Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: 3 M 241/07
Rechtsgebiete: GG, LSA-SchulG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 2
LSA-SchulG § 34 Abs. 1
LSA-SchulG § 41 Abs. 1
LSA-SchulG § 41 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
1. Die Aufnahme eines Schülers oder einer Schülerin an einer allgemeinbildenden Schule, die nicht von § 41 Abs. 1 SchulG LSA erfasst wird und für die nach § 41 Abs. 2 SchulG LSA ein Schuleinzugsbereich festgelegt ist, setzt keinen Härtefall voraus; auch müssen keine zwingenden pädagogische oder sonstige - tatsächlich oder rechtlich - unabweisbare Gründe vorliegen, damit dem Wunsch auf Aufnahme zu entsprechen ist. Hingegen ist nicht jedem erdenklichen Interesse des Schülers bzw. der Schülerin oder der Eltern - namentlich nicht jedweden Erschwernissen und Unbequemlichkeiten, die mit der Beschulung im Schuleinzugsbereich verbunden sind und sich in einer Vielzahl von Fällen stellen - Rechnung zu tragen.

2. Einen besonderen Grund i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 9 SchulG LSA für die Aufnahme eines Schülers oder einer Schülerin an einem Gymnasium außerhalb des Schuleinzugsbereichs liegt regelmäßig dann vor, wenn Besonderheiten des Bildungsangebots in dem angestrebten Gymnasium es rechtfertigen, eine Position anzunehmen, die durch das Wahlrecht gem. § 34 Abs. 1 SchulG LSA - Grundgedanke, Neigungen und Eignung - geschützt ist. Eine vom Wahlrecht geschützte Position ist auch dann anzunehmen, wenn - anders als an der Schule im Schuleinzugsbereich des Wohnsitzes - an der Schule, an der die Aufnahme begehrt wird, das Unterrichtsfach Latein angeboten wird und der Schüler bzw. die Schülerin in nachvollziehbarer Weise an diesem Lehrangebot teilhaben will.


Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners, deren Überprüfung sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt, hat keinen Erfolg.

Gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gem. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 940 ZPO) glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einsteiligen Anordnung sind vorliegend erfüllt; insbesondere hat die Antragstellerin - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - auch einen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie besitzt bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anspruch gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA auf Beschulung am Roland-Gymnasium in B..

Gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - SchulG LSA - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 2005 (GVBl. S. 520), zuletzt geändert durch § 8 des Gesetzes vom 17. Februar 2006 (GVBl. S. 44) kann der Schulträger mit Zustimmung der Schulbehörde - hier dem Antragsgegner - für andere als in § 41 Abs. 1 SchulG LSA angeführten Allgemeinbildende Schulen, mithin auch Gymnasien, unter Berücksichtigung der Ziele der Schulentwicklungsplanung Schuleinzugsbereiche festlegen. Sind Schuleinzugsbereiche festgelegt, sind Schülerinnen und Schüler zur Erfüllung ihrer Schulpflicht im Regelfall auf den Besuch der Schule zu verweisen, in deren Schuleinzugsbereich sie wohnen. Zwar ist im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt für Schuleinzugsbereiche keine strikte Wohnsitzbindung geregelt, wie sie in § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA für die Schulbezirke normiert ist. Die Regelungen zur Beschulung außerhalb des Schuleinzugsbereichs gem. § 41 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 SchulG LSA und eine insoweit auf den Regelungszusammenhang gestützte, systematische Gesetzesinterpretation lässt allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass jedenfalls für den Regelfall eine Beschulung am Ort des Wohnsitzes vorgesehen und dies auch der Intention des Gesetzgebers entspricht. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass eine Beschulung außerhalb Schuleinzugsbereichs - soweit solche festgelegt sind - wie bei der strikten Wohnsitzbindung im Rahmen des § 41 Abs. 1 SchulG LSA grundsätzlich ausgeschlossen ist, soweit nicht die Ausnahmeregelung greift. Vielmehr steht der von Gesetzes wegen grundsätzlich mögliche Wechsel des Schuleinzugsbereichs bzw. eine Beschulung außerhalb des durch den Wohnsitz vorgesehenen Schuleinzugsbereichs lediglich unter dem Vorbehalt, dass die schulorganisatorischen Belange der Schule außerhalb des Schuleinzugsbereichs (z. B. Aufnahmekapazität) , in dem die Schülerin oder der Schüler wohnt, nicht derart beeinträchtigt werden, dass demgegenüber die von ihnen geltend gemachten Interessen und Belange zurücktreten müssen. Ein Genehmigungsvorbehalt mit Blick auf die (unmittelbaren) Belange der Schule im Schuleinzugsbereich, in dem die Schülerin oder der Schüler wohnt, besteht hingegen - soweit er-sichtlich - nicht. Denn über die Aufnahme an einer anderen Schule hat die Schulbehörde nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA zu entscheiden. Danach kann die Aufnahme eines Schülers oder einer Schülerin, die bzw. der nicht im Schuleinzugsbereich wohnt, (allein dann) abgelehnt werden, wenn keine "besonderen Gründe" für die Aufnahme bestehen.

Der Umstand indessen, dass das Gesetz für den Grundschul- und Sekundarbereich die Festlegung von Schulbezirken zur Pflicht macht, während es für andere Allgemeinbildende Schulen nach § 41 Abs. 2 SchulG LSA lediglich im Ermessen des Schulträgers liegt, Schuleinzugsbereiche zu bestimmen, und der Umstand, dass die Beschulung außerhalb des Grund- und Sekundärschulbereichs besonders beantragt und insoweit eine "Ausnahme" erteilt werden muss, während bei anderen Allgemeinbildenden Schulen eine Beschulung nur verweigert werden darf, wenn hierfür keine besonderen Gründe bestehen, führt in beiden Fallgruppen zu unterschiedlichen Grundsätzen bei der Entscheidung über Abweichungen von den festgelegten Schulbezirken bzw. Schuleinzugsbereichen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 8.8.2001 - 2 M 225/01 - Juris). Da schulorganisatorische Gründe im Grund- und Sekundarschulbereich grundsätzlich den Vorrang haben, verlangt die Erteilung einer "Ausnahme" gem. § 41 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA, dass im konkreten Einzelfall gewichtige Gründe dafür bestehen, wenn von der Beschulung im Schulbezirk abgesehen wird. D. h. ein Festhalten an der Wohnsitzbindung muss sich für die Betroffenen als unzumutbar erweisen und sich die Ablehnung für die Betroffenen als "Härte" darstellen (in diesem Sinne bereits: Beschl. v. 8.8.2001, a. a. O.; Beschl. v. 31.8.2007 - 3 M 224/07 -; s. auch OVG LSA, Beschl. v. 3.8.1999 - B 2 S 315/99 -). Demgegenüber verlangt der "besondere Grund" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA ein Weniger. Die Aufnahme eines Schülers oder einer Schülerin in eine andere, Allgemeinbildende Schule, die nicht von § 41 Abs. 1 SchulG LSA erfasst wird und für die nach § 41 Abs. 2 SchulG LSA ein Schuleinzugsbereich festgelegt ist, setzt im Gegensatz zu Absatz 1 a. a. O. keinen Härtefall voraus; auch müssen keine zwingenden pädagogischen oder sonstigen - rechtlich oder tatsächlich - unabweisbaren Gründe (z. B. Teilnahme am Religionsunterricht) vorliegen, damit dem Wunsch auf Aufnahme an einer anderen Allgemeinbildenden Schule zu entsprechen ist (vgl. u. a. auch VG MD, Beschl. v. 16.7.2001 - 5 B 372/01 MD -). Hingegen ist nicht jedem erdenklichen Interesse und Belang des Schülers bzw. der Schülerin oder dessen/deren Eltern - namentlich auch nicht jedweden Erschwernissen und Unbequemlichkeiten, die mit der Beschulung im Schuleinzugsbereich verbunden sind und sich in einer Vielzahl von Fällen stellen - Rechnung zu tragen.

Die Voraussetzungen für eine Aufnahme an einer anderen Allgemeinbildenden Schule gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA sind allerdings regelmäßig dann erfüllt, wenn Besonderheiten des Bildungsangebotes in dem angestrebten Gymnasium es rechtfertigen, eine Position anzunehmen, die durch das Wahlrecht des § 34 Abs. 1 SchulG LSA - Grundgedanke "Neigungen und Fähigkeiten" - geschützt ist. Dabei ist maßgeblich auf die Wünsche und das Wohl des Kindes sowie auf die Gründe in der Person der Eltern abzustellen, welche als Erziehungsberechtigte durch die Verfassung besonders geschützt werden (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 3.8.1999, a. a. O.; Beschl. v. 8.8.2001 a. a. O. m. w. Nachw.). Zum Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und zu dem daraus resultierenden Wahlrecht hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 6. Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 u. 95/71 - (NJW 1973, 133) u. a. ausgeführt:

"Der Staat darf daher durch schulorganisatorische Maßnahmen nie den ganzen Werdegang des Kindes regeln wollen. Seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage der Ergebnisse der Bildungsforschung bildungspolitische Entscheidungen zu treffen und im Rahmen seiner finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten ein Schulsystem bereitzustellen, das den verschiedenen Begabungsrichtungen Raum zur Entfaltung lässt, sich aber von jeder "Bewirtschaftung des Begabungspotentials" freihält. ... Die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Kindes hat das GG zunächst den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes belassen. Damit wird jedenfalls dem Grundsatz nach berücksichtigt, dass sich das Leben des Kindes nicht nur nach seiner ohnehin von den Umweltfaktoren weitgehend geprägten Bildungsfähigkeit und seinen Leistungsmöglichkeiten gestaltet, sondern dass hierfür auch die Interesse und Sozialvorstellungen der Familie von großer Bedeutung sind. Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben betriebenen Bestenauslese vielleicht vermieden werden könnten. Dieses Bestimmungsrecht der Eltern umfasst auch die Befugnis, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg in der Schule frei zu wählen (BVerfGE 5, 153, 157 = NJW 58, 232; BVerwGE 5, 164, 165 = NJW 58, 235; BVerwGE 18, 40, 42)."

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat das elterliche Bestimmungsrecht auch keineswegs regelmäßig zurückzustehen gegenüber den schulorganisatorischen Entscheidungen, soweit sie die im Schulentwicklungsplan erfolgten Festlegungen des Schulträgers hinsichtlich der Schuleinzugsbereiche und das hiermit (teilweise) einhergehende unterschiedliche Bildungsangebot, die mit der jeweiligen Schule verbundene pädagogische Ausrichtung und die Festlegungen des Ausbildungsganges betrifft. Zwar weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass das nach § 34 Abs. 1 SchulG LSA gewährte Wahlrecht nicht uneingeschränkt gilt, sondern nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Schulformen und Bildungsgänge und nur innerhalb der bestehenden Regelungen des Bildungsweges, wozu auch die Regelung des § 41 Abs. 2 SchulG LSA über die Festlegung der Schuleinzugsbereiche gehört. D. h. der elterlichen Bestimmung grundsätzlich entzogen ist neben der Entscheidung über die organisatorische Gliederung und Gestaltung des Schulsystems auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele sowie die Bestimmung des Unterrichtsstoffes (vgl. BVerfGE 34, 165 (182); 45, 400 8415); 53, 185 (196); BVerwGE 47, 194 (198); 64, 308 ff.). Durch das staatliche Gestaltungsrecht wird das Recht der Eltern, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg zu wählen, vielmehr begrenzt (BVerfG 34, 165 (184); BVerwGE 5, 153 (157); 64, 308 ff.). Die Abgrenzung, wie weit das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Elternrecht und das Wahlrecht der Erziehungsberechtigten gem. § 34 SchulG LSA, welches die Wahl zwischen den zur Verfügung stehenden Schulformen und den Bildungsgängen garantiert, durch die vorhandenen staatlichen (gesetzlichen) Regelungen der Bildungswege bzw. im Hinblick auf Festlegungen im Schulentwicklungsplan dabei reichen, mag sich dabei im Einzelfall schwierig gestalten. Dies dürfte auch für die Beantwortung der Frage gelten, ob bei einer besonderen Schwerpunktbildung innerhalb einer "Schulform" bzw. bei einem eigenständigen Bildungsangebot bereits von einem (selbständigen) "Bildungsgang" gesprochen werden kann, namentlich ob es insoweit neben der Schwerpunktbildung im Leistungsangebot notwendigerweise einer (typbegründenden) Eigenständigkeit der Ausbildungsstätte (z. B. humanistisches [altsprachliches] Gymnasium) und/oder sogar besonderen Gestaltung des Abschlusses bedarf. Letztlich kann dies hier aber auf sich beruhen. Denn in jedem Fall hat der Staat im schulischen Bereich die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung ihrer Kinder zu achten (vgl. BVerfGE 34, 165 (183); 47, 46 (73); BVerwGE 64, 308 ff.). D. h. er darf diesen Gesamtplan nicht unterlaufen und das Wahlrecht der Eltern nicht mehr als notwendig begrenzen (BVerfGE 34, 165 (185); 45, 400 (415 f.); BVerwGE 64, 308 ff.). Diesem Anspruch wird gerade durch die Regelung gem. § 41 Abs. 2 SchulG LSA - und speziell durch die als Ermessensvorschrift ausgestaltete und mit einem eng begrenzten Vorbehalt ("wenn keine besonderen Gründe für die Aufnahme bestehen") versehene Regelung gem. Satz 2 a. a. O. - Rechnung getragen. D. h. bei der Ermessensentscheidung über die Beschulung eines außerhalb des Schuleinzugsbereichs wohnhaften Kindes sind neben den Zielen des Schulentwicklungsplanes, mithin organisatorischen Erwägungen wie der Sicherung einer gleichmäßigen Schulauslastung, die Interessen und Vorstellungen der Eltern in der gebotenen Weise zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu - insbesondere auch unter Darlegung der im Hinblick auf die schulorganisatorischen Belange erforderlichen Güterabwägung - in der bereits zuvor zitierten Entscheidung vom 6. Dezember 1972 (a. a. O.) ausgeführt:

"Auch soweit es sich um den Besuch der Schulklassen 5 und 6 an weiterführenden öffentlichen Schulen außerhalb des Schulbezirks handelt, gebührt dem Elternrecht der Vorzug. Die behaupteten organisatorischen Schwierigkeiten können nicht als so schwerwiegend anerkannt werden, dass das Elternrecht zurücktreten müsste. Da lediglich die Aufnahme in schon bestehende auswärtige Schulen nach Maßgabe der vorhandenen Kapazitäten in Betracht kommt und umgekehrt gemäß § 2 Abs. 3 (Hess.)SchVG die Zulassung auswärtiger Schüler zur Förderstufe nicht verwehrt wird, kann allenfalls - vor allem in Grenzgebieten zwischen Schulbezirken mit verschiedenen Schulsystemen - eine gewisse Fluktuation entstehen. Es muss der Schulverwaltung zugemutet werden, dadurch bedingte Schwierigkeiten mit geeigneten organisatorischen Mitteln aufzufangen."

Der Senat lässt im vorliegenden Fall zunächst dahingestellt, ob der Schulträger, zu dem das Roland-Gymnasium in B. gehört, mit Zustimmung der Schulbehörde unter Berücksichtigung der Ziele des Schulentwicklungsplans Schuleinzugsbereiche festgelegt hat (§ 41 Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA). Nach Aktenlage lässt sich dies nicht verlässlich feststellen. Der im angefochtenen Bescheid des Antragsgegners vom 22. Mai 2007 erfolgte Hinweis, dass der Landkreis Jerichower Land als Schulträger - offenbar für das Europa-Gymnasium G. - einen Schuleinzugsbereich festgelegt hat, ist indessen ohne rechtliche Bedeutung, weil nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 Satz 3 SchulG LSA allein auf die Festlegung eines Schuleinzugsbereichs für das Roland-Gymnasium in B. abzustellen ist und ohne eine solche Festlegung für den genannten Schulstandort eine Entscheidung des Antragsgegners über die Aufnahme der Antragstellerin an dieser Schule entbehrlich sein dürfte. Letztlich mag dies aber auf sich beruhen, da es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt.

Denn in Anlegung der vorgenannten Maßstäbe liegen im Hinblick auf die von der Antragstellerin bzw. ihren Eltern angeführten Gründe für die Beschulung am Roland-Gymnasium in B. "besondere Gründe" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA vor. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eine durch das Wahlrecht des § 34 SchulG LSA geschützte Position der Antragstellerin und ihrer Eltern angenommen, weil am Roland-Gymnasium in B. - anders als am Europa-Gymnasium in G. - das Unterrichtsfach Latein angeboten wird und die Antragstellerin an diesem Lehrangebot teilhaben will. Dabei geht der Senat bei summarischer Prüfung davon aus, dass der Wunsch der Eltern, die Antragstellerin die lateinische Sprache erlernen zu lassen, auch tatsächlich den Neigungen und Fähigkeiten der Antragstellerin entspricht; Anhaltspunkte dafür, dass der Wunsch der Eltern und der Antragstellerin nicht ernsthaft oder nur vorgeschoben sind, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Eltern der Antragstellerin haben vielmehr - wie im angefochtenen Beschluss bereits ausgeführt - mit eidesstattlicher Versicherung vom 15. Juni 2007 glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin Freude an Sprachen und am Kommunizieren hat und dass sie sich nach elterlicher Einschätzung für das Fach Latein in besonderer Weise eignet. Diese Einschätzung deckt sich mit der Bewertung ihrer schulischen Leistungen, wie sie in den von der Antragstellerin zur Gerichtsakte gereichten Schulzeugnissen der Grundschule Schloss M. ausgewiesen werden (Bl. 137 f. d. GA.).

Soweit die Eltern der Antragsstellerin ferner geltend machen, die lateinische Sprache stelle ein wesentliches Element der Bildung dar und mit dem Erlernen der Sprache würden besondere Fähigkeiten herausgebildet wie etwa in Bezug auf das Erlernen anderer (romanischer) Fremdsprachen, das Erkennen von systematischen Zusammenhängen sowie eine Steigerung der Ausdrucksfähigkeit beim Gebrauch der (deutschen) Muttersprache, rechtfertigen auch diese Erwägungen und Vorstellungen der Eltern im vorliegenden Fall die Annahme eines besonderen Grundes. Dabei kommt es letztlich nicht entscheidend darauf an, ob insoweit in bildungspolitischer und/oder pädagogischer Hinsicht ein Konsens besteht und ob sich für die Einschätzung der Eltern Belege anführen lassen. Denn auch dann, wenn - wie der Antragsgegner behauptet - hierüber unterschiedliche Auffassungen bestehen, ist jedenfalls den genannten Vorstellungen und Wünschen der Eltern im Hinblick auf das Wahlrecht und ihre primäre Entscheidungszuständigkeit Rechnung zu tragen. Etwas anderes dürfte allenfalls dann zu gelten haben, wenn die für die Beschulung im maßgeblichen Schuleinzugsbereich geltend gemachten bildungspolitischen, pädagogischen oder sonstigen Erwägungen der Eltern jeder Grundlage entbehren würden oder nicht dem Wohl des Kindes dienen. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Soweit der Antragsgegner Kritik am Altphilologenverband übt und meint, es dürfe insoweit nicht den "alten Zöpfen" nachgetrauert werden, führt er hiermit (eigene) bildungspolitische Erwägungen an, welche ihm bei der Entscheidung über die Beschulung gem. § 41 Abs. 2 SchluG LSA von Gesetzes wegen nicht zugewiesen sind und welche auch mit dem Schulentwicklungsplan als Ordnungsprinzip zur Sicherung einer gleichmäßigen Schulauslastung in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen. Aus den genannten Gründen sind die Einwände des Antragsgegners nicht geeignet, das Wahlrecht der Eltern und des Kindes zu verdrängen. Ließen sich im Übrigen - wie der Antragsgegner offenbar meint - keine nachvollziehbaren Gründe für das Erlernen der lateinischen Sprache anführen, wäre nicht nachvollziehbar, dass im Schuleinzugsbereich B. eine Schule mit dem Lehrfach Latein vorgehalten wird.

Für die Annahme eines besonderen Grundes dürfte darüber hinaus auch der von der Antragstellerin bzw. ihren Eltern angeführte Umstand sprechen, dass zumindest gegenwärtig und bis auf Weiteres das (Große / Kleine) Latinum an deutschen Hochschulen für bestimmte Studiengänge verlangt wird. Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung (Schriftsatz vom 29. Juni 2007) insoweit selbst eingeräumt, dass die lateinische Sprache für viele Studiengänge vorteilhaft ist und in einigen Fällen auch als Vorbildung verlangt wird. Im Hinblick hierauf kann vernachlässigt werden, wenn der Antragsgegner mit der Beschwerdeschrift anführt, dass Latein in vielen europäischen Ländern nicht Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist und die lateinische Sprache im Hinblick auf den "Bologna-Prozess" auch an den deutschen Hochschulen an Bedeutung verlieren werde. Es kommt hinzu, dass dem in Rede stehenden Bildungsangebot auch unabhängig von der beabsichtigten Aufnahme eines Studiums, für welches lateinische Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden, eine eigenständige Bedeutung beizumessen sein dürfte.

Nicht durchzudringen vermag der Antragsgegner ferner mit seinem Einwand, dass die lateinische Sprache auch auf anderem Wege erlernt werden könne. Der Verweis auf alternative Lehrangebote, namentlich solche privater Anbieter, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Da eine solche Möglichkeit für sämtliche Unterrichtsfächer bestehen dürfte, könnte der Schüler bzw. die Schülerin regelmäßig hierauf verwiesen werden, so dass das Wahlrecht gem. § 34 SchulG LSA gleichsam leer liefe. Auch verkennt der Antragsgegner, dass es vorliegend um das Wahlrecht im Rahmen des staatlichen Bildungsangebots geht.

Eine andere rechtliche Bewertung rechtfertigt sich des Weiteren auch nicht im Hinblick auf die vom Antragsgegner erhobenen Einwände, es sei noch ungewiss, ob im Jahre 2009/10 der Lateinunterricht am Roland-Gymnasium in B. tatsächlich stattfinden könne, weil die Latein-Lehrerin bis dahin die Schule womöglich verlassen habe, ferner könne derzeit noch keine Garantie dafür übernommen werden, dass sich die Antragstellerin dann tatsächlich für das Fach Latein entscheide und derzeit stehe auch noch nicht fest, ob die Antragstellerin später einmal ein Studium aufnehme, für welches das (Kleine oder Große) Latinum Voraussetzung sei. Auch auf diese vom Antragsgegner angeführten Erwägungen und Bedenken kommt es letztlich nicht entscheidend an, weil es sich hierbei - in der Natur der Sache liegend - um in der Zukunft liegende ungewisse Ereignisse handelt, von denen der Anspruch auf Aufnahme an der Schule in B. nicht abhängig gemacht werden kann.

Soweit der Antragsgegner in seiner Beschwerdeschrift schließlich auf den Beschluss des 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 8. August 2001 (a. a. O.) verweist und anführt, in der genannten Entscheidung sei nicht als "besonderer Grund" anerkannt worden, dass an dem Gymnasium, an welchem der Schüler die Aufnahme begehrte, das Fach "Informatik" angeboten worden sei, vermag er hiermit nicht durchzudringen. Aus den Gründen des Beschlusses geht unzweideutig hervor, dass auch an dem Gymnasium, dem der Schüler zugeordnet war, das Unterrichtsfach "Medienwelt/Informatik" angeboten wurde und zwar auch "in (einem) vergleichbaren Umfang bei vergleichbarer Ausstattung". Im vorliegenden Fall verhält es sich indes - wie bereits erwähnt - anders; an dem Europa-Gymnasium in G. wird das Fach "Latein" nicht unterrichtet, während dies an dem Roland-Gymnasium in B. der Fall ist.

Dass gewichtige Gründe der Schulorganisation der Beschulung der Antragstellerin am Roland-Gymnasium in B. entgegenstehen und dadurch das der Schaffung von Schuleinzugsbereichen zugrunde liegende Ordnungsprinzip in erheblicher Weise entwertet würde, ist hingegen weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die Überlegung, dass sich auch andere Eltern auf die von der Antragstellerin bzw. ihren Eltern geltend gemachten Gründe berufen könnten, vermag als solche nicht schon die Annahme zu begründen, die mit der Aufnahme der Antragstellerin am Roland-Gymnasium in B. bedingten Schwierigkeiten seien nicht mit geeigneten organisatorischen Mitteln aufzufangen. Hierfür fehlt es an einem hinreichend substantiierten Vortrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der Senat eine Reduzierung des Streitwertes für das vorläufige Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf die faktische Vorwegnahme der Hauptsache nicht als angemessen erachtet (vgl. Ziff. 1.5 Satz 2 d. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 - abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. Anh. § 164).

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück