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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.04.2006
Aktenzeichen: 4 O 332/05
Rechtsgebiete: VwGO, JVEG


Vorschriften:

VwGO § 162 I
JVEG § 20
JVEG § 22
Zur Kostenerstattung, wenn ein Mitarbeiter einer von der gebührenerhebenden Körperschaft beauftragten Privatfirma die von dieser Firma erstellte Gebührenkalkulation im gerichtlichen Termin erläutert

Eine Körperschaft, die eine Abwassergebührenkalkulation erstellt und darauf gestützt Gebühren erhoben hat, kann keinen besonderen Aufwendungsersatz beanspruchen, wenn einer ihrer Bediensteten am gerichtlichen Verfahren zu der Gebührenerhebung teilnimmt, um die erstellte Kalkulation zu erläutern. Auch dann, wenn diese Erläuterungen durch einen Mitarbeiter der vom Verband zur Erstellung der Kalkulation eingeschalteten Privatfirma erfolgen, handelt es sich dabei immer noch um Beteiligtenvorbringen, das der beklagten Körperschaft zuzurechnen und daher nicht anders zu bewerten ist (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 6. November 1995 - 23 C 95.887 -, NVwZ-RR 1997, 448; VG Sigmaringen, Beschl. v. 4. Juli 2000 - 1 K 654/94 - zit. nach JURIS).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 O 332/05

Datum: 18.04.2006

Gründe:

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2005 hat keinen Erfolg.

In dem streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. April 2005 wurden zu Recht die vom beklagten Verband über die (fiktiven) Fahrkosten hinaus geltend gemachten Mehrkosten, die durch die Teilnahme eines Mitarbeiters des für die Gebührenkalkulation verantwortlich zeichnenden Unternehmens an der mündlichen Verhandlung entstanden sind, im Rahmen des § 162 Abs. 1 VwGO nicht als erstattungsfähig angesehen.

Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO sind Kosten die Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können dabei eine Entschädigung für die Zeitversäumnis eines Bediensteten durch die Wahrnehmung eines Gerichtstermins nicht beanspruchen (so BVerwG, Beschl. v. 29. Dezember 2004 - 9 KSt 6/04 -, NVwZ 2005, 466 ff. m.w.N. auch zur Gegenmeinung). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sei es nicht gerechtfertigt, über § 173 VwGO juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden eine Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG) wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins vor den Verwaltungsgerichten durch einen ihrer Bediensteten oder eine Entschädigung unter dem Aspekt des Verdienstausfalls (§ 22 JVEG) zuzubilligen. Mit Blick auf das Wesen und die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung sei für diesen Bereich eine grundsätzlich andere Bewertung geboten:

"Die öffentliche Verwaltung ist das Instrument, durch das der Staat gegenüber dem Bürger handelt. Sie wird grundsätzlich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert und nur in einem beschränkten Umfang und unter gesetzlich geregelten Voraussetzungen durch die Erhebung von Gebühren oder Beiträgen, die an eine konkrete Verwaltungsleistung (oder an die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme) anknüpfen. Die öffentliche Verwaltung wird vom Staat nicht um ihrer selbst willen unterhalten und vorgehalten, sondern zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Bürger. Zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehört es auch, dass sie ihr Handeln vor Gericht zu verantworten und zu vertreten hat, wenn der davon betroffene Bürger, gestützt auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, es einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen lässt. Dies ist eine Errungenschaft des Rechtsstaates und gehört kraft Verfassungsrechts zu den originären Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Hierzu zählen auch die Wahrnehmung eines Gerichtstermins in einem gegen sie geführten Verwaltungsrechtsstreit und der Zeitaufwand dafür.

Vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, einen entschädigungspflichtigen "Nachteil" der juristischen Person des öffentlichen Rechts oder der Behörde darin zu sehen, dass der den Gerichtstermin wahrnehmende Bedienstete in dieser Zeit nicht "seinen anderen Aufgaben" an "seinem eigentlichen Arbeitsplatz" nachgehen könne und dass diese entweder von ihm selber durch Überstunden oder von anderen Bediensteten (mit-)erledigt werden müssten, wobei Letztere dann wiederum nicht für andere Aufgaben zur Verfügung stünden (so aber ...). Dabei wird verkannt, dass die rechtswahrende Vertretung ihres Handelns vor Gericht mit zum Aufgabenkreis der öffentlichen Verwaltung gehört; dieses zu vertreten liegt nicht außerhalb ihrer "eigentlichen" Aufgaben, von deren Erledigung sie bzw. der den Gerichtstermin wahrnehmende Bedienstete abgehalten würde."

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann eine Körperschaft, die eine Abwassergebührenkalkulation erstellt und darauf gestützt Gebühren erhoben hat, keinen besonderen Aufwendungsersatz beanspruchen, wenn einer ihrer Bediensteten am gerichtlichen Verfahren zu der Gebührenerhebung teilnimmt, um die erstellte Kalkulation zu erläutern. Denn gerade damit vertritt die Körperschaft ihr Handeln vor Gericht. Aber auch dann, wenn diese Erläuterungen durch einen Mitarbeiter der vom Verband zur Erstellung der Kalkulation eingeschalteten Privatfirma erfolgen, handelt es sich dabei immer noch um Beteiligtenvorbringen, das der beklagten Körperschaft zuzurechnen und daher nicht anders zu bewerten ist (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 6. November 1995 - 23 C 95.887 -, NVwZ-RR 1997, 448; VG Sigmaringen, Beschl. v. 4. Juli 2000 - 1 K 654/94 -, zit. nach JURIS). Soweit der Beklagte darauf verweist, dass dadurch Gutachterkosten erspart worden seien, verkennt er, dass die Erläuterung einer vom Verband oder in seinem Auftrag erstellten Kalkulation zur prozessualen Mitwirkungspflicht des Verbandes gehört (vgl. auch § 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO), an deren Verletzung verfahrensrechtliche Wirkungen geknüpft sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 14. A., § 86 Rdnr. 11, 12 m.w.N.).

Dass der Berichterstatter der erkennenden Kammer des Verwaltungsgerichts einen Mitarbeiter des Beklagten vor der mündlichen Verhandlung telefonisch darum gebeten hat, einen Mitarbeiter des Unternehmens, das die Kalkulation erstellt hat, zum Termin mitzubringen und darauf hingewiesen hat, dieser Mitarbeiter sollte in der Lage sein, zu jeder Frage des Gerichts zur Kalkulation Stellung zu nehmen, und dass in der Ladung eine entsprechende Bitte enthalten war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es handelte sich dabei lediglich um einen Hinweis darauf, was das Gericht als notwendig ansah, um seiner Sachaufklärungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 HS 1 VwGO) nachkommen zu können (vgl. auch VGH Bayern, Beschl. v. 6. November 1995, a.a.O.). Der Beklagte kann sich insoweit nicht auf eine Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 26. Februar 1997 - 5 S 1743/95 -; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11. Januar 2005 - 8 C 11145/04 -, zit. nach JURIS) berufen. In der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fallgestaltung ging es um ein Planfeststellungsverfahren zu einem Straßenneubau und die Erstattung von Kosten für das Erscheinen externer Gutachter, die schon im Verwaltungsverfahren tätig gewesen waren und auf Aufforderung des Gerichts von der Behörde im Termin gestellt worden sind. Mit dieser Klärung von besonderen Einzelfragen durch einen Gutachter, der innerhalb eines von der Behörde durchgeführten und mit einem Verwaltungsakt abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens tätig gewesen war, ist die Kalkulation eines Gebührensatzes, selbst wenn sie durch einen Dritten erfolgt, nicht vergleichbar. Die Kalkulation ist untrennbar mit der in der originären Verantwortung der gebührenerhebenden Körperschaft liegenden und zu ihrem Aufgabenkreis gehörenden Festsetzung des Gebührensatzes verknüpft, so dass ihre Erläuterung - anders als die Erstellung eines (Privat)Gutachtens zu besonderen Einzelfragen - immer als Beteiligtenvorbringen zu werten ist.

Dass die Klägerin in ihrer Klagebegründung auch die Kalkulation angegriffen hat, führt schließlich ebenfalls nicht dazu, dass die hier streitbefangenen Kosten erstattungsfähig i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO sind. Damit wurde die Einschaltung des Kalkulators an sich durch die Klägerin nicht verursacht. Auch insoweit kann sich der Beklagte nicht auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 26. Februar 1997 berufen. Denn die dort im Termin aufgetretenen Gutachter waren nach den Darlegungen des Gerichts zur Klärung schwieriger technischer Fragen notwendig, die von dem Kläger erst in seiner Klage aufgeworfen worden waren und von der beklagten Behörde offenbar nicht aus eigener Sachkunde beantwortet werden konnten. Vorliegend zielten die Rügen der Klägerin im Ergebnis jedoch lediglich auf eine Erläuterung der vorgenommenen Kalkulation ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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