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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: 4 L 264/06
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 5 Abs. 3 S. 1
Der Beklagte ist rechtlich nicht gehindert, dem Umstand, dass die von der öffentlichen Einrichtung erbrachte Leistung von unterschiedlichen Benutzergruppen unterschiedlich intensiv genutzt wird, durch die Festsetzung entsprechend differenzierter Gebührensätze Rechnung zu tragen, auch wenn der Beklagte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nur eine einheitliche öffentliche Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung betreibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188). Letztlich folgt dies aus dem Grundsatz der Leistungsproportionalität, wonach die Bemessung der Gebühren "unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Inanspruchnahme" (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KAG-LSA) erfolgt (vgl. HessVGH, Beschl. v. 17.05.1991 - 5 TH 2437/89 -, KStZ 1991, 235 ff..).
Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren für die Inanspruchnahme der zentralen Schmutzwasseranlage des Beklagten im Jahr 2004.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks W-Straße 6 in N-Stadt (S.), das an die zentrale Schmutzwasseranlage des Beklagten angeschlossen ist. Das Grundstück wird zu Wohnzwecken genutzt und leitet Abwasser in die zentrale Schmutzwasseranlage des Beklagten ein. Vom 17. November 2004 bis zum 31. Dezember 2004 wurden auf dem Grundstück 26 m3 Wasser verbraucht.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2004 stellte der Landkreis Schönebeck die Stadt B., deren Aufnahme in den Beklagten erst wenige Tage danach beschlossen wurde, von der Pflicht zur Beseitigung des Abwassers hinsichtlich des Sammelns und Fortleitens für das Grundstück der Firma (...) GmbH, Werk B-Stadt, (nunmehr C., im Folgenden: (...)) frei und übertrug die Pflicht in demselben Umfang auf das Unternehmen. Ausweislich der Begründung des Bescheides sollte die Befreiung für die Phasen Sammeln und Fortleiten des auf dem Werksgrundstück der (...) anfallenden Abwassers (ohne Sanitärabwässer) gelten.

Unter dem 21./26. Oktober 2004 schlossen der Beklagte und das Unternehmen (...) einen Abwasserübernahmevertrag. Danach liefert das Unternehmen dem Beklagten über eine eigene Pumpstation und eine eigene Druckleitung das gesamte im Unternehmen anfallende Produktionsabwasser. Die Abwasserbehandlungsanlage wird erst ab der zweiten Reinigungsstufe (biologischer Teil) in Anspruch genommen. Als Entgelt für die Übernahme des Abwassers vereinbarten die Vertragsparteien Fixkostenbeiträge und die Zahlung eines variablen Beitrags, dessen Höhe abhängig von der eingeleiteten CSB-Menge sein sollte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. März 2005 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für die Benutzung der zentralen Schmutzwasseranlage in dem Zeitraum vom 17. November bis zum 31. Dezember 2004 unter Zugrundelegung von fünf Wohneinheiten eine Grundgebühr von 59,02 € und eine Verbrauchsgebühr in Höhe von 93,60 € und gleichzeitig Vorauszahlungen für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 1.236,00 € fest.

Die Klägerin hat nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens am 28. September 2005 beim Verwaltungsgericht Dessau gegen die Heranziehung Klage erhoben, welches sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Magdeburg verwiesen hat. Dieses hat die Gebührenbescheide mit einem auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006 ergangenen Urteil aufgehoben.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht Magdeburg im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte verfüge nicht über eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA. Die Satzung über die Erhebung von Gebühren für die zentrale Schmutzwasserentsorgung vom 3. November 2004 sei nichtig. Denn die in § 4 Abs. 1, Abs. 3 der Satzung festgesetzten Mengen- und die Grundgebührensätze für die zentrale Schmutzwasserentsorgung verstießen gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KAG LSA, der insoweit zwingend differenzierte Gebührensätze für die unterschiedlichen Benutzer der öffentlichen Einrichtung des Beklagten verlange. Der Beklagte betreibe zwar zulässigerweise eine einheitliche öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung des in seinem Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers. Denn auch wenn das gewerbliche Unternehmen der Firma (...) die öffentliche Einrichtung im Vergleich zu den übrigen Benutzern in erheblich anderer Art und Weise in Anspruch nehme, sei bei der Wahrnehmung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung durch den Beklagten über eine einheitliche technische Anlage die Bildung mehrerer öffentlicher Einrichtungen im Rechtssinne jedenfalls nicht geboten.

Es sei jedoch rechtlich zu beanstanden, dass der Beklagte nur jeweils eine einheitliche Grund- und Mengengebühr für die Benutzer der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage erhebe. Zwar diene die Bildung einer öffentlichen Einrichtung in der Regel dem Ziel, auch einheitliche Gebühren zu erheben. Vorliegend seien zwar sowohl der in Ansatz gebrachte Wohneinheiten- als auch der Frischwassermaßstab geeignet, die der jeweiligen Benutzergruppe gebotenen Leistungen nach Art und Umfang zu erfassen. Auch ein für die Leistungsbemessung unterschiedlicher Benutzergruppen geeigneter einheitlicher Maßstab zwinge jedoch dann zur Festsetzung unterschiedlicher Gebührensätze, wenn ein einheitlicher Gebührensatz dem als landesrechtliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes folgenden Prinzip der Leistungsproportionalität nicht mehr entspreche. Diesen Anforderungen könne nur durch eine getrennte Kosten- und Gebührensatzermittlung Rechnung getragen werden. Jedenfalls dann, wenn ein Aufgabenträger in Bezug auf eine Benutzergruppe von wesentlichen Tätigkeiten im Rahmen der Abwasserbeseitigung freigestellt sei, diese mithin den Benutzern selbst oblägen, sei diesen Besonderheiten ein Gewicht beizumessen, welches die unterschiedliche Behandlung rechtfertige.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach den §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil obergerichtlich bislang nicht geklärt sei, ob und unter welchen Voraussetzungen eine abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft für "Sondernutzer" eine (weitere) öffentliche Einrichtung bilden bzw. die für "Sondernutzer" aufgewandten Kosten außerhalb des Gebührenrechts über öffentlich-rechtliche Verträge refinanzieren könne. Auch noch nicht geklärt sei die Frage, welche Besonderheiten in der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung überhaupt gebührenrechtliche Folgen nach sich zögen.

Die Verbandsversammlung des Beklagten hat am 15. März 2007 eine Neufassung der Gebührensatzung beschlossen und diese öffentlich bekannt gemacht.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Beklagte aus, mit der Beschlussfassung über die Neufassung der Gebührensatzung sei er dem "Anliegen" des Verwaltungsgerichts nach differenzierten Gebührensätzen für unterschiedliche Benutzergruppen weitgehend nachgekommen. Eine neue Gebührenkalkulation läge für das hier streitgegenständliche Jahr 2004 nicht vor. Aus der Nachkalkulation vom 8. Dezember 2006 ergebe sich für das Jahr 2004 eine kostendeckende Einleitgebühr für die kommunalen Einleiter in Höhe von 7,39 € und das Produktionsabwasser in Höhe von 1,66 €.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung den streitgegenständlichen Bescheid vom 29. März 2005 aufgehoben, soweit darin eine Vorausleistung in Höhe von 1.236,00 € festgesetzt worden ist. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 30. März 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass die Abwasserbehandlungsanlage für alle Einleiter einheitlich zu betrachten sei. Gehe man von der Einheit der Klägeranlage aus, sei der Beklagte verpflichtet, einen Starkverschmutzerzuschlag in die Satzung aufzunehmen. Bei der Kläranlage des Beklagten handele es sich um eine kommunale Einrichtung mit der Folge, dass die Kläranlage grundsätzlich an dem kommunalen Abwasser aus häuslichen Einleitstellen auszurichten sei. Nach den Angaben des Beklagten über die CSB-Belastungen ergäbe sich eine Schmutzfrachtbelastung der Produktionsabwässer der Firma (...) von 281,61 % (= 1.225 mg/l CSB). Ein ähnliches Ergebnis ergäbe sich auch bei Berücksichtigung der eingeleiteten Mengen. In Anbetracht dieser Zahlen seien die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Einführung eines Starkverschmutzerzuschlages geboten sei, in jedem Fall erfüllt. Im Übrigen verfüge der Beklagte weder über eine - auch nach der Rechtsprechung des OVG LSA erforderliche - Gebührenkalkulation für das Jahr 2004 noch für das Jahr 2005. In der nunmehr neu vorliegenden zentralen Schmutzwassergebührensatzung des Beklagten würden erstmals Gebührensätze in § 5 der Satzung geschaffen, die es erforderlich machten, die zuvor für die alte Satzung bestehende Gebührenkalkulation zu überarbeiten. Weil auch die von dem Beklagten vorgelegte Nachkalkulation mithin eine andere Satzung betroffen habe, sei sie für das Verfahren irrelevant, so dass dieser Mangel zur Unwirksamkeit des Satzungsrechtes führe.

Darüber hinaus leide auch die von dem Beklagten in der Darstellung überarbeitete Kalkulation weiterhin an einem Systemfehler, wenn darin die Kosten der Kläranlage aufgeteilt würden in Kosten der mechanischen Klärung einerseits und der biologischen Klärung andererseits und die Kosten sodann auf die kommunalen Einleiter und die Firma (...) entsprechend der in Anspruch genommenen Teile der Kläranlage aufgeteilt würden. Die Gebührenkalkulation verkenne insoweit, dass es sich sowohl technisch als auch rechtlich bei der Kläranlage des Beklagten um eine einzige Anlage handele. Kommunale Kläranlagen, deren maßgebliche Durchschnittseinleiter die zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke seien, könnten ohne mechanische Reinigungsstufe nicht funktionieren. Zudem betreibe der Beklagte bislang nach seinem eigenen Satzungsrecht lediglich eine zentrale Anlage zur Abwasserbeseitigung. Unter dieser Voraussetzung sei es systemwidrig, die Gebührenkalkulation in Teile der Anlage aufzuteilen und die Kosten auf verschiedene Einleiter umzulegen. Möglich sei allein aufgrund der rechtswidrigen, aber bestandskräftigen Teilbefreiung der Firma (...) hinsichtlich des Transports ihrer Produktionsabwässer die Aufteilung der Kosten bezüglich des Leitungsnetzes einerseits und der Kläranlagenkosten andererseits.

Zudem sei der Beklagte (rechtswidrigerweise) nur bezüglich des Transportes der Produktionsabwässer der Firma (...) von seiner Abwasserbeseitigungspflicht befreit worden, so dass ihm die vollständige und damit auch die mechanische Reinigung der Produktionsabwässer obliege. Daraus folge, dass die von dem Beklagten und der Firma (...) praktizierte Vorgehensweise, dass nämlich das Produktionsabwasser erst in die biologische Reinigungsstufe der Kläranlage eingeleitet werde, rechtswidrig und damit illegal sei. Aufgrund der dem Beklagten obliegenden umfassenden Abwasserbeseitigungspflicht müssten die Produktionsabwässer zumindest kalkulatorisch so behandelt werden wie jegliche andere Abwässer.

Weiterhin erweise sich der in der Gebührensatzung für den kommunalen Einleiter niedergelegte Gebührensatz deswegen als rechtswidrig, weil die Kalkulation keinerlei Zinsgutschriften bezüglich derjenigen Anlageteile berücksichtige, die beitragsfinanziert seien. Aus der Gebührenkalkulation sei nicht zu entnehmen, dass der Beklagte dem Gebührenhaushalt überhaupt einen Zinsvorteil gut geschrieben habe, obwohl sowohl der Beklagte als auch dessen Rechtsvorgänger Anlageteile über Beiträge finanziert hätten. Rechtlich zweifelhaft sei die Ansicht des Beklagten, dass er nicht Rechtsnachfolger der früheren Abwasserbeseitigungspflichtigen gewesen sei. Mit Gründung des Beklagten habe dieser kraft Gesetzes die Aufgabe der Abwasserbeseitigung von den ehemaligen Kommunen übernommen. Die Kommunen ihrerseits hätten ihr Anlagevermögen an den Beklagten übertragen. Die von den Kommunen erzielten Abschreibungserlöse hätten im Rahmen der Übertragung des Leitungsnetzes an den Beklagten mit übertragen werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Zur Klarstellung ist das angefochtene Urteil insoweit für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Im Übrigen ist die zulässige Berufung begründet.

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 2 der ab dem 17. November 2004 geltenden Satzung über die Erhebung von Gebühren für die zentrale Schmutzwasserentsorgung (Zentrale Schmutzwassergebührensatzung) des Beklagten vom 15. März 2007 - ZSGS 2007 -, wonach der Beklagte Abwassergebühren erhebt, die gem. § 3 ZSGS 2007 aus einer Grundgebühr (nur) für kommunale Einleiter (§ 4 ZSGS) und einer Mengengebühr bestehen.

Die in den §§ 4 Abs. 1 und 5 ZSGS 2007 festgesetzten Mengengebührensätze für die zentrale Schmutzwasserentsorgung sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden.

Bekanntmachungsmängel sind nicht ersichtlich. Die ZSGS 2007 ist entsprechend § 20 Nr. 1 der Verbandssatzung des Beklagten im Amtsblatt des Landkreises Schönebeck und im Amtsblatt des Landkreises Bernburg öffentlich bekannt gemacht worden. Dass die Bekanntmachungsvorschriften der Verbandssatzung des Beklagten unwirksam sind, hat die Klägerin nicht hinreichend substanziiert geltend gemacht.

Die in den §§ 4 Abs.1, 5 ZSGS 2007 festgesetzten Mengengebühren erweisen sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht schon deshalb als rechtlich fehlerhaft, weil der Beklagte nicht nur eine Einheitsgebühr auf der Grundlage einer Gesamtkalkulation für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung insgesamt festgesetzt hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KAG-LSA insoweit zwingend differenzierte Gebührensätze für die unterschiedlichen Benutzer der öffentlichen Einrichtung des Beklagten verlangt. Jedenfalls ist der Beklagte rechtlich nicht gehindert, dem Umstand, dass die von der öffentlichen Einrichtung erbrachte Leistung von unterschiedlichen Benutzergruppen unterschiedlich intensiv genutzt wird, durch die Festsetzung entsprechend differenzierter Gebührensätze Rechnung zu tragen, auch wenn der Beklagte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nur eine einheitliche öffentliche Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung betreibt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 17.04.2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188) steht den Gemeinden auch bei der Entscheidung darüber, wie sie ihr Abwasserbeseitigungssystem finanzieren wollen, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zu. Dessen Grenzen sind jedenfalls noch nicht überschritten, wenn unterschiedliche Vorteile in der Art und Weise der Abwasserbehandlung, die eine unterschiedliche Inanspruchnahmemöglichkeit der Entwässerungseinrichtung zur Folge haben, es rechtfertigen, auch bei einer einheitlichen Einrichtung vom Prinzip der umfassenden Globalberechnung mit einheitlicher Bemessungsregelung abzuweichen und einzelne Leistungsvorgänge einer gesonderten Abrechnung zu unterwerfen (HessVGH, Beschl. v. 17.05.1991 - 5 TH 2437/89 -, KStZ 1991, 235 ff.; ThürOVG, Urt. v. 21.06.2006 - 4 N 574/98 -, KStZ 2006, 212 ff.; vgl. auch VGH BW, Urt. v. 07.10.2004 - 2 S 2806/02 -, VBlBW 2005, 239 ff.; a. A. NdsOVG, Urt. v. 25.10.1984 - 3 OVG C 6/79 - und Urt. v. 18.09.2003 - 9 LB 390/02 - NVwZ-RR 2004, 681 ff., wonach eine Bemessung der Gebühr auf der Grundlage der Zurechnung der Kosten einzelner Anlagenteile entsprechend der Kostenverursachung durch einzelne Benutzer rechtlich nicht mit der Tatsache zu vereinbaren sei, dass nur eine einheitlich öffentliche Einrichtung betrieben werde). Letztlich folgt dies aus dem Grundsatz der Leistungsproportionalität, wonach die Bemessung der Gebühren "unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Inanspruchnahme" (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KAG-LSA) erfolgt (vgl. HessVGH, a. a. O.).

Nach den genannten Grundsätzen ist es jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte für die "komplette Inanspruchnahme der Kanalisations- und Abwasserreinigungsanlagen" (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ZSGS 2007) einerseits und für die "ausschließliche Inanspruchnahme nur der biologischen Reinigungsstufe der Kläranlage A-Stadt zur Reinigung von Produktionsabwässern" (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 ZSGS 2007) andererseits auf der Grundlage getrennter Kalkulationen zwei unterschiedliche Abgabensätze festgesetzt hat. Denn es bestehen, obwohl es sich um eine einheitliche öffentliche Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung handelt, bereits deshalb Leistungs- bzw. Benutzungsunterschiede, weil die Teilleistungen "Kanalnetz", "Pumpwerke/Überleitung" und "Kläranlage/mechanische Reinigungsstufe" nur von den kommunalen Einleitern in Anspruch genommen werden.

Der Gebührenerhebung steht nicht entgegen, dass die Abwasserbeseitigung durch den Beklagten, wie die Klägerin einwendet, deshalb unter Verstoß gegen wasserrechtliche Vorschriften erfolgt, weil der Beklagte hinsichtlich der mechanischen Reinigung der Produktionsabwässer der Firma (...) in der Kläranlage nicht von seiner Abwasserbeseitigungspflicht befreit worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Betriebs der öffentlichen Einrichtung zur Abwasserbeseitigung überhaupt auf das Gebührenrecht auswirkt. Das Einleiten der Produktionsabwässer nur in die biologische Reinigungsstufe der Kläranlage stellt jedenfalls deshalb keine rechtwidrige Abwasserbehandlung durch den Beklagten dar, weil nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten eine mechanische (Vor-) Reinigung der von der Firma (...) erzeugten Produktionsabwasser in der Kläranlage mangels entsprechender Schwebstoffbelastung nicht erforderlich ist. Der Beklagte kommt daher der ihm hinsichtlich der Abwasserreinigung obliegenden Abwasserbeseitigungspflicht durch die Behandlung der Produktionsabwässer der Firma (...) (ausschließlich) in der biologischen Reinigungsstufe der Kläranlage nach. Da keine Anhaltspunkte dafür sind ersichtlich, dass das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt wird (§ 150 Abs. 2 Satz 1 WG-LSA), begründet allein der Umstand, dass eine mechanische Reinigung des Produktionsabwassers in der Kläranlage durch den Beklagten nicht vorgenommen wird, nicht bereits die Annahme einer gesetzeswidrigen Abwasserbeseitigung durch den Beklagten. Es ist deshalb auch nicht geboten, die Produktionsabwässer kalkulatorisch genauso zu behandeln wie die anderen Abwässer.

Die von dem Beklagten vorgenommene Kalkulation der (Mengen-)Gebührensätze ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

Durch Vorlage der Nachkalkulation vom 8. Dezember 2006 hat der Beklagte für das streitgegenständliche Jahr 2004 den Nachweis erbracht, dass die in der ZSGS 2007 festgelegten Abgabensätze für die Mengengebühr den Anforderungen des Kostenüberschreitungsverbots genügen. Allein der Umstand, dass auch die von dem Beklagten vorgelegte Nachkalkulation noch auf der Grundlage der zentralen Schmutzwassergebührensatzung vom 3. November 2004 erstellt worden ist, führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Unwirksamkeit der in der ZSGS 2007 festgelegten Gebührensätze. Ihrer nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 27.07.2006 - 4 K 253/05 -) bestehenden Verpflichtung, spätestens im gerichtlichen Verfahren eine prüffähige Gebührenbedarfsberechnung, d. h. eine Veranschlagung bzw. Ermittlung der gebührenfähigen Kosten und Maßstabseinheiten im Kalkulationsraum, vorzulegen und die zur Überprüfung dieser Berechnung notwendigen tatsächlichen Angaben zu machen, ist der Beklagte durch Vorlage der Nachkalkulation für das Jahr 2004 nachgekommen. Der erstmals in § 5 ZSGS 2007 festgesetzte Gebührensatz für Produktionsabwasser entspricht hinsichtlich Höhe und Kalkulationsgrundlagen dem ursprünglich zwischen dem Beklagten und der (...) vertraglich vereinbarten Entgelt für die Übernahme des Abwassers in den biologischen Teil der Kläranlage, so dass sich anhand der Nachkalkulation feststellen lässt, dass der festgesetzte Gebührensatz den rechtlichen Vorgaben, insbesondere denen des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG-LSA, entspricht.

Nach der von dem Beklagten vorgenommenen Kalkulation ist die hinsichtlich der Höhe des CSB-Werts unterschiedliche Schmutzfracht der Produktionsabwässer einerseits und der häuslichen Abwässer andererseits Grundlage der Kostenzuordnung, so dass entgegen der Auffassung der Klägerin die Erhebung eines zusätzlichen Starkverschmutzerzuschlags nicht geboten ist. Die durch die Einleitung der hinsichtlich des CSB-Werts erheblich unterschiedlicher Schmutzfrachten in die biologische Reinigungsstufe der Kläranlage begründeten Leistungsunterschiede rechtfertigen im Übrigen die nach der Kalkulation vorgenommene Aufteilung der Kosten der biologischen Reinigungsstufe nach der unterschiedlichen Höhe der genannten Schmutzfracht zu 70 % für das Produktionsabwasser und zu 30 % für die kommunalen Einleiter.

Der in der Gebührensatzung für kommunale Einleiter festgesetzte Gebührensatz erweist sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil die Kalkulation Zinsvorteile aus Abschreibungserlösen, die sich auf beitragsfinanzierte Anlageteile beziehen, nicht berücksichtigt. Fraglich ist bereits, ob die von den Kommunen möglicherweise erzielten Abschreibungserlöse nicht sofort für Abwasserbeseitigungszwecke verwendet worden sind (vgl. NdsOVG, Urt. v. 18.09.2003, a. a. O.), was die Erzielung eines - tatsächlichen oder fiktiven - Zinsvorteils zu Gunsten des Gebührenhaushalts ausschlösse. Aber auch wenn bei den bisher abwasserbeseitigungspflichtigen Kommunen fiktive Zinsvorteile entstanden wären, weil dem Vermögenshaushalt der Gemeinde zugeflossene Abschreibungserlöse bis zur vorgesehenen Verwendung für Abwasserbeseitigungszwecke zunächst für andere Vorhaben eingesetzt worden sind, sind - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Beklagten - solche fiktiven Zinsvorteile jedenfalls nicht auf den Beklagten übertragen worden. Bei der Gründung des Beklagten hat dieser das Anlagevermögen und die Verbindlichkeiten von den jeweiligen Gemeinden gleichsam durch "(Kauf-)Verträge" zum Restbuchwert übernommen. Eine Gesamtrechtsnachfolge des Beklagten in Bezug auf die früheren Aufgabenträger ist nicht eingetreten. Damit bleiben die vor Gründung des Beklagten im Jahre 2004 möglicherweise erwirtschafteten Zinsvorteile außer Betracht.

Zudem sind gemäß § 5 Abs. 2a Satz 2 KAG-LSA bei den Berechnungsgrundlagen der Abschreibungen die Beiträge abzuziehen, so dass die Wertbasis für die Erwirtschaftung von Abschreibungen in Sachsen-Anhalt bezogen auf das Anlagevermögen bereits geringer ist als nach der entsprechenden Rechtslage des niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes. Die "Investition der Beitragszahler in die Abwasserbeseitigung" (vgl. Nds.OVG, Urt. v. 18.09.2003, a. a. O.) bleibt daher nach § 5 Abs. 2a Satz 2 KAG-LSA von vornherein unberücksichtigt.

Im Übrigen ist angesichts der in der Nachkalkulation für das streitgegenständliche Jahr 2004 ermittelten kostendeckenden Gebühr in Höhe von 7,39 € kaum anzunehmen, dass der in § 4 ZSGS 2007 für das Jahr 2004 festgesetzte Gebührensatz in Höhe von 3,52 € auch bei Berücksichtigung der von der Klägerin angenommenen Zinsgutschriften überhöht wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Dabei trägt der Beklagte die Kosten des erledigten Verfahrensteils, weil er den angegriffenen Bescheid (teilweise) aufgehoben und dadurch die Erledigung herbeigeführt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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