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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 5 L 6/03
Rechtsgebiete: LSA-PersVG, KüSchG, BGB, BAT-O


Vorschriften:

LSA-PersVG § 46 I
LSA-PersVG § 46 II
KüSchG § 15 II
BGB § 626
BAT-O § 54
Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Änderungskündigung eines Personalratsmitglieds gemäß § 46 Abs. 1 PersVG-LSA kann (auch) in einer fehlerhaften Eingruppierung liegen.

Die Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB wird durch den Antrag auf Zustimmung des Personalrats gemäß § 46 Abs. 2 PersVG-LSA gewahrt, sofern die fehlerhafte Eingruppierung innerhalb der Frist fortbestanden hat.

In der außerordentlichen Änderungskündigung aus wichtigem Grund liegt keine Umgehung des Kündigungsschutzes aus § 15 Abs. 2 KüSchG.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 5 L 6/03

Datum: 05.05.2004

Gründe:

Der Beteiligte zu 3. steht als Werklehrer im Landesdienst. Er ist seit dem 5. Mai 1997 (alleiniges) Mitglied des Personalrats der Grundschule "A. W." in Magdeburg. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 70 v. H. Der Beteiligte zu 3. erstrebt die Ersetzung der Zustimmung des Personalrats zu seiner außerordentlichen Änderungskündigung gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA.

Der Beteiligte zu 3. hat gemäß Zeugnis der Pädagogischen Hochschule Magdeburg - Institut für Lehrerbildung Staßfurt - vom 21. Juni 1991 die "Lehrbefähigung für den Werkunterricht in den Klassen 1 bis 4" erworben. Er begründete zum 1. Januar 1991 ein Dienstverhältnis zum Magistrat der Stadt Magdeburg. Die Bezirksregierung Magdeburg gruppierte ihn mit Schreiben vom 11. Oktober 1991 und 6. November 1991 in die Vergütungsgruppe IV a BAT-O ein. Mit Arbeitsvertrag vom 2. Juni 1992 wurde er als Angestellter im Landesdienst weiter beschäftigt. Die bisherige Vergütung gem. IV a BAT-O wurde beibehalten. Dienststelle ist seither die Grundschule "A. W." in Magdeburg.

Mit Schreiben an das Regierungspräsidium Magdeburg vom 12. August 1996 teilte das Kultusministerium mit, der Beteiligte zu 3. könne nach der Lehrereingruppierungsrichtlinie in die Vergütungsgruppe VI b/V c BAT-O eingruppiert werden. Dies wurde dem Beteiligten zu 3. in einem Personalgespräch vom 13. November 1996 im Regierungspräsidium Magdeburg eröffnet und verschiedenen Möglichkeiten "zur Klärung der Eingruppierung" eröffnet. Der Beteiligte zu 3. erklärte sich mit Schreiben vom 19. November 1996 mit einer Änderungskündigung einverstanden. Zwecks Zustimmung zur Kündigung nach dem Schwerbehindertengesetz betrieb das Regierungspräsidium Magdeburg ein Verfahren beim Landesamt für Versorgung und Soziales - Hauptfürsorgestelle -. Von der nach Abschluss eines Verwaltungsstreitverfahrens (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 9.8.1999 - A 6 K 244/98 -) mit Bescheid des Landesamts für Versorgung und Soziales - Hauptfürsorgestelle - vom 18. Oktober 1999 erteilten Zustimmung machte der nach einer Schulverwaltungsreform zuständig gewordene Beteiligte zu 1. jedoch keinen Gebrauch mehr, sondern teilte dem Beteiligten zu 3. mit Änderungsmitteilung vom 9. September 1999 mit, er sei fehlerhaft gem. IV a BAT-O eingruppiert worden. Mit Wirkung vom 1. November 1996 werde er in die Vergütungsgruppe V c BAT-O eingruppiert. Im anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren verurteilte das Landesarbeitsgericht Halle das beklagte Land mit rechtskräftigem Berufungsurteil vom 22. Februar 2001 - 7 Sa 244/00 E - zur Zahlung der rückständigen Bruttobezüge ab 1. Oktober 1999 und stellte fest, dass der Kläger (Beteiligter zu 3. im vorliegenden Verfahren) ab 1. Februar 2000 wieder nach IV a BAT-O zu vergüten sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe sich nach dem Ergebnis des Personalgesprächs vom 13. November 1996 nicht mit der Änderungsmitteilung vom 9. September 1999 begnügen dürfen, sondern müsse eine Änderungskündigung aussprechen.

Am 23. August 2001 führte der Antragsteller ein weiteres Personalgespräch mit dem Beteiligten zu 3., in dessen Verlauf dem Beteiligten zu 3. im Falle einer nochmaligen Änderungskündigung die Zahlung einer abbaubaren persönlichen Zulage gemäß Erlass des Finanzministers LSA vom 12. Oktober 1998 - 14.11.3022 - in Aussicht gestellt wurde. Der Beteiligte zu 3. entschied sich mit einem am 6. September 2001 beim Antragsteller eingegangenen Schreiben wiederum für die Änderungskündigung. In dem erneuerten Verwaltungsverfahren vor dem Landesamt für Versorgung und Soziales - Integrationsamt - wegen Zustimmung nach dem Schwerbehindertengesetz wurde bekannt, dass der Beteiligte zu 3. Mitglied des Personalrats der Grundschule "A. W." ist. Der Antragsteller nahm dies zum Anlass, beim Landesamt für Versorgung und Soziales - Integrationsamt - mit Antrag vom 1. November 2001 nunmehr die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu beantragen. Das Verfahren ist - soweit erkennbar - noch nicht abgeschlossen.

Mit Antrag an das Verwaltungsgericht vom 2. November 2001 beantragte der Antragsteller, die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen Änderungskündigung des Beteiligten zu 3. gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA zu ersetzen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, das Kultusministerium habe im Rahmen der Überprüfung der Abschlüsse des Beteiligten zu 3. nach dem Lehrergleichstellungsgesetz mit Erlass vom 12. August 1996 festgestellt, dass eine Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen für Werklehrer erfolgen müsse. Aufgrund der weiteren Qualifikation als Lehrmeister könne eine Einstufung nach Abschnitt B, 1 Fallgruppe 18 der Lehrereingruppierungsrichtlinien in Vergütungsgruppe VI b / V c BAT-O erfolgen. Man habe erst anlässlich des Verwaltungsverfahrens vor dem Landesamt für Versorgung und Soziales - Integrationsamt - von der Personalratstätigkeit des Beteiligten zu 3. Kenntnis erlangt. Die danach nur noch mögliche außerordentliche Änderungskündigung bedürfte gem. § 46 Abs. 1 PersVG LSA der Zustimmung des Personalrats. Die Voraussetzungen der außerordentlichen Änderungskündigung gem. § 54 BAT-O lägen vor. Ein der Vorbildung des Beteiligten zu 3. entsprechender und damit tarifgerechter Arbeitsplatz könne nicht unzumutbar sein.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. die Ersetzung der Zustimmung des Personalrates der Grundschule "A. W." in Magdeburg und

2. - vorsorglich - die Ersetzung der Zustimmung des Lehrerbezirkspersonalrats beim Staatlichen Schulamt Magdeburg.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Der Beteiligte zu 2. hat keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 9. Januar 2003 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe bei fristlosen Änderungskündigungen gem. § 626 Abs. 1 BGB die Frist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten. Die Kündigung müsse innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen erfolgen. Die Einhaltung der Frist sei auch bei der Entscheidung gem. § 46 Abs. 1 PersVG LSA zu beachten. Der Antragsteller habe die Frist versäumt. Als wichtiger Grund für die außerordentliche Änderungskündigung komme die falsche Eingruppierung des Beteiligten zu 3. mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen in Betracht. Hiervon habe der Antragsteller bereits bei dem Antrag an das Landesamt für Versorgung und Soziales - Integrationsamt - auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung vom 3. September 2001 Kenntnis gehabt. Die Zwei-Wochen-Frist sei daher bei Antragstellung am 2. November 2001 seit langem abgelaufen gewesen. Auf die Kenntnis des Antragstellers von der Mitgliedschaft des Beteiligten zu 3. im Personalrat komme es nicht an, denn die Mitgliedschaft gehöre nicht zu den Tatsachen, aufgrund derer die Änderungskündigung erfolgen solle.

Gegen diesen ihm am 16. Januar 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13. Februar 2003 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, zu den für die außerordentliche Änderungskündigung maßgeblichen Tatsachen sei auch die Mitgliedschaft des Beteiligten zu 3. im Personalrat zu zählen. Gerade diese Tatsache sei kausal für die außerordentliche Änderungskündigung. Bezogen auf die Kenntnis von der Mitgliedschaft im Personalrat sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht versäumt.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 11. Kammer - vom 9. Januar 2003 nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu beschließen.

Die Beteiligten zu 1. und 3. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tragen vor, der Antragsteller habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Die Tatsachen, die für die außerordentliche Änderungskündigung herangezogen würden, seien seit Jahren bekannt. Auf die Mitgliedschaft im Personalrat komme es nicht an. Im Übrigen dürften dem Antragsteller die Wahlunterlagen vorliegen, so dass er nicht erst am 22. Oktober 2000 von der Mitgliedschaft im Personalrat Kenntnis erlangt habe. Auch sei eine außerordentliche Kündigung unzulässig, nachdem man es in der Vergangenheit verfahrensfehlerhaft versäumt habe, die richtige Eingruppierung durch eine ordentliche Kündigung herbeizuführen.

Der Beteiligte zu 2. hat keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die gem. § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 87 ArbGG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die Zustimmung zur außerordentlichen Änderungskündigung des Beteiligten zu 3. ist gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA antragsgemäß zu ersetzen.

Dem Antragsteller ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte gerichtliche Entscheidung nicht abzusprechen. Allerdings entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Arbeitgeber eine fehlerhafte Eingruppierung, die nicht auf einer individuellen vertraglichen Abrede beruht, im Hinblick auf die sog. Tarifautomatik gem. § 22 Abs. 2 BAT-O im Wege der korrigierenden Rückgruppierung rückgängig machen kann, ohne auf eine Änderungskündigung angewiesen zu sein (BAG, Urt. v. 18.2.1998 - 4 AZR 581/96 -, PersR 99, 225; Urt. v. 16.2.2000 - 4 AZR 62/99 -, BAG E 93, 340; vgl. auch LArbG Halle, Urt. v. 5.4.2001 - 7 Sa 244/00 - E, Bl. 113 Beiakte A). Die Änderungskündigung ist gegenüber der korrigierenden Rückgruppierung wegen der damit verbundenen Bestandsgefährdung für das Arbeitsverhältnis das unverhältnismäßige und deshalb unzulässige Mittel (BAG, Urt. v. 28.4.1982 - 8 AZR 1139/79 -, NJW 82, 2687; BAG, Urt. v. 9.7.1997 - 4 AZR 635/95 -, AP-Nr. 233 zu §§ 22, 23 BAT 75, juris). Dem Arbeitgeber wäre es aus diesem Grunde auch verwehrt, die Gerichte wegen der Ersetzung der Zustimmung zur Änderungskündigung eines Personalratsmitglieds in Anspruch zu nehmen, wenn er im Wege der korrigierenden Rückgruppierung vorgehen kann.

Im Falle des Beteiligten zu 3. kann der Antragsteller sich mit Rücksicht auf das Ergebnis des Personalgesprächs vom 23. August 2001 nicht mit einer korrigierenden Rückgruppierung begnügen. Wenn man dem Beteiligten zu 3. - wie schon im Personalgespräch vom 13. November 1996 - die Änderungskündigung zwecks Anpassung der Vergütung anbot, erstreckte sich dieses Angebot zugleich darauf, dass es bis zum Wirksamwerden der Änderungskündigung mit der bisherigen Vergütung sein Bewenden haben sollte. Mit der Annahme dieses Angebots durch den Beteiligten zu 3. gemäß Schreiben an den Antragsteller vom 6. September 2001 wurde die Vergütung für die Übergangszeit auf eine vertragliche Ebene gehoben und war einer korrigierenden Rückgruppierung nicht mehr zugänglich.

Der Beteiligte zu 3. genießt als Mitglied des Personalrats der Grundschule "A. W." in Magdeburg den Kündigungsschutz gem. § 46 Abs. 1 PersVG LSA, der hier neben den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nach dem Schwerbehindertengesetz tritt. § 46 Abs. 1 PersVG LSA betrifft den Schutz gegen außerordentliche Kündigungen. Die ordentliche (fristgerechte) Kündigung eines Personalratsmitglieds ist gem. § 15 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz unzulässig. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 PersVG LSA bedarf die außerordentliche Kündigung eines Personalratsmitglieds, das in einem Arbeitsverhältnis steht, der Zustimmung des Personalrats. Wird sie verweigert oder nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Antragseingang erteilt, so kann das Verwaltungsgericht sie gem. § 46 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA auf Antrag der Dienststellenleitung ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist.

Zuständig für die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist stets der Personalrat, zu dem die personalvertretungsrechtlichen Beziehungen der zu schützenden Person bestehen (BVerwG, Beschl. v. 9.7.1980 - 6 P 43.79 -, Buchholz 238.3 A § 108 Nr. 1 = PersV 81, 370). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die außerordentliche Kündigung nicht von der Grundschule "A. W.", sondern vom Staatlichen Schulamt Magdeburg auszusprechen ist. Diese sachliche Zuständigkeit hat allerdings zur Folge, dass das Verfahren gem. § 46 Abs. 1 PersVG LSA nicht in vollem Umfang durchgeführt werden kann. Der Beteiligte zu 3. ist gem. § 35 Abs. 2 PersVG LSA gehindert, für den Beteiligten zu 2. aufzutreten, denn er ist in seinen persönlichen Interessen unmittelbar berührt. Ein Ersatzmitglied existiert nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nicht. Der Beteiligte zu 2. ist bei dieser Konstellation nicht funktionsfähig. Das hat indes nicht zu Folge, dass das Personalratsmitglied im Ergebnis unkündbar ist. Der Arbeitgeber kann vielmehr unter Verzicht auf den Antrag gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 PersVG LSA unmittelbar das Verwaltungsgericht wegen Ersetzung der Zustimmung gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA anrufen (vgl. Palandt, BGB, 60. Aufl., § 626 Rdnr. 16 m. Hinweis auf LAG Düsseldorf, DB 75, 745; GKÖD, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder K § 47 Rdnr. 25).

Im Verfahren gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA prüft das Gericht, ob die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies bedeutet im Ergebnis, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. von § 626 Abs. 1 BGB oder der sonst in Betracht kommenden gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen vorliegen muss. Das Mitglied des Personalrats steht insoweit jedem anderen Arbeitnehmer gleich. Die Stellung als Personalratsmitglied darf weder zu seinen Gunsten noch zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden (Reich, PersVG LSA, 2. Aufl., § 46 Anm. 1 m. w. N.). Damit wird der Kündigungsschutzprozess praktisch vorweggenommen. Ersetzt das Verwaltungsgericht die Zustimmung, so wird damit zugleich festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Diese Feststellung wirkt auch gegenüber dem von der Kündigung betroffenen Personalratsmitglied, weil es im Beschlussverfahren gem. § 46 Abs. 1 Satz 3 PersVG LSA beteiligt war. Sie entfaltet präjudizielle Bindung für den anschließenden Kündigungsschutzprozess, so dass der Arbeitnehmer die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung dort nur noch unter Berufung auf neue Tatsachen infrage stellen kann, die im Beschlussverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten (BVerwG, Beschl. v. 15.10.2002 - 6 PB 7.02 -, PersR 03, 74).

Der Antragsteller begründet die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung des Beteiligten zu 3. gem. § 54 Abs. 1 BAT-O (entspricht § 626 Abs. 1 BGB) damit, dieser sei fehlerhaft in die Vergütungsgruppe IV a BAT-O eingruppiert. Nach den Tätigkeitsmerkmalen und der Vorbildung des Beteiligten zu 3. sei die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c BAT-O geboten. Der Beteiligte zu 3. beziehe demzufolge seit Jahren eine zu hohe Vergütung, was im Wege der Änderungskündigung zu korrigieren sei. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein wichtiger Grund gem. § 54 Abs. 1 BAT-O gegeben ist. Es hat diese Prüfung als entbehrlich angesehen, weil der Antragsteller bereits die Zwei-Wochen-Frist für die außerordentliche Kündigung gem. § 54 Abs. 2 BAT-O (entspricht § 626 Abs. 2 BGB) versäumt habe. Dem ist nicht zu folgen.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass auch im Regelungsbereich des § 103 Betriebsverfassungsgesetz 72 die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit der Kenntnis des Arbeitgebers von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen beginnt. Das bedeutet, dass im Regelungsbereich des § 103 Betriebsverfassungsgesetz 72 an die Stelle der Kündigung, auf die es nach § 626 Abs. 2 BGB ankommt, vergleichbar der Antrag an das Arbeitsgericht gem. § 103 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz tritt. Dieser Antrag wahrt die Frist, sofern der Arbeitgeber unverzüglich nach Ersetzung der Zustimmung die Kündigung ausspricht (BAG, Urt. v. 1.12.1977 - 2 AZR 426/76 -, NJW 78, 661; Beschl. v. 27.5.1975 - 2 ABR 125/74 -, BB 1975, 1014). Aus diesem Verfahrensgang leitet sich zugleich die Obliegenheit des Arbeitgebers ab, sich Kenntnis über eine mögliche Mitgliedschaft des Arbeitsnehmers im Betriebsrat zu verschaffen, denn nur bei dieser Kenntnis kann er rechtzeitig den Antrag gem. § 103 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz stellen. Für die außerordentliche Kündigung von Personalratsmitgliedern gem. § 46 Abs. 1 PersVG LSA gilt Entsprechendes (vgl. GKÖD, a. a. O., K § 47 Rdnr. 23; Reich, a. a. O., § 46 Anm. 1; OVG LSA, Beschl. v. 26.5.1995 - 5 L 3/95 -, PersR 95, S. 740).

Der Antragsteller hat die Zwei-Wochen-Frist des § 54 Abs. 2 BAT-O eingehalten. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt. Soll eine außerordentliche Änderungskündigung ausgesprochen werden, weil die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen unzumutbar ist (vgl. dazu Schaub, Handbuch, 9. Aufl., § 137 Rdnr. 10), so muss die Kenntnis sich auf diese bisherigen Arbeitsbedingungen beziehen. Hingegen kommt es nicht auf die Kenntnis des Antragstellers von der Mitgliedschaft des Beteiligten zu 3. im Personalrat der Grundschule "A. W." an. Die Mitgliedschaft im Personalrat gehört nicht zu den für die Kündigung maßgeblichen Umständen. Sie begründet im Gegenteil einen zusätzlichen gesetzlichen Schutz gegen die Kündigung.

Das Verwaltungsgericht hat dies richtig erkannt, es hat jedoch den Beginn der Frist des § 54 Abs. 2 BAT-O fehlerhaft ermittelt. Der Kündigungsgrund liegt hier nicht in einem abgeschlossenen, zeitlich fixierbaren Ereignis aus der Vergangenheit, sondern entsprechend dem Zweck der Änderungskündigung in der Unzumutbarkeit der bisherigen Arbeitsbedingungen. Dabei handelt es sich um einen Dauerzustand, der sich nicht auf einen bestimmten Zeitabschnitt eingrenzen lässt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt es für die Einhaltung der Frist in einem solchen Falle, dass der Dauerzustand in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung angehalten hat (BAG, Urt. v. 21.3.1996 - 2 AZR 455/95 -, NJW 97, 1656; vgl. auch Schaub, a. a. O., § 125 Rdnr. 32; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz, 5. Aufl., 1. Abschn. Rdnr. 435, 479; Palandt, a. a. O., § 626 Rdnr. 27). Das Bundesarbeitsgericht (a. a. O.) begründet diese Rechtsprechung damit, dass § 626 Abs. 2 BGB als Konkretisierung des allgemeinen Verwirkungseinwands das durch die Nichtreaktion des Kündigungsberechtigten (auf einen bestimmten Sachverhalt) begründete Vertrauen des Kündigungsgegners schütze, dass von dem Kündigungsrecht kein Gebrauch mehr gemacht werde. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne aber dann nicht entstehen, wenn dem Arbeitsnehmer die fortdauernde Belastung des Arbeitgebers bekannt sei. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung in der Erwägung an, dass den vom Bundesarbeitsgericht als dem höchsten Gericht für Arbeitsrechtssachen entwickelten Rechtsgrundsätzen zum Kündigungsschutz unter dem Gesichtspunkt der Rechtseinheit besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.2002, a. a. O.). Die Berechtigung der höchstrichterlichen Rechtsauffassung wird im Falle des Beteiligten zu 3. im Übrigen in besonderer Weise deutlich: Er bezieht seit Jahren eine überhöhte Vergütung, des Gleichen weiß er um die jahrelangen Bemühungen des Antragstellers, diesen Zustand zu beenden. Ein Verwirkungstatbestand ist bei dieser Sachlage nicht gegeben.

Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass der Antragsteller nicht gehindert war, den wichtigen Grund für die außerordentliche Änderungskündigung des Beteiligten zu 3. weiterhin geltend zu machen, denn dieser wichtige Grund - Unzumutbarkeit der bisherigen Arbeitsbedingungen - hat in der Zwei-Wochen-Frist des § 54 Abs. 2 BAT-O fortbestanden.

In der Ausgestaltung der bisherigen Arbeitsbedingungen für den Beteiligten zu 3. liegt auch der Sache nach ein wichtiger Grund für die außerordentliche Änderungskündigung gem. § 54 Abs. 1 BAT-O. Dem Antragsteller ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen nicht zumutbar. Dagegen ist eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den vom Antragsteller angebotenen neuen Arbeitsbedingungen bei einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände zumutbar (vgl. dazu Palandt, a. a. O., § 626 Rdnr. 40). Die bisherige Vergütung des Beteiligten zu 3. aus der Vergütungsgruppe IV a BAT-O entspricht nicht den tarifvertraglichen Eingruppierungsmerkmalen. Der Beteiligte zu 3. wurde fehlerhaft eingruppiert. Richtig ist die Eingruppierung des Beteiligten zu 3. als Werklehrer mit Befähigung als Lehrmeister in die Vergütungsgruppe V c BAT-O (Einstufung nach Abschn. B, I Fallgruppe 18 Lehrereingruppierungsrichtlinie). Der Beteiligte zu 3. selbst stellt die fehlerhafte Eingruppierung nicht in Abrede. Von dieser Rechtslage gehen auch die Entscheidungsgründe im rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Halle vom 5. April 2001 - 7 Sa 244/00 E - aus (S. 8 UA). Der Senat sieht deshalb insoweit keinen Anlass zu weiteren Erörterungen.

Ein Anlass, den Beteiligten zu 3. weiterhin aus einer ihm nicht zustehenden Vergütungsgruppe zu vergüten, besteht nicht. Es ist vielmehr ein Gebot der individuellen Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung mit den übrigen Mitarbeitern, die übertarifliche Vergütung des Beteiligten zu 3. zu beenden. Die Vergütung des Beteiligten zu 3. nach der Vergütungsgruppe IV a BAT-O entspricht weder seiner Vorbildung noch seinem Dienstposten. Sie stellt eine durch nichts zu rechtfertigende Vergünstigung gegenüber anderen Arbeitnehmern dar. Der Antragsteller, der an den Tarifvertrag gebunden ist, ist zur Beendigung dieses tarifwidrigen Zustandes nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Die überhöhte Vergütung des Beteiligten zu 3. widerspricht zudem eklatant den Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die ordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. ausgeschlossen ist und deshalb auf die tatsächliche künftige Vertragsbindung abgestellt werden muss (Palandt, a. a. O., § 626 Rdnr. 40 m. Hinweis auf BAG, NJW 85, 1851). Hier lässt sich nicht abschätzen, ob und zu welchem Zeitpunkt wieder eine ordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. möglich sein wird. Sollte der Beteiligte zu 3. erneut in den Personalrat gewählt werden, würde der Zeitpunkt dafür sich nochmals um mehrere Jahre verschieben. Es müssten weiterhin erhebliche Haushaltsmittel ohne rechtfertigenden Grund aufgewendet werden. Dem Land ist dies nicht zuzumuten, zumal ihm bereits in der Vergangenheit ein beträchtlicher wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist.

Demgegenüber treten die mit der Änderungskündigung verbundenen Nachteile für den Beteiligten zu 3. in ihrer Bedeutung zurück. Der Beteiligte zu 3. wird künftig die ihm tarifvertraglich zustehende Vergütung erhalten. Soweit er in der Vergangenheit überhöhte Zahlungen erhalten hat, wird es damit sein Bewenden haben, denn die Kündigung wirkt nur für die Zukunft (Palandt, a. a. O., Einführung vor § 346 Rdnr. 8). Der Antragsteller hat außerdem mit Schreiben vom 20. März 2001 mitgeteilt, dass der Beteiligte zu 3. für eine Übergangszeit übertariflich eine abbaubare persönliche Zulage gemäß Erlass des Finanzministers vom 12. Oktober 1998 - 14.11-3022 - erhalten solle. Ein weitergehender Vertrauensschutz für den Beteiligten zu 3. ist nicht gerechtfertigt. Die fehlerhafte Eingruppierung ist ihm seit Jahren bekannt, ebenso die bislang vergeblichen Versuche des Antragstellers, diesen Zustand zu beenden. Der Beteiligte zu 3. hat sich außerdem im Ergebnis des Personalgesprächs vom 23. August 2001 selbst für eine Änderungskündigung entschieden. Diese Entscheidung bezog sich nach dem damaligen Sachstand zwar nicht auf eine außerordentliche sondern auf eine ordentliche (fristgerechte) Kündigung. Dies ändert aber nichts daran, dass der Beteiligte zu 3. sich - wie i. Übrigen bereits nach dem Personalgespräch vom 13. November 1996 - auf die kommende Veränderung seiner wirtschaftlichen Situation einstellen musste.

Dem Antragsteller ist in diesem Zusammenhang auch kein treuwidriges Abrücken vom Ergebnis des Personalgespräch vom 23. August 2001 vorzuwerfen. Der Antragsteller hat glaubhaft erklärt, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt die Mitgliedschaft des Beteiligten zu 3. im Personalrat der Grundschule "A. W." nicht bekannt war (Schriftsatz v. 2.11.2001). Ihm konnte deshalb auch nicht bekannt sein, dass die ordentliche Änderungskündigung des Beteiligten zu 3. im Hinblick auf diese Mitgliedschaft gem. § 15 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz für absehbare Zeit ausgeschlossen war. Auch der Beteiligte zu 3. war sich nach eigenem Bekunden über die rechtliche Bedeutung dieses Umstandes nicht im Klaren. Die Beteiligten sind insoweit bei dem Personalgespräch vom 23. August 2001 von einer fehlerhaften Geschäftsgrundlage ausgegangen. Der Antragsteller braucht sich deshalb nicht in vollem Umfang am Ergebnis dieses Personalgesprächs festhalten zu lassen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl., § 60 Rdnr. 8). Er konnte ohne eine Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze von der ordentlichen zur außerordentlichen Änderungskündigung übergehen. Er hielt sich damit im Rahmen des Möglichen an das Ergebnis des Personalgesprächs vom 23. August 2001, denn dem Beteiligten zu 3. verbleibt die bisherige Vergütung bis zum Wirksamwerden der Änderungskündigung. Es bleibt dem Beteiligten zu 3. auch unbenommen, gerichtlichen Kündigungsschutz in Anspruch zu nehmen. Dem Personalgespräch vom 23. August 2001 kommt im Übrigen auch deshalb nur eine eingeschränkte Bindungswirkung zu, weil die Befugnis zur Kündigung aus wichtigem Grund durch vertragliche Abrede nicht abbedungen werden kann (Palandt, a. a. O., § 626 Rdnr. 2).

Im Übergang zur außerordentlichen Änderungskündigung liegt auch keine Umgehung des Kündigungsschutzes gem. § 15 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz. Der Kündigungsschutz für Personalräte gem. § 15 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz lässt die Kündigung aus wichtigem Grund ausdrücklich unberührt. Damit wird der unterschiedlichen Rechtsnatur der ordentlichen Kündigung und der außerordentlichen Kündigung Rechnung getragen. Die ordentliche Kündigung kennt außer der Beachtung der Kündigungsfrist keine weiteren sachlichen Voraussetzungen, wogegen die außerordentliche Kündigung die Beendigung bzw. Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund erlaubt. Der Antragsteller ist deshalb auch nicht gehindert, die außerordentliche Änderungskündigung des Beteiligten zu 3. zu betreiben, nachdem sich die zunächst beabsichtigte ordentliche Änderungskündigung als undurchführbar erwiesen hat.

Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht, da der Antragsteller mit seinem Hauptantrag obsiegt.

Einer Kostenentscheidung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren bedarf es mangels prozessualer Kostentragungspflichten nicht. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erübrigt sich mangels einer vollstreckungsfähigen Entscheidung (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 91 Rdnr. 13, § 84 Rdnr. 29, § 85 Rdnr. 3).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 72 Abs. 2 ArbGG bezeichneten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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