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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 3 L 325/05
Rechtsgebiete: SGB X, BGB


Vorschriften:

SGB X § 108 II
BGB § 291
1. § 108 Abs. 2 SGB X steht einem Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 BGB für Erstattungsansprüche zwischen Sozialhilfeträgern nicht entgegen.

2. Im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 BGB kommt es auf eine "schuldhafte" oder "zurechenbare" Veranlassung des Prozesses nicht an.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 3 L 325/05

Datum: 08.05.2006

Gründe:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 124 Abs.2 Nr. 3 VwGO und der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vermögen die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen.

Die Beklagte misst der Rechtssache im Hinblick auf die Verzinsung eines Kostenerstattungsanspruches grundsätzliche Bedeutung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bei, weil das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 18.9.2003 - 1 L 124/03 -) abweiche; eine Divergenz zu einem dem Verwaltungsgericht im Instanzenzug nicht übergeordneten Oberverwaltungsgericht begründe (mangels Einschlägigkeit des Zulassungsgrundes gem. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) regelmäßig einen grundsätzlichen Klärungsbedarf.

Letzteres trifft indes nur zu, sofern eine im Rahmen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachte Divergenz bezweckt, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - BVerwG 5 ER 625.90 - Buchholz 310 VwGO § 132 Nr. 294; Beschl. v. 17.1.1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342; Beschl. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - DÖV 1998, 117; OVG LSA, Beschl. v. 20.3.2003 - 3 L 62/03 -). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil sich die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob § 108 Abs. 2 SGB X der Zuerkennung von Prozesszinsen für einen Kostenerstattungsanspruch zwischen Sozialhilfeträgern unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB entgegensteht, aufgrund der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61) sowie der Senatsrechtsprechung (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 17.8.2000 - A 3 S 329/99 -) ohne die Durchführung eines Berufungsverfahrens beantworten lässt und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts mit dieser Rechtsprechung in Einklang steht. Im Einzelnen ist von Folgendem auszugehen:

§ 108 Abs. 2 SGB X wurde durch Art. 4 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (- BGBl. I, S. 1088 -) eingefügt und ist zum 1. August 1996 in Kraft getreten. Die Norm lautet wie folgt:

Ein Erstattungsanspruch der Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern für die Dauer des Erstattungszeitraumes und für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung auf Antrag mit vier vom Hundert zu verzinsen (Satz 1). Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (Satz 2). § 44 Abs. 3 des Ersten Buches findet Anwendung; § 16 des Ersten Buches gilt nicht (Satz 3).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem oben bezeichneten Urteil vom 22. Februar 2001 (a. a. O., BVerwGE 114, 61) einen Anspruch auf Prozesszinsen für Erstattungsansprüche zwischen Jugendhilfe- und Sozialhilfeträgern bejaht. Verfahrensbeteiligt waren - vergleichbar dem vorliegenden Fall eines Kostenerstattungsanspruches unter Sozialhilfeträgern - zwei der in § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X genannten zinsprivilegierten Trägergruppen, deren Zinsansprüche sich nach dem Wortlaut der Norm gegen "andere" Leistungsträger richten. In Bezug auf Zinsansprüche der zinsprivilegierten Trägergruppen i. S. des § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X untereinander und zum Regelungsbereich des § 108 Abs. 2 SGB X stellte das Bundesverwaltungsgericht fest:

108 Abs. 2 SGB X hat demzufolge, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte an sich zutreffend ausgeführt hat, nur das Verhältnis der Leistungsträger der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung zu den anderen Leistungsträgern im Blick und will sie diesen gegenüber aus Gründen des stufenübergreifenden Lastenausgleichs privilegieren. Aus einer solchen Norm lässt sich deshalb, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes im Gesetz gesagt ist, im Gegenschluss lediglich ableiten, dass den privilegierten Leistungsträgern untereinander keine Lastenausgleichszinsen i. S. des § 108 Abs. 2 SGB X zustehen, nicht aber, dass sie auch ansonsten - aus anderen Rechtsgründen - eine Verzinsung ihrer Erstattungsansprüche nicht sollten beanspruchen können."

Weiter führt es aus, dass die allgemeinen Grundsätze über Verzinsung öffentlich rechtlicher Ansprüche dadurch gekennzeichnet seien, dass Verzugszinsen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden, während Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB verlangt werden können, es sei denn, das geschriebene Fachrecht weise eine den allgemeinen Grundsatz derogierende Regelung auf, die aber in Anbetracht des Wesensunterschiedes zwischen Verzugs- und Prozesszinsen grundsätzlich nicht in einem lediglich Verzugszinsen ausschließenden Rechtssatz gesehen werden könne. Dies gelte auch für das Verhältnis zwischen Prozesszinsen und den in § 108 Abs. 2 SGB X geregelten "Lastenausgleichszinsen" zwischen Leistungsträgern unterschiedlicher Stufen des sozialen Sicherungssystems. Dem gemäß hat das Bundesverwaltungsgericht - mangels entgegenstehender Regelung des einschlägigen Fachrechts sowie unter Verweis auf die Zuerkennung von Prozesszinsen analog § 291 BGB in einer Erstattungsstreitigkeit unter Sozialhilfeträgern (Urt. v. 18.5.2000 - 5 C 27.99 - FEVS 51, 546) - im Urteil vom 22. Februar 2001 (a. a. O.) dem klagenden Träger der Jugendhilfe Prozesszinsen ab dem 1. August 1996 entsprechend der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den beklagten überörtlichen Träger der Sozialhilfe zugesprochen.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 17. August 2000 (- A 3 S 329/99 -) festgestellt, dass ein Verbot der Verzinsung von Kostenerstattungsforderungen zwischen Sozialhilfeträgern aus dem zum 1. August 1996 eingefügten § 108 Abs. 2 SGB X nicht gefolgert werden könne. Die Vorschrift enthalte keine Regelung dahin, dass Prozesszinsen bei Kostenerstattungsansprüchen zwischen zwei Trägern der Sozialhilfe ausgeschlossen seien. Im Übrigen sei nicht die Verzinsung eines Erstattungsanspruches zwischen zwei Sozialhilfeträgern Regelungsgegenstand des § 108 Abs. 2 SGB X, sondern die Verzinsung von Ansprüchen zwischen einem Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe und einem "anderen" Leistungsträger. Wäre darüber hinaus ein Verbot der Verzinsung von Ansprüchen zwischen den drei bezeichneten Leistungsträgern gewollt gewesen, so hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich in § 108 SGB X klarzustellen.

Angesichts dieser (bereits vorhandenen) Rechtsprechung ist ein offener, die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordernder Klärungsbedarf nicht ersichtlich. Die angegebene divergierende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. September 2003 (- 1 L 124/03 -) nimmt lediglich hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von Prozesszinsen bei einer Feststellungsklage auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2001 (a. a. O.) Bezug; auf die dortigen Ausführungen zu § 108 Abs. 2 SGB X geht es nicht ein. Hinsichtlich des auf § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1991 gestützten Erstattungsanspruches werden dem Kläger seit Klageerhebung am 14. Juli 1995 Prozesszinsen in Höhe von 4 % entsprechend §§ 288, 291BGB für den Zeitraum vom 2. Februar bis 26. Juni 1993 zugesprochen. Für den auf den übrigen Zeitraum bezogenen und auf § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X gestützten Erstattungsanspruch (ab 27.6.1993) sei § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine sich aus dem einschlägigen Fachrecht ergebende, dem Anspruch auf Prozesszinsen entgegenstehende Regelung. Ohne Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O., BVerwGE 114, 61) zum Wesensunterschied zwischen Verzugs-, Lastenausgleichs und Prozesszinsen und den an eine Anspruchsgrundlage für die jeweilige Zinsart zu stellenden Anforderungen, verweist das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 18. September 2003 lediglich auf die Gesetzesbegründung in der BT-Drs. 13/3904, S. 48, wonach für Erstattungsansprüche (der zinsprivilegierten Träger) untereinander die Verzinsungspflicht nicht gelte. Damit wird indes lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sich die zinsprivilegierten Trägergruppen untereinander nicht auf die in § 108 Abs. 2 SGB X normierte Anspruchsgrundlage berufen können. Zu der Frage, welche Zinsarten die Verzinsungspflicht in § 108 Abs. 2 SGB X erfasst, insbesondere ob sie auch eine Regelung in Bezug auf Prozesszinsen treffen will, äußert sich die Gesetzesbegründung nicht. Selbst wenn es ursprünglich die gesetzgeberische Absicht gewesen sein sollte, die zinsprivilegierten Träger untereinander von jeglicher Verzinsungspflicht frei zu stellen, ist indes nicht ersichtlich, dass der Gesetzeswortlaut des § 108 Abs. 2 SGB X unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Anforderungen (BVerwGE 114, 61) diese Zielvorgabe auch umgesetzt hat. Nach alldem vermag der Senat einen erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarf zu der Frage, ob § 108 Abs. 2 SGB X der Zuerkennung von Prozesszinsen bei Kostenerstattungsansprüchen unter Sozialhilfeträgern entgegensteht, nicht festzustellen und sieht insbesondere keine Veranlassung, die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 22. Februar 2001 (a. a. O.) in Zweifel zu ziehen.

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der von der Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; ist hingegen der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lediglich offen, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht (std. Rechtspr. d. Senats, vgl. Beschl. v. 11.4.2005 - 3 L 15/02 - m. w. N.). Der Zulassungsgrund ist gem. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, S. 1458).

Hieran gemessen erweckt das Vorbringen der Beklagten keine überwiegenden Zweifel an der Richtigkeit des Urteilsergebnisses.

Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. September 2003 (a. a. O.) und die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/3904, S. 48) eine Verzinsungspflicht von Erstattungsansprüchen zwischen zwei Sozialhilfeträgern in Abrede stellt, begründet dies aus den vorgenannten Erwägungen zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteilsergebnisses.

Weiter wendet die Beklagte ein, der gesetzgeberische Zweck des § 291 BGB, wonach der Schuldner schon deshalb der Zinspflicht unterworfen werden solle, weil er es zum Prozess habe kommen lassen und für das eingegangene Risiko einstehen solle, greife nicht, weil der Kläger Klage erhoben habe, noch ehe ihr bekannt gewesen sei, dass Kostenerstattung begehrt werde. Aus diesem Grunde und wegen der damals zwischen den Ministerien der neuen Bundesländer ungeklärten Frage, ob eine Einigung zum Verzicht der Kostenerstattung für sog. "Altfälle" erzielt werden könne, sei eine Bearbeitung des Kostenerstattungsanspruches nicht möglich gewesen. Mit Schreiben vom 11. Mai 2000 habe der Kläger das Verwaltungsgericht darüber informiert, dass sich das Land Brandenburg der angestrebten Ländervereinbarung nicht anschließen werde. Erst nach Bekanntgabe des Scheiterns der länderübergreifenden Einigungsbemühungen und nach Abschluss der Musterstreitverfahren habe sie den streitgegenständlichen Kostenerstattungsantrag bearbeiten können. Nach Vorlage des Nachweises über den gewöhnlichen Aufenthalt der Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der Heimaufnahme sei es ihr möglich gewesen, ihre Zuständigkeit anzuerkennen. Schnellstmöglich ab 1. Dezember 2004 habe sie den Hilfefall in ihre Zuständigkeit übernommen und dem Kläger die Aufwendungen für die Leistungsberechtigte für den Zeitraum 5. Januar 1999 bis 30. November 2004 erstattet. Unter Außerachtlassung des Umstandes, dass bei einer Klage auf künftige Leistungen die (Prozess)Zinspflicht erst mit der Fälligkeit des Anspruches beginne, habe das Verwaltungsgericht sie zur Erstattung von Zinsen ab einem Zeitpunkt verpflichtet, zu dem der gewöhnliche Aufenthalt der Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der Heimaufnahme nicht nachgewiesen gewesen sei und somit eine Anerkennung des Kostenerstattungsanspruches nicht habe erfolgen können. Der Prozess hätte vermieden werden können; sie treffe kein schuldhaftes Verhalten.

Dieser Einwand greift nicht durch. Im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Prozesszinsen kommt es auf eine "schuldhafte" oder "zurechenbare" Veranlassung des Prozesses nicht entscheidend an. Der Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB knüpft nach dem Wortlaut der Norm an die Rechtshängigkeit einer Geldschuld und ihre Fälligkeit an. Der gesetzliche Verzinsungsanspruch entsteht unabhängig davon, ob der Schuldner die Leistungsverzögerung zu vertreten hat (vgl. Soergel, BGB, Bd. II, Stand Juli 1990, § 291 BGB Rdnr. 2). § 291 BGB beruht auf dem Gedanken, dass dem Gläubiger einer Geldschuld für die Vorenthaltung des Kapitals eine Entschädigung zu gewähren ist; Prozesszinsen sind ein Risikozuschlag, den der einen Rechtsstreit riskierende Schuldner stets dann zu tragen hat, wenn er im Prozess unterliegt (vgl. Münchner Kommentar zum BGB, Bd. II, 2. Aufl., § 291 BGB Rdnr. 1). Mit der Auferlegung der Prozesszinsen verwirklicht sich lediglich das allgemeine Risiko eines jeden Schuldners, dessen Verteidigungsvorbringen sich im Laufe eines jahrelangen Rechtsstreits als im Ergebnis nicht durchgreifend erweist (so BGH, Urt. V. 21.10.2004 - III ZR 323/03 - NJW-RR 2005, 170). Unterbleibt eine Leistung in Folge eines Umstandes, den der Schuldner nicht zu vertreten hat, kommt der Schuldner nicht in Verzug (§ 286 Abs. 4 BGB); wegen des Wesensunterschiedes zwischen Verzugs- und Prozesszinsen und weil der Anspruch auf Prozesszinsen als prozessuale Nebenforderung von einem Verzug des Schuldners nicht abhängig ist, ist der Aspekt des "Verschuldens" bzw. "Vertretenmüssens" für Prozesszinsen rechtlich nicht von Belang.

Soweit die Beklagte zu Recht unter Hinweis auf den Wortlaut des § 291 BGB darauf verweist, dass eine erst nach Rechtshängigkeit fällig werdende Geldschuld auch erst von ihrer Fälligkeit an zu verzinsen ist, sind die Ausführungen der Beklagten zu den Gründen für die verzögerte Bearbeitung des klägerischen Kostenerstattungsanspruches indes nicht ausreichend, um nachvollziehbar die im Tenor genannten Einzelbeträge und hierzu festgelegten Zinszeiträume hinsichtlich der Fälligkeit des jeweiligen Betrages in Frage zu stellen.

Soweit der erste Zinszeitraum am 20. März 2000 beginnt, hat das Verwaltungsgericht den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage gegen die Beklagte auf diesen Tag datiert (vgl. S. 7 d. UA), nachdem die ursprüngliche am 30. Dezember 1999 erhobene Klage gegen die Stadt M. gerichtet war und der Kläger am 20. März 2000 die Klage auf den Rechtsvorgänger der Beklagten - das Landesamt für Versorgung und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt - umgestellt hat (vgl. S. 3 Abs. 1 d. UA). In der Antragsschrift führt die Beklagte aus, dass der Kläger mit Schreiben vom 29. November 1999, das lt. Eingangsstempel am 5. Januar 2000 bei der Stadt M. als herangezogene Gebietskörperschaft eingegangen sei, seinen Erstattungsanspruch für die Leistungsberechtigte, Frau M. B., erstmals angemeldet habe. Die Antragsschrift legt nicht in der gebotenen Weise dar, dass sich die Beklagte diese Anmeldung bei der herangezogenen Gebietskörperschaft nicht zurechnen lassen muss und danach nicht von einer Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruches vor dem für den Zinsanspruch vom Verwaltungsgericht für maßgeblich erachteten Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage auszugehen ist. Angesichts dessen, dass die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch ab dem 5. Januar 1999 anerkannt hat, rechtfertigt allein der vom Verwaltungsgericht angenommene Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage (20.3.2000) auch nicht die Annahme, der im Tenor ausgewiesene (Teil)Betrag (für den Zinszeitraum seit 20.3.2000) in Höhe von 33.202,21 € sei noch nicht fällig gewesen.

Für diesen, wie auch für die weiteren (Teil)Beträge, lässt sich ein Hinausschieben des Fälligkeitszeitpunktes auch nicht zwingend aufgrund der länderübergreifenden Verhandlungen über einen Verzicht der Kostenerstattung für sog. "Altfälle" annehmen. Die Antragsschrift legt bereits nicht nachvollziehbar dar, nach welchen Kriterien sich die Fälligkeit des streitgegenständlichen Kostenerstattungsanspruches bestimmt sowie ob und ggf. mit welchem Inhalt zwischen ihr und dem Kläger oder zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem Land Brandenburg wegen dieser länderübergreifenden Verhandlungen Absprachen zur Fälligkeit dieser Kostenerstattungsansprüche getroffen wurden. Entsprechendes gilt soweit die Beklagte auf den Abschluss von Musterstreitverfahren verweist. Auch insoweit ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der Beklagten als potenzieller Schuldnerin von Prozesszinsen ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich des Leistungszeitpunktes der Hauptforderung eingeräumt war oder dass es wegen der Musterstreitverfahren entsprechende Absprachen mit der Klägerseite gegeben hat.

Soweit die Beklagte auf die nachträgliche Vorlage des Nachweises über den gewöhnlichen Aufenthalt der Leistungsberechtigten im Zeitpunkt der Heimaufnahme verweist, der eine Zuständigkeitsprüfung erst ermöglicht habe, enthält die Antragsschrift keine schlüssigen Ausführungen dazu, weshalb einem solchen Nachweis Auswirkungen auf den Fälligkeitszeitpunkt eines Kostenerstattungsanspruches beizumessen sind bzw. woraus die Beklagte ihre Auffassung herleitet, nur eine vom Gläubiger nachgewiesene Forderung könne zur Zahlung fällig werden, zumal mit Blick auf die Regelung des § 112 SGB X, wonach die gezahlten Beträge zurück zu erstatten sind, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Bei dieser Sachlage begründet das Vorbringen der Beklagten keine überwiegenden Zweifel an der Richtigkeit des Urteilsergebnisses; die für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Rechtsmittels lässt sich nicht feststellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die in Streitigkeiten der vorliegenden Art nach § 188 Satz 2 VwGO a. F. bestehende Gerichtskostenfreiheit ist in Folge Hinzufügung des 2. Halbsatzes zu dieser Bestimmung durch Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 - RmBereinVpG - (BGBl. I, S. 3987) für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern beseitigt worden. Diese am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Regelung betrifft auch das vorliegende, im Jahre 2005 anhängig gewordene Zulassungsverfahren. Dies folgt aus § 194 Abs. 5 VwGO, wonach § 188 Satz 2 für die ab dem 1. Januar 2002 bei Gericht anhängig werdenden Verfahren in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden ist. Unter der Formulierung "bei Gericht" ist nicht die Rechtshängigkeit (§ 90 VwGO), sondern Anhängigkeit bei der jeweiligen Gerichtsinstanz zu verstehen (so BVerwG, Beschl. v. 5.5.2004 - 5 KSt 1/04 - u. a., juris). Gemäß 206 Abs. 1 SGG ist auf Verfahren in Angelegenheiten der Sozialhilfe, die - wie hier - nicht auf die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit übergehen, § 188 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung anzuwenden.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 43 Abs. 2, 47, 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 124 a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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