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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 4 L 423/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2 S. 1
AO § 119 Abs. 2
AO § 155 Abs. 1 S. 1
AO § 157 Abs. 1
AO § 157 Abs. 1 S. 1
AO § 167 Abs. 1 S. 2
Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine abfallgebührenrechtliche Wertmarke, die zur Entrichtung einer Leistungsgebühr erworben werden kann und an dem Abfallbehälter zu befestigen ist, ein Abgabenzeichen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Bucht. b KAG LSA i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 2 AO darstellt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 4 L 423/05

Datum: 03.11.2006

Gründe:

Der Kläger beantragte im Februar 2005 beim Beklagten die Rückerstattung eines Betrages von 52,- €, den er im Jahre 2004 für den Kauf einer Banderole ausgegeben habe, die der Beklagte für die Abfallbeseitigung ausgebe. Ein Bescheid darüber existiere nicht. Der Beklagte wies das Begehren mit Schreiben vom 24. Februar 2005 zurück.

Der Kläger hat am 28. Februar 2005 beim Verwaltungsgericht Halle eine Leistungsklage erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 52,- € zuzüglich Prozesszinsen zu zahlen. Es sei unzulässig, eine Kommunalabgabe ohne Bescheid zu erheben. Zudem sei der Beklagte nicht wirksam gegründet, die Gebühr sei falsch kalkuliert und der Beklagte besitze kein (wirksames) Bekanntmachungsrecht. Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht Halle hat den Beklagten auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2005 verurteilt, an den Kläger 52,- € zuzüglich Prozesszinsen zu zahlen. Der Kläger habe die von ihm mit dem Erwerb der Banderole entrichtete (variable) Gebühr ohne rechtlichen Grund geleistet. Es liege kein Verwaltungsakt vor, der einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Gebühren darstellen könnte, weil die streitige "Lenkungsgebühr" nicht durch Leistungsbescheid festgesetzt worden sei. Es könne dahin stehen, ob allein eine satzungsrechtliche Regelung als hinreichender Rechtsgrund für die Zahlung der Gebühr genügen würde. Für das Jahr 2004 fehle es nämlich an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage für die Erhebung von Abfallbeseitigungsgebühren, weil die Abfallgebührensatzung des Beklagten gegen § 6 Abs. 3 AbfG LSA verstoße. Insoweit hat sich das Verwaltungsgericht die Ausführungen in seinem Urteil vom 13. April 2005 (- 5 A 714/02 HAL -) zu Eigen gemacht.

Der Beklagte macht zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 16. März 2006 zugelassenen Berufung geltend, die Erhebung einer Zusatz- oder Lenkungsgebühr in Form einer Banderolensystemgebühr sei rechtlich zulässig. Eines gesonderten schriftlichen Leistungsbescheides bedürfe es hierfür nicht. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 119 Abs. 2 AO könnten (auch) Steuerbescheide schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Es sei damit i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 1 AO etwas anderes bestimmt als die Festsetzung durch schriftlichen Bescheid. Die satzungsmäßige Grundlage für die Erhebung der Gebühr sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit wiederholt der Beklagte seinen Vortrag aus den Parallelverfahren 4 L 432/05 und 4 L 433/05, in denen die mit Gebührenbescheid erfolgte Erhebung von Abfallgebühren gegenüber dem Kläger streitbefangen ist.

Der Beklagte beantragt,

das auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertieft seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren und weist außerdem darauf hin, dass der Beklagte für das Jahr 2003 seine Rückzahlungsverpflichtung anerkannt habe. Weiterhin gelte auch für die hier streitige Lenkungsgebühr, dass vor ihrer Erhebung Ermessen betätigt werden müsse, was nicht geschehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgeben hat. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückerstattung des von ihm im Jahre 2004 unstreitig für eine Banderole gezahlten Betrages in Höhe von 52,- € zuzüglich von Prozesszinsen.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Danach hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags, wenn u.a. eine Abgabe ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist.

Es spricht Einiges dafür, dass ein Erstattungsanspruch schon deshalb besteht, weil der Beklagte gegenüber dem Kläger keinen Gebührenbescheid erlassen hat.

Gemäß § 1 der Abfallgebührensatzung in der im streitbefangenen Zeitraum anwendbaren Fassung - AbfGS - erhebt der Beklagte für das Vorhalten und die Inanspruchnahme der Abfallentsorgung zur Deckung der Aufwendungen Gebühren. Nach § 4 Abs. 1 AbfGS werden die Gebühren für Einsammeln, Befördern, Behandeln und Ablagern des in den zugelassenen festen Abfallbehältnissen gesammelten Abfalls durch den Beklagten durch Bescheid festgesetzt. Für die Durchführung der Entsorgung erhebt der Beklagte eine jährliche Gebühr (§ 9 Abs. 1 AbfGS), die sich für Grundstücke, die zu Wohnzwecken genutzt werden, aus einer personenbezogenen Abfallentsorgungsgebühr sowie einer behälter- und abfuhrabhängigen Lenkungsgebühr zusammensetzt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 AbfGS). Die Lenkungsgebühr wird gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AbfGS durch den Anschlusspflichtigen mit dem Erwerb der behälterspezifischen Wertmarke (Banderole/Jahresmarke) entrichtet und mit der Bereitstellung des Abfallbehältnisses zur Entleerung in Anspruch genommen.

Nach diesen Regelungen dürfte es sich bei der erhobenen Lenkungsgebühr um eine Benutzungsgebühr handeln, die nach der Abfallgebührensatzung zwingend durch Bescheid festzusetzen ist. Denn § 4 Abs. 1 AbfGS bezieht sich nach Wortlaut und Systematik nicht nur auf die Abfallentsorgungsgebühr, sondern auch auf die Lenkungsgebühr. Es ist fraglich, ob § 4 Abs. 1 AbfGS auf Grund des gesamten Regelungsgefüges der AbfGS, insbesondere in § 9 AbfGS, dahingehend auszulegen ist, dass sich die Anordnung zum Erlass eines Bescheides nur auf die Abfallentsorgungsgebühr bezieht.

Grundsätzlich entspricht die Festsetzung der Benutzungsgebühr durch Bescheid auch den gesetzlichen Vorgaben. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO werden die Abgaben, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der abgabenerhebenden Körperschaft durch Abgabenbescheid (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 157 Abs. 1 AO) festgesetzt. Soweit der Beklagte geltend macht, die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 119 Abs. 2 AO stelle eine abweichende gesetzliche Bestimmung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 1 AO dar, verkennt er das Verhältnis zwischen diesen beiden Normen. § 157 Abs. 1 AO ist gegenüber der allgemeinen Regelung des § 119 Abs. 2 AO eine Spezialvorschrift, die Vorrang beansprucht (vgl. Tipke/Kruse AO/FGO, AO § 119 Rdnr. 11; Kühn/Hofmann, AO 17. A., § 119 Anm. 2, 3).

Allerdings ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die behälterspezifische Wertmarke (Banderole/Jahresmarke) des § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AbfGS ein Abgabenzeichen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Bucht. b KAG LSA i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 2 AO darstellt.

Die Fragen, ob die streitbefangene Lenkungsgebühr durch Bescheid hätte festgesetzt werden müssen, und - sich daran anschließend - ob insoweit allein die formelle Bescheidlage entscheidend ist (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 29. Mai 2001 - 5 B 643/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 Rdnr. 33, 35, 42 m.w.N.), müssen jedoch nicht entschieden werden. Die Abfallgebührensatzung des Beklagten ist wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 3 AbfG nichtig, so dass sie nicht als Rechtsgrundlage i.S.d. § 37 Abs. 2 AO herangezogen werden kann. Es wird insoweit auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung des Senats in den Verfahren 4 L 432/05 und 4 L 433/05 verwiesen.

Der Kläger war nicht verpflichtet, eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines den Erstattungsanspruch konkretisierenden Verwaltungsaktes, d.h. eines Abrechnungsbescheides i.S.d. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO (vgl. dazu OVG Sachsen, Beschl. v. 1. April 2003 - 5 B 115/01 -, zit. nach JURIS m.w.N.), zu erheben. Die Abwicklung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches richtet sich nach Landesrecht (BVerwG, Urt. v. 28. Oktober 1981 - 8 C 8.81 -, NVwZ 1982, 377). Im KAG LSA ist aber - anders als z.B. im SächsKAG (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 29. Mai 2001, a.a.O. m.w.N.) - kein Verweis auf § 218 AO enthalten.

Der Zinsanspruch für Zinsen ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine gegenteilige Regelung enthält (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9. Februar 2005 - 6 B 80.04 -, zit. nach JURIS).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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