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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: 5 L 7/04
Rechtsgebiete: LSA, BPersVG, GG


Vorschriften:

LSA § 65 I 12
BPersVG § 75 III 9
BPersVG § 104 1
GG Art. 65
Bei der im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Allgemeinen Hauptpersonalrat beim Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt kein Mitbestimmungsrecht beim Erlass der Beurteilungsrichtlinien vom 1. Juli 2003 (MBl. LSA 2003, 544 ff.) zu.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 5 L 7/04

Datum: 14.07.2004

Gründe:

Die gem. § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 85 Abs. 2 ArbGG, § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde, über die der Senat gem. § 573 Abs. 1 ZPO ohne mündliche Anhörung entscheiden kann, ist unbegründet.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Einführung eines neuen Beurteilungssystems im Geschäftsbereich des Beteiligten. Er beantragt mit seinem Hauptantrag sinngemäß, dem Beteiligten vorläufig zu untersagen, das Beurteilungsverfahren entsprechend den Beurteilungsrichtlinien vom 1. Juli 2003 fortzusetzen, hilfsweise festzustellen, dass der Erlass des Beteiligten vom 1. Juli 2003 seiner Mitbestimmung unterliege. Das Verwaltungsgericht hat diese Anträge mit zutreffender Begründung abgelehnt, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Der Senat sieht insbesondere - wie schon das Verwaltungsgericht - keinen Anlass, sich mit der Frage zu befassen, mit welchem Inhalt einstweilige Verfügungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ergehen können. Es mangelt jedenfalls an einem Verfügungsanspruch, § 936 ZPO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.

Das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht beim Erlass der neuen Beurteilungsrichtlinien vom 1. Juli 2003 (MBl. LSA 2003, 544 ff.) besteht - was die beamteten Beschäftigten angeht - schon deshalb nicht, weil die Beurteilungsrichtlinien ausweislich des aus dem Kabinettsbeschluss vom 1. Juli 2003 ersichtlichen Entscheidungsgangs dem Beteiligten nicht als mitbestimmungspflichtige Maßnahme zuzurechnen sind. Der Beteiligte hat diese auf der Grundlage des § 40 LVO LSA vom Innenministerium erlassenen Beurteilungsrichtlinien lediglich für seinen Geschäftsbereich bekannt gegeben. Allein daraus, dass die neuen Beurteilungsrichtlinien fortan in seinem Geschäftsbereich anzuwenden sind, lässt sich kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand herleiten (Beschl. d. Senats v. 25.4.2001 - 5 L 7/00 -). Es kommt auch nicht darauf an, ob es bislang eigenständige Beurteilungsrichtlinien für Beamte gegeben hat, die nunmehr durch eine einheitliche Verfahrensweise für Beamte und Angestellte ersetzt werden. Die Zuordnung der jetzigen beamtenrechtlichen Regelung als Entscheidung des Innenministeriums ist hierdurch nicht berührt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen die Entscheidungskompetenz des Innenministeriums können aus personalvertretungsrechtlicher Sicht auf sich beruhen. Auch sie ändern nichts daran, dass der Beteiligte die Beurteilungsrichtlinien für Beamte weder selbst treffen wollte noch selbst getroffen hat.

Soweit ausweislich des Kabinettsbeschlusses vom 1. Juli 2003 die Minister jeweils für ihren Ressortbereich die Anwendung der Beurteilungsrichtlinien auch auf die Angestellten erklären, liegt zwar eine Maßnahme auf der Ebene der Dienststelle vor, die Anknüpfungspunkt für ein Beteiligungsrecht sein könnte. Jedoch mangelt es auch hier an einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand aus dem Katalog der mitbestimmungspflichtigen Personalangelegenheiten des § 67 PersVG LSA oder der mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten des § 65 PersVG LSA.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich im Personalvertretungsgesetz des Landes keine dem § 75 Abs. 3 Nr. 9 BPersVG oder anderen Personalvertretungsgesetzen der Länder vergleichbare Regelung findet, die den Erlass von Beurteilungsrichtlinien für Angestellte und Arbeiter der Mitbestimmung der Personalvertretung unterwirft. Die landesrechtliche Regelung ist in dieser Form hinzunehmen. Für das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht beim Erlass von Beurteilungsrichtlinien findet sich im Gesetz keine Grundlage. Für eine ersatzweise Zuordnung eines solchen Mitbestimmungstatbestandes zu § 65 Abs. 1 Nr. 12 PersVG LSA im Wege einer erweiternden Auslegung ist kein Raum. § 65 Abs. 1 Nr. 12 PersVG LSA betrifft die Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten. Damit sind allgemein verbindliche, allgemeingültige Verhaltensregeln für die Beschäftigten der Dienststelle angesprochen, die den reibungslosen und störungsfreien Ablauf des Lebens in der Dienststelle sichern sollen (Bieler, Plassmann, Vogelsang, Schroeder-Prinzen, PersVG LSA, § 65 Rdnr. 195, 197; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, K § 75 Rdnr. 107 a). Regelungsgegenstand ist die äußere Ordnung in der Dienststelle. Demgegenüber knüpft die Mitbestimmung bei Beurteilungsrichtlinien, soweit sie im Personalvertretungsgesetz des Bundes oder anderen Landesgesetzen vorgesehen ist, an das Direktionsrecht des Dienstherrn gegenüber den Beschäftigten an. Der Personalrat soll nicht erst bei der dienstlichen Beurteilung selbst, sondern bereits bei den allgemeinen Kriterien für Personalentscheidungen mitbestimmen (Fischer/Goeres, a. a. O., K § 75 Rdnr. 98). Folgerichtig findet sich dieses Mitbestimmungsrecht in dem selbständigen Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 9 BPersVG neben dem weiteren Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG, der die Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten betrifft. Eine Vermengung dieser unterschiedlichen Regelungsgegenstände im Wege der Auslegung ist auch nicht deshalb angängig, weil Beurteilungsrichtlinien regelmäßig verfahrensrechtliche Bestimmungen enthalten, die sich an den Beurteiler oder an den zu Beurteilenden wenden und so gesehen "Verhaltsregeln" aufstellen. Entscheidend bleibt der durch die Begriffe des Direktionsrechts und der äußeren Ordnung in der Dienststelle hergestellte unterschiedliche Gesamtzusammenhang. § 65 Abs. 1 Nr. 12 PersVG ist auch nicht als Auffangtatbestand zu sehen, der jegliche Verhaltensregeln erfasst, soweit sie nicht fachbezogene Anweisungen im engeren Sinne sind. Die Verhaltensregeln müssen sich anerkanntermaßen auf dem äußeren Ordnungsbereich in der Dienststelle beziehen und erhalten diese sachliche Zielrichtung nicht schon dadurch, dass sie keine fachbezogenen Anweisungen im engeren Sinne sind.

Die Einbeziehung eines neuen Mitbestimmungstatbestandes in das landesrechtliche Mitbestimmungsmodell ist auch nicht aus Gründen einer verfassungskonformen Auslegung oder der Rechtsfortbildung durch Lückenfüllung geboten (vgl. dazu BVerfGE 32, 52, 70). Das vom Antragsteller bezeichnete Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 22. Februar 2001 - Vf 51-II.97 - (PersR 01, 367 ff.) lässt sich ersichtlich nicht auf die Rechtslage im Lande Sachsen-Anhalt übertragen. Das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs hat seinen rechtsdogmatischen Ausgangspunkt in Art. 26 der Sächsischen Verfassung, der die Bildung von Vertretungsorganen für die Beschäftigten in Betrieben, Dienststellen und Einrichtungen des Landes vorsieht und ihnen ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe der Gesetz zuweist. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof leitet aus dieser Regelung auf Verfassungsebene ein "Grundrecht" auf Mitbestimmung ab, bei dessen einfachgesetzlicher Ausgestaltung Abweichungen nach unten nur begrenzt zulässig sein sollen. So sei das Mitbestimmungsrecht unzulässig eingeschränkt, wenn den Vertretungsorganen bei Beurteilungsrichtlinien kein echtes Mitentscheidungsrecht zustehe (a. a. O., S. 376 f).

Ob der zugrundeliegenden gedanklichen Ableitung im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 (BVerfGE 93, 37) in jeder Hinsicht zu folgen ist, kann hier auf sich beruhen. Im Lande Sachsen-Anhalt ist hierfür jedenfalls kein Raum, denn eine dem Art. 26 der Sächsischen Verfassung vergleichbare Bestimmung in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt fehlt. Es gibt im Landesrecht deshalb keine verfassungsrechtlichen Vorgaben, die den einfachen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Mitbestimmungstatbestände binden könnten. Es besteht darüber hinaus kein Anlass für die Annahme, der Landesgesetzgeber habe die Mitbestimmung bei Beurteilungsrichtlinien im Gesetzgebungsverfahren gleichsam vergessen, so dass das Gesetz eine ausfüllungsbedürftige Lücke aufweise. Wenn der Gesetzgeber einen geschlossenen Katalog der Mitbestimmungstatbestände aufstellt, kann zumindest im vorläufigen Verfahren von dessen Vollständigkeit ausgegangen werden.

Es besteht auch keine Notwendigkeit für eine Rechtsfortbildung im Hinblick auf die rahmenrechtliche Regelung des § 104 Satz 1 BPersVG. Der Begriff der innerdienstlichen, sozialen und personellen Angelegenheiten ist nicht verbindlich festgelegt. Dem Landesgesetzgeber verbleibt bei der Abgrenzung ein - wenn auch begrenzter - Spielraum (Fischer/Goeres, a. a. O., K § 104 Rdnr. 2). Die landesgesetzliche Regelung hält sich in diesem Rahmen. Sie sieht bei den zentralen Personalentscheidungen der Einstellung und der Beförderung die volle Mitbestimmung vor. Eine zusätzliche Beteiligung bei der Regelung von Verfahrensfragen im Vorfeld dieser Entscheidungen war für den Gesetzgeber nicht zwingend. Das Rahmenrecht des § 104 Satz 1 BPersVG entfaltet auch keine unmittelbaren Rechtswirkungen für das Landesrecht in der Weise, dass die Mitbestimmungstatbestände des Bundesrechts subsidiär zur Anwendung kommen, wenn das Landesrecht entsprechende Mitbestimmungstatbestände nicht vorsieht. Die Vorschriften des Bundesrechts, die im Landesrecht unmittelbar gelten, finden sich in §§ 107 ff. BPersVG. Im Bereich des Rahmenrechts verbleibt es gem. Art. 65 GG bei der landesrechtlichen Regelung.

Einer Kostenentscheidung bedarf es mangels prozessualer Kostentragungspflichten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht (Germelmann/Matthes / Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 91 Rdnr. 13, § 84 Rdnr. 29).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

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