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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 4 K 431/04
Rechtsgebiete: VwGO, SpkG LSA


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2
SpkG LSA § 4
1. Sparkassenkunden besitzen keine Antragsbefugnis i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die Satzung einer Sparkasse im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für unwirksam erklären zu lassen, da diese als solche noch keine Regelungen über Rechte oder Pflichten der künftigen Leistungsbezieher (Kunden) trifft. Derartige Bestimmungen werden erst durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und/oder Besonderen Geschäftsbedingungen der Sparkasse getroffen. Allein diese bilden die Grundlage der Geschäftsbeziehungen zwischen Kunden und Sparkasse. Die Satzung einer Sparkasse mag zwar eine Voraussetzung für den späteren Erlass von Allgemeinen und Besonderen Geschäftsbedingungen sein, die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen der Sparkasse und seinen Kunden regeln. Sie trifft aber selbst noch keine Regelungen mit rechtlicher Außenwirkung gegenüber den künftigen Kunden.

2. Ist eine Rechtsnorm beschlossen und bekannt gemacht worden, so hängt weder die allgemeine Zulässigkeit der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO noch ihre zeitliche Beschränkung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO davon ab, dass der Vorgang der Bekanntmachung den einschlägigen Rechtsvorschriften oder der Hauptsatzung entspricht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 4 K 431/04

Datum: 29.06.2006

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen die Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996, die am 26. April 1996 im Amtsblatt für den Landkreis W. veröffentlicht wurde und am 27. April 1996 in Kraft trat. Mit dem am 12. Juli 2004 gestellten Normenkontrollantrag macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, er sei als Kunde der Sparkasse W. antragsbefugt und habe ein Interesse daran, ob das Unternehmen überhaupt juristische Person des öffentlichen Rechts und wegen der aus banküblichen Geschäften behaupteten Ansprüche aktiv legitimiert sei. An der Aktivlegitimation fehle es, wenn es keine wirksame Satzung gebe oder diese unwirksam oder nichtig sei. Die Satzung für die Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 sei nicht wirksam veröffentlicht worden, weil der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt nicht über eine wirksame Hauptsatzung verfügt habe, die aber gemäß § 7 LKO LSA notwendig sei, um (weiteres) wirksames Satzungsrecht zu schaffen. Zwar habe es eine Hauptsatzung vom 25. Juli 1990 gegeben; eine öffentliche Bekanntmachung dieser Hauptsatzung sei jedoch nicht auffindbar. Eine weitere Hauptsatzung sei durch den Kreistag am 12. September 1994 beschlossen worden. Diese sei vom ehemaligen Regierungspräsidium Dessau allerdings mit Bescheid vom 23. September 1994 nur unter Auflagen genehmigt worden, die der Kreistag nicht umgesetzt habe. Vielmehr sei die Hauptsatzung ohne die erforderliche erneute Beschlussfassung durch den Kreistag und die Genehmigung am 26. September 1996 vollzogen worden. Im Übrigen sei die Hauptsatzung frühestens am 25. Oktober 1997 in Kraft getreten und könne daher nicht Grundlage der Veröffentlichung der Sparkassensatzung sein. Gleiches gelte für die am 9. Februar 1998 und 17. September 1999 veröffentlichten Hauptsatzungen des Antragsgegners, wobei - mangels wirksamer Bekanntmachung der kommunalaufsichtlichen Genehmigung der Hauptsatzung vom 9. Februar 1998 - erst die Hauptsatzung vom 17. September 1999 erstmals wirksam veröffentlicht worden sei. Erst ab diesem Zeitpunkt habe der Antragsgegner folglich auch sein übriges Satzungsrecht wirksam veröffentlichen können.

Schließlich sei auch nicht feststellbar, dass durch die gewählte Vertretung des Antragsgegners bis zum 1. Oktober 1990 eine Satzung für die Sparkasse W. erlassen, diese durch den Landrat vollzogen und nach den Regelungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 der Kommunalverfassung (DDR) veröffentlicht worden sei. Es sei somit davon auszugehen, dass die juristische Person - Sparkasse W. - als rechtlich selbständige volkseigene Einrichtung der DDR mit Ablauf des 1. Oktober 1990 untergegangen sei. Auch sei nach den Gesamtumständen ausgeschlossen, dass ein "Sparkassen-Zweckverband W.-J." zu Stande gekommen sei. Unabhängig davon sei eine entsprechende Satzung gemäß § 35 SpkG LSA anzupassen gewesen, was der Antragsgegner versäumt habe. Der Beschluss des Kreistags vom 29. Januar 1996 über eine Satzung der Sparkasse W. hätte aus diesen Gründen über eine Neugründung der Sparkasse erfolgen und an der von der Hauptsatzung bestimmten Stelle bekannt gemacht werden müssen. Die Veröffentlichung unter dem zufälligen Ort "Informationen aus der Kreisverwaltung" vom 26. April 1996 genüge diesen Anforderungen nicht. Auch liege eine kommunalaufsichtliche Genehmigung nicht vor; der Text trage lediglich die Datumsangabe 6. Februar 1996 und sei statt mit einem Namen unterschrieben mit "gez. Landrat" abgeschlossen. Liege aber keine wirksam veröffentlichte Satzung vor, sei auch die Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 VwGO nicht abgelaufen.

Am 23. Juli 2004 hat der Antragsteller sein Normenkontrollverfahren auf die am 9. Dezember 2002 vom Kreistag des Antragsgegners beschlossene und am 18. Januar 2003 im Amtsblatt für den Landkreis W. veröffentlichte Satzung über die 2. Änderung der Satzung der Sparkasse W. erweitert und vorgetragen, diese Satzung sei nicht in Kraft getreten, da schon die Satzung vom 29. Januar 1996 nicht wirksam bekannt gemacht worden sei. Auch fehle eine wirksame 1. Änderungssatzung, da der Beschluss des Kreistages vom 27. Oktober 1997 derart unbestimmt sei, dass er keine Rechtswirkung habe entfalten können.

Der Antragsteller beantragt, 1. die Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 für unwirksam zu erklären, und

2. die 2. Änderungssatzung zur Satzung der Sparkasse W. vom 9. Dezember 2002 für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Er führt aus, der Normenkontrollantrag sei verfristet, weil die angegriffene Satzung bereits am 26. April 1996 bekannt gemacht worden sei. Es sei dabei unerheblich, ob die Bekanntmachung selbst fehlerhaft gewesen sei, denn hinsichtlich § 47 Abs. 2 VwGO sei anerkannt, dass auch eine fehlerhafte Bekanntmachung den Lauf der Frist des § 47 Abs. 2 VwGO in Kraft setze. Darüber hinaus fehle dem Antragsteller die erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO, da er eine Verletzung eigener, ihm zustehender Rechte nicht geltend machen könne.

Der Antragsteller hat die zunächst gestellten Feststellungsanträge mit Schriftsatz vom 23. Juli 2004 zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Antragsteller seine zunächst erhobenen Feststellungsanträge zu 2. - 5. zurückgenommen hat.

B. Die Normenkontrollanträge haben keinen Erfolg.

Die angegriffenen Satzungen der Sparkasse W. - SpkS - vom 29. Januar 1996 und 9. Dezember 2002 sind zwar im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, die zum Gegenstand einer Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht gemacht werden können (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 10 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 28. Januar 1992 [LSA-GVBl., S. 36], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2003 [LSA-GVBl., S. 158]).

I. Die Normenkontrollanträge sind indes insgesamt unzulässig, weil der Antragsteller nicht im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt ist.

Nach dieser Vorschrift kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile v. 10. März 1998 - BVerwG 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732, und v. 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, DVBl. 1999, 100), der sich der Senat anschließt, können an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 VwGO keine höheren Anforderungen gestellt werden, als sie auch für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten. Für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO reicht es danach aus, dass der Antragsteller hinreichend substanziiert Tatsachen vorgetragen hat, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 10. März 1998, a. a. O.). Dabei ist eine Rechtsverletzung nicht nur dann möglich, wenn die Norm oder ihre Anwendung unmittelbar in eine Rechtsstellung eingreift. Maßgeblich ist, ob sich die mögliche Verletzung subjektiver Rechte der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt (OVG LSA, Urt. v. 17. April 2003 - 2 K 258/01 -), also nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise unmöglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Februar 1994 - BVerwG 1 C 24.92 -, BVerwGE 95, 133 [134 m.w.N.])

Eine Antragsbefugnis in diesem Sinne steht dem Antragsteller nicht zu. Eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers durch die angegriffenen Satzungen der Sparkasse W. ist offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.

Eine Antragsbefugnis im dargelegten Sinn ergibt sich insbesondere nicht schon daraus, dass der Antragsteller Kunde der Sparkasse W. ist; denn die Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 in der Fassung ihrer 2. Änderung vom 9. Dezember 2002 enthält keine Bestimmungen, die unmittelbar den Antragsteller in seiner Eigenschaft als Kunden der Sparkasse betreffen oder in sonstiger Weise Rechte und Pflichten des Antragstellers oder seinen rechtlichen Status regeln würden. Die angegriffene Satzung stellt im Zusammenwirken mit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde einen Organisationsakt dar. Sie regelt nach § 4 Abs. 1 des Sparkassengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - SpkG-LSA - vom 13. Juli 1994 (GVBl. LSA 1994, 823) ausschließlich die Rechtsverhältnisse der Sparkasse und trifft Bestimmungen über Namen, Sitz und Siegel (§ 1 SpkS), ihr Verhältnis zum Antragsgegner als Träger (§ 2 SpkS) und die innere Verwaltung der Sparkasse (§§ 3 ff. SpkS). Die Satzung der Sparkasse W. enthält damit Regelungen über Rechte und Pflichten der an der Sparkasse beteiligten Mitglieder und über die organisatorische Binnenstruktur. Die Satzung trifft als solche aber noch keine Regelungen über Rechte oder Pflichten der künftigen Leistungsbezieher (Kunden). Derartige Bestimmungen werden erst durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und/oder Besonderen Geschäftsbedingungen der Sparkasse getroffen. Allein diese bilden die Grundlage der Geschäftsbeziehungen zwischen Kunden und Sparkasse. Die Satzung einer Sparkasse mag zwar eine Voraussetzung für den späteren Erlass von Allgemeinen und Besonderen Geschäftsbedingungen sein, die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen der Sparkasse und seinen Kunden regeln. Sie trifft aber selbst noch keine Regelungen mit rechtlicher Außenwirkung gegenüber den künftigen Kunden (vgl. zur Klagebefugnis der Kunden eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens für die Anfechtung einer dem Unternehmen erteilten Genehmigung zur Erhöhung der Tarife BVerwG, Urt. v. 22. Februar 1994 - BVerwG 1 C 24.92 -, BVerwGE 95, 133).

Eine Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus dem von ihm behaupteten Feststellungsinteresse, ob die Sparkasse W. als juristische Person öffentlichen Rechts wegen der auch ihm gegenüber aus banküblichen Geschäften behaupteten Ansprüchen, u. a. aus gewährten Darlehen und auf Zinsen, aktiv legitimiert sei. Denn selbst wenn der Senat zu der Feststellung käme, dass die Satzung der Sparkasse W. unwirksam ist, hätte dies keine Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller und der Sparkasse W., da eine juristische Person des öffentlichen Rechts - wie die Sparkasse - auch dann, wenn sie nicht wirksam gegründet worden ist, bei Teilnahme am Privatrechtsverkehr Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten, insbesondere Partei eines privatrechtlichen Vertrages sein kann mit der Folge, dass ihr Handeln einschließlich der Vertretung der juristischen Person nach den für fehlerhafte Gesellschaftsverhältnisse maßgebenden Grundsätzen als wirksam zu behandeln ist (vgl. im Einzelnen die auch im Verhandlungstermin des Senats angesprochene Entscheidung des OLG Naumburg, Urt. v. 22. Juni 2006 - 2 U 30/06 -, m. w. N.). Insgesamt ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller seine Rechtsstellung durch die von ihm erstrebte Entscheidung verbessern kann.

II. Darüber hinaus erweist sich der Normenkontrollantrag zu 1. auch deswegen als unzulässig, weil der Antragsteller die hierfür geltende Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht eingehalten hat. Für eine Wiedereinsetzung in diese Frist sind im vorliegenden Fall keine Gründe erkennbar; eine Wiedereinsetzung ist von dem Antragsteller auch nicht beantragt worden, so dass die Frage, ob eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO statthaft wäre, keiner Entscheidung bedarf.

Die Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 ist ausweislich der von dem Antragsteller vorgelegten Unterlagen im Amtsblatt für den Landkreis W. vom 26. April 1996 bekannt gemacht worden und gemäß ihrem § 10 mit dem Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung, also am 27. April 1996, in Kraft getreten. Die mit Wirkung vom 1. Januar 1997 eingeführte Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO endete für die vor dem 1. Januar 1997 bekannt gemachte Satzung also am 31. Dezember 1998 (Art. 10 Abs. 4 des 6. Gesetzes zur Änderung der VwGO und anderer Gesetze, BGBl I 1996, 1626), während der vorliegende Antrag erst am 12. Juli 2004 und damit verspätet gestellt wurde.

Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, der Beginn des Fristablaufs setze die (amtliche) Bekanntmachung der Norm an dem - hier von der Hauptsatzung - bestimmten Ort und eine kommunalaufsichtliche Genehmigung voraus; denn grundsätzlich ist die Wirksamkeit der Bekanntmachung einer Norm keine qualifizierte Prozessvoraussetzung im Normenkontrollverfahren und Mängel daher unbeachtlich.

Zwar ist richtig, dass die Antragsbefristung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch eine Satzung, die überhaupt nicht veröffentlicht worden ist, nicht in Lauf gesetzt werden kann (OVG Brandenburg, NVwZ 2004, 1122), d. h. das Tatbestandsmerkmal der "Bekanntmachung" in dieser Vorschrift setzt wie das "Erlassen" der Satzung in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine förmliche "Verkündung" oder eine sonstige tatsächliche Handlung voraus, aus der sich ergibt, dass die Satzung als Rechtsnorm gelten soll. Dies folgt daraus, dass es andernfalls schon an einem Objekt, das Gegenstand einer Normenkontrolle sein könnte, fehlen würde. Ist dagegen - wie im vorliegenden Verfahren - eine Rechtsnorm beschlossen und bekannt gemacht worden, so hängt weder die allgemeine Zulässigkeit der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO noch ihre zeitliche Beschränkung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO davon ab, dass der Vorgang der Bekanntmachung den einschlägigen Rechtsvorschriften oder der Hauptsatzung des Antragsgegners entspricht (v. Albedyll in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 47 RdNr. 82; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. § 47 RdNr. 83 sowie zu der insoweit übertragbaren Rechtsprechung zu Art. 13 Nr. 1 Satz 1 InvWoBauLG: BVerwG, Beschl. v. 10. April 1996 - BVerwG 4 NB 8.96 -, NVwZ 1996, 999).

III. Auch der am 23. Juli 2004 gestellte Normenkontrollantrag zu 2., die 2. Änderungssatzung zur Satzung der Sparkasse W. vom 9. Dezember 2002 für unwirksam zu erklären, hat jedenfalls nach der Entscheidungspraxis des 2. Senats, dessen Rechtsprechung zum Bekanntmachungsrecht den folgenden - nicht entscheidungstragenden - Ausführungen zugrunde liegen, unabhängig von der fehlenden Antragsbefugnis keinen Erfolg.

Im Rahmen dieses Normenkontrollverfahrens hat der Senat nur die geänderte Vorschrift dieser Satzung (§ 2 SpkS) und nicht sämtliche Normen der Ursprungssatzung vom 29. Januar 1996 und der 1. Änderungssatzung vom 21. November 1997 einer Prüfung zu unterziehen; denn die Antragsfrist muss für jede zur Überprüfung im Normenkontrollverfahren gestellte Satzung gesondert berechnet und eingehalten werden, um eine Überprüfung durch das Normenkontrollgericht mit dem Ziel der Unwirksamkeitserklärung zu erreichen (OVG LSA, Beschl. v. 27. April 2006 - 4 K 26/06 - unter Bezugnahme auf Kopp/Schenke, a. a. O., § 47 RdNr. 83; BVerwG, Urt. v. 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 7.98 -, BRS 62 Nr. 44). Die Wirksamkeit der Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 ist allerdings als Vorfrage für die Wirksamkeit der mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Änderung zu prüfen; denn die bloße Änderung einer unwirksamen Satzung ohne vollständigen Neuerlass des gesamten Regelungswerks geht ins Leere, wenn sie nicht auf einer wirksamen Grundlage beruht; insoweit besteht ein Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen den Satzungen (so zu Bebauungsplänen BVerwG, Urt. v. 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 7.98 -, BRS 62 Nr. 44).

Die von dem Antragsteller vorgetragenen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 erweisen sich als unbegründet; insbesondere ist die Satzung wirksam im Amtsblatt des Landkreises W. vom 26. April 1996 veröffentlicht worden.

Als Rechtsetzungsakt bedürfen Satzungen zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung. Da das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung von Satzungen aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG resultiert und die Bekanntmachung elementares Gebot dieses Rechtsstaatsprinzips darstellt, ist die Veröffentlichung zwingender Bestandteil des Rechtsetzungsaktes. Nicht verkündete bzw. bekannt gemachte Satzungen entfalten keine Wirkung als Ortsrecht (vgl. Maunz/Dürig, Komm. zum GG, Stand: Juni 1998, Rdnr. 250 zu Art. 19 Abs. 4). Verkündung bedeutet regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können (vgl. BVerfGE 16, 6 [16 ff.]). Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorganges im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht; insbesondere schreibt § 7 LKO LSA nicht vor, dass die Bekanntmachungsform einer Satzung in der Hauptsatzung eines Landkreises festgelegt sein muss. § 7 Abs. 1 LKO LSA regelt lediglich, dass jeder Landkreis eine Hauptsatzung erlassen muss, dass in ihr zu regeln ist, was nach den Vorschriften dieses Gesetzes der Hauptsatzung vorbehalten ist und dass auch andere für die Verfassung des Landkreises wesentliche Fragen in ihr geregelt werden. Es obliegt folglich dem zuständigen Normgeber - hier dem Antragsgegner -, das Verkündungsverfahren so auszugestalten, dass es seine rechtsstaatliche Funktion erfüllt, der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht zu ermöglichen.

Das geltende Kommunalverfassungsrecht in Sachsen-Anhalt schreibt für kommunales Satzungsrecht keine bestimmte Veröffentlichungsform vor; der über § 6 Abs. 3 der Landkreisordnung für das Land Sachsen-Anhalt (Landkreisordnung - LKO LSA) für anwendbar erklärte § 6 Abs. 2 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (Gemeindeordnung - GO LSA) verlangt nur die öffentliche Bekanntmachung. In Ausfüllung der damit verbleibenden Gestaltungsfreiheit oblag es dem Antragsgegner durch Hauptsatzung gem. §§ 6, 7, 33 Abs. 3 Nr. 1 LKO LSA Art und Weise der Bekanntmachung von Satzungen im Einzelnen zu bestimmen.

Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 verfügte der Antragsgegner über keine wirksame Hauptsatzung: Die Hauptsatzung vom 25. Juli 1990 stellt mangels Veröffentlichung keine rechtswirksame Bekanntmachungsgrundlage dar. Gleiches gilt für die Hauptsatzung des Antragsgegners vom 12. September 1994; denn diese wurde erstmals am 24. Oktober 1997 wirksam im Amtsblatt für den Landkreis W., also nach Bekanntmachung der hier streitgegenständlichen Satzung vom 29. Januar 1996, veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung dieser Hauptsatzung in der Mitteldeutschen Zeitung vom 26. Januar 1995 hat der Antragsgegner kein wirksames Bekanntmachungsrecht geschaffen, denn weder § 15 Abs. 1 der Hauptsatzung vom 12. September 1994 noch vorhergehende Bekanntmachungsregelungen sahen diese Art der Veröffentlichung vor.

Allerdings hat die Nichtigkeit der Bekanntmachungsvorschrift bzw. das Nichtvorhandensein einer wirksamen Hauptsatzung, die die Bekanntmachung von Satzungen regelt, nicht zur Folge, dass eine wirksame Veröffentlichung der Satzung der Sparkasse W. im Amtsblatt für den Landkreis W. vom 26. April 1996 nicht erfolgen konnte; denn wenn die Hauptsatzung oder eine darin enthaltene Bekanntmachungsvorschrift nichtig ist, kann eine Satzung wirksam sein, wenn die Bekanntmachung "ortsüblich" erfolgte (OVG LSA, Beschl. v. 9. August 2004 - 2 M 256/03 -; Beschl. v. 13. Januar 2003 - 2 L 417/00 -; Urt. 20. Januar 1994 - 2 L 2/93 -).

Wenn der Antragsteller seine gegenteilige Rechtsauffassung mit einem Runderlass des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 9. Oktober 2001 zu belegen sucht, übersieht er, dass die dort geäußerte Rechtsauffassung sich auf eine andere Gesetzeslage bezieht, die mit der Rechtslage in Sachsen-Anhalt nicht zu vergleichen ist. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg vom 15. Oktober 1993 (GVBl. I, S. 398), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juni 2005 (GVBl. I, S. 210), sind zwar auch in diesem Bundesland Satzungen öffentlich bekannt zu machen. Ferner bestimmt auch dort nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GO LSA das Innenministerium durch Rechtsverordnung, welche Verfahrens- und Formvorschriften bei der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen einzuhalten sind. In § 1 Abs. 4 der Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Vorschriften in den Gemeinden, Ämtern und Landkreisen (GVBl. II, S. 435) hat der Innenminister von Brandenburg hingegen - anders als in Sachsen-Anhalt - bestimmt, dass die Form der öffentlichen Bekanntmachung im Einzelnen durch die Hauptsatzung zu bestimmen ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen und in Anlehnung an § 15 Abs. 1 der Hauptsatzung des Antragsgegners vom 12. September 1994 ist davon auszugehen, dass das "Amtsblatt für den Landkreis W." seit jeher das "ortsübliche" Bekanntmachungsorgan des Antragsgegners ist. Dies belegen insbesondere die in den Akten befindlichen Amtsblätter. So hat der Antragsgegner bereits in seinem ersten Amtsblatt vom 15. Mai 1991 die Baumschutzordnung des Landkreises vom 8. Mai 1991 und die vorläufige Satzung der Kreishochschule vom 8. Mai 1991 veröffentlicht. Auch in den nachfolgenden Jahren bis 1996 erfolgten sämtliche Veröffentlichungen im Amtsblatt, so z. B. die Satzung über die 3. Änderung zur Hauptsatzung vom 12. Mai 1993 im Amtsblatt vom 19. Mai 1993, die Satzung zum Schutz des Gehölzbestandes vom 29. September 1993, die 1. Nachtragshaushaltssatzung des Wasserverbandes H. vom 1. Dezember 1993 im Amtsblatt vom 29. Dezember 1993 und die Verwaltungsgebührensatzung vom 11. November 1996. Damit existierte - im Übrigen bis zum heutigen Tag - eine landkreiseinheitliche Veröffentlichungspraxis zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996.

Die Veröffentlichung der Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 im Amtsblatt für den Landkreis W. vom 26. April 1996 ist auch nicht deswegen unwirksam, weil der Satzungstext unter der Rubrik "Informationen aus der Kreisverwaltung" veröffentlicht worden ist, weil auch diese Art der Bekanntmachung gewährleistet, dass sich die von der Satzung Betroffenen verlässlich Kenntnis vom Inhalt der Satzung verschaffen können. Schließlich ist die Satzung vom 29. Januar 1996 ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Originaltextes auch gemäß § 6 Abs. 3 LKO LSA i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA von dem Landrat unterzeichnet worden.

Sofern danach vom Vorliegen einer wirksamen Satzung der Sparkasse W. vom 29. Januar 1996 auszugehen ist, begegnet auch die auf dieser Satzung basierende Änderung durch Satzung vom 9. Dezember 2002 keinen rechtlichen Bedenken, zumal der Antragsteller materiell-rechtliche Einwendungen gegen § 2 SpkS nicht erhebt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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