Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 4 M 29/09
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 119
AO § 119 Abs. 1
AO § 241
AO § 241 Abs. 1
AO § 361
AO § 361 Abs. 3 S. 1
AO § 361 Abs. 3 S. 3
ZPO § 573 Abs. 3
1. In einem Bescheid zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung gem. § 361 Abs. 3 Satz 3 AO im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuerbescheides muss nicht auf die möglichen Arten der Sicherheitsleistung hingewiesen werden. Welche Sicherheitsleistungen in Betracht kommen, wenn nach den Steuergesetzen Sicherheit zu leisten ist, ist abschließend in der Abgabenordnung ge-regelt, so dass es jedenfalls für die inhaltliche Bestimmtheit der Festsetzung einer Sicherheitsleistung der Aufnahme eines Hinweises darauf nicht bedarf.

2. Es bleibt offen, ob eine Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht im Eilverfahren in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 VwGO bzw. nach § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO zulässig ist.


Gründe:

Die statthafte Beschwerde der Antragstellerin, die sich (nur noch) gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Vollzugs ohne Sicherheitsleistung anstatt mit Sicherheitsleistung wendet (1.) und hilfsweise eine Zurückverweisung des Verfahrens beantragt (2.), ist unbegründet. Der nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO gestellte Antrag (3.) ist unzulässig.

1. Die Einwände der Antragstellerin gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch i.S.d. § 123 Abs. 1 VwGO auf eine ohne Sicherheitsleistung erfolgende Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide für den Zeitraum 2003 bis 2005 einschließlich der Anforderung von Nachzahlungszinsen nicht glaubhaft gemacht hat.

a) Soweit die Antragstellerin vorträgt, im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich bei der von der Antragsgegnerin getroffenen Festsetzung der Sicherheitsleistung nicht um eine Bedingung, sondern um eine Auflage, bleibt dies im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ohne Bedeutung. Denn die Antragstellerin macht selbst geltend, auch bei der Annahme einer Auflage müsse die Aussetzung ohne Sicherheitsleistung durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchgesetzt werden.

b) Ob die von der Antragsgegnerin getroffene Festsetzung der Sicherheitsleistung wegen fehlender Bestimmtheit nichtig oder rechtswidrig ist, dürfte im Rahmen des gestellten Antrages nach § 123 VwGO unerheblich sein. Es ist weder erkennbar noch dargelegt, warum ein Anspruch auf eine Aussetzung ohne Sicherheitsleistung bestehen sollte, nur weil die tatsächlich getroffene Festsetzung einer Sicherheitsleistung zu unbestimmt ist.

Jedenfalls aber bestehen die von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der ausreichenden Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO) der Festsetzung einer Sicherheitsleistung nicht. Wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, lassen sich die Höhe der erforderlichen Sicherheitsleistung und die Frist nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont in noch hinreichender Weise dem Aussetzungsbescheid vom 12. November 2008 und dem beigefügten Schreiben gleichen Datums entnehmen. Auch musste die Antragsgegnerin, die lediglich in dem beigefügten Schreiben eine Bankbürgschaft als Beispiel für eine Sicherheitsleistung genannt hat, nicht auf die möglichen Arten der Sicherheitsleistung hinweisen. Welche Sicherheitsleistungen in Betracht kommen, wenn nach den Steuergesetzen Sicherheit zu leisten ist, ist abschließend in der Abgabenordnung geregelt, so dass es jedenfalls für die inhaltliche Bestimmtheit der Festsetzung einer Sicherheitsleistung der Aufnahme eines Hinweises darauf nicht bedarf. Der Steuerpflichtige kann unter den in § 241 Abs. 1 AO aufgeführten Arten der Sicherheitsleistungen wählen oder gem. § 245 AO eine andere Form der Sicherheitsleistung anbieten, deren Annahme dann im Ermessen der Behörde steht. Soweit der Bundesfinanzhof in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 19. August 1987 (- V B 56/85 -, zit. nach JURIS) Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung geäußert hat, in dem nicht auf die Formen der Sicherheitsleistung hingewiesen wurde, ist dem - unabhängig von der Frage, ob die Fallgestaltungen vergleichbar sind - nicht zu folgen.

c) Die Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 361 Abs. 3 Satz 3 AO bei der Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheides ist eine Ermessensentscheidung. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die Aussetzungsentscheidung gem. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO zwingend erfolgen musste, weil die Vollziehung des Grundlagenbescheides ausgesetzt worden ist. Das Ermessen der Antragsgegnerin ist aber nicht zu Gunsten der Antragstellerin dergestalt auf Null reduziert, dass nur eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung rechtmäßig wäre.

Eine Ermessensreduzierung ergibt sich zunächst nicht aus den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin gegen die Grundlagenbescheide, d.h. die Gewerbesteuermessbescheide. Mit solchen Einwendungen kann die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden, sondern ist darauf verwiesen, gegenüber dem Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids unter Ausschluss der Sicherheitsleistung für die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides zu verfolgen (§ 361 Abs. 3 Satz 3 AO). Der Erlass der Grundlagenbescheide und der Erlass der Folgebescheide erfolgt in getrennten Verfahren und durch unterschiedliche Behörden. Dem ist auch bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. dazu im Einzelnen OVG Thüringen, Beschl. v. 17. März 2003 - 4 EO 269/02 -, zit. nach JURIS).

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihre wirtschaftliche Lage lasse die Steuer- und Zinsforderungen nicht als gefährdet erscheinen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht insoweit auf die beträchtliche Höhe der streitigen Forderungen sowie den eigenen Vortrag der Antragstellerin in der Antragsbegründung abgestellt. Zudem hat die Antragstellerin nach einer mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Gewerbeummeldung vom 18. September 2008 den Produktionsbetrieb eingestellt.

Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung erstmalig geltend macht, sie müsste Insolvenz anmelden, wenn sie die geforderte Sicherheitsleistung leisten müsste, hat sie nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass es ihr unmöglich ist, trotz zumutbarer Anstrengungen die geforderte Sicherheit beizubringen. Zwar hat sie nicht nur auf die Einstellung des Produktionsbetriebes verwiesen, sondern auch geltend gemacht, verwertbares bzw. nennenswertes verwertbares Vermögen bestehe nicht, auf zwei Konten befänden sich insgesamt nur 1.104,68 € und nach einer BWA vom 31. Dezember 2008 habe sie im Jahr 2008 ein negatives Ergebnis von - 74.256,66 € erzielt. Allerdings hat die Antragstellerin, die nach der Gewerbeummeldung vom 18. September 2008 zumindest weiterhin die Tätigkeit der "Verwaltung" ausübt, weder eine aktuelle und lückenlose Einkommens- und Vermögensübersicht vorgelegt noch ihre Behauptungen durch eine Versicherung an Eides Statt (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) untermauert. Es kann offen bleiben, ob allein deshalb eine Glaubhaftmachung ausgeschlossen werden kann. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin darüber hinaus noch nicht - wie von ihr in der am 30. Januar 2009 bei Gericht eingegangenen Beschwerdebegründung angekündigt - eine Bestätigung ihrer Bank vorgelegt hat, dass sie weder einen Kredit noch eine Bankbürgschaft erhalte.

2. Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde hilfsweise beantragt, "die ablehnende Entscheidung des VG Halle aufzuheben und das Verfahren an dieses zurück zu verweisen", kann offen bleiben, ob eine solche Zurückverweisung im Eilverfahren in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 VwGO bzw. nach § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO zulässig ist (dafür: VGH Hessen, Beschl. v. 13. März 2007 - 5 TG 186/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.; VGH Bayern, Beschl. v. 22. November 2006 - 24 CS 06.2525 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, 2. A., § 150 Rdnr. 7; wohl dagegen: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18. November 2004 - 1 M 287/04 -, NVwZ-RR 2006, 365, 367; offen gelassen von OVG Niedersachsen, Beschl. v. 30. Januar 2008 - 1 ME 270/07 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22. Januar 2008 - 14 B 1888/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine Aufhebung und Zurückverweisung kam von vornherein nicht in Betracht, weil der Senat ohne weiteres in der Sache selbst entscheiden konnte. Die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es einen Antrag auf Fristverlängerung zur Stellungnahme auf die Antragserwiderung erst nach Erlass des Beschlusses beschieden habe, ist schon deshalb nicht durchgreifend, weil sie mit der Beschwerde ausreichende Möglichkeiten hatte, rechtliches Gehör zu erlangen.

3. In Bezug auf den Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, "die Hinzuziehung eines Steuerberaters für das Einspruchsverfahren für notwendig zu erklären", ist schon fraglich, ob sich der Antrag auf das Widerspruchsverfahren gegen die Gewerbesteuerbescheide der Antragsgegnerin bezieht oder das Einspruchsverfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes. Unabhängig davon werden jedenfalls die Kosten eines Vorverfahrens nicht von der Kostengrundentscheidung erfasst, die das Gericht in den Verfahren nach §§ 80, 80a und 123 VwGO trifft (ganz h.A.: Sodann/ Ziekow, a.a.O., § 162 Rdnr. 93; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rdnr. 62; Kopp/Schenke, VwGO, 15. A., § 162 Rdnr. 1a jeweils m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Mit dem Verwaltungsgericht erscheint der Ansatz von 10 % der streitigen Sicherheitsleistung als angemessen. Die Festsetzung des Verwaltungsgerichts, das bei der Berechnung des Streitwertes offensichtlich von der Gewerbesteuer- und Nachzahlungszinsforderung insgesamt und nicht der 50 % hiervon umfassenden Sicherheitsleistung ausgegangen ist, war von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 VwGO) zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück