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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 3 L 806/08
Rechtsgebiete: LSA-StrG


Vorschriften:

LSA-StrG § 47
LSA-StrG § 50
Die Verpflichtung zur Mahd des Randstreifens ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 50 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA umfasst.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die von der Beklagten geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; ist hingegen der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lediglich offen, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht (std. Rspr. d. Senats; vgl. u. a. Beschl. v. 14.04.2005 - 3 L 40/05 -). Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO ist der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). D. h., es ist insoweit zugleich erforderlich, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind. Dazu genügt eine bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen nicht (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.03.2006 - 15 ZB 04.2453 - juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 03.12.2001 - 8 S 2385/01 - NVwZ-RR 2002, 472).

In Anlegung dieser Maßstäbe lassen sich aufgrund der mit der Antragsschrift geltend gemachten Einwände der Beklagten "überwiegende" Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht feststellen.

Das Verwaltungsgericht hat die streitgegenständlichen Bescheide vom 22. Juni 2007 und 19. November 2007 mit der Begründung aufgehoben, dass die dem Kläger durch die Satzung der Beklagten auferlegte Pflicht zur in regelmäßigen Abständen auszuführenden Mahd des Grünstreifens zwischen Gehweg und Grundstück bzw. vom Grundstück bis zur angrenzenden Straße bis zu einer Tiefe von maximal fünf Metern nicht von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 47, 50 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA gedeckt sei. Bei der Mahd des Grünstreifens handele es sich auch bei weiter Auslegung nicht um eine Straßenreinigung im Sinne des § 47 StrG LSA. Das Mähen des Grünstreifens stelle keine Reinigung dar, vielmehr diene sie der Unterhaltung eines Straßenbestandteiles und falle damit ausschließlich in die Unterhaltungslast im Rahmen der Straßenbaulast nach § 9 StrG LSA.

Nach Auffassung der Beklagten sei das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von einem zu engen Begriff der Straßenreinigung ausgegangen. Vielmehr sei bei der Auslegung des Begriffs "Straßenreinigung" zu berücksichtigen, dass im Rahmen der gemeindlichen Daseinsvorsorge für ein ansprechendes und sauberes Stadtbild Sorge zu tragen sei und dass ein einladendes Umfeld für Wohnen, wirtschaftliche Betätigung, gesellschaftliches und kulturelles Leben geschaffen werde solle. Hinzu komme auch, dass ein ungeordneter Wuchs der Pflanzen auf dem Seitenstreifen durchaus als Sichtbehinderung hinsichtlich des Straßenverkehrs und somit als Verkehrsgefährdung einzustufen sei. Insoweit komme die Überwälzung der Verpflichtung zur Grasmahd im Rahmen des verkehrsmäßigen Reinigungsbegriffes in Betracht.

Die Einwände der Beklagten sind nicht geeignet, die Auffassung des Verwaltungsgerichts nachhaltig in Frage zu stellen.

Soweit die Beklagte zunächst die Auffassung des Verwaltungsgerichts in Frage stellt, dass der Straßenrandstreifen vor dem Grundstück des Klägers die Funktion eines Banketts und damit der Stütze des eigentlichen Straßenkörpers dient, legt er bereits nicht dar, inwieweit sich dieser Umstand auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis auswirken könnte.

Das Verwaltungsgericht hat weiter auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Verpflichtung zur Mahd des Randstreifens nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 50 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA umfasst ist. Für die Interpretation von Ermächtigungsnormen, wie hier der Ermächtigung zum Erlass von Satzungen gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung können der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 21.05.1968 - 2 BvL 10/66 u.a. - BVerfGE 24, 1). Das Verwaltungsgericht hat zunächst in rechtlich nicht zu beanstandender Weise hinsichtlich der Auslegung des Begriffes "Straßenreinigung" im Sinne der §§ 47, 50 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA zwischen der sog. verkehrsmäßigen und der ordnungsgemäßen (früher: polizeimäßigen) Reinigung unterschieden. Die verkehrsmäßige Reinigung obliegt dem Straßenbaulastträger im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit. Sie dient der Instandhaltung der Straße sowie dazu, Verkehrshindernisse oder Erschwerungen des Verkehrs zu beseitigen. Die ordnungsgemäße Reinigung ist nach ihrem rechtlichen Gehalt und Umfang nicht geringer oder enger als die verkehrsmäßige Straßenreinigung. Es besteht innerhalb der bebauten Ortschaften ein Bedürfnis, über die Verkehrssicherheit hinaus allgemein zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Erleichterung des Verkehrs, zur Verhinderung von Krankheiten und Seuchen, aber auch aus Gründen der öffentlichen Sauberkeit und zur Förderung des kommunalen Lebens, Straßen zu reinigen (vgl. zum Vorgehenden: Wendrich, NZV 1990, 89). Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine verkehrsmäßige oder um eine ordnungsgemäße Reinigung handelt, muss sich jedoch stets um ein "Reinigen" der Straße handeln. Reinigen bedeutet seinem Wortsinne nach die Befreiung von Verunreinigungen (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 14, Spalten 702 f.). Eine Verunreinigung liegt dabei vor, wenn die Oberfläche einer öffentlichen Straße durch aufgebrachte Stoffe derart verändert wird, dass sie nach der Verkehrsauffassung einer "Reinigung" bedarf (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.07.1988 - 5 Ss 228/88 - NJW 1990, 2008). Als "Reinigung" im vorbenannten Sinne wird daher in erster Linie das Kehren der Straße sowie das Aufsammeln und Entsorgen von körperlichen Unrat zu verstehen sein (vgl. BayVGH, Urt. v. 04.04.2007 - 8 B 05.3195 - NVwZ-RR 2008, 62). Hiervon abzugrenzen sind Unterhaltungsmaßnahmen, welche dem zuständigen Träger der Straßenbaulast obliegen und nicht gemäß § 47, 50 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA dem Straßenanlieger auferlegt werden können, wozu auch z. B. die Entfernung von flächenmäßig in den Straßenraum wuchernden Pflanzen oder Unkraut gehört (vgl. BayVGH, Urt. v. 04.04.2007, a. a. O.). Ausgehend von dieser Definition des Begriffes "Straßenreinigung" stellt das Mähen des auf dem Strandrandstreifen wachsenden Grases keine Beseitigung einer Verunreinigung dar, da der Grasaufwuchs nicht auf den Randstreifen "aufgebracht" worden ist, sondern vielmehr lediglich die Folge eines natürlichen Vegetationsprozesses darstellt. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des Begriffes "Straßenreinigung", zu der nach ihrer Auffassung die Verpflichtung zur Grasmahd auf Straßenrandstreifen zählt, läuft im Ergebnis auf eine allgemeine Verpflichtung des Straßenanliegers zur Herstellung und Erhaltung eines bestimmten ästhetischen Ansprüchen genügenden Straßen- und Straßenrandbildes dar, die im in den §§ 47, 50 StrG LSA verwendeten Gesetzesbegriff "Straßenreinigung" keine ausreichende Grundlage findet. Auch angesichts des Umstandes, dass mit der Verpflichtung zur Straßenreinigung Grundrechtspositionen der Anlieger, insbesondere Art. 14 Abs. 1 GG, berührt sind, bedarf es zur Verpflichtung der Straßenanlieger zu Maßnahmen im Bereich des Straßenkörpers im Sinne des § 2 Abs. 2 StrG LSA, welche keine Beseitigung von Verunreinigungen im vorbenannten Sinne darstellen, einer besonderen, hier nicht gegebenen gesetzlichen Ermächtigung. Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung auf die Kommentierung zum Straßengesetz des Landes Sachsen-Anhalt von Hubert bezieht, ist - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - auch diesen Erläuterungen nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem Begriff "Straßenreinigung" eine über den Wortsinn hinausgehende Bedeutung zugewiesen hat.

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht im Hinblick auf die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Grundsätzliche Bedeutung besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.07.1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache zudem in der Antragsschrift darzulegen. "Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt. Dabei sind die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise - unter Darlegung der maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte und unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung sowie der in diesem Zusammenhang maßgeblichen obergerichtlichen bzw. höchstgerichtlichen Rechtsprechung - zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, ohne weitere Ermittlungen darüber zu befinden, ob im Hinblick hierauf die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist. Hingegen ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, die angegriffene Entscheidung von Amts wegen zu überprüfen, denn der Gesetzgeber hat dem Rechtsmittelführer für das der Berufung vorgeschaltete Antragsverfahren die besonderen "Darlegungslasten" nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO auferlegt (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 18.02.1998 - A 1 S 134/97 -, JMBl. LSA S. 29; vgl. zur Revisionszulassung: BVerwGE 24, 264; 52,33; Seibert, DVBl. 1997, 932 (938f.)).

Diesen Anforderungen an die Darlegung wird die Antragsschrift nicht gerecht. Die Beklagte wirft in der Antragsschrift die Frage auf, ob "der Begriff der Straßenreinigung im Sinne der Vorschriften des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt grundsätzlich auch die Rasenmahd der Grünstreifen" umfasst.

Die Ausführungen der Beklagten in der Antragsschrift machen hinsichtlich der aufgeworfenen Frage einen grundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht plausibel. In der Antragsschrift wird nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, weshalb die von der Beklagten aufgeworfene Frage im Interesse der Vereinheitlichung und/oder Fortbildung des Rechts einer prinzipiellen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Allein die Möglichkeit, dass sich die aufgeworfene Frage in einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren in gleicher oder ähnlicher Weise stellen könnte und die überwiegende Anzahl der Behörden in Sachsen-Anhalt die Rechtsauffassung der Beklagten teilt, ist für die Darlegung der allgemeinen Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend. Ebenso wenig sagt das Fehlen obergerichtlicher Rechtsprechung etwas über einen grundsätzlichen Klärungsbedarf aus. Der Umstand, dass das angerufene Berufungsgericht über diese Rechtsfrage noch nicht entschieden hat, reicht für die Annahme einer Klärungsbedürftigkeit allein noch nicht aus, wenn sich die Frage - wie oben dargestellt - ohne Weiteres unmittelbar aus dem Gesetz im Sinne des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils beantworten lässt und dagegen - wie hier - keine so gewichtigen Einwände vorgebracht worden sind, dass eine nähere Auseinandersetzung in einem Berufungsverfahren erforderlich erschiene (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 22.10.2002 - 8 UZ 179/01 - NVwZ 2003, 1525; zum Revisionszulassungsrecht: BVerwG, Beschl. v. 30.12.1994 - 4 B 265/94 - NVwZ 1995, 695). Die Beklagte zeigt in der Antragsbegründung insbesondere nicht auf, nach welcher der anerkannten Auslegungsmethoden eine ihrer Rechtsauffassung entsprechende Auslegung des Begriffes "Straßenreinigung" möglich wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, §§ 124 a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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