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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: 4 L 405/04
Rechtsgebiete: GrStG, BewG


Vorschriften:

GrStG § 33
GrStG § 33 Abs. 1
BewG § 88
Ein Erlass nach § 33 Abs. 1 GrStG scheidet - unabhängig von der Anwendung des Ertragswert- oder Sachwertverfahrens - generell dann aus, wenn die Ertragsminderung auf Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beruht oder auf anderen wertbeeinflussenden Umständen, die in die Hauptfeststellung des Einheitswerts eingehen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 405/04

Datum: 15.01.2007

Gründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Es ist schon fraglich, ob der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung überhaupt zulässig ist. Zweifel bestehen, ob in ausreichender Weise i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe dargelegt sind, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Denn es bedarf grundsätzlich unter hinreichender Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund einer substanziierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird. Die Zuordnung des Vorbringens zu einem Zulassungsgrund darf auch nicht dem Gericht in dem Sinne überlassen werden, dass erst dieses überprüft und herausfiltert, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten die Darlegungen einen Zulassungsgrund begründen können (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. A., § 124a Rdnr. 49 m.w.N.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 124a Rdnr. 91 ff., 94; vgl. aber auch BVerfG, Beschl. v. 30. Juni 2005 - 1 BvR 2615/04 -, zit. nach JURIS).

Dies muss aber nicht abschließend entschieden werden, weil der Antrag jedenfalls unbegründet ist.

1. Es bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

a) Streitbefangen ist - wie in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auch ausgeführt - die Verpflichtung der Beklagten auf Teilerlass der Grundsteuer für die Jahre 1998 bis 2001 sowie die Anfechtung des Ablehnungsbescheides der Beklagten für den Zeitraum 2002. Soweit der Betreff der Entscheidung die Bezeichnung "Grundsteuererlass für 1988 bis 2002" enthält, handelt es sich hinsichtlich des Jahres 1988 um einen offensichtlichen Schreibfehler. Die Erstreckung auf das Jahr 2002 ist darauf zurückzuführen, dass die Kläger mit ihrer Klage zunächst auch einen Erlass für dieses Jahr verfolgt hatten.

b) Soweit das Verwaltungsgericht die - im Klageverfahren umgestellte - Anfechtungsklage hinsichtlich des Jahres 2002 abgewiesen hat, haben die Kläger schon keine Einwendungen erhoben.

c) Das Verwaltungsgericht hat weiterhin zu Recht festgestellt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer für die Jahre 1998 bis 2001 wegen wesentlicher Ertragsminderung gemäß § 33 GrStG haben.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG wird die Grundsteuer bei bebauten Grundstücken in bestimmtem Umfang erlassen, wenn der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 v. H. gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Zwar ist unstreitig, dass die von den Klägern vermieteten Räumlichkeiten während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums teilweise leergestanden und deshalb insoweit keinen Ertrag abgeworfen haben. Nicht jede Ertragslosigkeit rechtfertigt indes einen Erlass. Nach der gesetzlichen Konzeption der Grundsteuer als einer vom Ertrag unabhängigen Real- oder Objektsteuer können Ertragsminderungen oder -ausfälle schon wegen des Gebots der Abgabengleichheit nur in bestimmten Sonderfällen zu einem Erlass nach dieser Vorschrift führen, nämlich dann, wenn sie auf für die Ertragslage außergewöhnlichen oder atypischen Umständen beruhen und erkennbar vorübergehender Natur sind (BVerwG, Urt. v. 3. Mai 1991 - 8 C 13.89 -, Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 24 S. 7, 8 f.). Daran fehlt es etwa - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - bei Mietausfällen aufgrund nachhaltiger, strukturell bedingter fehlender Mieternachfrage; sie sind bereits bei der Ermittlung des normalen Rohertrags zu berücksichtigen und können deshalb nicht als Minderung diesem gegenüber geltend gemacht werden (BVerwG, Urt. v. 4. April 2001 - 11 C 12.00 -, BVerwGE 114, 132 ff.; vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 17. Februar 2006 - 4 L 303/05 -; VGH Bayern, Urt. v. 15. Dezember 2005 - 4 B 04.1948 -, BayVBl 2006, 349; VGH Hessen, Urt. v. 7. März 2005 - 5 UE 3009/02 -, NVwZ-RR 2006, 62; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 3. Dezember 2003 - 13 LA 213/03 -, NVwZ 2004, 370; a.M.: BFH, Beschl. v. 13. September 2006 - II R 5/05 -, zit. nach JURIS).

Zwar machen die Kläger zutreffend geltend, dass der Wert des Grundstücks, welches der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2001 zugrunde lag, nach dem Ertragswertverfahren (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG) ermittelt wurde, während der Wert des streitbefangenen Grundstücks nach ihrem Vortrag nach dem Sachwertverfahren (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GrStG) ermittelt wird. Ein Erlass nach § 33 Abs. 1 GrStG scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, aber generell dann aus, wenn die Ertragsminderung auf Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beruht oder auf anderen wertbeeinflussenden Umständen, die in die Hauptfeststellung des Einheitswerts eingehen. Durch die Sonderregelung in § 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG, derzufolge sich der normale Rohertrag nach den allgemeinen Verhältnissen zu Beginn des jährlichen Erlasszeitraums bemisst, hat der Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen, dass Änderungen der allgemeinen Wertverhältnisse zwischen den Hauptfeststellungszeitpunkten als im System berücksichtigter Regelfall keinen Grundsteuererlass zu begründen vermögen. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass ein strukturell bedingtes Fehlen der Mieternachfrage alle Vermieter im jeweiligen Gemeindegebiet vergleichbar trifft (vgl. VGH Bayern, Urt. v. 15. Dezember 2005, a.a.O. S. 349 f.; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 3. Dezember 2003, a.a.O. S. 370). Ob und in welchem Umfang § 88 BewG im Falle der Kläger anwendbar ist, ist für die Frage der Heranziehung des § 33 GrStG ohne Belang. Etwaige Defizite bei der Festsetzung bzw. Fortschreibung der Einheitswerte können nach der Systematik des Verhältnisses zwischen Grundsteuerteilerlass und Bewertungsrecht jedenfalls nicht durch einen Rückgriff auf den Grundsteuerteilerlass kompensiert werden (vgl. VGH Bayern, Urt. v. 21. Juli 2005 - 4 ZB 05.833 -, zit. nach JURIS).

Die Kläger haben in ihrer Antragsbegründung keine außergewöhnlichen oder atypischen Umstände für die Mietausfälle genannt, sondern selbst eingeräumt, es gebe im Raum E. seit mehreren Jahren ein "Überangebot an vermietbaren Flächen und einen hieraus resultierenden nicht unwesentlichen Leerstand". Dies sei "insbesondere bedingt durch die hinreichend bekannte schlechte wirtschaftliche Lage, den Verlauf der Bevölkerungsentwicklung, die Altersstruktur und die Entwicklung des Einkommens sowie fehlende Arbeitsplätze". Die Mietausfälle sind damit also auch nach eigener Einschätzung der Kläger auf einen strukturell bedingten Wohnungsleerstand zurückzuführen. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Leerstand in Bezug auf ihr Grundstück als eine vorübergehende Ausnahmesituation bewertet werden kann. Vielmehr erscheint er nach den Darlegungen der Kläger und der Beklagten als nachhaltig und dauerhaft strukturell bedingt.

2. Soweit die Kläger mit ihrem Schriftsatz vom 20. Dezember 2004 sinngemäß geltend machen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, so erfolgte dieser Vortrag nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Im Übrigen ist eine grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Verhältnisse in den strukturschwachen Gebieten der neuen Bundesländer nach dem o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2001 nicht mehr gegeben (so auch OVG LSA, Beschl. v. 15. Juli 2003 - 2 L 136/03 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts v. 5. Mai 2004 - GKG a.F. -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 72 Nr. 1 GKG i.V.m. 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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