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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 21.01.2009
Aktenzeichen: 4 O 449/08
Rechtsgebiete: LSA-KWO


Vorschriften:

LSA-KWO § 4 Abs. 1 S. 1
LSA-KWO § 4 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Es ist ausweislich des mit Schriftsatz vom 28. Juni 2008 gestellten Antrages zunächst davon auszugehen, dass der Antragsteller noch keine Klage erhoben, sondern nur einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat. Denn es sollte ausdrücklich nur für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Aufnahme der Klage in den Geschäftsgang erfolgen.

Die gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht gerichtete Beschwerde ist unbegründet.

Denn die beabsichtigte Klage hat nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann gegeben, wenn mehr als eine theoretische Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage spricht (BVerfG, Beschl. v. 4. Februar 1997 - 1 BvR 391/93 -, NJW 1997, 2102, 2103), d.h. wenn der klägerische Rechtsstandpunkt ohne Überspannung der Anforderungen zutreffend oder bei schwieriger Rechtslage zumindest vertretbar erscheint (OVG Sachsen-Anhalt in st. Rspr.). Dabei dürfen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. Zwar muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (so BVerfG, Beschl. v. 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -; Beschl. v. 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 -, jeweils zit. nach JURIS).

Nach diesen Maßstäben ist die streitige Entscheidung des Antragsgegners zur Wahlanfechtung des Antragstellers offensichtlich nicht zu beanstanden.

1. Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung rügt, die Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses sei rechtsfehlerhaft an den ihm beizuordnenden Rechtsanwalt erfolgt und es dürfte eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs vorliegen, weil ihm die Erwiderung des Antragsgegners nicht zugestellt worden sei, kann mit diesem Vortrag von vornherein nicht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage begründet werden. Entsprechendes gilt für seine Rüge, der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners werde als "vollmachtloser Vertreter" tätig.

2. Bei der Mitteilung in der Einleitung zur Bekanntmachung der Mitglieder des Wahlausschusses für die Bürgermeisterwahl im "Salzlandboten" vom 8. Januar 2008, dass der Wahlausschuss aus "dem Vorsitzenden und 5 Beisitzern" bestehe, handelte es sich ersichtlich um einen Schreibfehler. Denn in der nachfolgenden namentlichen Benennung der Beisitzer wurden nur vier Beisitzer aufgeführt. Durch diese Bekanntmachung wurde auch nicht die Zahl der Beisitzer festgelegt, sondern gem. § 4 Abs. 4 KWO LSA die Zusammensetzung des Wahlausschusses öffentlich bekannt gemacht.

Mit dem Antragsteller spricht zwar Einiges dafür, dass der Wahlleiter eine Entscheidung über die Anzahl der Beisitzer gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 KWO LSA schon in seinem Schreiben vom 28. November 2007 an Ortsvorsitzende und Fraktionsvorsitzende zur Unterbreitung von Vorschlägen zur Besetzung des Wahlausschusses getroffen hat. Darin heißt es ausdrücklich: "Der Wahlausschuss besteht aus dem Wahlleiter als Vorsitzendem und sechs Beisitzern". Allerdings sollte der Wahlausschuss nach dem im "Salzlandboten" vom 7. Dezember 2007 veröffentlichten Aufruf zur Bildung der Wahlausschüsse aus dem "Wahlleiter als Vorsitzenden und zwei bis sechs Beisitzern" bestehen. Welche Entscheidung nun getroffen wurde, ob eine Änderung möglich und auch erfolgt ist und welche wahlrechtlichen Konsequenzen aus einem Verstoß gegen die Entscheidung zu treffen wären, kann aber offen bleiben. Denn der Antragsteller hat insoweit keine Einwendung in seinem Wahleinspruch erhoben und ist daher mit diesem erstmalig in seiner Beschwerdebegründung enthaltenen Vorbringen präkludiert (vgl. grundsätzlich OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20. November 1996 - 2 L 375/95 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Der Wahleinspruch bezog sich allein darauf, dass der Wahlausschuss entgegen der amtlichen Bekanntmachung vom 8. Januar 2008 anstatt mit fünf nur mit vier Beisitzern besetzt gewesen sei.

3. Weiterhin gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine unzulässige Beeinflussung der Bürgermeisterwahl durch den vorherigen Amtsinhaber. Auch die Darlegungen in der Beschwerdebegründung geben keinen Anlass, die entsprechende Feststellung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass gemeindliche Organe, also auch der Bürgermeister einer Gemeinde, sich im Kommunalwahlkampf neutral zu verhalten haben und nicht zu Gunsten bestimmter Bewerber durch öffentliche Auftritte, Anzeigen, Wahlaufrufe, gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit oder sonstige amtliche Verhaltensweisen eine unzulässige Wahlbeeinflussung begehen dürfen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 8. April 2003 - 8 C 14/02 -, m.w.N.; VGH Hessen, Beschl. v. 27. Februar 2008 - 8 UZ 1214/07 -, jeweils zit. nach JURIS; Gern, Deutsches Kommunalrecht 3. A., Rdnr. 320).

a) Im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht schon nicht festgestellt, dass der Amtsinhaber mit der aktiv betriebenen Kandidatenauswahl einen eigenen Kandidaten aufgestellt habe. Die vom Antragsteller zitierte Formulierung in dem Beschluss bezog sich nur auf das entsprechende Vorbringen des Antragstellers, ohne dass das Verwaltungsgericht die Richtigkeit dieses Vorbringens bewertet hat. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass weder ein Verhalten des Amtsinhabers noch dessen Motive im Rahmen der Prüfung einer Beeinflussung des Wählerwillens relevant seien, solange keine Außenwirkung auf die Wähler gegeben sei. Soweit der Antragsteller geltend macht, allein "die Aufstellung eines eigenen Kandidaten" habe einen Wahlfehlertatbestand dargestellt, ist dem nicht zu folgen. Es ist auch einem Amtsinhaber nicht untersagt, bei der politischen Willensbildung seiner Partei im Rahmen der Kandidatenaufstellung mitzuwirken.

b) Nicht zu beanstanden sind die rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einer möglichen Wahlbeeinflussung durch die Presseberichterstattung. Da auch ein Amtsinhaber sich als Privatperson im Wahlkampf äußern darf und nur in seiner amtlichen Eigenschaft keine Wahlempfehlungen abgeben darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 8. April 2003 - 8 C 14/02 -, m.w.N.; Urt. v. 18. April 1997 - 8 C 5/96 -; OVG Niedersachsen, Urt. v. 26. März 2008 - 10 LC 203/07 -, jeweils zit. nach JURIS), ist zu prüfen, ob im Rahmen der Presseberichterstattung eine dem Amtsinhaber zurechenbare unzulässige Wahlempfehlung erfolgt ist. Für eine derartige Wahlempfehlung ist weder etwas ersichtlich noch vom Antragsteller in der Wahlanfechtung hinreichend dargelegt.

Insbesondere mit der vor Vertretern der Presse getätigten Aussage des Amtsinhabers zu einem Leserbrief eines Kandidaten hat dieser nicht zu Gunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingegriffen und dabei gegen die ihm zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl auferlegten Pflicht zu einer unparteiischen Amtsführung (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16. Mai 2007 - 1 S 567/07 -, zit. nach JURIS) verstoßen. Die Aussage enthielt bewusst lediglich eine Bewertung des Inhalts des Leserbriefs und konnte auch nicht als Wahlempfehlung aufgefasst werden. Denn der Amtsinhaber hat nach der Presseberichterstattung bei dieser Veranstaltung ausdrücklich betont, er wolle sich bewusst aus dem Wahlkampf heraushalten und hat sogar ausdrücklich ausgeführt, nach seiner Einschätzung fehlten bisher bei jedem der Bewerber die Visionen, wohin sich die alte Salzstadt unter ihrer Führung entwickeln solle. Im Übrigen lag in der Bewertung des Leserbriefs keinesfalls - was aber der Antragsteller annimmt - eine Verunglimpfung des Kandidaten als "Sympathisant Rechtsradikaler".

c) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass eine Untätigkeit des Amtsinhabers hinsichtlich der in der Wahlanfechtung genannten Tatbestände schon von vornherein keine unzulässige Wahlbeeinflussung darstellt, wenn dieses Verhalten den Wählern objektiv nicht zur Kenntnis gelangt sein konnte. Damit entfällt die Relevanz der Rügen des Antragstellers zur Unterlassung eines Eingreifens gegen den Wahlkampfauftritt eines Kandidaten im Foyer der Sporthalle, zur Unterlassung eines Eingreifens gegen die Gewährung einer Sondernutzung für Wahlwerbung eines Kandidaten sowie zur mittelbaren Unterstützung eines Kandidaten über die kommunalen Stadtwerke durch unterlassene Aufsichtmaßnahmen. Insoweit kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 2003 (- 8 C 14.02 -) berufen. In dieser Entscheidung wird zwar ausgeführt, eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung könne auch in einer bewussten Täuschung durch Vorenthalten von - wahlkampfrelevanten - Informationen liegen. Allerdings ging es dabei um die in öffentlicher Sitzung erfolgte Desinformation des Ausschusses eines kommunalen Vertretungsorgans durch hauptamtliche Mandatsträger. Diese Fallgestaltung ist aber nicht mit dem hier vom Antragsteller behaupteten Verhalten des Amtsinhabers gleichzusetzen, bei dem es von vornherein keine unmittelbare Einwirkung auf die Willensbildung der Wähler geben konnte. Denn eine unzulässige Wahlbeeinflussung kann nur bei solchen Handlungen angenommen werden, die von Amtsträgern in amtlicher Eigenschaft ausgehen und sich gezielt an die Wähler wenden (VGH Bayern, Beschl. v. 8. März 2005 - 4 ZB 04.800 -, zit. nach JURIS).

Von einer Prüfung der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners (vgl. § 67 Abs. 6 Satz 3 VwGO) im Beschwerdeverfahren wurde trotz der Rüge des Antragstellers abgesehen, weil auch eine fehlende bzw. fehlerhafte Bevollmächtigung auf die Beschwerdeentscheidung, insbesondere auch die Kostenentscheidung, keinen Einfluss gehabt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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