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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 4 M 394/06
Rechtsgebiete: AbwAG, AG AbwAG, VwGO


Vorschriften:

AbwAG § 9 Abs. 2
AbwAG § 12a
AG AbwAG § 6 Abs. 1
AG AbwAG § 7 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Die nach den Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes - AbwAG - für das Einleiten von Abwasser in Gewässer erhobene Abwasserabgabe stellt über ihre Lenkungsfunktion hinaus eine (Sonder-)Abgabe i. S. v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO dar, da mit ihr gemäß § 13 AbwAG die (öffentliche) Aufgabe der Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte finanziert wird (OVG NW, Beschl. v. 17.11.1983 - 2 B 2063/83 -, NVwZ 1984, 394). Eine derartige Bedeutung kommt der Abwälzung der an das Land Sachsen-Anhalt entrichteten Abgabe für Kleineinleiter nach den §§ 9 Abs. 2 AbwAG, 6 Abs. 1, 7 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum Abwasserabgabengesetz - AG AbwAG - ebenfalls zu. Denn die von den Ländern zu bestimmenden Körperschaften des öffentlichen Rechts sind gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG i. V. m. § 6 Abs. 1 AG AbwAG nur "an Stelle" des Einleiters, sozusagen stellvertretend für ihn, aus gesetzestechnischen und verwaltungspraktischen Gründen abgabepflichtig. Materiell bleiben indes - wie die Abwälzungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG i. V. m. § 7 Abs. 2 AG AbwAG zeigt - die (Klein-)Einleiter mit der Abgabe belastet.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht stattgegeben.

Soweit sich die Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 wenden, ist der (sinngemäß) gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bereits unzulässig, weil die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des genannten Bescheides schon nicht bei dem Antragsgegner beantragt haben.

§ 80 Abs. 6 VwGO ist vorliegend anzuwenden, weil die streitbefangene Abwasserabgabe entgegen der Auffassung der Vorinstanz eine Abgabe i. S. v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO darstellt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, umfasst § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. VwGO tatbestandlich nämlich nicht nur Steuern, Gebühren und Beiträge, sondern ebenfalls Sonderabgaben, die eine Finanzierungsfunktion erfüllen (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 17.12.1992 - 4 C 30.90 -, NVwZ 1993, 1112). Die nach den Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes - AbwAG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 (BGBl. I S. 114) für das Einleiten von Abwasser in Gewässer erhobene Abwasserabgabe stellt über ihre Lenkungsfunktion hinaus eine solche Sonderabgabe dar, da mit ihr gemäß § 13 AbwAG die (öffentliche) Aufgabe der Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte finanziert wird (OVG NW, Beschl. v. 17.11.1983 - 2 B 2063/83 -, NVwZ 1984, 394; VGH BW, Beschl. v. 27.01.1984 - 14 S 2429/83 -, DVBl. 1984, 345; BayVGH, Beschl. v. 18.01.1984 - 8 CS 83 A. 2896 -, DÖV 1984,595; Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Aufl., § 12 a, Rdnr. 1). Ihre Erhebung soll, wie sich aus den Regelungen und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt, eine wirksamere Reinhaltung der Gewässer und eine gerechtere Zuordnung der Kosten für die Vermeidung, die Beseitigung sowie den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung verursachten Schäden bewirken (OVG NW, a. a. O.).

Eine derartige Bedeutung kommt der hier vorgenommenen Abwälzung der an das Land Sachsen-Anhalt entrichteten Abgabe für Kleineinleiter nach den §§ 9 Abs. 2 AbwAG, 6 Abs. 1, 7 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum Abwasserabgabengesetz - AG AbwAG - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls zu. Denn die von den Ländern zu bestimmenden Körperschaften des öffentlichen Rechts sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG i. V. m. § 6 Abs. 1 AG AbwAG nur "an Stelle" des Einleiters, sozusagen stellvertretend für ihn, aus gesetzestechnischen und verwaltungspraktischen Gründen abgabepflichtig. Materiell bleiben indes - wie die Abwälzungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG i. V. m. § 7 Abs. 2 AG AbwAG zeigt - die (Klein-)Einleiter mit der Abgabe belastet. Mithin dient auch die nach § 7 Abs. 2 AG AbwAG abgewälzte Abwasserabgabe für Kleineinleiter der Finanzierung der öffentlichen Aufgabe der Gewässerreinhaltung.

Da die (abgewälzte) Kleineinleiterabgabe nach § 7 Abs. 2 AG AbwAG nach dem Vorhergesagten (bereits) dem Abgabenbegriff des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 VwGO unterfällt, kann dahinstehen, ob die Vorschrift des §12a AbwAG, wonach Rechtsbehelfe gegen die Anforderung der Abgabe keine aufschiebende Wirkung haben, auch dann gilt, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Abwassereinleiter im Wege der Abwälzung zu einer von ihr anstelle des Einleiters gezahlten Abgabe heranzieht (dies bejahend OVG Koblenz, Beschl. v. 14.04.1987 - 12 B 118/86 -; a. A. Köhler/Meyer, a. a. O., § 12a Rdnr. 3).

Hinsichtlich des den Bemessungszeitraum 2004 betreffenden Bescheides des Antragsgegners vom 20. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. der hier entsprechend anwendbaren Regelung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides über öffentliche Abgaben und Kosten nur erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, wenn die insbesondere mit dem Widerspruch geltend gemachten Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes derart gewichtig sind, dass ein Obsiegen des Betroffenen im Widerspruchsverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (OVG LSA, Beschl. v. 19.03.2002 - 2 M 293/01 -; Beschl. v. 02.02.2001 - 2 M 451/00 -). Eine unbillige Härte bei der Vollziehung der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten liegt insbesondere vor, wenn durch die sofortige Zahlung ein auch durch spätere Erstattung nicht wieder gut zumachender Schaden, etwa Konkurs oder Existenzvernichtung, entstehen würde. Die Härte darf nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten sein (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 19.02.2004 - 2 M 333/03 -; Beschl. v. 19.06.2003 - 2 M 198/02 -).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 20. Juni 2005 bestehen nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht.

Nach § 1 Satz 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne des § 1 Abs. 1 WHG eine Abgabe (Abwasserabgabe) zu entrichten. Der nach dem AbwAG abgabepflichtige Antragsgegner wälzt gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 AG AbwAG die gegen ihn nach § 6 Abs. 1 AG AbwAG an Stelle von Direkteinleitern, die im Jahresdurchschnitt weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, festzusetzende Abwasserabgabe auf die Abwassereinleiter ab. Gemäß § 2 Abs. 2 2. Alt. AbwAG gilt auch das Verbringen in den Untergrund als Einleiten in ein Gewässer.

Die Antragsteller sind entgegen ihrer Auffassung Einleiter im Sinne des Gesetzes, denn sie haben dadurch, dass sie nach eigenen Angaben das in ihrem Haushalt angefallene, ungeklärt in die Güllegrube ihres landwirtschaftlichen Betriebs abgeleitete Abwasser zusammen mit der Gülle auf ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen aufgebracht haben, im Sinne der §§ 1 Satz 1, 2 Abs. 2 AbwAG Abwasser in ein Gewässer eingeleitet, weil auf den Boden aufgebrachtes Abwasser zumindest teilweise durch Versickern in den Untergrund gelangt (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.11.1990 - 8 C 71/88 -, NVwZ 1991, 482). Das Aufbringen einer Mischung aus Gülle und Abwasser bleibt auch nicht deshalb abwasserabgabenfrei, weil es sich als ein "Verbringen im Rahmen landbaulicher Bodenbehandlung" darstellt (§ 2 Abs. 2 letzter Halbs. AbwAG). Denn die in § 2 Abs. 2 letzter Halbs. AbwAG vorgesehene Privilegierung landbaulicher Bodenbehandlung setzt eine ordnungsgemäße Bodenbehandlung voraus (BVerwG, a. a. O.). Eine solche dem gesetzlichen bzw. landbaulichen Standard entsprechende Bodenbehandlung ist indes bei der Aufbringung von mit Gülle vermischtem ungeklärtem häuslichem Abwasser auf landwirtschaftliche Nutzflächen wegen einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit grundsätzlich nicht anzunehmen (BVerwG, a. a. O.). Da weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich noch vorgetragen sind, dass eine solche Gefahr bei der hier gegebenen Sachlage ausgeschlossen sein könnte, liegt nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung eine landbauliche Bodenbehandlung im Sinne des § 2 Abs. 2 letzter Halbs. AbwAG nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller enthebt die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 151 Abs. 4 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt - WG LSA - durch Bescheid des Landkreises Stendal vom 13. März 2005 auf die Antragsteller als Nutzungsberechtigte ihres Grundstücks sie nicht grundsätzlich, sondern nur dann von der Abgabenpflicht nach dem AbwAG, wenn sie das auf ihrem Grundstück anfallende Abwasser nicht in ein Gewässer einleiten. Zudem ist den Antragstellern die Pflicht zur Abwasserbeseitigung für das anfallende häusliche Abwasser durch den genannten Bescheid erst ab dem 31. März 2005 und nur hinsichtlich des Sammelns von Abwasser in einer abflusslosen Sammelgrube übertragen worden.

Hinsichtlich der Höhe der Abwasserabgabe sind Einwände nicht erhoben worden und auch nicht ersichtlich.

Schließlich haben die Antragsteller keine unbillige Härte im oben genannten Sinne bei der Vollziehung der Abwasserabgabe in Höhe des angefochtenen Betrages von 143,20 € dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und erfolgt in Übereinstimmung mit der vorinstanzlichen Wertfestsetzung in Anlehnung an den so genannten Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 1 Pkt. 5 Satz 1.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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