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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 4 L 384/05
Rechtsgebiete: GG, KAG LSA


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
KAG LSA § 3 Abs. 1
1. Das Halten sog. Kampfhunde kann der Satzungsgeber mit einem erhöhten Steuersatz belegen.

2. Es ist vom Beurteilungsspielraum des Satzungsgebers gedeckt, jedenfalls solche Hunde in einer Hundesteuersatzung als abstrakt gefährlich anzusehen, bei denen das äußere Erscheinungsbild einer gefährlichen Hunderasse noch zu erkennen ist.

3. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfordert keine Satzungsbestimmung, wonach die vermutete Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall etwa durch einen Wesenstest entkräftet werden kann.


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur erhöhten Hundesteuer.

Er ist Halter eines Hundes, der nach der Rassebestimmung des Veterinäramtes der Beklagten und nach den Angaben des Klägers in der Neuanmeldung des Hundes vom 22.04.2003 ein American Staffordshire Terrier-Mix ist.

Mit Bescheid vom 09.05.2003 zog die Beklagte den Kläger für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.12.2003 zu einer Hundesteuer für einen "gefährlichen Hund" in Höhe von 409,03 € heran. Nachdem die Beklagte den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2003 zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine pauschale Einstufung des Hundes als gefährlich nach seiner Rasse sei rechtswidrig. Er biete an, seinen Hund einem Wesenstest zu unterziehen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2003 aufzuheben.

Der Beklagte hat unter Verteidigung des angefochtenen Bescheides beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Halle hat mit Urteil vom 21.09.2005 den angefochtenen Bescheid in Höhe des für einen "gefährlichen Hund" festgesetzten Betrages aufgehoben und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Regelung der Hundesteuersatzung der Beklagten, wonach auch Kreuzungen von "gefährlichen Hunden" untereinander oder mit anderen Hunden als "gefährliche Hunde" eingestuft und mit einer erhöhten Hundesteuer belegt werden, gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoße. Nach der einschlägigen Satzungsbestimmung gelte jede Kreuzung bzw. jeder Mischling unabhängig von seinem Anteil der Generation, in der es zur Einmischung gekommen sei, als gefährlich. Bei einem sehr geringen Anteil der als gefährlich eingeschätzten Rasse sei es nicht mehr sachlich gerechtfertigt, die Kreuzung steuerlich anders als einen Hund einer ungefährlichen Rasse zu behandeln.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte geltend, ihre Satzung sei mit höherrangigem Recht zu vereinbaren. Auch für die Kreuzung bestimmter Hunderassen sei es zulässig, eine erhöhte Hundesteuer vorzusehen. Eine Klassifizierung des Hundes durch einen Nachweis seiner konkreten Gefährlichkeit sei nicht erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 21.09.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Berufung geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Klage in vollem Umfang unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.05.2003 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Steuerbescheides ist § 3 Abs. 1 KAG LSA i. V. m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung der Hundesteuer vom 13.12.2000 i. d. Fassung vom 12.12.2001 (HStS 01).

2. Die einschlägigen Bestimmungen der HStS 01 und § 3 KAG LSA sind mit höherrangigem Recht zu vereinbaren.

2.1 Die Rechtsgrundlage entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 105 Abs. 2a GG. Denn die Hundesteuer ist als eine an die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf anknüpfende örtliche Aufwandsteuer i. S. der Bestimmung.

2.2 Die einschlägigen Bestimmungen der HStS 01 sind auch mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren.

2.2.1 Der Gleichheitssatz verbietet es dem Satzungsgeber nicht, in einer Satzung Hunde bestimmter Rassen als gefährlich einzustufen und das Halten solcher Hunde wegen ihrer gesteigerten abstrakten Gefährlichkeit mit einem erhöhten Steuersatz zu belegen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8.99 -, zitiert nach juris, Rdnr. 39 ff.).

Bei der Einschätzung, welche Hunderassen als gefährlich gelten, steht dem Satzungsgeber ein Beurteilungs- und Typisierungsspielraum zu. Erst dann, wenn die Einschätzung- und Typisierung des Satzungsgebers nicht mehr sachlich gerechtfertigt ist, wird Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Bei den in § 3 Abs. 4 HStS 01 aufgeführten Hunderassen handelt es sich ausnahmslos um Kampfhunde, bei denen eine Einstufung als gefährlich nicht zu beanstanden ist. Die in der Vorschrift genannte Liste enthält unter den im Tierhandel gebräuchlichen Bezeichnungen nur solche Hunde, denen wegen ihres Gewichts oder ihrer Beißkraft eine abstrakte Gefährlichkeit zugesprochen werden muss. Ersichtlich hat der Satzungsgeber darauf abgestellt, dass es sich bei den in der Liste aufgenommenen Hunden um - erst in neuerer Zeit verstärkt importierte - Züchtungen handelt, die im Ausland u. a. für Hundekämpfe bestimmt waren. Dementsprechend ist bei diesen Hunden eine Zuchtauswahl getroffen worden, die besondere Angriffsbereitschaft, Beschädigungswille ohne Hemmung und herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe des Gegners fordern sollten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 a. a. O.). Das belegen auch die einschlägigen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen. Auch wenn die Fachwissenschaft offenbar darin übereinstimmt, dass das aggressive Verhalten eines Hundes und seine darauf beruhende Gefährlichkeit nicht allein genetisch bedingt sind, schließt sie doch auch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit genetische Ursachen haben kann. Es ist unbestritten, dass Hundegruppen wie Pitbull-Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier im Hinblick auf angeborene Verhaltensbereitschaften ein Potenzial zur Erzeugung gefährlicher Hunde darstellen (vgl. Qualzuchtgutachten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom Januar 2000, S. 31 f.; BVerfG, Urt. v. 16.03.2004 - 1 BvR 1778/01 -, zitiert nach juris, Rdnr. 75, m. w. N. auf die einschlägige fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen). Dafür, dass hierzu zwischenzeitlich neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen und die in § 3 Abs. 4 HStS 01 aufgeführten Hunderassen, insbesondere diejenige des American Staffordshire Terrier nicht mehr als abstrakt gefährlich angesehen werden können, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Die erhöhte Hundesteuer für abstrakt gefährliche Hunderassen ist sachlich gerechtfertigt. Zwar dient die Hundesteuer als örtliche Aufwandsteuer der Einnahmeerzielung. Sie darf aber auch einen Nebenzweck verfolgen. Ein solcher zulässiger Nebenzweck ist anerkanntermaßen das Ziel, die Haltung bestimmter Hunderassen aufgrund eines abstrakten Gefährdungspotenzials einzudämmen, um die durch sie entstehenden Gefahren und Belästigungen für die Allgemeinheit zu verringern. Diesem zulässigen Lenkungszweck dient auch die in der Hundesteuersatzung der Beklagten insbesondere für bestimmte Hunderassen vorgesehene erhöhte Steuer (§ 3 Abs. 1c HStS 01). Denn mit dieser Regelung will die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen neben der Einnahmeerzielung konkret Einfluss auf die künftige Entwicklung der Hundehaltung in ihrem Stadtgebiet nehmen. Sie ist zu Recht davon ausgegangen, dass die erhöhte Besteuerung der nach Rassemerkmalen als besonders gefährlich eingeschätzten Hunde den gewünschten Lenkungszweck erreichen wird. Denn der potenzielle Halter solcher Hunde wird sich angesichts der voraussehbar erhöhten Steuerbelastung vielfach gegen die Anschaffung eines Hundes dieser Rassen entscheiden (vgl. OVG LSA, Urt. v. 23.01.2006 - 4 L 289/05 -, zitiert nach juris, Rdnr. 35 m. w. N.).

2.2.2 Entgegen der Ansicht der Vorinstanz verletzt auch die Einstufung von Kreuzungen gefährlicher Hunderassen untereinander oder mit anderen Rassen als gefährliche Hunde in § 3 Abs. 5 HStS 01 weder den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Im Rahmen der Gefahrenfürsorge ist es noch vom Beurteilungsspielraum des Satzungsgebers gedeckt, jedenfalls solche Kreuzungen und Mischlinge als abstrakt gefährlich anzusehen, bei denen das äußere Erscheinungsbild einer gefährlichen Hunderasse (z. B. im Rahmen einer Vorführung beim Amtstierarzt) noch zu erkennen ist (wohl weitergehend: OVG NRW, Urt. v. 17.06.2004 - 14 A 953/02 -, zitiert nach juris, Rdnr. 25 ff.). Bei derartigen Kreuzungen und Mischlingen darf der Satzungsgeber im Rahmen seines Beuteilungsspielraumes davon ausgehen, dass die genetischen Vorgaben, die die abstrakte Gefährlichkeit des Hundes bedingen, noch zum Tragen kommen. Dafür, dass der Satzungsgeber davon ausging, dass jeder Mischlingshund einer genetischen Untersuchung zu unterziehen ist, um auch nur die geringsten genetischen Anteile einer gefährlichen Hunderasse festzustellen, bestehen keine Anhaltspunkte. Denn die Zugehörigkeit eines Tieres zu einer Rasse ist durch genetische Analysen nicht eindeutig nachweisbar, sondern kann in der Regel nur durch die Analyse äußerlich erkennbarer, sog. rassetypischer Merkmale festgestellt werden (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Zuchtlinie). Zumindest kann § 3 Abs. 5 HStS 01 dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass solche Mischlingshunde, bei denen die Kreuzung mit einer gefährlichen Hunderasse anhand des Erscheinungsbildes feststellbar ist, als gefährlich gelten. Aus diesem Grunde bedarf entgegen der Ansicht der Vorinstanz die Satzung keiner ausdrücklichen Einschränkung für solche Mischlingshunde, bei denen die genetischen Anteile einer gefährlichen Hunderasse nicht mehr zum Tragen kommen. Eine derartige differenzierende Regelung ließe sich auch kaum verfassungsrechtlich rechtfertigen, weil derzeit keine gesicherten fachwissenschaftlichen Kenntnisse vorliegen, bis zu welchem genetischen Anteil einer gefährlichen Hunderasse der Mischlingshund noch als abstrakt gefährlich gelten kann. Darüber hinaus dürfte es, solange noch keine entsprechenden fachwissenschaftlichen Ergebnisse vorliegen, noch vom Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers gedeckt sein, bei jedem Mischlingshund unabhängig vom genetischen Anteil der gefährlichen Hunderasse von dessen abstrakter Gefährlichkeit auszugehen. Insofern darf der Satzungsgeber typisieren und pauschalieren (vgl. hierzu: OVG NRW, Urt. v. 17.06.2004, a. a. O., Rdnr. 46 f.).

2.2.3 Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfordert keine Satzungsbestimmung, wonach die vermutete Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall etwa durch einen Wesenstest entkräftet werden kann. Denn mit dem als unwiderlegliche Vermutung ausge-stalteten Steuertatbestand für Kampfhunde in § 3 Abs. 4 und 5 HStS 01 verfolgt die Beklagte nicht in erster Linie oder gar ausschließlich einen im engeren Sinne "polizeilichen" Zweck der aktuellen und konkreten Gefahrenabwehr. Das Lenkungsziel besteht - wie bereits ausgeführt - vielmehr darin, die Anzahl potenziell gefährlicher Hunde im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zurückzudrängen. Die unwiderlegliche Vermutung ist in besonderer Weise geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Müssten nämlich in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von der höheren Besteuerung gewährt werden, so würde das dem steuerlichen Lenkungszweck, den Bestand an potenziell gefährlichen Hunden möglichst gering zu halten, gerade zuwiderlaufen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a. a. O., zitiert nach juris, Rdnr. 43).

Unabhängig davon, ist die in § 3 Abs. 3 bis 5 HStS 01 verankerte unwiderlegliche Vermutung und die darin liegende Typisierung auch durch Praktikabilitätsgesichtspunkte gedeckt. Eine Untersuchung, ob Kampfhunde im Einzelfall so gehalten werden, dass sich ihre potenzielle Gefährlichkeit nicht auswirkt, stößt wegen der teilweisen Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens schon objektiv auf Schwierigkeiten (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a. a. O., zitiert nach juris, Rdnr. 48). Auch bieten Wesenstests, tierärztliche Begutachtungen und ähnliche Maßnahmen, selbst wenn sie von sachkundigen Personen durchgeführt werden, keine vollkommene verlässliche Grundlage für eine hinreichend sichere Gefahrenprognose. Wesensprüfungen ermöglichen nur eine Momentaufnahme vom Verhalten des überprüften Tieres in einer bestimmten "Krisensituation". Dass ein Hund, dessen Ungefährlichkeit aufgrund der Wesensprüfung angenommen wurde, u. a. Umständen anders reagiert und dabei für den Menschen zur Gefahr wird, lässt sich wegen der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens nicht ausschließen. Auch ist es möglich, durch pharmakologische Behandlung des Hundes seine Gefährlichkeit für den Zeitraum der Wesensprüfung zu verdecken (BVerfG, Urt. v. 16.03.2004, a. a. O., zitiert nach juris, Rdnr. 84 m. w. N.).

2.3 Der auf das Achtfache des Regelsteuersatzes für sonstige Hunde festgelegte erhöhte Steuersatz für gefährliche Hunde in § 3 Abs. 1 c HStS 01 verstößt auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Übermaßverbot. Der erhöhte Steuersatz ist zur Erreichung des Lenkungszwecks der Abgabe angemessen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 23.01.2006, a. a. O., zitiert nach juris, Rdnr. 43 ff.).

3. Die Beklagte hat die erhöhte Hundesteuer nach den einschlägigen Bestimmungen der HStS 01 bemessen. Weil die Steuerschuld gem. § 7 Abs. 4 HStS 01 erst mit dem 01.05.2003 entstanden ist, hat die Beklagte die Steuer für den Zeitraum vom 01.05. bis zum 31.12.2003 anteilig bemessen. Eine Widerlegung der Gefährlichkeit des Hundes etwa durch einen Wesenstest ist in der Satzung nicht vorgesehen. Eine solche Regelung ist - wie bereits ausgeführt - auch nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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