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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.07.2007
Aktenzeichen: 4 L 425/06
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG LSA § 6 Abs. 7
KAG LSA § 6 Abs. 1 S. 1
Mit der Möglichkeit der Anschlussnahme an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage wird dem Beitragspflichtigen trotz einer bestehenden Entsorgung durch eine - wasserrechtlich gesicherte - Kleinkläranlage ein (wirtschaftlicher) Vorteil i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KAG LSA geboten. Denn damit ist eine grundsätzliche Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswertes und dadurch des Verkehrswertes seines Grundstückes verbunden.
Gründe:

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks im Verbandsgebiet des Beklagten (Gemarkung C-Stadt; Flur 5, FlSt. 83). Anfallendes Abwasser - u.a. auch von einem Wohnhaus - wird bislang durch eine Kleinkläranlage auf dem Grundstück entsorgt. Mit Bescheid vom 26. April 2005 erhob der Beklagte vom Kläger für die Erweiterung seiner zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage einen Vorausleistungsbeitrag in Höhe von 337,50 €. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger am 7. Juli 2005 fristgerecht beim Verwaltungsgericht Halle eine Anfechtungsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den angefochten Bescheid auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2006 aufgehoben. Das klägerische Grundstück liege nicht unmittelbar an der öffentlichen Verkehrsfläche an und es fehle an einer grundbuchrechtlich gesicherten Befugnis zur Durchleitung von Abwässern über das Grundstück des Vorderliegers.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2007 hat der erkennende Senat auf den Antrag des Beklagten die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Der Beklagte macht zur Begründung der Berufung geltend, das Grundstück des Klägers liege an dem öffentlichen Verkehrsraum an. Seinen Vortrag, ein wirtschaftlicher Vorteil werde durch notwendig werdende Baumaßnahmen mehr als kompensiert, sei unbeachtlich. Zum einen liege der Mangel bereits im Grundstück begründet und sei ihm - dem Beklagten - nicht zurechenbar. Zum anderen seien die Ausführungen des Klägers zur Erforderlichkeit der Kosten nicht belegt. Im Übrigen müssten nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts bis zu 40.000,- € für die Herstellung des Grundstücksanschlusses verwandt werden.

Der Beklagte beantragt,

das auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 9. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, er halte sein Argument hinsichtlich des fehlenden Anschlusses an den öffentlichen Verkehrsraum nicht mehr aufrecht. Allerdings habe sein Grundstück, das mit einer Drei-Kammer-Klärgrube ausgestattet sei, durch den vorgesehenen Anschluss keinen wirtschaftlichen Vorteil. Ausweislich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes werde das Grundstück weder in der Bebaubarkeit noch in der sonstigen Nutzbarkeit wesentlich verbessert. Weiterhin sei der Grundstücksanschluss nur mit erheblichen finanziellen Mitteln durchzuführen. Der Anschlusskanal müsse an einer maximal 1 m breiten Stelle zwischen zwei Gebäuden gelegt werden. Eines dieser Gebäude - eine nahezu 100 Jahre alte Scheune - sei dann in der Standsicherheit gefährdet. Spätestens bei Hinzurechnung der Sanierungskosten sei der etwaig vorhandene wirtschaftliche Vorteil mehr als beseitigt. Außerdem nutze er Wasser seiner dezentralen Kläranlage zur Bewässerung von Anbauflächen (Gemüse- und Obstanbau) auf einem Nachbargrundstück. Sofern er gezwungen sei, sein Brauchwasser in den zentralen Kanal einzuleiten, bestünde für ihn die Alternative darin, mit Wasser aus der öffentlichen Leitung zu bewässern oder deutlich geringere Erträge wegen lang anhaltender Trockenzeiten hinzunehmen. Schließlich habe er auf Grund seiner wirtschaftlichen und gesundheitlichen Situation keine ausreichenden finanziellen Mittel - auch nicht durch Darlehensaufnahme -, um sein Grundstück an den Kanal anzuschließen, sofern der Beklagte vom satzungsmäßigen Anschlusszwang Gebrauch mache. Ein wirtschaftlicher Vorteil sei für ihn auch unter dem finanziellen Gesichtspunkt nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgeben. Denn der angefochtene Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 26. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Vorausleistung ist § 8 der Erweiterungsbeitragssatzung des Beklagten vom 4. Dezember 2003 i.V.m. § 6 Abs. 7 KAG LSA. Bedenken an der formellen oder materiellen Wirksamkeit der Satzung sind nicht erhoben worden.

Die Vorausleistungspflicht des Klägers ist auch entstanden.

Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts grenzt das klägerische Grundstück - wie der Beklagte durch die Vorlage der Flurkartenauszüge belegt hat - unmittelbar an den öffentlichen Verkehrsraum an. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Damit hat der Kläger eine dauerhaft gesicherte rechtliche Möglichkeit der Anschlussnahme.

Mit der Möglichkeit der Anschlussnahme an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage wird dem Kläger weiterhin ein (wirtschaftlicher) Vorteil i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KAG LSA geboten. Denn damit ist trotz der bestehenden Entsorgung durch eine - wasserrechtlich wohl gesicherte - Kleinkläranlage eine grundsätzliche Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswertes und dadurch des Verkehrswertes seines Grundstückes verbunden (vgl. OVG LSA, Urt. v. 6. Januar 2004 - 1 L 146/03 -, zit. nach JURIS).

Er kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, er habe keinen wirtschaftlichen Vorteil, weil er einen Grundstücksanschluss zwischen zwei Gebäuden anlegen müsste und eines dieser Gebäude einsturzgefährdet sei. Es handelt sich dabei sowohl hinsichtlich der Erforderlichkeit eines - unterirdisch verlaufenden - Anschlusses genau an dieser Stelle als auch hinsichtlich der Einsturzgefährdung jeweils um eine bloße Behauptung, die nicht weiter belegt wird. Darüber hinaus wird auch die Behauptung, die Erhöhung des Verkehrswertes durch einen Anschluss an die zentrale Einrichtung des Beklagten würde durch den Abriss der Scheune wieder entfallen, nicht substanziiert. Es muss daher nicht entschieden werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher aus der tatsächlichen Bebauung des Grundstücks entstehender Umstand der Erhebung eines Erweiterungsbeitrages für die Anschlussmöglichkeit an die zentrale Schmutzwasserentsorgung bzw. der Erhebung einer Vorausleistung überhaupt entgegen gehalten werden kann. Dass der Anschluss an die bestehende Bebauung auf dem Grundstück möglicherweise mit erheblichem Kostenaufwand verbunden ist, ändert grundsätzlich nichts daran, dass jedenfalls dem Grundstück ein (wirtschaftlicher) Vorteil geboten wird (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 21. März 2006 - 4 L 377/05 -; vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 1. Oktober 2004 - 1 M 322/04 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht Bd. III, § 8 Rdnr. 1056).

Soweit der Kläger auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 23. Februar 1999 (- IX R 61/96 -) verweist, nach der ein Grundstück durch die Ersetzung einer Sickergrube durch einen zentralen Anschluss weder in seiner Bebaubarkeit noch in seiner sonstigen Nutzbarkeit wesentlich verbessert wird, hat er ebenfalls keinen Erfolg. Diese Entscheidung betrifft allein die Frage, ob die Kosten für eine solche Ersetzung einkommenssteuerrechtlich als Werbungskosten (oder Betriebsausgaben) abziehbar seien. Der Bundesfinanzhof lehnte dies ab, weil sich der Grad der Bebaubarkeit durch die Anschlussnahme nicht geändert habe. Ausdrücklich stellte das Gericht aber fest, dass nicht entscheidend sei, ob die Maßnahme aus anderen Gründen zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt habe.

Die Einwendungen des Klägers hinsichtlich einer Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch den Beklagten sind schon deshalb nicht durchgreifend, weil ein Beitragsvorausleistungsbescheid und kein Bescheid über den Anschluss- und Benutzungszwang in Rede steht. Dass er finanziell nicht in der Lage ist, sein Grundstück tatsächlich anschließen zu lassen, ist deshalb unbeachtlich, weil allein schon in der Möglichkeit der Anschlussnahme an die zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage ein (wirtschaftlicher) Vorteil liegt.

Sonstige Mängel des streitbefangenen Vorausleistungsbescheides sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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