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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 4 L 641/04
Rechtsgebiete: LSA-GO


Vorschriften:

LSA-GO § 105 Abs. 1 S. 1
LSA-GO § 116
LSA-GO § 117
LSA-GO § 122 Abs. 1
LSA-GO § 122 Abs. 2
1. Ein Abwasser- und Trinkwasserzweckverband kann die Aufgabe der Trinkwasserversorgung auch nach Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile an einen Dritten, der die Aufgabe besorgt, erfüllen, wenn das durch einen entsprechenden Vertrag mit dem Dritten gesichert ist.

2. Die Gemeinde darf die Gesellschaftsanteile an einem Dritten, der ihr Gemeindegebiet mit Trinkwasser versorgt, erwerben, wenn sie erwarten durfte, sie werde künftig für die Trinkwasserversorgung sachlich und örtlich zuständig sein.


Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung, der als Folge von Eingemeindungen nunmehr allein gegen die Beklagten zu 1. und 2. gerichtet ist, ist unbegründet.

1. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen nicht.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Vorschriften der §§ 122 Abs. 1 und 2, 105 Abs. 1 Satz 1 GO LSA, 16 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA und §§ 116, 117 GO LSA um Verbotsgesetze i. S. von §§ 59 Abs. 1 VwVfG LSA (a. F.), 134 BGB handelt. Denn der notariell beurkundete Vertrag vom 16.05.2002, mit dem der Rechtsvorgänger des Klägers (der ATZV K-Stadt) seine Geschäftsanteile an der C... GmbH veräußerte, verletzt die vorbezeichneten Regelungen der Gemeindeordnung nicht.

1.1 Es liegt kein Verstoß gegen die §§ 122 Abs. 2 und 1, 105 Abs. 1 Satz 1 GO LSA, 16 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA vor. Der ATZV K-Stadt konnte auch nach Veräußerung seiner Anteile an der C... GmbH die Aufgabe der Trinkwasserversorgung erfüllen. Durch Vertrag vom 12.10.2000 hat sich die C... GmbH verpflichtet, für den ATZV K-Stadt das Gebiet der beklagten Gemeinde mit Trinkwasser zu versorgen. Mithin war es zur Erfüllung der Trinkwasserversorgung gar nicht erforderlich gewesen, dass der ATZV K-Stadt auch noch Anteilseigner der C... GmbH ist. Zur Besorgung der Aufgabe hätte sich der ATZV K-Stadt auch eines Dritten bedienen können, an dem er keine Anteile hat. Dafür, dass der Zweckverband die Geschäftsanteile zur Erfüllung der Aufgabe nicht brauchte, spricht auch, dass er das Gebiet seiner Mitgliedsgemeinden im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und der Fusion mit dem Wasserzweckverband "S..." auch weiterhin tatsächlich mit Trinkwasser versorgte.

1.2 Der Vertrag vom 16.05.2002 verstößt auch nicht gegen die §§ 116, 117 GO LSA. Die beklagten Gemeinden durften am 16.05.2002 die Geschäftsanteile erwerben. Zwar darf sich die Gemeinde grundsätzlich nur im Rahmen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit wirtschaftlich betätigen und nicht auf Gebieten, die außerhalb ihrer Aufgabenerfüllung liegen. Dies hat das Ziel, die Gemeinde vor Übernahme wirtschaftlicher Risiken zu bewahren und die Angehörigen der Privatwirtschaft vor einer drohenden Beeinträchtigung ihrer Interessen zu schützen (Wiegand/Grimberg, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt, Kommentar, 3. Aufl. 2003, § 116 Rdnr. 2). Vorliegend durften die beklagten Gemeinden die Anteile an der C... GmbH aber in der Erwartung erwerben, dass sie künftig für die Trinkwasserversorgung sachlich und örtlich zuständig sein werden. Zwar hat die Kommunalaufsicht zunächst die Genehmigung verweigert, die Trinkwasserversorgung aus dem Aufgabenbereich des Verbandes herauszunehmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verbandssatzung vom 09.06.2000). Gleichwohl durften die beklagten Gemeinden im Mai 2002 prognostizieren, dass die Kommunalaufsicht an ihrer bisherigen Auffassung zur Aufgabenübertragung künftig nicht mehr festhalten wird. Denn bereits im November 2002 schlossen der ATZV K-Stadt und der WV S... einen Fusionsvertrag und eine neue Verbandssatzung, nach deren § 2 Abs. 2 Nr. 1 die Trinkwasserversorgung im Gebiet der beklagten Gemeinden nicht zu den Aufgaben des durch Fusion entstehenden Verbandes gehört. Durch die aktuelle Verbandssatzung des Klägers vom 10.06.2004 ist diese Regelung nicht geändert worden. Dafür, dass die Kommunalaufsicht die Verbandssatzungen des Klägers nicht genehmigt hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Beteiligten haben danach offensichtlich in der Erwartung, die Kommunalaufsicht werde der Aufgabenübertragung nunmehr zustimmen, an ihrem Ziel, die Trinkwasserversorgung auf die beklagten Gemeinden zu übertragen, festgehalten und im Hinblick darauf bereits im Mai 2002 den Verkauf der Anteile an der C... GmbH vereinbart. Außerdem ist der Erwerb der Gesellschaftsanteile auch mit den Schutzzwecken der §§ 116, 117 GO LSA zu vereinbaren. Denn die hierdurch verbundenen wirtschaftlichen Risiken sind für die Gemeinden als gering anzusehen und die Interessen der Privatwirtschaft werden hierdurch nicht beeinträchtigt.

1.3 Selbst wenn der Veräußerungsvertrag vom 16.05.2002 gegen die §§ 122 Abs. 2 und 1, 105 Abs. 1 Satz 1 GO LSA, 16 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA und §§ 116, 117 GO LSA verstoßen und es sich bei diesen Vorschriften um Verbotsgesetze handeln würde, wäre der Vertrag dennoch nicht gemäß den §§ 59 Abs. 1 VwVfG LSA (a. F.), 134 BGB nichtig.

Denn die Beteiligten haben den Vertrag vom 16.05.2002 gerade für den Fall geschlossen, dass die beklagten Gemeinden künftig in ihren Gemeindegebieten für die Trinkwasserversorgung zuständig sein werden. Zwar ist dem Wortlaut des Vertrages - auch dessen § 5 Abs. 2, in dem eine Regelung für eine etwaige Teilunwirksamkeit der Vereinbarung enthalten ist - keine derartige einschränkende Bestimmung ausdrücklich zu entnehmen. Bei der Auslegung von Verträgen sind aber auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren (Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 65. Aufl. 2006, § 133, Rdnr. 15 m. w. N.). Die Veräußerung der Geschäftsanteile des ATZV K-Stadt an die beklagten Gemeinden mit Vertrag vom 16.05.2002 steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Übertragung der Trinkwasserversorgung auf die Gemeinden. Die Veräußerung der Geschäftsanteile und die Übertragung der Aufgabe hat die Verbandsversammlung des ATZV K-Stadt am 15.11.2001 unter dem gleichen Tagesordnungspunkt und der gleichen Nummer beschlossen. Die Gesellschaftsanteile sollten nur deshalb an die Mitgliedsgemeinden veräußert werden, weil die Trinkwasserversorgung auf die Gemeinde übertragen werden sollte. Das war bereits im Zeitpunkt der Verbandsversammlung, zu der auch die beklagten Gemeinden ihre Vertreter entsandt haben oder entsenden konnten, erkennbar. Mit dem notariellen Vertrag vom 16.05.2002 wollten die Geschäftsführung des ATZV K-Stadt und die beklagten Gemeinden die Entscheidungen der Verbandsversammlung vom 15.11.2001 umsetzen. Unter Berücksichtigung dieser Begleitumstände ist der Vertrag vom 16.05.2002 dahingehend auszulegen, dass er für den Fall der Übertragung der sachlichen Zuständigkeit für die Trinkwasserversorgung auf die Gemeinden geschlossen worden ist. War der Vertrag von vornherein für den Fall der Aufhebung des (unterstellten) Verbots geschlossen, wird er ohne weiteren Rechtsakt (ipso facto) gültig und es bedarf keiner Bestätigung des Rechtsgeschäftes durch dessen Neuvornahme nach § 141 BGB (Heinrichs a. a. O., § 134, Rdnr. 12 b).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen, ob es sich bei den Vorschriften des § 105 Abs. 1 Satz 2 und § 116 Abs. 1 GO LSA um Verbotsnormen handelt, sind vorliegend nicht klärungsbedürftig, weil es auf sie nach den vorstehenden Ausführungen nicht ankommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 71 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat in Übereinstimmung mit der Vorinstanz das Interesse des Klägers an der Verfolgung seines Antrages unter Berücksichtigung von Ziffer II. 1.3 des sog. Streitwertkataloges 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) mit der Höhe der Nennbeträge der von den beklagten Gemeinden begehrten Gesellschaftsanteile (9.000,00 €) bemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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