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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 4 L 359/06
Rechtsgebiete: GG, KAG LSA


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
KAG LSA § 6 Abs. 1 S. 1
KAG LSA § 6 Abs. 5 S. 1
KAG LSA § 6 Abs. 5 S. 2
Die Gleichbehandlung innerhalb des Vollgeschossmaßstabes einer Anschlussbeitragssatzung von eingeschossig bebaubaren Grundstücken mit solchen Grundstücken, die zweigeschossig bebaubar sind, verstößt nicht nur gegen das Gebot des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA, Beiträge nach Vorteilen zu bemessen, sondern auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 359/06

Datum: 23.11.2006

Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die in § 4 Abs. 3 der Beitragssatzung des Beklagten vom 29. September 2004 vorgenommene Differenzierung innerhalb des Vollgeschossmaßstabes, insbesondere die Gleichbehandlung von eingeschossig bebaubaren Grundstücken mit solchen Grundstücken, die zweigeschossig bebaubar sind, nicht nur gegen das Gebot des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA verstößt, Beiträge nach Vorteilen zu bemessen, sondern auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch ein- und zweigeschossige Gebäude sei nach den Verhältnissen in seinem ländlich geprägten Verbandsgebiet "fast identisch". Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 KAG LSA können zwar Gruppen von Beitragspflichtigen mit annähernd gleichen Vorteilen zusammengefasst werden. Der anschlussbeitragsrechtliche Vorteil, den ein Beitragspflichtiger mit einem eingeschossig bebaubaren Grundstück hat, unterscheidet sich aber deutlich von dem Vorteil, den ein Beitragspflichtiger mit einem zweigeschossig bebaubaren Grundstück hat, so dass eine Gleichbehandlung auch nicht von dem grundsätzlichen Ermessenspielraum der beitragserhebenden Körperschaft gedeckt ist. Denn bei der Vorteilsbemessung ist den Unterschieden in der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung Rechnung zu tragen. Der Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme hängt in erster Linie von der baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit des Grundstücks ab. Dem liegt der Erfahrungssatz zugrunde, dass der Abwasseranfall umso größer sein kann, je mehr Bausubstanz auf dem Grundstück verwirklicht werden darf (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht Bd. 3, § 8 Rdnr. 1021). Die Verwendung des Vollgeschossmaßstabes knüpft daher an die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks an und geht von der Erfahrung aus, dass mit zunehmender Zahl der zulässigen bzw. tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse und der damit verbundenen Zunahme der zulässigen baulichen Nutzfläche das Maß der (möglichen) Inanspruchnahme der Einrichtung infolge der intensiveren Nutzbarkeit steigt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 6. Dezember 2001 - 1 L 321/01 -). Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Sätze 1 und 2 KAG LSA kann danach die Vorteilsbemessung und damit die Festlegung der Beiträge - anders als im Gebührenrecht (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 KAG LSA) - nicht im Ergebnis davon abhängig gemacht werden, wie intensiv die tatsächlich verwirklichte Nutzung der Einrichtung ist. Dem steht zudem auch entgegen, dass eine solche Nutzung bei noch unbebauten, aber bebaubaren Grundstücken naturgemäß nicht festgestellt werden kann. Die Beitragspflicht entsteht gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA jedoch auch, wenn durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme ein Vorteil entsteht.

Im Übrigen lässt sich das Maß der tatsächlich verwirklichten Nutzung der Einrichtung nicht ohne weiteres an der Zahl der auf dem Grundstück befindlichen Haushalte festmachen. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das Maß der Nutzung der Abwassereinrichtung letztlich von der Zahl in einem Haushalt lebenden Personen abhängig ist. Weiterhin lässt der Beklagte bei seiner Betrachtung eine ganz erhebliche Zahl von Grundstücken außen vor. Zum einen sieht er als von der Einrichtung bevorteilt anscheinend nur bebaute Grundstücke an. Zum anderen weisen nach seiner Darstellung von den ca. 1000 eingeschossig bebauten Grundstücken 881 und von den ca. 1200 zweigeschossig bebauten Grundstücken 783 jeweils nur einen Haushalt auf. Damit entsprechen etwa 12 % der eingeschossig bebauten Grundstücke bzw. etwa 35 % der zweigeschossig bebauten Grundstücke nicht dem Ein-Haushalt-Standard, der den Beklagten seiner Auffassung nach zur Gleichbehandlung berechtigt.

2. Der Rechtssache kommt weiterhin keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

Die aufgeworfene Fragestellung ist nach den vorstehenden Ausführungen entweder in der Rechtsprechung des Senats geklärt oder auf der Grundlage der angeführten Regelungen ohne weiteres beantwortbar. So wird in dem vom Beklagten selbst zitierten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. Dezember 2001 - 1 L 321/01 - bei der Prüfung eines Vollgeschossmaßstabes ausdrücklich auch ein Abstellen auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse gebilligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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