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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: 4 M 246/06
Rechtsgebiete: KAG LSA


Vorschriften:

KAG LSA § 6 VI 1
KAG LSA § 6 I 1
KAG LSA § 2 II 1
§ 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA i.d.F. des Gesetzes vom 16. April 1999 (GVBl. LSA 1999, 150) ist für Maßnahmen, die nach dem 21. April 1999 begonnen worden sind, dahingehend auszulegen, dass die Rechtmäßigkeit einer Beitragserhebung davon abhängt, ob vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Beitragssatzung mit einer Verteilungsregelung tatsächlich beschlossen und ausgefertigt wurde. Es ist aber nicht notwendig, dass diese Satzung von Anfang an wirksam war, insbesondere auch nicht, dass die Satzung ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Sollte die Satzung - aus welchen Gründen auch immer - unwirksam sein, entsteht die Beitragspflicht erst mit dem Inkrafttreten einer wirksamen Satzung, wobei diese neue Satzung bzw. Änderungssatzung nicht notwendigerweise rückwirkend in Kraft treten muss.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 M 246/06

Datum: 03.07.2006

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Erhebung von Vorausleistungen auf den endgültigen Straßenausbaubeitrag für die im Gebiet der Antragsgegnerin liegende D-Straße.

Nachdem im Jahre 1997 der Wendeplatz der D-Straße (Rondell) durch die Antragsgegnerin ausgebaut worden war, erfolgte in den Jahren 2003 und 2004 auf der Grundlage einer Ausbauentscheidung vom 30. Juni 2003 der weitere Ausbau der D-Straße, wobei die S-Straße zum Bürgerhaus/Feuerwehrgerätehaus nicht erfasst wurde. In der Annahme, die ausgebaute Teilstrecke und das Rondell bildeten eine Verkehrsanlage, zog die Antragsgegnerin die Antragsteller auf der Grundlage einer Straßenausbaubeitragssatzung vom 4. Oktober 1999 - SABS 1999 - zu endgültigen Ausbaubeiträgen heran. Im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens stellte das Verwaltungsgericht Magdeburg fest, dass die SABS 1999 nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei, und wies zudem darauf hin, dass das Rondell bei natürlicher Betrachtungsweise nicht Bestandteil der Verkehrsanlage sei. Die Antragsgegnerin hob daraufhin die Beitragsbescheide auf.

Durch Bescheide vom 3. und 4. November 2005 zog die Antragsgegnerin die Antragsteller für den Ausbau der D-Straße ohne das Rondell zur Zahlung von Vorausleistungen auf den endgültigen Straßenausbaubeitrag in Höhe von insgesamt 4.802,85 € heran. Der Ausbau der D-Straße sei bislang deshalb noch nicht abgeschlossen, weil die S-Straße zum Bürgerhaus/Feuerwehrgerätehaus, deren Ausbau der Gemeinderat erst am 4. Juli 2005 beschlossen habe, auf Grund ihrer geringen Ausdehnung unselbständiger Bestandteil der D-Straße sei.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2006 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg die aufschiebende Wirkung des von den Antragstellern erhobenen Widerspruchs gegen die Vorausleistungsbescheide angeordnet. Es fehle an der zusätzlichen Beitragsentstehungsvoraussetzung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, weil vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme keine wirksame Ausbaubeitragssatzung vorgelegen habe. Die den Bescheiden zugrunde liegende SABS 1999 in den Fassungen der Änderungssatzungen sowie eine frühere Straßenbaubeitragssatzung vom 24. Juni 1996 - SABS 1996 - seien unzureichend, weil sie mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung nichtig seien. Die Voraussetzung nach § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA könne nicht dadurch nachträglich erfüllt werden, dass die Gemeinde - wie vorliegend - eine am 12. September 2005 beschlossene neue Satzung zum 1. Januar 2000 rückwirkend erlasse. Denn die durch den Gesetzgeber in § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA getroffene "Reihenfolgeentscheidung" schließe ihrem Sinn und Zweck nach eine Rückwirkungsanordnung aus. Diese Bestimmung setze voraus, dass der Gemeinderat zunächst eine Satzung beschließe, diese durch ordnungsgemäße Veröffentlichung wirksam "In-die-Welt-setze" und auf dieser Grundlage eine Ausbauentscheidung getroffen werde. Ob sich diese Satzung später - aus welchen Gründen auch immer - als ganz oder teilweise (inhaltlich) unwirksam erweise, sei unter diesem Blickwinkel ohne ausschlaggebende Bedeutung. Indes sei es erforderlich, dass die beschlossene Satzung bereits im Zeitpunkt der beitragsauslösenden Maßnahme ordnungsgemäß veröffentlicht sei, denn nur dann könnten sich die potentiellen Beitragspflichtigen von ihrem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen und sich über die zukünftige Höhe der Kostenlasten informieren.

Die Antragsgegnerin hat dagegen fristgerecht Beschwerde erhoben und macht geltend, die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA sei nicht dadurch nachträglich erfüllbar, dass die Gemeinde eine neue Satzung mit Rückwirkungsanordnung erlasse, sei unzutreffend. Es sei nur unzulässig, innerhalb eines völlig satzungslosen Zeitraumes eine Ausbauentscheidung zu treffen, um erst danach eine Satzung zu erlassen und dieser dann Rückwirkung beizumessen. Vorliegend hätten sich aber die Beitragspflichtigen sowohl über die Aushangkästen in der Gemeinde als auch über das Amtsblatt des Landkreises informieren können, dass jedenfalls eine Straßenausbaubeitragssatzung existiert habe.

Die Antragsteller nehmen auf ihr bisheriges Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verfahrensakte 2 A 151/05 MD und des Verwaltungsvorganges verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht stattgegeben. Der gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Vorausleistungsbescheide der Antragsgegnerin ist unbegründet, weil an der Rechtmäßigkeit der Bescheide ernstliche Zweifel nicht bestehen und Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), nicht vorliegen.

Es ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass sich die angefochtenen Vorausleistungsbescheide im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werden. Rechtsgrundlage der Bescheide ist § 6 Abs. 7 Satz 1 KAG LSA i.V.m. § 11 der Straßenausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 12. September 2005, wonach auf die künftige Beitragsschuld angemessene Vorausleistungen erhoben werden können, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Dass die SABS 1999 in den Fassungen der Änderungssatzungen sowie die SABS 1996 mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung nichtig sind und deshalb nicht als Rechtsgrundlage dienen können, wird von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt.

Der durch Gesetz vom 16. April 1999 (GVBl. LSA 1999, 150) mit Wirkung ab 22. April 1999 geänderte § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, wonach für Verkehrsanlagen (Absatz 1 Satz 1) die Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsauslösenden Maßnahme entsteht, in den Fällen des Absatzes 2 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 4 mit der Beendigung des Abschnitts, sofern vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorliegt, steht einer Erhebung von endgültigen Straßenausbaubeiträgen durch die Antragsgegnerin und damit auch der Erhebung von Vorausleistungen nicht entgegen. Diese Regelung ist für Maßnahmen, die nach dem 21. April 1999 begonnen worden sind (vgl. OVG LSA, Urt. v. 17. Oktober 2002 - 2 L 121/01 - für vor dem 21. April 1999 begonnene Maßnahmen) dahingehend auszulegen, dass die Rechtmäßigkeit einer Beitragserhebung davon abhängt, ob vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Beitragssatzung mit einer Verteilungsregelung tatsächlich beschlossen und ausgefertigt wurde. Denn dann ist der Willensbildungsprozess zum Erlass der Satzung innerhalb der beitragserhebenden Körperschaft abgeschlossen. Es ist aber nicht notwendig, dass diese Satzung von Anfang an wirksam war, im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts insbesondere auch nicht, dass die Satzung ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht Bd. II § 8 Rdnr. 239f; vgl. aber auch § 8 Rdnr. 492a; vgl. weiter OVG LSA, Beschl. v. 20. Januar 1994 - 2 M 393/93 -). Sollte die Satzung - aus welchen Gründen auch immer - unwirksam sein, entsteht die Beitragspflicht erst mit dem Inkrafttreten einer wirksamen Satzung, wobei diese neue Satzung bzw. Änderungssatzung nicht notwendigerweise rückwirkend in Kraft treten muss. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt etwas anderes ergibt (vgl. u. a. Urt. v. 17. Oktober 2002 - 2 L 121/01 -, S. 10, 12, 14, 20; Beschlüsse v. 2. Dezember 2004 - 2 M 609/04 - und v. 28. Februar 2005 - 4 M 525/04 -), hält der erkennende Senat daran nicht mehr fest.

Die hier vorgenommene Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA beruht auf folgenden Überlegungen:

Der Wortlaut der Regelung, die ausdrücklich nur auf das Vorliegen einer (Beitrags)Satzung abstellt, ist nicht eindeutig. Denn während das KAG LSA unter einer Satzung grundsätzlich nur eine wirksame Satzung versteht (vgl. u. a. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2; 6 Abs. 6 Satz 4; 6a Abs. 4 Satz 1; 6c Abs. 1 und 3; 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1; 13a Abs. 1 Satz 3) schließt das Gesetz - wie sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 KAG LSA ergibt - nicht aus, dass der Begriff "Satzung" auch unwirksame Satzungen erfasst. In § 140 Abs. 1 Satz 1 GO LSA wird ebenfalls geregelt, dass u. a. Satzungen der Gemeinde, die der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedürfen, erst mit der Genehmigung wirksam werden. Selbst wenn eine unwirksame oder noch nicht wirksame Satzung keine Geltung gegenüber den Betroffenen entfaltet, ist sie damit gleichwohl existent geworden. Dementsprechend ist in Rechtsprechung und Literatur z. B. anerkannt, dass eine solche Satzung Anknüpfungspunkt für die Ersetzung durch eine rückwirkende Regelung ist.

Auch die Entstehungsgeschichte der Gesetzesänderung lässt die gesetzgeberische Intention nicht hinreichend deutlich werden. Nach § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA in der vor der Änderung geltenden Fassung entstand die Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme, in den Fällen des Absatzes 2 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 4 mit der Beendigung des Abschnitts. Sämtlichen im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen lässt sich zunächst entnehmen, dass mit der Änderung eine Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt korrigiert werden sollte, nach der im Straßenausbaubeitragsrecht trotz der mit Gesetz vom 6. Oktober 1997 (GVBl. LSA 1997, 878) erfolgten Einführung des auf das Anschlussbeitragsrecht beschränkten § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht selbst dann entstand, wenn eine Beitragssatzung erst nach Abschluss der Maßnahme in Kraft trat. Zum genauen Regelungsgehalt der neuen Bestimmung fehlt es aber schon an belastbaren Äußerungen. Es existiert lediglich eine Gesetzesbegründung zu dem Gesetzesentwurf der Fraktion der PDS, der noch eine abweichende Fassung aufwies ("Die Beitragspflicht entsteht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme, in den Fällen des Absatzes 2 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 4 mit der Beendigung des Abschnitts, sofern zu diesem Zeitpunkt eine wirksame Satzung vorliegt."). Die endgültige Gesetzesfassung beruht auf einer Änderung, die während der Ausschussberatungen vorgenommen wurde. Darüber hinaus zeigen die Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass insbesondere die Bedeutung der verwendeten Begriffe "wirksame Satzung" bzw. "(rechts)gültige Satzung" nicht mit der herkömmlichen, in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Bedeutung dieser Begriffe übereinstimmte. Die Tatsache, dass im Gesetzentwurf noch ausdrücklich von einer "wirksamen Satzung" die Rede war, ist daher kein ausreichendes Indiz dafür anzunehmen, dass der im endgültigen Gesetzestext verwendete Begriff "Satzung" auch unwirksame Satzungen erfassen sollte. Genauso wenig lassen sich aber Redebeiträge von Abgeordneten der Fraktion der PDS verwerten, die darauf hindeuten, dass keine Straßenausbaubeiträge für Maßnahmen erhoben werden sollen, ohne dass für den Zeitraum der Maßnahmedurchführung eine gültige Satzung vorliegt. Letztlich ist auf Grund des parteiübergreifenden Konsenses zur Abänderung der OVG-Rechtsprechung sowie des Verweises auf die Mitwirkungsrechte und -pflichten der Beitragspflichtigen lediglich das Anliegen klar geworden, dass keine Ausbaubeiträge erhoben werden sollen, wenn die Beitragspflichtigen erstmalig nach Durchführung der Maßnahme mit einer Beitragssatzung konfrontiert werden.

Geht man aber von der Zwecksetzung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA und der systematischen Einbindung der Regelung in den Normkontext aus, wird erkennbar, dass sie allein Maßnahmen in tatsächlich satzungsloser Zeit beitragsfrei stellen soll (vgl. Kirchmer u.a., KAG LSA 2. A., § 6 S. 264), um die beitragserhebenden Körperschaften damit zu zwingen, vor der Entscheidung über Ausbaumaßnahmen zumindest eine Beitragssatzung zu beschließen. Denn dann ist zum Einen sicher gestellt, dass diese Körperschaften nicht Entscheidungen zu Ausbaumaßnahmen treffen, ohne die Finanzierung durch die Beitragspflichtigen abschließend zu klären. Zum Anderen werden so die Beitragspflichtigen vor der Maßnahmendurchführung in die Gestaltung der Beitragssatzung einbezogen. Schließlich können dadurch die bestehenden Informationspflichten gegenüber den Beitragspflichtigen eingehender erfüllt werden.

Soweit das Verwaltungsgericht die Ansicht vertritt, es sei Zweck der geänderten Fassung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, die potentiellen Beitragspflichtigen in die Lage zu versetzen, sich über die zukünftige Höhe der Kostenlasten zu informieren (vgl. auch OVG LSA, Urt. v. 17. Oktober 2002 - 2 L 121/01 - S. 12; LVerfG LSA, Urt. v. 15. Januar 2002 - LVG 3/01 -, Rdnr. 73 sowie Rdnr. 75 zu § 6 Abs. 6a Satz 2 KAG LSA), so dass die Beitragssatzung deshalb vor der Entscheidung über die Maßnahme wirksam, zumindest aber ordnungsgemäß bekannt gemacht sein musste, teilt der Senat diese Ansicht nicht. Denn diese Informationen hatten die beitragserhebenden Körperschaften schon vor der Änderung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA gem. § 6d Abs. 1 KAG LSA i.d.F. der Bekanntmachung des KAG LSA v. 13. Dezember 1996 den Beitragspflichtigen mitzuteilen. Danach hatten die Gemeinden die später Beitragspflichtigen so frühzeitig über beabsichtigte Vorhaben einschließlich der zu erwartenden Kostenbelastung zu informieren, dass ihnen vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme Gelegenheit bleibt, sich in angemessener Weise gegenüber der Gemeinde zu äußern. Dies dürfte auch ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Abänderung des Gesetzentwurfs der Fraktion der PDS gewesen sein, weil zu Recht davon ausgegangen werden konnte, dass die Vorgabe des § 6d Abs. 1 KAG LSA angemessener zu erfüllen ist, wenn vor der Maßnahme die Beitragssatzung beschlossen war. Auf die Erfüllung der Pflicht zur Information über die konkrete Kostenbelastung hat die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Beitragssatzung aber keine Auswirkungen. Denn die beitragserhebende Körperschaft geht gerade von deren Wirksamkeit aus. Dieser Informationsprozess über die Kostenbelastung wird also im wesentlichen durch den Abschluss des Willensbildungsprozesses innerhalb der beitragserhebenden Körperschaft zum Erlass der Satzung beeinflusst. Zwar kann die Beitragssatzung überhaupt erst mit ihrer Bekanntmachung Wirksamkeit erlangen. Es ist aber davon auszugehen, dass auf die Ausfertigung im Regelfall zeitnah eine Bekanntmachung erfolgt.

Grund für eine Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA dahingehend, dass dadurch zumindest die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Beitragssatzung vor der Entscheidung über die Maßnahme besteht, kann auch nicht sein, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die beitragserhebenden Körperschaften der Pflicht des § 6d Abs. 1 KAG LSA nicht in ausreichender Weise nachgekommen sind. Abgesehen davon, dass es dafür keine Hinweise gibt, könnte selbst die Kenntnis von dem Inhalt der Beitragssatzung den später Beitragspflichtigen im Ausbaubeitragsrecht keine hinreichende Kenntnis von der sie treffenden Beitragspflicht verschaffen. Ohne Informationen über den Aufwand für die Maßnahme sind weder die abstrakte Verteilungsregelung noch die auf § 6c KAG LSA beruhenden Bestimmungen der Beitragssatzung für konkrete Angaben geeignet. Im Übrigen lässt sich dem Gesetzestext eine Differenzierung nach der Art der Unwirksamkeit auf keinen Fall entnehmen.

Als Zweck für eine Verpflichtung zum Erlass einer wirksamen Satzung vor der Entscheidung über die Maßnahme kommt danach nur noch in Betracht, dass es den beitragserhebenden Körperschaften entweder so verwehrt werden soll, im Falle des Erlasses einer unwirksamen Satzung im Wege eines nachträglichen Satzungserlasses noch die Verteilungsregelung und die Beitragssätze abzuändern, oder grundsätzlich verhindert werden soll, dass die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht dem Abschluss der Maßnahme zeitlich nachfolgt. Auch dafür aber gibt es in der Entstehungsgeschichte der Gesetzesänderung keinen Anhaltspunkt. Die - die beitragserhebenden Körperschaften ohnehin schon belastende - Norm wäre dann zudem erheblich weitgehender als die Regelungen sämtlicher anderer Bundesländer, in denen nach der jeweiligen obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise allenfalls gefordert wird, dass der Zeitpunkt des dem Ausbauprogramm entsprechenden Abschlusses vom zeitlichen Geltungsbereich einer wirksamen Beitragssatzung (auch durch Rückwirkungsanordnung) erfasst sein muss (vgl. dazu Driehaus, a.a.O. § 8 Rdnr. 238a). Entscheidend ist aber, dass eine auf die Wirksamkeit der Satzung abstellende Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA dazu führen würde, dass in allen Fällen, in denen eine Satzung unwirksam ist - was sich möglicherweise erst Jahre später ergibt und nicht unbedingt auf Fehler der beitragserhebenden Körperschaft zurückzuführen ist (z.B. bei Änderungen der Rechtsprechung) -, für Maßnahmen, die in dem gesamten Zeitraum bis zum Erlass einer wirksamen Satzung beschlossen worden sind, keine satzungsrechtliche Grundlage für die Beitragserhebung besteht. Eine Rückwirkungsanordnung durch eine neue Satzung bzw. eine Änderungssatzung auf einen Zeitpunkt vor der Entscheidung über die Maßnahme genügt der Vorgabe des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA nicht, weil eine solche Anordnung nicht als Vorliegen einer Satzung im Sinne dieser Regelung anzusehen ist. Die Anordnung der Rückwirkung einer Satzung führt nur dazu, dass ihr Anwendungsbereich in die Vergangenheit ausgedehnt wird; sie war zu dem früheren Zeitpunkt aber noch nicht erlassen und lag damit auch nicht vor. Eine solche Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, die zu erheblichen Beitragsausfällen führen kann und die mit der Beitragserhebungspflicht des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA im Ergebnis nicht hinreichend in Übereinstimmung zu bringen ist, würde nach Ansicht des Senats zu einem Wertungswiderspruch führen, der auch durch die genannten Zwecke nicht in hinreichender Weise gerechtfertigt wäre.

Sonstige Fehler der herangezogenen Satzung oder in der Berechnung der Vorausleistungen sind nach dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anwendbaren Prüfungsmaßstab weder ersichtlich noch von den Antragstellern geltend gemacht.

Dass die Vollziehung des Beitragsbescheides eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), ist ebenfalls weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und erfolgte in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 1.5 Satz 1.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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