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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 4 L 512/04
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 11
BauGB § 123 Abs. 2
BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 129 Abs. 1 S. 1
BauGB § 130 Abs. 2 S. 2
BauGB § 131 Abs. 1 S. 1
BauGB § 133 S. 1
1. Kreditbeschaffungskosten des Erschließungsunternehmers können auch im Rahmen eines Erschließungsvorfinanzierungsvertrages bzw. eines modifizierten Erschließungsvertrages grundsätzlich als beitragsfähige Aufwendungen i.S.d. §§ 128 ff. BauGB angesetzt werden, wenn der Vertrag keine anderslautende Regelung enthält.

2. Die Einbeziehung eines Grundstückes in den Kreis der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücke trotz fehlenden bebauungsrechtlichen Erschlossensein ist ausnahmsweise nicht ausgeschlossen, wenn die Eigentümer der übrigen Grundstücke dies nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können. Voraussetzung dafür ist nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27. September 2006 - 9 C 4.05 -, zit. nach JURIS), dass die schutzwürdige Erwartung der Eigentümer der übrigen Grundstücke in den bestehenden Verhältnissen ihre Stütze findet.


Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem endgültigen Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung eines Straßenzuges, der im Gemeindegebiet der Beklagten liegt und von dem im April 1994 bekannt gemachten Bebauungsplan "Käthe-Kollwitz-Straße J 10" erfasst wird. Der Straßenzug besteht aus der ca. 190 m langen, von der Kreuzung Max-Planck-Straße in nördlicher Richtung verlaufenden Johann-Reis-Straße sowie der ca. 170 m langen Heinrich-Hertz-Straße, die in östlicher Richtung zur Nikolaus-Otto-Straße führt und mit der Johann-Reis-Straße durch eine 90-Grad-Kurve verbunden ist.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines 26.998 m2 großen Grundstücks (Flur 9, Flurstücke 211, 212 und 213; vormals FlSt 183) sowie eines weiteren 19.896 m2 großen Grundstücks (Flur 9, FlSt 215), die sich im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes "Käthe-Kollwitz-Straße J 10" befinden. Ein Grundstück der Beklagten (Flur 9, FlSt 180) ist in dem Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche, nämlich als Fortsetzung der Heinrich-Hertz-Straße in westlicher Richtung nach der 90-Grad-Kurve, ausgewiesen.

Die Beklagte schloss mit der Erschließungsgesellschaft Käthe Kollwitz mbH - im folgenden: Erschließungsgesellschaft - am 8. Juni 1994 einen "Erschließungsvorfinanzierungsvertrag". Nach dem Vertrag sollte die Erschließungsgesellschaft die Erschließungsanlagen in einem Teil des Bebauungsplangebietes entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans im Wege einer Vorfinanzierung herstellen. Die Beklagte verpflichtete sich dazu, die von der Erschließungsgesellschaft vorfinanzierten Kosten für die Erschließungsarbeiten zu erstatten. Der Vertrag enthält auch eine umfassende Verrechnungsabrede.

Am 27. Juni 1996 beschloss der Rat der Beklagten mit zwei inhaltsgleichen Beschlüssen für die "Achse 7, Johann-Reis Straße" und für die "Achse 8, Heinrich-Hertz-Straße" jeweils ein "Straßenausbauprogramm". Für beide Achsen war die Herstellung einer Fahrbahn, beidseitiger Gehwege in Betonverbundpflaster, Straßenbegleitgrün mit Rasen und Bepflanzung, einseitigen Parkstellflächen, Straßenentwässerung und einseitiger Straßenbeleuchtung vorgesehen. Die beiden Straßen wurden wie im Ausbauprogramm vorgesehen errichtet, die Straßenentwässerung im Trennsystem. Mit einem Beschluss vom 14. Dezember 1995 hatte der Stadtrat der Beklagten eine "Entwässerungssystem-Entscheidung" gefasst, um zusätzlichen Aufwand für nicht in der jeweiligen Straße liegende Regenwasserkanäle und ein Regenrückhaltebecken in die Straßenentwässerungskosten einzubeziehen.

Die Erschließungsgesellschaft rechnete auf der Grundlage einer Gesamtabrechnung ihres Bauauftragnehmers am 11. März 1998 alle Straßenbau- und Kanalbauleistungen im Erschließungsgebiet für sämtliche Straßen (Achsen 7 bis 11) gegenüber der Beklagten ab. Nach der Einschaltung eines Ingenieurbüros erkannte die Beklagte eine Gesamtabrechnungssumme in Höhe von 1.297.291,20 € (2.537.281,25 DM) an und verteilte diese auf die einzelnen Achsen. Die Beklagte ermittelte für den streitbefangenen Straßenzug einen beitragsfähigen Aufwand von 659.729,98 € (1.290.319,70 DM) und nach Abzug eines zehnprozentigen gemeindlichen Eigenanteils einen umlagefähiger Aufwand von 593.756,66 € (1.161.287,74 DM). Unter Zugrundelegung einer Verteilungsfläche von 140.980,10 m² ergab sich nach der Satzung über die Erhebung der Erschließungsbeiträge der Beklagten vom 14. Januar 1993 ein Beitragssatz von 8,2372458 DM/m2.

In der Mitteldeutschen Zeitung vom 19. Juli 2001 wurden Widmungen der Johann-Reis-Straße und der Heinrich-Hertz-Straße bekannt gemacht, die am 25. Juli 2001 wirksam werden sollten. Sie sollten ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens vorherige Widmungen vom 13. Juni 1998 ersetzen.

Mit einem Beitragsbescheid vom 5. September 2001 zog die Beklagte die Klägerin für das aus den Flurstücken 211, 212 und 213 bestehende Grundstück in seiner gesamten Größe zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 238.782,12 € (467.017,24 DM) heran. Den fristgerecht erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2002 zurück.

Die Klägerin hat am 4. Juli 2002 gegen den Beitragsbescheid eine Anfechtungsklage erhoben und später einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt hatte, hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss v. 26. September 2003 (- 2 M 487/02 -) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet. Die als eine beitragsfähige Erschließungsanlage behandelten Achsen 7 (Johann-Reis-Straße) und 8 (Heinrich-Hertz-Straße) seien wahrscheinlich schon keine einheitliche Erschließungsanlage i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Ob die beiden Achsen von ihrem Gesamteindruck her als eine solche einzelne Erschließungsanlage anzusehen seien, könne indes offen bleiben. Selbst wenn man dies unterstellte, hätte der Rat der Beklagten jedenfalls durch die Beschlüsse vom 27. Juni 1996 eine Abschnittsbildung vorgenommen. Das rechtwinklige Einmünden der Achse 7 in die Achse 8 sei ein örtlich erkennbares Merkmal, welches die Beklagte im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu einer Abschnittsbildung veranlasst haben könnte, falls es sich bei natürlicher Betrachtungsweise bei den Achsen nicht ohnehin schon um zwei Erschließungsanlagen handeln würde.

In einem im Eilverfahren vorgelegten Schriftsatz vom 28. August 2002 hatte die Beklagte den festgesetzten Erschließungsbeitrag auf 237.962,36 € (465.413,93 DM) ermäßigt. Insoweit hatten die Beteiligen das Verfahren für erledigt erklärt und es war eine Abtrennung des erledigten Teils erfolgt.

Das Verwaltungsgericht Halle hat den Bescheid mit Urteil vom 14. Juli 2004 teilweise aufgehoben, als der Beitrag 127.031,41 € übersteigt. Die Beklagte habe die Verteilungsfläche fehlerhaft gebildet. Einzubeziehen sei zum einen das klägerische Grundstück der Flur 9, Flurstück 215, weil dieses Grundstück durch die Anbaustraße ebenfalls erschlossen werde. Nach einer Hilfsberechnung der Beklagten ermäßige sich der Beitrag dann auf 130.250,55 €. Weiterhin sei ein Grundstück der Beklagten (Flur 9, FlSt 180) zu berücksichtigen. Dieses Grundstück sei trotz der entsprechenden Festsetzung im Bebauungsplan nicht als beitragsfähige Erschließungsanlage zu behandeln. Denn die Beklagte habe nicht die Absicht, dies in absehbarer Zeit zu realisieren, so dass die Anlieger billigerweise hätten darauf vertrauen dürfen, dass diese Fläche in der Verteilungsfläche berücksichtigt werde. Der Beitrag verringere sich damit weiter auf 127.031,41 €.

Mit einem Schreiben vom 19. August 2004 hat das Verwaltungsgericht mitgeteilt, auf Grund eines Redaktionsversehens sei eine falsche Angabe aus der Hilfsberechnung der Beklagten verwendet worden. Für das Grundstück der Klägerin ergebe sich ein Erschließungsbeitrag von 180.994,86 €.

Auf Antrag der Beklagten hat der erkennende Senat die Berufung mit Beschluss vom 13. Februar 2007 wegen ernstlicher Zweifel teilweise zugelassen, soweit der Beitragsbescheid in einer Höhe von mehr als 52.380,86 € aufgehoben worden ist. Zum einen sei unstreitig eine fehlerhafte Berechnung durch das Verwaltungsgericht erfolgt, zum anderen sei fraglich, ob das Flurstück 180 der Beklagten in die Verteilungsfläche einzubeziehen sei. Im Übrigen ist der Zulassungsantrag der Beklagten - hinsichtlich der Einbeziehung des Flurstücks 215 - abgelehnt worden. Ein Zulassungsantrag der Klägerin ist ebenfalls erfolglos geblieben.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihrer fristgerecht eingelegten Berufung auf ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren und die Begründung des Zulassungsbeschlusses.

Sie beantragt sinngemäß,

das auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 2. Kammer - abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als der Beitragsbescheid vom 5. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2002, abgeändert mit Schriftsatz vom 28. August 2002, über einen Beitrag von 185.581,50 € hinaus, also in einer Höhe von mehr als 52.380,86 €, aufgehoben worden ist.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat im Berufungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (vgl. § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage der Klägerin in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 185.581,50 € erhoben wird. Der Beitragsbescheid durfte lediglich in einer Höhe von 52.380,86 € aufgehoben werden.

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung sind die §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Satzung über die Erhebung der Erschließungsbeiträge der Beklagten vom 14. Januar 1993.

1. Bedenken an der formellen oder materiellen Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht und sind nicht erhoben worden. Es bestehen auch keine Bedenken gegenüber der Erhebung eines Erschließungsbeitrages dem Grunde nach.

Bei dem knapp 400 m langen Straßenzug Johann-Reis-Straße/Heinrich-Hertz-Straße handelt es sich nach den tatsächlichen Verhältnissen um eine eigene Erschließungsanlage.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Beantwortung der Frage, ob eine Straße bzw. ein Straßenzug eine einzelne Erschließungsanlage ist oder aus mehreren Anlagen besteht und wie weit die Fläche einer bestimmten Erschließungsanlage reicht, auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen. Maßgebend ist insoweit das durch die tatsächlichen Gegebenheiten wie Straßenführung, Straßenlänge, Straßenbreite und Straßenausstattung geprägte Erscheinungsbild, d.h. der Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln (BVerwG, Urteile v. 22. April 1994 - 8 C 18.92 -, KStZ 1995, 209, v. 22. März 1996 - 8 C 17.94 -, BVerwGE 101, 12 und v. 7. Juni 1996 - 8 C 30.94 -, DÖV 1997, 294; vgl. auch OVG LSA, Urt. v. 12. August 2004 - 2 L 157/01 -). Unterscheiden sich Straßenteile nach dieser Betrachtungsweise derart, dass die Unterschiede jeden Straßenteil zu einem augenfällig abgegrenzten Element des Straßennetzes machen, ist jeder dieser Straßenteile als eine eigene Erschließungsanlage anzusehen (vgl. auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 12 Rdnr. 10). Ausschlaggebend ist dabei der Zustand nach Abschluss der nach dem Bauprogramm auszuführenden Arbeiten (Driehaus, Kommunalabgabenrecht Bd. 2, § 8 Rdnr. 97, 111a m.w.N.; OVG LSA, Beschl. v. 9. August 2004 - 2 M 256/03 -). Die gebotene Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse setzt nicht zwingend eine Augenscheinseinnahme voraus (BVerwG, Urt. 30. Mai 1997 - 8 C 6.95 -, zit. nach JURIS).

Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem bei den Akten befindlichen Bebauungsplan, den Kartenauszügen und Lageplänen sowie den Baubeschreibungen und Fotografien sind die Johann-Reis-Straße und die Heinrich-Hertz-Straße in dem hier interessierenden Bereich als eine Erschließungsanlage anzusehen. Vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild stellen sich die beiden Straßen als einheitlicher Straßenzug dar, der durch die Verbindung mit der 90-Grad-Kurve nicht in zwei abgegrenzte Elemente des Straßennetzes unterteilt wird. Im Übrigen wird auf die Darlegungen in dem Zulassungsbeschluss des Senats verwiesen.

Mit den Beschlüssen des Stadtrates der Beklagten vom 27. Juni 1996 wurden auch keine Abschnitte i.S.d. § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB gebildet. Der erkennende Senat folgt insoweit nicht der Einschätzung des 2. Senats in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Beschl. v. 26. September 2003 - 2 M 487/02 -). Gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage gebildet werden. Nach § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB können Abschnitte einer Erschließungsanlage nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z.B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Es handelt sich dabei also um eine Entscheidung über den räumlichen Umfang (der Teile) der Anlage, für die der Erschließungsaufwand getrennt ermittelt werden soll (vgl. Schrödter, BauGB 7. A., § 130 Rdnr. 6, 9; Berliner Kommentar zum BauGB Bd. II 3. A., § 130 Rdnr. 13). Dazu reicht es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass das dafür zuständige Organ der Gemeinde seinen Willen zur abschnittsweisen Abrechnung klar hat erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. November 1984 - 8 C 77.83 -; zuletzt Beschl. v. 20. November 2001 - 9 B 54.01 -, jeweils zit. nach JURIS).

Die Beschlüsse des Stadtrates legen fest, in welcher Art und Weise der Ausbau erfolgen soll; die Festlegungen in den Beschlüssen sind - wie auch schon in den als Beschlussvorlagen dienenden Sachstandsberichten - wortgleich. Aus diesen Beschlüssen ergibt sich aber nicht der Wille, einen Abschnitt der Erschließungsanlage zur Grundlage der Aufwandsermittlung und in der Folge der Beitragserhebung zu machen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 19. November 1982 - 8 C 39 - 41/81 -, NVwZ 1983, 473, 474; vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 5. November 2002 - 2 M 175/02 - zum Ausbaubeitragsrecht). Schon nach ihrem Wortlaut regeln die Beschlüsse allein den Umfang des zu verwirklichenden Bauprogramms für die Erschließungsanlage. Dass dieses Bauprogramm - wenn auch inhaltlich völlig identisch - durch verschiedene Ratsbeschlüsse für Teile der Erschließungsanlage formal getrennt aufgestellt wurde, führt noch nicht zur Annahme eines Abschnittsbildungsbeschlusses. Dazu bedürfte es zumindest einer hinreichend erkennbaren Anknüpfung an die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes oder zumindest an die Beitragserhebung. Es bestehen dafür aber weder in den Beschlüssen noch dem sonstigen Akteninhalt Anhaltspunkte. Die Aufspaltung der Festlegung des Bauprogramms in verschiedene Beschlüsse war offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass die Planungen von verschiedenen Achsen ausgingen und die (unterschiedlichen) Straßennamen schon feststanden. Eine zwingende Verknüpfung zwischen der (formalen) Aufteilung des Bauprogramms und der Abschnittsbildung besteht schon deshalb nicht, weil die Festlegung des Bauprogramms und die Bildung von Abschnitten i.S.d. § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB von vornherein unterschiedlichen Zwecken dient und unterschiedlichen rechtlichen Maßstäben genügen muss.

2. Die Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.

Auf angebliche Mängel im Vergabeverfahren kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Für den abrechenbaren Erschließungsaufwand gilt zwar grundsätzlich, dass dazu nur derjenige Aufwand der Gemeinde zählt, den sie im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe als Erschließungsträger aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen machen musste. Im Einzelfall können aber auch solche Aufwendungen enthalten sein, die durch Mängel im Vergabeverfahren verursacht worden sind. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB entsprechende Anwendung, wenn nicht die Erforderlichkeit der Erschließungsanlage, sondern die Angemessenheit der für die erstmalige Herstellung aufgewandten Kosten zu beurteilen ist. Die dadurch gesetzte Grenze ist erst überschritten, wenn sich die Gemeinde ohne Rechtfertigung nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h., wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (so BVerwG, Beschlüsse v. 18. Juli 2001 - 9 B 23.01 - und v. 1. September 1997 - 8 B 144.97 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 14. Januar 2004 - 2 O 7.04 -).

Solche augenfälligen Mehrkosten sind aber weder ersichtlich noch von der Klägerin hinreichend substanziiert dargelegt. Insoweit wird auf die Darlegungen in dem Zulassungsbeschluss verwiesen.

Mit dem Verwaltungsgericht ist die Verrechnungsklausel des sog. "Erschließungsvorfinanzierungsvertrages" (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Vertragsgestaltung BVerwG, Urt. v. 22. März 1996 - 8 C 17.94 -, NVwZ 1996, 794, 797; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 22. November 2006 - 9 ME 269/06 -, NVwZ-RR 2007, 341; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18. Dezember 2002 - 2 L 246/01 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 23. September 2005 - 4 M 417/04 -; kritisch: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 7. A., § 6 Rdnr. 56 ff.) in den Nrn. 12.1, 12.2. und 12.3 des Vertrages dahingehend auszulegen, dass für sämtliche Grundstücke zunächst nach der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten unter Berücksichtigung eines 10%igen Gemeindeanteils die umlagefähigen Erschließungsbeiträge berechnet werden sollten. Für bestimmte Grundstücke - die den Gesellschaftern der Erschließungsgesellschaft bzw. von ihr benannten Dritten gehörten - sollte aber kein Heranziehungsbescheid ergehen, sondern die Erschließungsgesellschaft sollte die Beitragsschuld begleichen. Dabei sollte die Beitragsschuld mit dem Erstattungsanspruch der Erschließungsgesellschaft verrechnet werden. Eine Benachteiligung der übrigen Eigentümer im Erschließungsgebiet ist daher nicht erkennbar. Aus einem Vermerk der Beklagten vom 22. Juli 2002 ergibt sich ebenfalls, dass tatsächlich lediglich der von der Beklagten anerkannte Erschließungsaufwand der Erschließungsgesellschaft mit dem von ihr geschuldeten Erschließungsbeitrag verrechnet wurde.

Kreditbeschaffungskosten des Erschließungsunternehmers können auch im Rahmen eines Erschließungsvorfinanzierungsvertrages bzw. eines modifizierten Erschließungsvertrages grundsätzlich als beitragsfähige Aufwendungen i.S.d. §§ 128 ff. BauGB angesetzt werden, wenn der Vertrag keine anderslautende Regelung enthält (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 7. Juni 1988 - 3 A 1465/86 - zit. nach JURIS für einen herkömmlichen Erschließungsvertrag). Denn es handelt sich dabei um Kosten, die für die Herstellung der Erschließungsanlage angefallen sind und welche die Gemeinde nach der Vorfinanzierungsabrede dem Erschließungsunternehmer erstatten muss. Es macht keinen Unterschied, ob der Gemeinde solche Finanzierungskosten entstanden sind oder - auf Grund der Vorfinanzierungsabrede - zunächst dem Erschließungsunternehmer. Dass die Berechnung der Zinsen rechtsfehlerhaft erfolgt ist, ist weder ersichtlich noch substanziiert dargelegt. Insoweit wird auf den Zulassungsbeschluss Bezug genommen.

Die Methode der Berechnung der (anteiligen) Kosten für die Herstellung der Straßenentwässerungsanlagen ist auf eine Grundlagenentscheidung des Stadtrates der Beklagten vom 15. Dezember 1995 gestützt. Zwar hat die Beklagte keine - bei einer "Gemeinschaftseinrichtung" grundsätzlich erforderliche (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 7. A., § 13 Rdnr. 72, 73, 74) - Aufteilung in verschiedene Kostenmassen vorgenommen. Denn bei einer "Gemeinschaftseinrichtung" in Form einer Trennkanalisation gibt es neben den Kosten, die nur der Straßenentwässerung oder nur der Grundstücksentwässerung zuzuordnen sind, noch Kosten für solche Anlagenteile (z.B. Hauptkanäle), die sowohl der Straßen- als auch der Grundstücksentwässerung dienen. Allerdings hat die Beklagte bei der Ermittlung der Kosten nach den Darlegungen in der Verwaltungsakte ("Ermittlung der Straßenentwässerungskosten" vom 21. Mai 2002 in Fach 4 der BA A) von vornherein nur die Baukosten für die Regenwasserkanäle und das Regenrückhaltebecken sowie die dafür entstandenen anteiligen Planungskosten eingestellt und diese Kosten je hälftig auf Straßenentwässerung und Grundstücksentwässerung aufgeteilt. Es ist nicht erkennbar oder vorgetragen, dass darin Kosten für solche Anlagenteile enthalten sind, die nur der Grundstücksentwässerung dienen. Allenfalls sind die Beitragspflichtigen dadurch entlastet worden, dass allein der Straßenentwässerung zuzuordnende Kostenbestandteile halbiert worden sind. Die hälftige Aufteilung der Kostenbestandteile, die sowohl der Straßen- als auch der Grundstücksentwässerung zuzuordnen sind, ist dagegen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 7. A., § 13 Rdnr. 74 m.w.N).

3. Zu beanstanden war allein die Ermittlung der Verteilungsfläche sowie die Festlegung des Beitragssatzes. Da auf Grund der insoweit erfolgten Ablehnung des Zulassungsantrages der Beklagten feststeht, dass das klägerische Flurstück 215 von der streitbefangenen Anlage erschlossen wird und ebenfalls in die Verteilungsfläche einzubeziehen war, ergibt sich nach der im Klageverfahren vorgelegten Vergleichsberechnung der Beklagten ein Beitragssatz von 3,27328481 € (6,40198863 DM). Der Beitragsbescheid war daher lediglich in einer Höhe von 52.380,86 € rechtswidrig und aufzuheben.

Das im Eigentum der Beklagten stehende Flurstück 180, das in dem Bebauungsplan als Verkehrsfläche festgesetzt worden ist, war demgegenüber nicht in die Verteilungsfläche einzubeziehen. Zwar handelt es sich bei dem Grundstück (noch) nicht um die Fläche einer Erschließungsanlage i.S. der §§ 123 Abs. 2 und 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Aber auch Grundstücke, die der Art nach nur in einer Weise nutzbar sind, die nicht vom Baulandbegriff des § 133 Abs. 1 BauGB erfasst werden, d.h. die "unfähig" sind, jemals die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 BauGB zu erfüllen, können aus diesem Grunde auch nicht erschlossen i.S.d. § 131 Abs. 1 BauGB sein (so BVerwG, Urt. v. 11. Dezember 1987 - 8 C 85.86 -, NVwZ 1988, 632, 633). Grundstücke, denen es im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) beispielsweise wegen ihrer Lage im Außenbereich an einer Bebaubarkeit oder erschließungsbeitragsrechtlich vergleichbaren Nutzbarkeit mangelt und die deshalb nicht als Bauland im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB qualifiziert werden können, gehören nicht zu den nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücken. Entsprechendes gilt für Grundstücke, die aus anderen Gründen einer Bebaubarkeit oder einer ihr erschließungsbeitragsrechtlich vergleichbaren Nutzbarkeit entzogen sind, etwa weil ein Bebauungsplan sie - wie hier - als Verkehrsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) oder öffentliche Grünfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) ausweist. Derartige Grundstücke sind generell ungeeignet, eine Erschließungsbeitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BauGB auszulösen, und müssen deshalb schon bei der Aufwandsverteilung nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB unberücksichtigt bleiben (so BVerwG, Urt. v. 23. Oktober 1996 - 8 C 40.95 -, BVerwGE 102, 159, 161; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 7. A., § 17 Rdnr. 22).

Zwar ist auch die Einbeziehung eines Grundstückes in den Kreis der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücke trotz fehlendem bebauungsrechtlichen Erschlossenseins ausnahmsweise nicht ausgeschlossen, wenn die Eigentümer der übrigen Grundstücke dies nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Juni 1994 - 8 C 24.92 -, zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 7. A, § 17 Rdnr. 17 ff. jeweils m.w.N.). Voraussetzung dafür ist nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27. September 2006 - 9 C 4.05 -, zit. nach JURIS), dass die schutzwürdige Erwartung der Eigentümer der übrigen Grundstücke in den bestehenden Verhältnissen ihre Stütze findet. Diese Verhältnisse müssten im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten vorliegen und für die übrigen Grundstückseigentümer ohne weiteres erkennbar sein. Bloße Mutmaßungen über künftige Entwicklungen reichten hierfür nicht aus. Eine solche Ausnahmesituation sei bei einer - ungeachtet ihrer rechtlichen Zulässigkeit - tatsächlich bestehenden Zufahrt zu der Erschließungsanlage bejaht worden; denn in diesem Fall könnten die Anlieger selbst vor Ort sehen, dass die Straße von dem klagenden Grundstückseigentümer im selben Umfang genutzt und in Anspruch genommen werde wie von ihren Grundstücken aus und dass damit auch ihm ein Erschließungsvorteil zuwachse. Eine dem vergleichbare Situation ist jedoch nicht gegeben. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich erklärt, der weitere Ausbau der Straße hänge davon ab, wie sich das Gewerbegebiet entwickele. In der derzeitigen Haushaltsplanung sei der Ausbau zwar nicht vorgesehen; dies könne sich indes jährlich ändern. Danach ist aber keine solche Sondersituation gegeben, dass zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht die Planung ersichtlich "nur auf dem Papier" stand und eine Einbeziehung in die Verteilungsfläche nach der Interessenlage angezeigt war.

4. Fehler bei der Ermittlung des Erschließungsbeitrages für das streitbefangene Grundstück auf der Grundlage eines Beitragssatzes von 3,27328481 € sind schließlich weder ersichtlich noch vorgetragen.

Damit ist für das streitbefangene Grundstück der Klägerin anstelle der mit dem Änderungsbescheid vom 28. August 2002 vorgenommenen Beitragserhebung von 237.962,36 € ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 185.581,50 € zu erheben und die Aufhebung des Beitragsbescheides in einer Höhe von mehr als 52.380,86 € zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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