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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 3 M 65/06
Rechtsgebiete: GG, HRG, HSG LSA


Vorschriften:

GG Art. 2 I
GG Art. 5 I
GG Art. 9 I
HRG § 41 I
HSG LSA § 65 I 3
HSG LSA § 65 I 9
HSG LSA § 65 I 10
HSG LSA § 65 I 11
1. Ein Studierender, dem die Möglichkeit des Austritts aus der Studierendenschaft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 3 HSG LSA zur Wahrung seiner Handlungsfreiheit zur Verfügung steht, bedarf nicht (mehr) des Freiheitsschutzes des Art. 2 Abs. 1 GG.

2. Art. 9 Abs. 1 GG betrifft allein die privatautonome Gruppenbildung, nicht die Schaffung öffentlich-rechtlicher Vereinigungen.

3. Die schlichte Verbands- oder Vereinsmitgliedschaft reicht - abgesehen von den Fällen der Pflichtmitgliedschaft und der daraus resultierenden Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG - regelmäßig zur Durchsetzung der Einhaltung rechtmäßigen Verbands(Vereins)handelns nicht aus, da die Rechtskontrolle über ein rechtswidriges Verbands- oder Vereinshandeln den Selbstverwaltungsorganen und Aufsichtsbehörden bzw. den Vereinsorganen und den satzungsmäßig vorgesehenen Stellen obliegt.

4. Kein Verstoß gegen das Grundrecht auf negative Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG durch Verlautbarungen der Studierendenschaft, die dem einzelnen Mitglied nicht persönlich zugerechnet werden.

5. § 65 Abs. 1 Satz 9 - 11 HSG LSA geben der Studierendenschaft kein - quantitativ eingeschränktes - allgemeinpolitisches Mandat; die Ermöglichung der Diskussion und Veröffentlichung zur allgemeinen gesellschaftlichen Fragen in den Medien ist nicht gleichzusetzen mit eigenen Verlautbarungen der Studierendenschaft, sondern dient gerade der Darstellung der Meinungsvielfalt und der verschiedenen politischen Sichtweisen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 3 M 65/06

Datum: 06.06.2006

Gründe:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten für eine - unter Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdefrist - noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2006 hat keinen Erfolg.

Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren allein gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann dem beabsichtigten Beschwerdeverfahren keine hinreichende Erfolgsaussicht i. S. der §§ 166 VwGO, 114 ZPO beigemessen werden.

Der Antragsteller will im Wege einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass sich die Antragsgegnerin auf die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben beschränkt und von der Wahrnehmung eines allgemein politischen Mandats ablässt. Das Verwaltungsgericht hat im Beschluss vom 27. März 2006 den vom Antragsteller gestellten Untersagungsantrag abgelehnt, weil ein Anordnungsanspruch, der in der Rechtsprechung für Mitglieder eines Zwangsverbandes aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet werde, aufgrund der für den Antragsteller bestehenden Austrittsmöglichkeit gem. § 65 Abs. 1 Satz 3 HSG LSA nicht in Betracht komme. Der Verbleib des Antragstellers in der Studierendenschaft beruhe auf seiner freien Willensentscheidung, von der gegebenen Austrittsmöglichkeit keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen habe der Studierendenrat nach § 65 Abs. 1 Sätze 9 bis 11 HSG LSA ein - eingeschränktes - allgemein-politisches Mandat; aus diesen Vorschriften ergebe sich lediglich eine quantitative Einschränkung der Mediennutzung für allgemeine gesellschaftliche Fragen, aber kein generelles Betätigungsverbot auf diesem Gebiet. Eine Überschreitung der quantitativen Grenze sei weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass offen bleiben könne, inwieweit sich die beanstandeten Aktionen und Maßnahmen nicht explizit mit hochschulpolitischen Fragen beschäftigten. Sie seien nicht bereits deshalb unzulässig, soweit sie Dritten eine Stellungnahme zu allgemein-politischen Fragen ermöglichen.

Im Hinblick darauf, dass der Senat in einem Beschwerdeverfahren gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe prüft, bietet der zur Begründung des Prozesskostenhilfeantrages beigefügte Entwurf der Beschwerdebegründung keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller seinen Anordnungsanspruch nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG herleiten könne, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Dabei kann auf sich beruhen, ob die Antragsgegnerin aufgrund der nach einem Semester eröffneten Austrittsmöglichkeit gem. § 65 Abs. 1 Satz 3 HSG LSA nach den vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 13. Dezember 1979 (BVerwGE 59, 231) aufgestellten Kriterien (pflichtenbegründender Mitgliedschaftsstatus kraft Gesetzes, nicht kraft einer auf den Mitgliedschaftserwerb gerichteten Willenserklärung; fehlende Beitritts- und Austrittsfreiheit) ihren "Zwangscharakter" einbüßt oder ob sich mit Nichtausübung des Austrittsrechtes die ursprüngliche Pflicht-/Zwangsmitgliedschaft des Studierenden aufgrund freier Willensentscheidung in eine frei(willig)e Mitgliedschaft wandelt. In beiden Fällen bedarf der Studierende nicht mehr des Freiheitsschutzes des Art. 2 Abs. 1 GG, um seine Handlungsfreiheit bei der Abwehr gegen hoheitlichen Organisationszwang zu wahren. Das grundgesetzlich gewährleistete Abwehrrecht gegen staatlichen Organisationszwang aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht nur darauf angelegt, den Einzelnen vor Mitgliedschaft in "unnötigen" Verbänden zu bewahren, sondern es bewirkt auch, dass einem legitimen Zwangsverband nicht Angelegenheiten übertragen werden dürfen, deren Erledigung nicht zum Verbandszweck werden darf bzw. dass ein legitimer Zwangsverband nicht Angelegenheiten außerhalb des gesetzlich festgelegten Verbandszweckes wahrnimmt. Die kollektive Wahrnehmung von Grundrechten darf öffentlich-rechtlichen Zwangsverbänden weder durch den Gesetzgeber übertragen noch vom Verband ohne entsprechende gesetzliche Grundlage usurpiert werden. Der Pflichtverband muss mit allen Aufgaben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn ein verfassungswidriger Eingriff der in der Verbandsbildung bestätigten öffentlichen Gewalt in das allgemeine Freiheitsrecht der Verbandsmitglieder vermieden werden soll. Für die verfasste Studierendenschaft folgt daraus, dass sie als Zusammenschluss von Studierenden Umfang und Grenzen ihres möglichen Wirkungsbereiches in der Wahrnehmung studentischer Interessen findet, da Studierende nur mit den Interessen, die sich aus ihrer sozialen Rolle als Studierende ergeben, in die verfasste Studierendenschaft eingegliedert werden dürfen. Der Studierendenschaft darf daher nur die Wahrnehmung spezifischer studentischer Gruppeninteressen übertragen werden und sie darf die ihr damit gezogenen Grenzen naturgemäß auch nicht aus eigener Machtvollkommenheit überschreiten. Ihr dürfen also vom Gesetzgeber weder Aufgaben gestellt werden, die sich nicht durch gruppenspezifische Zielsetzungen auszeichnen, noch darf die Studierendenschaft sich solcher Aufgaben aus eigener Machtvollkommenheit annehmen (so OVG Berlin, Beschl. v. 15.1.2004 - 8 S 133.03 - NVwZ-RR 2004, 348 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Maßt sich die Studierendenschaft eine Überschreitung dieser Grenzen an, verletzt sie das Recht auf Handlungsfreiheit ihrer Mitglieder, wenn diese dem nicht durch Austritt aus der Studierendenschaft begegnen können (vgl. BVerwGE 59, 231 [239]). Dem Antragsteller steht indes diese Austrittsmöglichkeit zur Wahrung seiner Handlungsfreiheit nach den insoweit nicht in Frage gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Verfügung.

Soweit der Antragsteller vorträgt, die nach Landesrecht vorgesehene Austrittsmöglichkeit stehe nicht im Einklang mit der bundesgesetzlichen Rahmenvorschrift des § 41 Abs. 1 HRG, greift dieser Einwand nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 26. Januar 2005 (- 2 BvF 1/03 - BVerfGE 112, 226) festgestellt, dass die in Art. 1 Nr. 4 des 6. Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG) vom 8. August 2002 (BGB l. I, S. 3138) vorgesehene Verpflichtung der Länder zur Bildung von Studierendenschaften an den Hochschulen insgesamt nichtig ist, weil dem Bundesgesetzgeber das Gesetzgebungsrecht gem. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG fehlt und die Bestimmung eine untrennbare Einheit bildet. Mit der Neufassung des § 41 HRG habe der Bundesgesetzgeber nicht nur erstmals eine Pflicht der Länder zur Bildung von Studierendenschaften (§ 41 Abs. 1 Satz 1 HRG n. F.) statuiert, sondern darüber hinaus deren Aufgaben in § 41 Abs. 1 Satz 2 bis 4 HRG n. F. inhaltlich neu, und zwar im Sinne einer Aufgabenerweiterung umschrieben sowie in Anlehnung an die bisherige Rechtslage Grundzüge ihrer Verfassung niedergelegt (§ 41 Abs. 2 und 3 HRG n. F.). Der neu gefasste § 41 Abs. 1 HRG sei an die Stelle des § 41 Abs. 1 HRG a. F. getreten, demzufolge das Landesrecht vorsehen könne, dass an den Hochschulen zur Wahrnehmung hochschulpolitischer, sozialer und kultureller Belange der Studierenden, zur Pflege der überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie zur Wahrnehmung studentischer Belange in Bezug auf die Aufgaben der Hochschulen (§§ 2, 3 HRG) Studentenschaften gebildet werden. Sowohl in der alten wie in der neuen Fassung enthalte § 41 Abs. 1 HRG eine einheitliche Regelung, die nicht in Bestimmungen über die Bildung der Studierendenschaften einerseits und deren Aufgaben andererseits zerlegt werden könne. Erweise sich die Pflicht zur Bildung von Studierendenschaften (§ 41 Abs. 1 Satz 1 HRG n. F.) als nichtig, könnten nicht etwa die neu gefassten Bestimmungen über deren Aufgaben für die nach altem Recht fakultativ gebildeten Studierendenschaften maßgeblich sein. Gleiches gelte für die Bestimmungen des § 41 Abs. 2 und 3 HRG n. F. über die Verfassung der Studierendenschaften (so BVerfG, Urt. v. 26.1.2005, a. a. O., Rdnr. 91). Bleibt es hiernach aufgrund der alten bundesgesetzlichen Rahmengesetzgebung weiterhin in das Ermessen der Länder gestellt, ob das Landesrecht die Bildung einer Studenten- bzw. Studierendenschaft vorsieht, ist - unbeschadet der Frage, ob dem Bundesgesetzgeber entsprechende Kompetenzen bei der Rahmengesetzgebung zustehen - jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Länder in der näheren Ausgestaltung dieses Verbandes, insbesondere in der Normierung eines Austrittsrechtes - bundesgesetzlichen Beschränkungen unterliegen.

Soweit die Antragsschrift (bzw. der Entwurf der Beschwerdebegründung) einwendet, die vom Landesgesetzgeber gewählte Konstruktion der Zwangsmitgliedschaft zu Beginn und der späteren Wahlmitgliedschaft rechtfertige nicht die Schaffung eines Zwangsverbandes, vielmehr hätte die Wahrnehmung der Belange der Studierenden in deren Verantwortungsbereich - etwa durch Schaffung von privaten Vereinigungen - gestellt werden müssen, kommt es für die entscheidende Frage, ob sich der Antragsteller hinsichtlich seines Begehrens auf einen Anordnungsanspruch berufen kann, rechtlich nicht darauf an, ob die vom Landesgesetzgeber gewählte Rechtskonstruktion der Studierendenschaft i. S. des § 65 HSG LSA sinnvoll oder verbesserungswürdig ist bzw. ob ein Zwangsverband erforderlich ist. Im Übrigen hindert eine zeitweilige Pflichtmitgliedschaft der Studierenden nicht an einer Verbandsbildung auf freiwilliger Grundlage (so bereits BVerwGE 59, 231 [237]). Die Antragsgegnerin verstößt auch nicht gegen Art. 9 Abs. 1 GG. Nach Art. 9 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Diese Norm betrifft allein die privatautonome Gruppenbildung, nicht die Schaffung öffentlich-rechtlicher Vereinigungen. Dem Einzelnen ist in Art. 9 Abs. 1 GG nur die grundsätzliche Freiheit garantiert, sich aus privater Initiative mit anderen zu Vereinigungen zusammen zu finden, sie zu gründen, aber auch ihnen fern zu bleiben und aus ihnen wieder auszutreten. Insoweit umfasst das Grundrecht auch die "negative" Vereinigungsfreiheit. Der systematische Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 GG macht zudem deutlich, dass die dort genannten Schranken keinen einer negativen Vereinigungsfreiheit gegenüber öffentlich-rechtlichen Körperschaften entsprechenden Vorbehalt aufweisen (so BVerwG, Urt. v. 21.7.1998 - 1 C 32.97 - BverwGE 107, 169 [172, 173] zur Pflichtzugehörigkeit zu den Industrie- und Handelskammern). Soweit das Austrittsrecht die Eigenschaft der verfassten Studierendenschaft als Repräsentantin aller Studenten in Frage stellt, betrifft dies die Effizienz und wirkungsvolle Wahrnehmung der Aufgabenerfüllung durch die Antragsgegnerin; eine Sachwaltung dieser Interessen obliegt aber weder den Pflicht- noch den Wahlmitgliedern.

Weiter trägt der Antragsteller vor, er habe ein Recht darauf, dass seine Belange als Student durch die Antragsgegnerin vertreten würden und er müsse sich nicht auf einen Austritt und die Möglichkeit eines privatrechtlichen Zusammenschlusses verweisen lassen. Es sei das Recht eines jeden Studenten, an der Verbandsmeinungsbildung und -willensbildung mitzuwirken. Die Antragsgegnerin habe sich im Rahmen der ihr zugewiesenen Befugnisse zu bewegen und sei zu gesetzmäßigem Handeln verpflichtet. Zudem sei mit dem Austritt aus der Antragsgegnerin die Niederlegung des Mandats im Fachschaftsrat verbunden, was ihm - dem Antragsteller - nicht zumutbar sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Antragsteller indes nicht auf, auf welche Rechtsgrundlage er als Verbandsmitglied die Durchsetzung der Einhaltung rechtmäßigen Verbandshandelns stützt. Dass nicht jedes Verbands- oder Vereinsmitglied eine legitime Aufgabenerfüllung seines Verbandes oder Vereines gerichtlich überprüfen lassen kann, zeigt schon die in der Rechtsprechung getroffene Unterscheidung in Pflicht-(Zwangs-) und Wahlmitgliedschaft und die nicht auf einfach-gesetzliche Grundlage, sondern auf die Grundrechte gestützte Anspruchsgrundlage nach Art. 2 Abs. 1 GG für öffentlich-rechtliche Zwangsverbände. Da eine Popularklage nicht zulässig ist, bedarf es der Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte. Für Verbands- oder Vereinsmitglieder wurde das z. B. bei Klagen gegen Beitragsbescheide oder bei Verhängung von Vereinsstrafen (vgl. BGHZ 21, 370; 29, 352) bejaht. Die schlichte Mitgliedschaft reicht hierfür - abgesehen von den Fällen der Pflichtmitgliedschaft und der daraus resultierenden Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG - regelmäßig nicht aus, da die Rechtskontrolle über ein rechtswidriges Verbands- oder Vereinshandeln den Selbstverwaltungsorganen und Aufsichtsbehörden bzw. den Vereinsorganen und den satzungsmäßig vorgesehenen Stellen obliegt (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 15.6.1988 - 1 BvR 1301/86 - BVerfGE 78, 320 bezüglich Mitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse oder gleichgestellten Ersatzkasse; hier wurde - abgesehen von der Beitragspflicht - auf einen Eingriff in eigene Grundrechte des Mitgliedes abgestellt). Die Antragsgegnerin untersteht der Rechtsaufsicht der Leitung der Hochschulen und des Ministeriums gem. § 65 Abs. 1 Satz 6 HSG LSA. Auf diese muss sich der Antragsteller hinsichtlich einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle verweisen lassen, solange er aufgrund konkreter Maßnahmen keine Beeinträchtigung eigener Rechte reklamieren kann.

Eine solche eigene Rechtsverletzung besteht jedenfalls nicht darin, soweit der Antragsteller bezüglich der in der Antragsschrift vom 11. Januar 2006 genannten Meinungsäußerungen einen Verstoß gegen das Grundrecht auf negative Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG rügt. Der Einwand des Antragstellers, die Meinungsäußerungen der Antragsgegnerin würden den Studierenden der Hochschule zugerechnet werden, greift nicht durch.

Es trifft zwar zu, dass die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) berührt wäre, wenn einem Grundrechtsberechtigten die Verbreitung einer fremden Meinung als eigene zugemutet würde (vgl. BVerfGE 95, 173 [182]) bzw. der Antragsteller als Mitglied gezwungen wäre, Stellungnahmen und Äußerungen der Antragsgegnerin mit zu tragen, wenn sie von der eigenen Meinung abweichen. Für eine derartige Identifikation des Antragstellers mit Verlautbarungen der Antragsgegnerin ergeben sich indes keine Anhaltspunkte. Angesichts des auch in der Öffentlichkeit bekannten Charakters der Antragsgegnerin als Sprachrohr wenn nicht aller, so doch vieler Studierender, liegt es in der Natur der Sache, dass die Studierenden nicht alle einer Meinung sind und demgemäß die Äußerungen der Antragsgegnerin auf einem Willensbildungsprozess beruhen, der abweichende Meinungen einzelner Mitglieder zwangsläufig in sich trägt. Bei Mehrheitsentscheidungen verletzt die Nichtberücksichtigung der Meinung Einzelner oder ihre Überstimmung im Willensbildungsprozess diese nicht in der eigenen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG); im Übrigen nimmt der einzelne Studierende auf den Willensbildungsprozess der Antragsgegnerin nur insoweit Einfluss, als er sein aktives und passives Wahlrecht für die Organe der Studierendenschaft (Studierendenrat und Fachschaftsräte, vgl. § 65 Abs. 2 Satz 2, 4, § 62 HSG LSA) ausübt. Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass, die in Stellungnahmen und Äußerungen vertretenen Meinungen der Antragsgegnerin dem einzelnen Mitglied persönlich zuzurechnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.7.1998 - 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169 [177] bei Meinungsäußerungen von Industrie- und Handelskammern).

Weiter rügt der Antragsteller, die Äußerungen und Betätigungen der Antragsgegnerin gingen über die vom Verwaltungsgericht zugebilligte "quantitative Grenze" des "eingeschränkten" allgemein politischen Mandats des § 65 Abs. 1 Sätze 8 bis 11 HSG LSA hinaus, weshalb nicht offen bleiben könne, inwiefern die gerügten Aktionen einen hochschulpolitischen Bezug aufwiesen. Zudem sei ein eingeschränktes allgemeinpolitisches Mandat nicht von § 41 HRG gedeckt.

Diese Einwände vermögen dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren - und damit auch dem Prozesskostenhilfeantrag - nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil - wie zuvor ausgeführt - keine Rechtsgrundlage für das Anordnungsbegehren ersichtlich ist. Unabhängig davon begegnen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu einem sich aus § 65 Abs. 1 Sätze 9 bis 11 HSG LSA ergebenden - (quantitativ) eingeschränkten - allgemeinpolitischen Mandat, aus Sicht des Senats rechtlichen Bedenken.

Veranlassung für die Neufassung des § 65 HSG LSA (§ 74 HSG a. F.) war die Neuregelung des § 41 HRG durch das 6. HRGÄndG. Ausweislich der Begründung der Landesregierung zum Gesetzesentwurf "sollen nunmehr präziser als bisher die Aufgaben neu geregelt und ein größeres Maß an Rechtssicherheit geschaffen werden. Ziel des Bundesgesetzgebers ist dabei, den Studierendenschaften die Möglichkeit zu geben, "zu solchen Fragen Stellung(zu)beziehen, die sich mit der gesellschaftlichen Aufgabenstellung der Hochschulen sowie mit der Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Abschätzung ihrer Folgen für die Gesellschaft und die Natur beschäftigen". Dabei wurde die Reichweite des hochschulpolitischen Mandats unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung neu formuliert." (vgl. LT-Drs. 4/1149 v. 13.11.2003, S. 116)

§ 65 Abs. 1 Satz 9 HSG LSA ist - mit Ausnahme, dass hier von Studierenden und in der Rahmengesetzgebung von "Studierendenschaft" die Rede ist - in seinem Wortlaut identisch mit § 41 Abs. 1 Satz 4 HRG i. d. F. des 6. HRGÄndG. Soweit nach dieser Regelung die Studierenden/Studierendenschaft und ihre Organe in Medien aller Art auch die Diskussion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen ermöglichen können, stellt der Bundesgesetzgeber in der Begründung seines Gesetzentwurfes klar:

"Es würde den Anspruch des Einzelnen auf Freiheit von unzulässiger Pflichtmitgliedschaft in einem Verband und damit Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, wenn den verfassten Studierendenschaften Angelegenheiten übertragen würden, die über die Wahrnehmung der gruppenspezifischen Interessen hinausgehen. Die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG durch einen Zwangszusammenschluss, wie ihn die verfasste Studierendenschaft dargestellt, ist nur dadurch gerechtfertigt, dass er der Wahrnehmung von spezifischen Interessen der zusammengeschlossenen Gruppe dient. Dies sind bei Studierenden hochschul- und wissenschaftspolitische und damit zusammenhängende Belange, jedoch keine Fragen, die außerhalb dieses Kontextes stehen...

Politische Bildung, staatsbürgerliches Verantwortungsbewusstsein, Toleranzbereitschaft sowie das Eintreten für die Grund- und Menschenrechte sind Ziele, die das gesteigerte Interesse der Studierenden mit der Allgemeinheit verdienen und deren Förderung sich zur Selbstverwaltung anbietet. Mit der Aufgabenübertragung in diesen Bereichen wird der Studierendenschaft aber nicht die Befugnis verliehen, allgemeinpolitisch tätig zu werden und im Namen der Studierenden eigene politische Forderungen zu formulieren und zu vertreten (Hervorhebung durch den Senat). Die Forderung der politischen Bildung und der staatsbürgerlichen Verantwortung der Studierenden ist etwas anderes als das Eintreten und Werben für eigene politische Ziele. Politische Bildungsförderung verlangt eine am Neutralitätsgebot orientierte Berücksichtigung verschiedener politischer Sichtweisen. Diesem Ziel werden z. B. Informationsangebote und Veranstaltungen gerecht, in denen unterschiedliche Positionen zu Wort kommen können. Diskussionen und Veröffentlichungen zu allgemein gesellschaftlichen Fragen in Medien der Studierendenschaft sind von Verlautbarungen der Studierendenschaft und ihrer Organe abzugrenzen. (Hervorhebung durch den Senat). Die Studierendenschaft hat in ihren Publikationsorganen verschiedene politische Sichtweisen zu berücksichtigen und ihnen gleichberechtigten Zugang zu ihrem Publikationsorgan zu gewähren"(vgl. BT-Drs. 14/8732 v. 4.4.2002, S. 8).

Ein - quantitativ eingeschränktes - allgemeinpolitisches Mandat der Studierendenschaft lässt sich diesen Ausführungen nicht entnehmen. Insbesondere ist die Ermöglichung der Diskussion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen in den Medien nicht gleichzusetzen mit eigenen Verlautbarungen der Studierendenschaft, sondern dient gerade der Darstellung der Meinungsvielfalt und der verschiedenen politischen Sichtweisen. Im Übrigen geht der notwendige Hochschul- und Studienbezug nicht dadurch verloren, dass die Studierendenschaft bei der Verfolgung ihr übertragener studentischer Belange auch den weiteren gesellschaftlichen Zusammenhang mit in den Blick nimmt. In diesem Sinne ist der Studierendenschaft bei der Behandlung hochschulpolitischer Themen auch ein "Brückenschlag" zu allgemeinpolitischen Fragestellungen erlaubt, solange und soweit dabei der Zusammenhang zu studien- und hochschulpolitischen Belangen deutlich erkennbar bleibt. Die "Brückenschlagstheorie" vermittelt kein allgemeinpolitisches Mandat (so OVG Berlin, Beschl. v. 15.1.2004 - 8 S 133.03 - NVwZ-RR 2004, 348 m. w. N. zur "Brückenschlagstheorie").

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil Gerichtskosten in Ermangelung eines Kostentatbestandes im GKG in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben und außergerichtliche Kosten der Antragsgegnerin gem. § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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