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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.08.2009
Aktenzeichen: 4 M 112/09
Rechtsgebiete: BauGB, LSA-KAG


Vorschriften:

BauGB § 34
BauGB § 35
LSA-KAG § 6 Abs. 1 S. 1
Der Bebauungszusammenhang muss nicht in jedem Fall unmittelbar mit dem letzten Baukörper enden, sondern kann bei einem Wohnhaus auch einen angemessenen Hausgarten oder einen Bereich, der für Erholungszwecke genutzt wird, einschließen oder bei einem am Ortsrand gelegenen Verbrauchermarkt die dazugehörigen befestigten Stellplätze umfassen.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Einwendungen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass.

Der Einwand der Antragstellerin, das streitgegenständliche Grundstück erweise sich entgegen der Wertung des Antragsgegners in weiten Teilen als dem Außenbereich gemäß § 35 BauGB zugehörig, bleibt nach dem im vorläufigen Rechtsschutzverfahren anzuwendenden Prüfungsmaßstab ohne Erfolg. Nach dem in den Akten befindlichen Lageplan und den daraus ersichtlichen Baulichkeiten sowie den vorgelegten Fotografien ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Flurstück A dem Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB zugeordnet hat.

Der von der Antragstellerin insoweit aufgezeigte Widerspruch zur Rechtsprechung der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg (Urt. v. 12.11.2008 - 2 A 2/08 MD -) führt schon deswegen nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung über die Zuordnung einer Fläche zum Innen- oder Außenbereich eine einzelfallbezogene Wertung der jeweiligen konkreten örtlichen Bebauungssituation erfordert, wobei für die Abgrenzung ausschlaggebend auf die Frage abzustellen ist, ob das zu beurteilende Gelände in seiner Nutzungsmöglichkeit noch durch den nächstgelegenen Bebauungszusammenhang geprägt wird. Im Übrigen scheitert im vorliegenden Fall ein Vergleich der streitgegenständlichen Bebauungssituation mit dem von der 2. Kammer entschiedenen Fall an den sehr unterschiedlichen Grundstücksgrößen (1.100 m²/7.559 m²) und der unterschiedlichen Bebauung der Grundstücke (Wohnbebauung, Gartenhäuser/Schulgebäude, Nebenanlagen auf dem Schulhofgelände), so dass diese Grundstücksverhältnisse entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als im Wesentlichen deckungsgleich angesehen werden können.

Schließlich ist es bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 08.09.2006 - 4 L 288/06 -, zit. nach JURIS) auch die auf dem Grundstück sich befindenden Nebenanlagen (gepflasterte Schulhof- und Wegflächen, Spielplatzflächen mit Spielgeräten, Fahrradschuppen, Sportplatzflächen, überdachter Unterstand und gepflasterte PKW-Stellplätze) mit Blick auf deren bebauungsakzessorische Nutzung in die Prüfung des Bebauungszusammenhangs einbezogen hat (OVG Saarland, Urt. v. 18.08.1992 - 2 R 30/90 -; VG Greifswald, Urt. v. 27.10.2000 - 3 A 2831/99 -; beide zit. nach JURIS). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 09.11.2005 - BVerwG 4 B 67.05 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 18.06.1997 - BVerwG 4 B 238.96 -, BauR 1997, 808 m. w. N.) ist ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs i. S. v. § 34 BauGB, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und inwieweit die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - BVerwG 4 C 2.66 -, BVerwGE 31, 20 [21]; Urt. v. 01.12.1972 - BVerwG 4 C 6.71 -, BVerwGE 41, 227 [233 f.]; Urt. v. 19.09.1986 - BVerwG 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34 [36]). Hierüber ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Grundlage und Ausgangspunkt dieser bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische Verhältnisse und Straßen. Zu berücksichtigen sind indes nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse; denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich vorhandenen Bestand ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die bewertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten.

Ausgehend von diesen Grundsätzen muss der Bebauungszusammenhang folglich nicht in jedem Fall unmittelbar mit dem letzten Baukörper enden, sondern kann bei einem Wohnhaus auch einen angemessenen Hausgarten oder einen Bereich, der für Erholungszwecke genutzt wird, einschließen (vgl. Schmaltz in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl., § 34 RdNr. 11; OVG Sachsen, Urt. v. 23.10.2000 - 1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 426 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.05.2001 - 1 K 21/98 -, NVwZ-RR 2002, 485 ff.) oder bei einem am Ortsrand gelegenen Verbrauchermarkt die dazugehörigen befestigten Stellplätze umfassen (BVerwG, Urt. v. 17.06.1993 - BVerwG 4 C 17.91 -, NVwZ 1994, 294).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist bei summarischer Prüfung und vorbehaltlich einer vertieften Prüfung der örtlichen Verhältnisse im Hauptsacheverfahren nicht ersichtlich, dass die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Einbeziehung der auf dem Grundstück vorhandenen Nebenanlagen in den Bebauungszusammenhang aufgrund ihres engen räumlich-funktionellen Zusammenhangs zum Hauptgebäude fehlerhaft war; insoweit führen die Einwände der Antragstellerin, die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück mit einem mehrgeschossigen Schulgebäude könne nur als von völlig untergeordneter Bedeutung bezeichnet werden und im Ergebnis stelle sich das hier streitbefangene Grundstück als in weiten Teilen durch Grünflächen geprägt dar, schon deswegen nicht zum Erfolg, weil sie die von der Vorinstanz in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 08.09.2006 - 4 L 288/06 -) unberücksichtigt lassen.

Soweit die Antragstellerin schließlich meint, das Verwaltungsgericht habe in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die möglicherweise fehlende Baulandqualität habe keine Auswirkungen auf die Heranziehung zur Zahlung eines Ausbaubeitrages, und dazu stattdessen allein auf das Bestehen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA abgestellt, ist dem angefochtenen Beschluss eine derartige Rechtsauffassung nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht auf Seite 8 seines Beschlusses geprüft, ob durch eine öffentliche Nutzung des Grundstücks der mit der Baulandeigenschaft regelmäßig einhergehende beitragsrelevante Vorteil verloren gehe. Die insoweit von der Vorinstanz vertretene Auffassung entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 17.03.2008 - 4 L 263/06 -, zit. nach JURIS).

Abschließend ist festzustellen, dass der Rechtsstreit unzweifelhaft bauplanungsrechtliche (z. B. bei der Feststellung eines Bebauungszusammenhangs) Abgrenzungsschwierigkeiten aufweist, die möglicherweise nicht ohne eine Ortsbesichtigung abschließend beantwortet werden können. Allerdings ist es nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, aufwändige Tatsachenfeststellungen vorweg zu nehmen und schwierige Rechtsfragen abschließend zu klären. Beides muss vielmehr dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und erfolgt in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 1.5 Satz 1.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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