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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 30.12.2008
Aktenzeichen: 3 M 554/08
Rechtsgebiete: GG, LSA-SchulG


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 2 S. 1
LSA-SchulG § 34
LSA-SchulG § 41 Abs. 1
LSA-SchulG § 41 Abs. 2
LSA-SchulG § 70 Abs. 2
1. Zum Anspruch auf Beschulung an einer Schule im Schuleinzugsbereich eines anderen (nicht den Schuleinzugsbereich des Wohnsitzes betreffenden) Schulträgers gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA.

2. Zum Vorliegen von "besonderen Gründen" wegen Besonderheiten eines Bildungsangebotes (bilingualer Fachunterricht) gem. § 41 Abs. Satz 2 SchulG LSA.


Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners, deren Überprüfung sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt, hat keinen Erfolg.

Gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gem. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 940 ZPO) glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einsteiligen Anordnung sind vorliegend erfüllt; insbesondere hat der Antragsteller - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - auch einen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er besitzt bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anspruch gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA auf Beschulung am Gymnasium "..." in A. im Landkreis S..

Gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - SchulG LSA - in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 15. Juli 2008 (GVBl. S. 280), kann der Schulträger mit Zustimmung der Schulbehörde - hier dem Antragsgegner - für andere als in § 41 Abs. 1 SchulG LSA angeführten allgemeinbildende Schulen, mithin auch Gymnasien, unter Berücksichtigung der Ziele der Schulentwicklungsplanung Schuleinzugsbereiche festlegen. Sind Schuleinzugsbereiche festgelegt, sind Schülerinnen und Schüler zur Erfüllung ihrer Schulpflicht im Regelfall auf den Besuch der Schule zu verweisen, in deren Schuleinzugsbereich sie wohnen. Für diese Annahme sprechen jedenfalls die speziellen Regelungen für den Fall einer Beschulung außerhalb des Schuleinzugsbereichs gem. § 41 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 SchulG LSA sowie eine auf den Regelungszusammenhang gestützte, systematische Gesetzesinterpretation (vgl. Beschluss d. Senats v. 20.11.2007 - 3 M 241/07 -).

Gleichwohl ist die Schülerin oder der Schüler keineswegs grundsätzlich, geschweige denn ausnahmslos auf die Beschulung in dem Schuleinzugsbereich ihres bzw. seines Wohnsitzes zu verweisen. Maßgeblich ist insoweit auf die Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA abzustellen, wonach die Aufnahme eines Schülers, der nicht im Schuleinzugsbereich wohnt, "abgelehnt werden kann, wenn keine besonderen Gründe für die Aufnahme (an einer anderen, nicht im Schuleinzugsbereich belegenen Schule) bestehen". D. h. im Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ist hinsichtlich der für die Beschulung an allgemeinbildenden Schulen vom Schulträger vorgesehenen Schuleinzugsbereiche keine strikte Wohnsitzbindung geregelt, wie sie etwa in § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA (mit Ausnahme von Härtefällen) für die Schulbezirke normiert ist. Mit der Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA wird vielmehr unter Zurückstellung der schulorganisatorischen Belange dem Wunsch- und Wahlrecht der Schülerin und des Schülers bzw. der Eltern (§ 34 SchulG) von Gesetzes wegen der Vorrang eingeräumt mit der Maßgabe, dass bei Vorliegen besonderer Gründe (für die Aufnahme an der anderen Schule) dem Begehren hinsichtlich eines Wechsels in einen anderen Schuleinzugsbereich entsprochen werden muss, ohne dass noch ein Raum für Ermessenserwägungen verbleibt.

Eine andere rechtliche Bewertung hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Wechsel des Schuleinzugsbereichs ist auch dann nicht veranlasst, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die andere (allgemeinbildende) Schule nicht im Zuständigkeitsbereich desselben Schulträgers befindet, sondern mit der Beschulung an der gewünschte Ausbildungsstätte zugleich ein Wechsel des zuständigen Schulträgers einhergeht, mithin ein "grenzüberschreitender" Wechsel an eine Schule im Zuständigkeitsbereich eines anderen Landkreises oder einer anderen kreisfreien Stadt begehrt wird. Denn insoweit macht § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA keinen Unterschied. Abweichendes folgt auch nicht aus § 66 SchulG LSA. Die genannte Vorschrift, welche Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Schulträgern und Anordnungen der Schulbehörde über die Aufnahme von auswärtigen Schülerinnen und Schülern zum Gegenstand hat, verdeutlicht vielmehr, dass ein Wechsel des Schulträgers ebenfalls möglich ist, auch wenn gem. § 70 Abs. 2 SchulG LSA der jeweilige Schulträger bei Aufnahme von auswärtigen Schülern in eine Schule der Sekundarstufe I oder II von den für die auswärtigen Schülerinnen und Schülern zuständigen Schulträgern einen kostendeckenden Beitrag verlangen kann, sofern - was hier nicht der Fall ist - die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen den Schulträgern oder einer Anordnung der Schulbehörde gem. § 66 Abs. 2 bzw. Abs. 4 SchulG LSA beruht. Nach allem bleibt festzustellen, dass in Ermangelung einer anderslautenden Vorschrift im Schulgesetz sich das Antragsbegehren des Antragstellers allein nach § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA bemisst. Danach ist dem Antrag auf Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers an einer anderen Schule auch in einem anderen Schuleinzugsbereich stattzugeben, wenn "besondere Gründe" für die Aufnahme bestehen, während ohne solche besonderen Gründe über das Begehren der Schülerin oder des Schülers bzw. deren Eltern von der Schulbehörde in Ausübung des ihr insoweit eingeräumten Ermessens zu entscheiden ist.

Im Hinblick auf die bestehenden unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Erteilung von Ausnahmen vom festgelegten Schulbezirk gem. § 41 Absatz 1 SchulG LSA und dem Schuleinzugsbereich gem. § 41 Absatz 2 SchulG LSA gelangen in beiden Fallgruppen bei der Entscheidung über entsprechende Anträge unterschiedliche Maßstäbe zur Anwendung. Da schulorganisatorische Gründe im Grund- und Sekundarschulbereich von Gesetzes wegen grundsätzlich der Vorrang einzuräumen ist, verlangt die Erteilung einer "Ausnahme" gem. § 41 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA, dass im konkreten Einzelfall gewichtige Gründe dafür bestehen, wenn von der Beschulung im Schulbezirk abgesehen wird. D. h. ein Festhalten an der Wohnsitzbindung muss sich für die Betroffenen als unzumutbar erweisen und sich die Ablehnung für die Betroffenen als "Härte" darstellen (in diesem Sinne bereits: OVG LSA, Beschl. v. 08.08.2001, - 2 M 225/01 -; Beschl. v. 31.08.2007 - 3 M 224/07 -; s. auch OVG LSA, Beschl. v. 03.08.1999 - B 2 S 315/99 -). Demgegenüber verlangt der "besondere Grund" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA ein Weniger. Die Aufnahme eines Schülers oder einer Schülerin in eine andere allgemeinbildende Schule, die nicht von § 41 Abs. 1 SchulG LSA erfasst wird und für die nach § 41 Abs. 2 SchulG LSA Schuleinzugsbereiche festgelegt sind, setzt im Gegensatz zu Absatz 1 a. a. O. keinen Härtefall voraus; auch müssen keine zwingenden pädagogischen oder sonstigen - rechtlich oder tatsächlich - unabweisbaren Gründe (z. B. Teilnahme am Religionsunterricht) vorliegen, damit dem Wunsch auf Aufnahme an einer anderen allgemeinbildenden Schulen zu entsprechen ist (Beschl. d. Senats v. 31.08.2007 a. a. O.; vgl. u. a. auch VG MD, Beschl. v. 16.07.2001 - 5 B 372/01 MD -). Hingegen ist auch im Rahmen der "besonderen Gründe" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA nicht jedem erdenklichen Interesse und Belang des Schülers oder dessen Eltern - namentlich auch nicht jedweden Erschwernissen und Unbequemlichkeiten, die mit der Beschulung im Schuleinzugsbereich verbunden sind und sich in einer Vielzahl von Fällen stellen - Rechnung zu tragen.

Als rechtlich abwegig erweist sich hingegen die Auffassung des Antragsgegners, es sei in Fällen der vorliegenden Art - mithin bei einer bezogen auf den Schulträger "grenzüberschreitenden" Beschulung - eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG geboten und es sei bei der entsprechenden Anwendung der genannten Vorschrift - abweichend von den ansonsten geltenden Maßstäben - in Anlehnung an die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA für die Erteilung einer Ausnahme bzw. das Vorliegen eines besonderen Grundes "zwingende Gründe in Form einer besonderen oder pädagogischen Härte" erforderlich. Für eine solche Analogie besteht bereits mangels Bestehen einer Regelungslücke keine Notwendigkeit; unabhängig hiervon würde sich auch bei einer Regelungslücke im Gesetz und einer Heranziehung des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA im Wege der Analogie der Austausch der gesetzlich normierten Anforderungen bzw. der Rückgriff auf die Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA aus rechtsdogmatischen Gründen als unzulässig erweisen.

Gelangt indessen die Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA zur Anwendung, sind - wie in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 20. November 2007 (a. a. O.) im Einzelnen ausgeführt worden ist - für die Entscheidung über das Vorliegen "besonderer Gründe" folgende Maßstäbe anzulegen:

Die Voraussetzungen für eine Aufnahme an einer anderen allgemeinbildenden Schule gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA sind regelmäßig bereits dann erfüllt, wenn Besonderheiten des Bildungsangebotes in dem angestrebten Gymnasium es rechtfertigen, eine Position anzunehmen, welche durch das Wahlrecht des § 34 Abs. 1 SchulG LSA - Grundgedanke "Neigungen und Fähigkeiten" - geschützt ist. Dabei ist maßgeblich sowohl auf die Wünsche als auch das Wohl des Kindes sowie auf die Gründe in der Person der Eltern abzustellen, welche als Erziehungsberechtigte durch die Verfassung besonders geschützt werden (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 03.08.1999, a. a. O.; Beschl. v. 08.08.2001, a. a. O., m. w. Nachw.). Zwar trifft es zu, dass das nach § 34 Abs. 1 SchulG LSA gewährte Wahlrecht nicht uneingeschränkt gilt, sondern nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Schulformen und Bildungsgänge und nur innerhalb der bestehenden Regelungen des Bildungsweges, wozu auch die Regelung des § 41 Abs. 2 SchulG LSA über die Festlegung der Schuleinzugsbereiche gehört. D. h. der elterlichen Bestimmung grundsätzlich entzogen ist neben der Entscheidung über die organisatorische Gliederung und Gestaltung des Schulsystems auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele sowie die Bestimmung des Unterrichtsstoffes (vgl. BVerfGE 34, 165 (182); 45, 400 (415); 53, 185 (196); BVerwGE 47, 194 (198); 64, 308 ff.). Durch das staatliche Gestaltungsrecht wird das Recht der Eltern, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg zu wählen, insoweit begrenzt (BVerfGE 34, 165 (184); BVerwGE 5, 153 (157); 64, 308 ff.). Die Abgrenzung, wie weit das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Elternrecht und das Wahlrecht der Erziehungsberechtigten gem. § 34 SchulG LSA, welches die Wahl zwischen den zur Verfügung stehenden Schulformen und den Bildungsgängen garantiert, durch die vorhandenen staatlichen (gesetzlichen) Regelungen der Bildungswege bzw. im Hinblick auf Festlegungen im Schulentwicklungsplan dabei reichen, mag sich dabei im Einzelfall schwierig gestalten. Dies dürfte auch für die Beantwortung der Frage gelten, ob bei einer besonderen Schwerpunktbildung innerhalb einer "Schulform" bzw. bei einem eigenständigen Bildungsangebot bereits von einem (selbständigen) "Bildungsgang" gesprochen werden kann, namentlich ob es insoweit neben der Schwerpunktbildung bzw. fachlichen Ausrichtung im Leistungsangebot notwendigerweise einer (typbegründenden) Eigenständigkeit der Ausbildungsstätte (z. B. humanistisches/na-turwissenschaftliches Gymnasium) oder besonderen Gestaltung des Abschlusses bedarf. Letztlich kann dies hier aber auf sich beruhen. Denn jedenfalls ist hier davon auszugehen sein, dass es sich bei einer Schule mit einem bilingualen (Fach-)Unterricht um eine Ausbildungsstätte mit einer (typbegründenden) Eigenständigkeit und mit einer speziellen Ausrichtung des Ausbildungsangebots handelt. Als solche kommt sie einem selbständigen Bildungsgang gleich mit der Folge, dass der Wunsch der Schülerin bzw. Schülers und/oder der Eltern, an diesem Bildungsangebot teilzuhaben, vom Wahlrecht gem. § 34 SchulG LSA gedeckt ist.

In Anlegung der vorgenannten Maßstäbe liegen somit im Hinblick auf die vom Antragsteller angeführten Gründe für die Beschulung am Gymnasium "..." in A. im S. "besondere Gründe" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA vor. D. h. das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall zu Recht eine durch das Wahlrecht des § 34 SchulG LSA geschützte Position des Antragstellers und seiner Eltern angenommen, weil am Gymnasium "..." in A. - anders als am Gymnasium "A." in H. - ein bilingualer Unterricht angeboten wird und der Antragsteller an diesem Lehrangebot teilhaben will. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts davon aus, dass der Wunsch des Antragstellers und seiner Eltern, Fachunterricht fremdsprachig in Englisch erteilt zu bekommen, auch tatsächlich den Neigungen und Fähigkeiten des Antragstellers entspricht. Anhaltspunkte dafür, dass der Wunsch der Eltern und des Antragstellers nicht ernsthaft oder nur vorgeschoben sind, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Antragsteller hat im Fach Englisch ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Schullaufbahnempfehlung der Grundschule die Note "sehr gut" erhalten. (Bl. 8 d. GA.). Dem Begehren des Antragstellers war nach allem schon aus den dargelegten Gründen zu entsprechen.

Nach allem bleibt lediglich ergänzend anzumerken, dass auch dann, wenn nicht vom Vorliegen eines "besonderen Grundes" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA ausgegangen werden könnte und für den Antragsgegner bei seiner Entscheidung im Rahmen der genannten Vorschrift ein Ermessensspielraum eröffnet wäre, dem Begehren des Antragstellers aller Voraussicht nach zu entsprechen wäre.

Denn selbst dann, wenn keine "besonderen Gründe" für einen Wechsel des Schuleinzugsbereichs vorliegen, haben die Interessen und Belange der Schülerinnen und Schüler bzw. ihrer Eltern im Hinblick auf das bestehende Wunsch- und Wahlrecht gegenüber den schulorganisatorischen Belange des Schulträgers nicht per se zurückzustehen; vielmehr ist in diesen Fällen aufgrund des dann eröffneten Ermessens gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA eine Abwägung der widerstreitenden schulorganisatorischen Belange des Schulträgers und der Interessen und Belange des Schülers oder der Schülerin und ihrer Eltern vorzunehmen. Dabei hat der Staat auch im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung insbesondere die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der schulischen Erziehung ihrer Kinder zu achten (vgl. BVerfGE 34, 165 (183); 47, 46 (73); BVerwGE 64, 308 ff.). D. h. er darf diesen Gesamtplan nicht unterlaufen und das Wahlrecht der Eltern nicht mehr als notwendig begrenzen (BVerfGE 34, 165 (185); 45, 400 (415 f.); BVerwGE 64, 308 ff.).). Das Bundesverfassungsgericht hat - wie hier nochmals hervorgehoben sei - mit Urteil vom 6. Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 u. 95/71 - (NJW 1973, 133) zum Elternrecht gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und zu dem daraus resultierenden Wahlrecht ausgeführt:

"Der Staat darf daher durch schulorganisatorische Maßnahmen nie den ganzen Werdegang des Kindes regeln wollen. Seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage der Ergebnisse der Bildungsforschung bildungspolitische Entscheidungen zu treffen und im Rahmen seiner finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten ein Schulsystem bereitzustellen, das den verschiedenen Begabungsrichtungen Raum zur Entfaltung lässt, sich aber von jeder "Bewirtschaftung des Begabungspotentials" freihält. ... Die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Kindes hat das GG zunächst den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes belassen. Damit wird jedenfalls dem Grundsatz nach berücksichtigt, dass sich das Leben des Kindes nicht nur nach seiner ohnehin von den Umweltfaktoren weitgehend geprägten Bildungsfähigkeit und seinen Leistungsmöglichkeiten gestaltet, sondern dass hierfür auch die Interessen und Sozialvorstellungen der Familie von großer Bedeutung sind. Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben betriebenen Bestenauslese vielleicht vermieden werden könnten. Dieses Bestimmungs-recht der Eltern umfasst auch die Befugnis, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg in der Schule frei zu wählen (BVerfGE 5, 153, 157 = NJW 1958, 232; BVerwGE 5, 164, 165 = NJW 1958, 235; BVerwGE 18, 40, 42)."

Diesem Anspruch wird gerade durch die Regelung gem. § 41 Abs. 2 SchulG LSA Rechnung getragen. D. h. bei der Ermessensentscheidung über die Beschulung eines Kindes außerhalb des Schuleinzugsbereichs sind neben den Zielen des Schulentwicklungsplanes, mithin organisatorischen Erwägungen wie der Sicherung einer gleichmäßigen Schulauslastung, die Interessen und Vorstellungen der Eltern in der gebotenen Weise zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu - insbesondere auch unter Darlegung der im Hinblick auf die schulorganisatorischen Belange erforderlichen Güterabwägung - in der bereits zuvor zitierten Entscheidung vom 6. Dezember 1972 (a. a. O.) ergänzend ausgeführt:

"Auch soweit es sich um den Besuch der Schulklassen 5 und 6 an weiterführenden öffentlichen Schulen außerhalb des Schulbezirks handelt, gebührt dem Elternrecht der Vorzug. Die behaupteten organisatorischen Schwierigkeiten können nicht als so schwerwiegend anerkannt werden, dass das Elternrecht zurücktreten müsste. Da lediglich die Aufnahme in schon bestehende auswärtige Schulen nach Maßgabe der vorhandenen Kapazitäten in Betracht kommt und umgekehrt gemäß § 2 Abs. 3 (Hess.)SchVG die Zulassung auswärtiger Schüler zur Förderstufe nicht verwehrt wird, kann allenfalls - vor allem in Grenzgebieten zwischen Schulbezirken mit verschiedenen Schulsystemen - eine gewisse Fluktuation entstehen. Es muss der Schulverwaltung zugemutet werden, dadurch bedingte Schwierigkeiten mit geeigneten organisatorischen Mitteln aufzufangen."

Hiernach kommt es nicht entscheidend darauf an, ob insoweit mit den Vorstellungen des Antragsgegners in bildungspolitischer und/oder pädagogischer Hinsicht ein Konsens besteht und ob sich für die Einschätzung der Eltern Belege anführen lassen. Denn auch dann, wenn hierüber unterschiedliche Auffassungen bestehen sollten, ist jedenfalls den genannten Vorstellungen und Wünschen der Eltern im Hinblick auf das Wahlrecht und ihre primäre Entscheidungszuständigkeit Rechnung zu tragen. Etwas anderes dürfte allenfalls dann zu gelten haben, wenn die für die Beschulung außerhalb des Schuleinzugsbereichs geltend gemachten bildungspolitischen, pädagogischen oder sonstigen Erwägungen der Eltern jeder Grundlage entbehren würden oder nicht dem Wohl des Kindes dienen. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden.

Dass gewichtige Gründe der Schulorganisation der Beschulung des Antragstellers am Gymnasium "..." in A. im S. entgegenstehen und dadurch das der Schaffung von Schuleinzugsbereichen zugrunde liegende Ordnungsprinzip in erheblicher Weise entwertet würde, ist hingegen nicht ersichtlich. Soweit der Antragsgegner maßgeblich darauf abstellt, dass durch die Zuweisung des Antragstellers zum Gymnasium in A. ein Wechsel des Schulträgers zum Landkreis S. eintritt und durch die Beschulung bei einem anderen Schulträger diesem nach § 70 Abs. 2 SchulG LSA das Recht erwächst, vom "abgebenden" Schulträger für die Aufnahme auswärtiger Schüler die Zahlung von Gastschulbeiträgen zu verlangen, vermag er hiermit nicht durchzudringen. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts in Fällen der gem. § 66 SchulG LSA angeordneten Aufnahme von auswärtigen Schülern besteht nur auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen zwischen den Schulträgern (§ 66 Abs. 2 SchulG LSA). Eine solche Vereinbarung besteht hingegen - worauf das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zu Recht hinweist und der Antragsgegner selbst einräumt - zwischen den Landkreisen M.-Südharz und S. nicht. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der beabsichtigten Beschulung des Antragstellers am Gymnasium "..." gewichtige schulorganisa-torische Belange im Hinblick auf vorhandene Kapazitäten an der aufnehmenden Schule bzw. - soweit Im Rahmen des § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA überhaupt von Belang - der "abgebenden" Schule im Schuleinzugsbereich entgegenstehen. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beim aufnehmenden Gymnasium in A. eine Kapazität zur Aufnahme des Antragstellers noch vorhanden ist, sogar ohne dass eine neue (zusätzliche) Klasse gebildet werden muss, während nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht worden ist, dass beim Gymnasium "A." in H. eine sachgerechte Klassenbildung in Frage steht. Schließlich vermag auch der Einwand nicht zu überzeugen, dass sich auch andere Eltern auf die von dem Antragsteller bzw. seinen Eltern geltend gemachten Gründe berufen könnten; soweit diese Erwägungen nicht ohnehin hypothetischer Natur sind, vermögen sie jedenfalls nicht die Annahme zu begründen, die insoweit bedingten Schwierigkeiten seien nicht mit geeigneten organisatorischen Mitteln aufzufangen. Bei überschlägiger Prüfung erscheinen somit die Einwände des Antragsgegners nicht geeignet, auch im Rahmen einer Ermessenentscheidung das Wunsch- und Wahlrecht des Antragstellers und seiner Eltern zu verdrängen. Vielmehr dürfte in Übereinstimmung mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts davon auszugehen sein, dass selbst für den Fall, dass dem Antragsbegehren nicht schon wegen Vorliegens eines "besonderen Grundes" i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA zu entsprechen ist, jedenfalls eine Ermessensreduzierung "auf Null" vorliegt, so dass der Antragsteller im Ergebnis auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung mit seinem Antragsbegehrens durchdringen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der Senat eine Reduzierung des Streitwertes für das vorläufige Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf die faktische Vorwegnahme der Hauptsache nicht als angemessen erachtet (vgl. Ziff. 1.5 Satz 2 d. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 - abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO 15. Aufl. Anh. § 164). Die abweichende Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht wird von Amts wegen abgeändert (§ 63 Abs. 3 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 satt 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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