Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.04.2007
Aktenzeichen: 3 M 215/06
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 5 Abs. 2 S. 1
SGB VIII § 19
1. Aktivlegitimiert in einem Verfahren wegen Leistungen i. S. d. § 19 SGB VIII ist der allein sorgende Elternteil.

2. Leistungen der Jugendhilfe setzen eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Träger der Jugendhilfe voraus und werden - wie Sozialhilfeleistungen - zeitabschnittsweise gewährt.

3. Zu den Anforderungen für das Vorliegen unverhältnismässiger Mehrkosten i. S. d. § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VIII.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 3 M 215/06

Datum: 23.04.2007

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller hat teilweise Erfolg.

Soweit der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2006 die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnt, richtet sich die Beschwerde der Antragsteller angesichts ihrer Anträge und des Vorbringens im Beschwerdeverfahren allein gegen die Ablehnung des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung, nicht hingegen gegen die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung.

Soweit die Antragsteller unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses die Verpflichtung des Antragsgegners begehren, jeweils im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin zu 1. ab dem 13. Mai 2006 und den Antragstellern zu 2. bis 4. ab dem 9. August 2006 Hilfe zur Erziehung gem. § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 SGB VIII durch den SterniPark e. V. in S-Stadt zu bewilligen, hat die im eigenen Namen erhobene Beschwerde der Antragsteller zu 2. bis 4. keinen Erfolg, weil sie zwar Leistungsempfänger von Leistungen i. S. des § 19 SGB VIII sein können, nicht aber Leistungsberechtigte i. S. dieser Vorschrift sind (vgl. Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: 7/2006, Erl. § 19 Art. 1 KJHG [= § 19 SGB VIII] Rdnrn. 8, 13, 28). Die Soll-Vorschrift des § 19 SGB VIII gewährt nur dem allein sorgenden Elternteil (Vater oder Mutter) einen mit gebundenem Ermessen streng verpflichtenden Anspruch auf Betreuungsleistung bzw. deren Kostenübernahme einschließlich der Leistungen in § 19 Abs. 3 SGB VIII für sich und seine unter sechs Jahre alten Kinder (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) sowie für die ebenfalls allein zu versorgenden älteren Geschwister (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Aktivlegitimiert, weil anspruchs- bzw. leistungsberechtigt, ist danach der allein sorgende Elternteil (vgl. insoweit auch § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sowie § 5 SGB VIII, wonach das Wunsch- und Wahlrecht dem Leistungsberechtigten zusteht), nicht die Kinder.

Hiervon ausgehend hat nur die Beschwerde der Antragstellerin zu 1. teilweise Erfolg.

Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes - den das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung verneint hat und weshalb es die Anträge der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat - beziehen sich die Antragsteller nunmehr auf ein Schreiben des Trägers der Einrichtung vom 4. Dezember 2006 (Anl. 7 zur Beschwerdeschrift vom 4.12.2006, Bl. 95 d. GA):

"Der SterniPark e. V. ist bereit, bis zu einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Hilfe für I. und ihre Kinder durchzuführen. Ein darüber hinausgehender Aufenthalt von I. und ihren Kindern in der Einrichtung, ohne Kostenzusage, ist leider nicht möglich. Obwohl wir aus pädagogischer Sicht sehr große Bedenken haben, müsste I. dann mit ihren Kindern unsere Einrichtung verlassen."

Diese Erklärung genügt, um die Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung für den Zeitraum der Entscheidung durch den Senat bis zu einer Entscheidung des Antragsgegners über den Antrag der Antragstellerin zu 1. vom 15. Mai 2006 glaubhaft zu machen, nicht jedoch, um die Eilbedürftigkeit auch für die zurückliegenden Zeiträume ab 13. Mai 2006 bzw. 9. August 2006 plausibel zu machen. Hinsichtlich vergangener Leistungszeiträume ist die Antragstellerin zu 1. auf die Geltendmachung ihres Anspruchs für sich und ihre Kinder im Hauptsacheverfahren zu verweisen. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis sind gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur zulässig, wenn die begehrte Regelung - um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen - notwendig erscheint. Maßgeblich für die Beurteilung, insbesondere des Anordnungsgrundes, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz. Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes durch Erlass einer einstweiligen Anordnung in Fällen der vorliegenden Art ist es, dem Betroffenen lediglich diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller, d. h. gegenwärtig - noch - bestehender Notlagen notwendig sind. Regelungen über die einstweilige Bewilligung laufender Geldleistungen können daher grundsätzlich nur für die Gegenwart und die Zukunft, nicht aber für zurückliegende Zeiträume getroffen werden, weil in der Regel davon auszugehen ist, dass in der Vergangenheit liegende Notsituationen von dem Betroffenen bereits bewältigt worden sind. Dies gilt nicht nur für die Zeit vor Stellung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Gericht, sondern auch für spätere, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgeschlossene Zeiträume. Dass die sachlichen und prozessualen Voraussetzungen für den begehrten gerichtlichen Ausspruch im Zeitpunk der Entscheidung des (Beschwerde-)Gerichts - noch - gegeben sein müssen, entspricht allgemeinen prozessualen Grundsätzen. Darauf, dass sie im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung oder auch im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens möglicherweise einmal gegeben waren, kommt es nicht an. Der Anspruch der Antragstellerin zu 1. auf Gewährleistung ausreichenden Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist dadurch nicht in Frage gestellt. Sie hat nicht nur die Möglichkeit, glaubhaft zu machen, dass sie dringend auch auf die Nachzahlung für die Vergangenheit angewiesen ist, sondern kann darüber hinaus Ansprüche für die Vergangenheit im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens weiter verfolgen (vgl. OVG C-Stadt, Beschl. v. 4.4.1990 - Bs IV 8/90 - NVwZ 1990, 975 m. w. N.; OVG LSA, Beschl. v. 30.5.2003 - 3 M 175/03 -).

Hieran gemessen hat die Antragstellerin zu 1. nicht glaubhaft gemacht (§ 123 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO), dass sie im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes auch auf die Nachzahlungen für die Vergangenheit angewiesen ist und es ihr nicht zumutbar ist, diese Ansprüche im Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Es besteht kein Anlass für die Annahme, dass die Antragsteller auch bei Wiederaufnahme der Kostenübernahme allein wegen der noch bestehenden Rückstände von einer Kündigung durch den SterniPark e. V. bzw. von einer Entlassung aus der Mutter-Kind-Einrichtung in S-Stadt aktuell bedroht sind oder diesbezüglich nicht die Klärung im Hauptsacheverfahren abgewartet werden kann. Soweit die Antragstellerin zu 1. einen Anordnungsgrund auch deshalb als gegeben ansieht, weil sie damit bereits bei Erlass der einstweiligen Anordnung wisse, dass sie zumindest etwaigen Regressansprüchen des Trägers der Einrichtung für den Fall des Nichterlasses nicht ausgesetzt sei, ist dieser Aspekt ebenso wie die bemängelte fehlende Hilfeplanung durch den Antragsgegner unter Einbeziehung des ASD für bereits abgeschlossene Leistungszeiträume rechtlich nicht relevant.

Die zeitliche Begrenzung der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den Antrag der Antragstellerin zu 1. vom 15. Mai 2006 ist dem Umstand geschuldet, dass Leistungen der Jugendhilfe - wie hier - grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe voraussetzen. Die für das Sozialrecht allgemein geltende verfahrensrechtliche Regelung des § 28 SGB X zeigt, dass der Gesetzgeber im Grundsatz davon ausgeht, dass Sozialleistungen einen "rechtzeitigen Antrag" (§ 28 Satz 2 SGB X), also eine Antragstellung voraussetzen, die nicht auf eine nachträgliche Kostenübernahme gerichtet ist, sondern dem Leistungsträger eine zeit- und bedarfsgerechte Leistungserbringung nach ordnungsgemäßer Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglicht. Die Eigenart des Jugendhilferechts schließt es für Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII aus, dass (öffentliche) Jugendhilfe - wie die Sozialhilfe nach § 5 BSHG (jetzt § 18 SGB XII) - antragsunabhängig einsetzt; der Träger der öffentlichen Jugendhilfe muss für die Kosten der von Dritten durchgeführten Hilfemaßnahmen nur aufkommen, wenn der Hilfebedarf rechtzeitig an ihn herangetragen worden ist (so BVerwG, Urt. v. 28.9.2000 - 5 C 29/99 - juris, Rdnrn. 11, 14). Mit der Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin zu 1. regelt der Antragsgegner regelmäßig den Zeitraum von der Antragstellung bis zu dem in der Sachentscheidung ausdrücklich genannten oder sich im Wege der Auslegung ergebenden Zeitpunkt; Leistungen der Jugendhilfe werden - wie Sozialhilfeleistungen - zeitabschnittsweise gewährt. Während eine Dauerbewilligung nicht in Betracht kommt und demgemäß auch Leistungen der Jugendhilfe nicht für alle Zukunft zugesprochen werden können, ist eine Bewilligung für längere Zeitabschnitte nicht ausgeschlossen, sondern im Interesse der Effektivität der Hilfegewährung in besonders gelagerten Fällen unter Umständen sogar angezeigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.6.1995 - 5 C 30/93 - FEVS 46, 94; Beschl. v. 17.6.1996 - 5 B 222/95 - juris). Bei einem Rechtsstreit um die Gewährung von Jugendhilfe kann ebenso wie im Bereich der Sozialhilfe ein Hilfeanspruch grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Jugendhilfe den Hilfefall geregelt hat. Das ist regelmäßig der Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung, sofern sich aus dem Bescheid nicht ein anderer Zeitraum ergibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.6.1996, a. a. O.; OVG NRW, Beschl. v. 24.5.2005 - 12 E 608/04 - juris). Wegen Ausschlusses des Vorverfahrens gem. § 8 a Abs. 1 Satz 1 AGVwGO, § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 1 Abs. 3 KJHG LSA stellt der Ausgangsbescheid des Antragsgegners zugleich die letzte Behördenentscheidung dar. Für nachfolgende, von der Sachentscheidung nicht erfasste Zeiträume, bedarf es einer erneuten Antragstellung durch die Antragstellerin zu 1., ohne die weder eine Behördenentscheidung noch eine einstweilige Anordnung zu ihren Gunsten ergehen kann.

Hieran gemessen ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der letzte Antrag der Antragstellerin zu 1. auf Kostenübernahme vom 15. Mai 2006 datiert (vgl. Bl. 20 d. Akte 2 A 87/06 DE) und vom Antragsgegner noch nicht in rechtsmittelfähiger Weise beschieden wurde. Der Senat hält es im vorliegenden Fall auch für angezeigt, die einstweilige Anordnung bis zu einer Sachentscheidung des Antragsgegners und nicht - wie bei zeitabschnittsweisen Leistungen üblich - auf das Ende des laufenden Bewilligungsmonats zu befristen. Zum einen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine kurzfristige Änderung in den, der rechtlichen Bewertung zugrunde liegenden Sachumständen in der Person der Antragstellerin zu 1. und ihrer Kinder; zum anderen soll dem Antragsgegner die Möglichkeit gegeben werden, einerseits zeitnah, aber ohne konkreten Termindruck eine Sachentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu treffen, um möglichst weitere vorläufige Rechtsschutzverfahren der Antragstellerin zu 1. entbehrlich zu machen.

Für den Zeitraum der Senatsentscheidung bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den letzten Antrag der Antragstellerin zu 1. auf Kostenübernahme (hier vom 15. Mai 2006) hat die Antragstellerin zu 1. auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Das Kostenübernahmebegehren der Antragsteller findet seine rechtliche Grundlage nach summarischer Prüfung in § 19 SGB VIII. Die persönliche Situation der Antragstellerin zu 1. und ihr Entwicklungspotenzial dürften zu Bejahung des Tatbestandsmerkmales des § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "solange sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen" ausreichen. Dafür sprechen die dem Gericht vorliegenden Entwicklungsberichte des SterniPark und das nervenfachärztliche Gutachten der Frau Dr. med. R. in Schleswig vom 30. Januar 2007, wie auch der Umstand, dass der Antragsgegner nicht das Entwicklungsdefizit der Antragstellerin zu 1. bestreitet, sondern sie und ihre Kinder vielmehr auf in seinem Zuständigkeitsbereich vorhandene, kostengünstigere Einrichtungen verweisen will; zwischen den Verfahrensbeteiligten ist nicht das Ob und Wie der Leistungen, sondern die von der Antragstellerin zu 1. in Ausübung ihres Wunsch- und Wahlrechtes gem. § 5 SGB VIII gewählte konkrete Einrichtung "SterniPark" in S-Stadt streitig. Nach Auffassung des Antragsgegners verursacht die Einrichtung im Vergleich zu Einrichtungen in seinem Zuständigkeitsbereich unverhältnismäßige Mehrkosten; zudem wird wegen der erneuten Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1. die Eignung zur Behandlung des Entwicklungsdefizits der Antragstellerin zu 1. angezweifelt.

Die Einwände des Antragsgegners vermögen indes nicht zu überzeugen; nach Aktenlage ist nicht feststellbar, dass der Antragsgegner das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Antragstellerin zu 1. nach § 5 SGB VIII in der gebotenen Weise beachtet. Zunächst rechtfertigt die erneute Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1. nicht die Annahme, die Einrichtung SterniPark sei fachlich zur Behandlung der festgestellten Beeinträchtigungen bei der Antragstellerin zu 1. nicht geeignet. Die Hilfe nach § 19 SGB VIII soll im Idealfall zu einem Entwicklungszustand führen, bei dem der allein sorgende Elternteil nach der erforderlichen Betreuung in einer gemeinsamen Wohnform seine Elternrolle selbständig wahrnehmen kann (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 30.11.2000 - FEVS 53, 265). Die im Gutachten der Frau Dr. R. vom 30. Januar 2007 beschriebene Persönlichkeitsstörung der Antragstellerin zu 1. lässt es nicht nahe liegend erscheinen, dass dieses Ziel kurzfristig erreichbar ist; es bestehen aber durchaus Anhaltspunkte dafür, dass das Entwicklungsdefizit der Antragstellerin zu 1. durch die Hilfsmaßnahmen des SterniParks bereits gemildert werden konnte. So führt das Gutachten von Frau Dr. R. aus:

"Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen ist sie (gemeint ist die Antragstellerin zu 1.) emotional sichtlich stabiler geworden, die Stimmungsschwankungen sind seltener, ebenso impulsive Durchbrüche. Im Umgang mit ihren Kindern ist sie sehr viel geduldiger und sicherer. Sie hat einen geregelten Tagesablauf verinnerlicht und ist verantwortungsbewusst... Um wieder die alleinige volle Verantwortung für die Kinder übernehmen zu können und nicht wieder in ein Überforderungssyndrom zu geraten, bedarf es aber noch auf absehbare Zeit des Fortbestandes eines stabilen und fachlich kompetenten Umfelds, wie es der SterniPark garantieren kann." (vgl. S. 17 d. Gutachtens, Bl. 139 Rs d. GA)

Soweit sich das Gutachten auf Aussagen der Mitarbeiterinnen des SterniParks stützt, besteht für den Senat bislang keine Veranlassung, deren Richtigkeit in Frage zu stellen.

Der Antragsgegner hat bislang auch das Entstehen unverhältnismäßiger Mehrkosten durch die von der Antragstellerin zu 1. gewählte Einrichtung nicht hinreichend plausibel gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht führt (im Beschl. v. 18.8.2003 - 5 B 14/03 - juris) zum Begriff der unverhältnismäßigen Mehrkosten i. S. des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII aus:

"Der Begriff "unverhältnismäßige Mehrkosten" in § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff und unterliegt deshalb in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der gerichtlichen Überprüfung. Dies hat der Senat (BVerwGE 64, 318 [323]) so bereits zum Tatbestandsmerkmal "angemessen" in § 3 Abs. 2 Satz 1 BSHG entschieden, wonach Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind. Zur Bedeutung des sog. Mehrkostenvorbehalts des § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG, wonach der Träger der Sozialhilfe Wünschen nicht zu entsprechen braucht, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre, hat der Senat bereits klargestellt, dass die Mehrkosten dann "unverhältnismäßig" sind, wenn die hieraus folgende Mehrbelastung des Sozialhilfehaushalts zum Gewicht der vom Hilfebedürftigen angeführten Gründe für die von ihm getroffene Wahl der Hilfemaßnahme nicht mehr im rechten Verhältnis steht, so dass die Frage nach der (Un-)Verhältnismäßigkeit wunschbedingter Mehrkosten sich nicht in einem rein rechnerischen Kostenvergleich erschöpft, sondern eine wertende Betrachtungsweise verlangt (BVerwGE 97, 110 [116]). § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG lässt sich jedenfalls hinsichtlich seiner tatbestandlichen Voraussetzungen, nämlich hinsichtlich des Merkmals "(Un-)Verhältnismäßigkeit" ohne weiteres, d. h. ohne dass diese Feststellung einem Revisionsverfahren vorzubehalten wäre, mit § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vergleichen, wonach der Wahl und den Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden soll, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.

Wird also - was angesichts der Vergleichbarkeit der betreffenden Gesetzesbestimmungen gleichfalls ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens zulässig ist - die Rechtsprechung des Senats zu § 3 Abs. 2 BSHG auf § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII übertragen, richtet sich auch im Rahmen dieser Vorschrift die Bestimmung der (Un-)Verhältnismäßigkeit von Mehrkosten nach den Umständen des Einzelfalles und ist weder allein die Höhe des Kostenunterschiedes maßgeblich noch eine "Kostenhöchstspanne" anzuerkennen, innerhalb derer ein Kostenunterschied von vornherein als verhältnismäßig zu gelten hätte."

Hieran gemessen rechtfertigt das Vorbringen des Antragsgegners über einen Kostenvergleich nicht die Annahme, die Unterbringung der Antragsteller im SterniPark verursache unverhältnismäßige Mehrkosten. Der Antragsgegner trägt vor, die Einrichtung SterniPark beziffere das Entgelt für die Mutter-Kind-Betreuung für das Jahr 2006 mit 114,00 € pro Tag für die Mutter und 35,00 € pro Tag für jedes Kind. Damit beliefen sich bei 31 Tagen pro Monat die vom Antragsgegner zu tragenden Kosten für die vom SterniPark erbrachten Leistungen auf insgesamt 6.789,00 €. Für eine Betreuung durch den SOS-Kinderdorf e. V. A-Stadt würden bei gleichen Leistungen monatliche Kosten in Höhe von 3.100,00 € anfallen, bei einer Betreuung durch KIDS e. V. A-Stadt entstünden Kosten in Höhe von 3.393,88 €.

Die Kostenberechnung des Antragsgegners für die in seinem Zuständigkeitsbereich in Betracht kommenden Vergleichseinrichtungen lässt sich indes bereits nicht ohne weiteres nachvollziehen; zudem ist für den Senat nicht feststellbar, ob diese Einrichtungen ein qualitativ gleichwertiges Leistungsangebot für die Antragsteller erbringen können, wie diese es im SterniPark erhalten oder soweit dies nicht der Fall ist, dass die Antragsteller in zumutbarer Weise auf geringwertigere Leistungen verwiesen werden können. Schließlich lässt sich nicht beurteilen, ob ein aktuelles Platzangebot tatsächlich besteht.

Ausweislich der im Verfahren 2 A 87/06 DE (mit Schriftsatz v. 12.9.2006, Bl. 65 ff. d. GA) vorgelegten Unterlagen, weist die Leistungs-/Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung zwischen dem Landkreis A-Stadt und dem SOS-Kinderdorf e. V. München (vgl. Bl. 70 ff. d. GA 2 A 87/06 DE) ein vereinbartes Entgelt über 50,00 € pro Betreuungstag aus (S. 1 d. Vereinbarung), ohne dass die Bezugsgröße genannt wird. Bei einer Berechnung pro Person ergäbe sich ein monatliches Entgelt von 6.200,00 € (50,00 € x 4 Personen x 31 Tage). Im Übrigen regelt diese Vereinbarung Leistungen nach §§ 27, 34, 35 a, 36 und 41 SGB VIII, nicht dagegen nach § 19 SGB VIII. Inwiefern der Antragsgegner den Antragstellern in der Jugendwohngruppe/Betreutes Wohnen Mutter mit Kind, N. Straße 20 - 22 oder L. Straße 6 in A-Stadt, auf die sich die Vereinbarung bezieht, einen freien Platz anbieten kann, ist ebenso offen, wie die Frage, ob die Leistungen dieser Einrichtungen mit der Einrichtung SterniPark quantitativ und qualitativ vergleichbar sind.

Die Leistungsbeschreibung des "KIDS" e. V. in A-Stadt (Bl. 74 ff. d. Akte 2 A 87/06 DE) nimmt zwar auch auf § 19 SGB VIII Bezug, weist allerdings in den Rahmenbedingungen einen eingeschränkten Platz- und Personalbestand aus (zur Verfügung stehen 2 Zimmer, 1 Küche und 1 Bad in Wiendorf; in der Einrichtung arbeiten: 1 staatlich anerkannter Erzieher - in Ausbildung zum systemischen Berater, 1 Diplomsozialpädagogin, 1 Spiel- und Lerntherapeut, 1 Diplompädagogin; vgl. S. 5 d. Leistungsbeschreibung, Bl. 78 d. GA 2 A 87/06 DE). Dass den Antragstellern hier ein vergleichbares Betreuungsangebot wie im SterniPark aktuell zur Verfügung gestellt werden kann, lässt sich bislang nicht feststellen. Soweit im Übrigen die Kosten auf 98,69 € je Platz und Tag sowie auf 10,79 € pro Kind/Tag beziffert werden, ergeben sich hieraus für 31 Tage Gesamtkosten in Höhe von 4.062,86 €. Diese sind zwar um etwa 40 % geringer als die für die Einrichtung SterniPark veranschlagten Kosten, so dass der Antragsgegner mit Mehrkosten von rund 67 % belastet würde, jedoch erscheint dies vor dem Hintergrund der erforderlichen wertenden Betrachtungsweise der individuellen Notsituation der Antragstellerin zu 1. (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2003 - 5 B 14/03 - juris; BVerwGE 97, 103; BVerwGE 97, 110) und der nicht ausreichend geklärten Frage nach der Vergleichbarkeit der Betreuungsleistungen und eines aktuellen Platzangebotes, für die Annahme unverhältnismäßiger Mehrkosten i. S. des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht ausreichend.

Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bietet im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen für die Antragstellerin zu 1. im tenorierten Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) und ist im Übrigen abzulehnen. Nach der von der Antragstellerin zu 1. eingereichten Erklärung gem. § 117 ZPO liegen auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die (Teil)Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor. Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. beruht auf § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 VwGO. Hinsichtlich der Prozesskostenhilfeanträge für das Beschwerdeverfahren ist eine Kostenentscheidung entbehrlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (vgl. § 188 Satz 2 VwGO; fehlender Kostentatbestand im GKG) und außergerichtliche Kosten des Antragsgegners gem. § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

Zurück