistungspflicht des bisherigen Leistungsträgers die Grundlage entzogen wird. Der Gesetzgeber wollte diesen Sonderfällen zusätzlich Rechnung tragen, in dem er die strikte Bindung an die Ausschlussfrist durch das subjektive Element der Kenntnis des Erstattungsberechtigten lockerte. Dagegen ging es nicht darum, auch all diejenigen Fälle von der Ausschlussfrist auszunehmen, in denen eine solche rückwirkende Entscheidung nach dem einschlägigen Verfahrensrecht entbehrlich ist. Dies ist insbesondere im Verhältnis der Sozialhilfeträger untereinander der Fall. Die laufenden Leistungen nach dem BSHG einschließlich der Eingliederungshilfe in Einrichtungen für Behinderte werden regelmäßig in Bewilligungsabschnitten, und zwar in Kalendermonaten bewilligt (vgl. v. Maydell/Schellhorn, SGB X 3 § 111 Rdnr. 17). Erweist sich der bisherige Leistungsträger in Zweifelsfällen oder aus sonstigen Gründen als unzuständig, so ergeht gegenüber dem Hilfebedürftigen für abgelaufene Bewilligungszeiträume keine (weitere) Entscheidung über die Leistungspflicht. Der neue Leistungsträger nimmt die Hilfe lediglich für die Zukunft auf. Für die abgelaufenen Bewilligungszeiträume hat es mit dem Erstattungsanspruch im Innenverhältnis der Leistungsträger sein Bewenden. Wollte man diesen sozialhilferechtlichen Regelfall von der Geltung der Ausschlussfrist ausnehmen, würde das Grundanliegen des Gesetzgebers, frühzeitig klare Verhältnisse über etwaige Erstattungsansprüche herbeizuführen (vgl. dazu Hauck/Haines, a. a. O., K § 11 Rdnr. 10; v. Maydell/Schellhorn, a. a. O., § 111 Rdnr. 7), in sein Gegenteil verkehrt.

Auf das Erstattungsbegehren der Klägerin bezogen bedeutet dies, dass die Ausschlussfrist sich allein gem. § 111 Satz 1 SGB X beurteilt. Eine Entscheidung des Beklagten über die rückwirkende Gewährung von Eingliederungshilfe an Frau... hat es nicht gegeben und musste es auch nicht geben. Der Landkreis Wittenberg als herangezogener Träger der Sozialhilfe hat der Betreuerin der Frau ... erstmals mit Schreiben vom 19. Mai 2000 mitgeteilt, die Hilfe werde ab 1. Juni 2000 übernommen (Beiakte B, Bl. 13). Der in § 111 Satz 2 SGB X geregelte Sonderfall einer rückwirkenden Entscheidung des neuen Leistungsträgers liegt nicht vor. Es kommt bei dieser Sachlage auch nicht darauf an, wann die Klägerin Kenntnis vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 1998 - 5 C 30.17 - und im Zusammenhang damit von möglichen Erstattungsansprüchen gegen den Beklagten erlangt hat. Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X wurde unabhängig von dieser Kenntnis in Lauf gesetzt.

Ausgehend von § 111 Satz 1 SGB X scheitert das Erstattungsbegehren der Klägerin deshalb - soweit noch streitig - an der Ausschlussfrist. Die Klägerin hat den Erstattungsanspruch mit Schreiben an die Stadt Wittenberg vom 14. Dezember 1999, beim Landkreis Wittenberg eingegangen am 21. Dezember 1999 angemeldet. Die Zwölf-Monats-Frist des § 111 Satz 1 SGB X ist damit bis einschließlich 21. Dezember 1998 gewahrt. Ob die Anmeldung vom 21. Dezember 1999 zugleich die Frist für den gesamten Monat Dezember 1998 wahrte, kann auf sich beruhen, denn der Beklagte hat die Erstattungspflicht insoweit anerkannt. Die Erstattung für die früheren - monatlichen - Bewilligungszeiträume bis einschließlich November 1998 ist jedenfalls durch die Ausschlussfrist abgeschnitten. Das Verwaltungsgericht hat dies zutreffend entschieden.

Die Bedenken der Klägerin gegen die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht konnte nach der übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärung der Parteien die in § 161 Abs. 2 VwGO vorgesehene Kostenentscheidung zusammen mit der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung treffen (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 161 Rdnr. 21 m. w. N.). Hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils ist allerdings eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen. Gemäß § 158 Abs. 2 VwGO ist die auf diesen Verfahrensteil bezogene Kostenentscheidung nicht isoliert anfechtbar, und zwar auch dann nicht, wenn in dem nicht erledigten Verfahrensteil ein Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt wurde (Sodan/Ziekow, VwGO, § 158 Rdnr. 51 m. w. N.). Dem Senat ist es insoweit verwehrt, die erstinstanzliche Kostenentscheidung in der Sache zu überprüfen. Welche Gründe die Klägerin bewogen haben, die Klage (bereits) am 22. Dezember 1999 zu erheben, muss auf sich beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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