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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 17.05.2004
Aktenzeichen: 8 K 2/04
Rechtsgebiete: LwAnpG, FlurbG, VwGO


Vorschriften:

LwAnpG § 56 I
LwAnpG § 53 I
FlurbG § 4
VwGO § 42 II
1. Auf die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens wegen der Bildung einer einzelbäuerlichen Wirtschaft besteht ein Rechtsanspruch, soweit das Verfahren zur Beseitigung von Hemmnissen dient, die ihren Grund in der vormaligen Bewirtschaftung durch landwirtschaftliche Produktionsgenossen-schaften haben. Das ist nicht der Fall, wenn die Hindernisse bei der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften ihren Grund in Verhältnissen und Umständen haben, denen jeder einzelbäuerliche Existenzgründer ungeachtet der Frage ausgesetzt ist, ob die landwirtschaftliche Nutzung in den alten oder neuen Bundesländern ausgeübt werden soll.

2. Für eine auf die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens gerichtete Verpflichtungsklage fehlt es an der Klagebefugnis, weil subjektive Interessen Einzelner nicht genügen, die Anordnung der Flurbereinigung zu rechtfertigen und der Kläger nicht stellvertretend für die Gesamtheit der Teilnehmer einen Anspruch auf Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens geltend machen kann.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 8 K 2/04

Datum: 17.05.2004

Gründe:

Der Kläger plant die Errichtung einer mit Dammwild besetzten Wildtierfarm und verlangt vom Beklagten die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens für ein östlich der Ortlage von Calvörde liegendes Areal, in dem er seit dem Jahr 2000 mehrere unzusammenhängende Splitterflächen erworben hat. Er möchte in dem Bodenordnungsverfahren die Zusammenlegung der erworbenen und weiterer von ihm noch zu erwerbender Flächen erreichen.

Zur Begründung des unter dem 22. Januar 2001 gestellten Antrages auf Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens gab er an, erst jetzt zeige sich, dass sich wegen der Landwirtschaft in der ehemaligen DDR ein wirtschaftlich arbeitender landwirtschaftlicher Betrieb nicht aufbauen lasse. Ehemalige Grundeigentümer seien verstorben, die Erben nicht auffindbar oder als Erbengemeinschaft nicht handlungsfähig. Bei einigen Pachtflächen seien die Besitzer nicht erkennbar. Damit die von ihm beabsichtigten Investitionen von 2,5 bis 3 Mio. DM durchgeführt werden könnten, sei er auf die schnelle Durchführung der Flurneuordnung angewiesen.

Den Antrag lehnte der Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 15. März 2002 ab. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz seien nicht gegeben, weil das Verfahren nicht im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus einer LPG oder eingetragenen Genossenschaft stehe.

Mit dem am 08. April 2002 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, der Bedarf für eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse folge aus dem Umstand, dass die örtliche LPG ihre landwirtschaftliche Nutzung über Grundstücksgrenzen hinweg ausgeübt und dabei auch Wege- und Wasserflächen einbezogen habe, so dass für ihn wegen des Fehlens von Grenzsteinen in der Örtlichkeit nicht erkennbar sei, wo die von ihm erworbenen Flächen lägen. Zudem folge der Regelungsbedarf aus dem Umstand, dass sich die vorhandenen Nutzer einer einvernehmlichen Regelung widersetzten.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Halle mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2003, der dem Kläger nach dessen Angaben am 09. Januar 2004 zugestellt wurde, zurück. Das vom Kläger erstrebte Verfahren diene nicht der Bildung einer einzelbäuerlichen Wirtschaft, weil der Betrieb einer Wildtierfarm keine landwirtschaftliche Nutzung i. S. d. Landwirtschaftsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt sei. Eine landwirtschaftliche Nutzung liege bei der Tierhaltung nur vor, wenn domestizierte Tiere regelmäßig der Schlachtung zugeführt würden. Der Kläger hingegen beabsichtige, gefangenes Wild zu halten. Zudem liege das Schwergewicht nach seinem Betriebskonzept nicht in der Urproduktion von Fleisch, sondern mit einem geplanten Anteil von 63 bis 76 v. H. des Gesamtumsatzes beim Verkauf von sog. Trophäenhirschen zur Abgabe an Jagdgehege. Zudem fehle es an dem erforderlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Auflösung und Umbildung der ehemals bestehenden Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, weil diese Phase bereits 1995 abgeschlossen worden sei. Der Kläger jedoch habe erst kurz vor, bzw. mit Antragstellung und somit fünf Jahre nach Abschluss der Umstrukturierung Flächen erworben. Es fehle auch der sachliche Zusammenhang, weil die Zersplitterung nicht Folge der zu DDR-Zeiten entstandenen Rechtsverhältnisse, sondern der vom Kläger gewollten Kaufentscheidungen gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger am 06. Februar 2004 Klage erhoben. Er macht geltend, auch die Dammwildhaltung gehöre zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, weil es - wie die Widerspruchbehörde in einem Vermerk vom 16. Dezember 2003 selbst festgestellt habe - auf die Domestizierung nicht ankomme. Das folge nicht zuletzt daraus, dass selbst die Imkerei ein landwirtschaftlicher Beruf sei. Zudem diene der geplante Betrieb des Klägers nach seinem überarbeiteten Betriebskonzept ausschließlich der Fleischproduktion, für die er abweichend vom ursprünglichen Konzept nur noch eine Fläche von 100 bis 130 ha benötige. Er sei mittlerweile Eigentümer von 30 ha und bewirtschafte weitere 51 ha. Es bestehe auch ein zeitlicher Zusammenhang mit der Umwandlung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, weil die Eigentumsverhältnisse bis in das Jahr 2003 ungeklärt gewesen seien und Pachtverträge aus den Jahren 1989 bis 1993 eine Laufzeit bis in das Jahr 2005 hinein hätten. Abgesehen davon bezwecke das Landwirtschaftsanpassungsgesetz die Schaffung der Voraussetzungen für die Wiederherstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe, ohne dass das Gesetz einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang verlange.

Er beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Halle vom 30. Dezember 2003 zu verpflichten, das Flurneuordnungsverfahren entsprechend dem Antrag des Klägers vom 22. Januar 2001 in der Gestalt des Änderungsantrages vom 06. April 2004 durchzuführen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der Kläger wolle das Verfahren nur nutzen, um die Voraussetzungen für die Bildung eines Eigenjagdbezirkes zu schaffen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 56 Abs. 1 LwAnpG ist unter der Leitung der Flurneuordnungsbehörde, in dessen Bereich die Genossenschaft ihren Sitz hat, ein Bodenordnungsverfahren durchzuführen, sofern ein freiwilliger Landtausch i. S. d. § 54 Abs. 1 LwAnpG nicht zustande kommt. Die Verpflichtung der Behörde, auf einen freiwilligen Landtausch hinzuwirken oder ein Bodenordnungsverfahren anzuordnen, besteht nach § 53 Abs. 3 LwAnpG nur unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 und 2 LwAnpG. Nach § 53 Abs. 1 LwAnpG sind auf Grund des Ausscheidens von Mitgliedern aus der LPG oder der eingetragenen Genossenschaft, der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften oder zur Wiederherstellung der Einheit von selbständigem Eigentum an Gebäuden, Anlagen sowie Anpflanzungen und Eigentum an Grund und Boden auf Antrag eines Beteiligten die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken unter Beachtung der Interessen der Beteiligten neu zu ordnen. Das gilt nach § 53 Abs. 2 LwAnpG entsprechend, wenn genossenschaftlich genutzte Flächen vom Eigentümer gekündigt und zur Bildung oder Vergrößerung bäuerlicher Einzelwirtschaften verpachtet werden.

Auf die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens wegen der Bildung einer einzelbäuerlichen Wirtschaft hat der Kläger keinen Anspruch. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem vom Kläger beabsichtigen Vorhaben um eine landwirtschaftliche Nutzung handelt. Denn jedenfalls fehlt es an dem entgegen der Auffassung des Klägers notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem unter dem 22. Januar 2001 gestellten Antrag des Klägers und der bereits im Jahr 1995 abgeschlossenen Umwandlung der örtlichen LPG. Dass einer solcher Zusammenhang bestehen muss, folgt aus dem Umstand, dass Anlass für die Neuordnung nach § 53 Abs. 1 LwAnpG neben der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften das Ausscheiden von Mitgliedern aus der LPG oder die Wiederherstellung der Einheit von Eigentum am Grund und Boden einerseits und Gebäuden und Anpflanzungen andrerseits ist. Der systematische Zusammenhang mit diesen Gründen für eine Neuordnung lässt erkennen, dass auch die Bildung einer einzelbäuerlichen Wirtschaft nur dann Grund für die Einleitung eines Verfahrens nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist, wenn das Unternehmen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Umwandlung einer ehemaligen LPG steht. Das ist bei den beiden weiteren in § 53 Abs. 1 LwAnpG genannten Gründen nicht zweifelhaft, weil der eine an das Ausscheiden aus der LPG anknüpft und der andere an das auf den Rechtsverhältnissen in der ehemaligen DDR beruhende Auseinanderfallen des Eigentums am Boden einerseits und aufstehenden Gebäuden und Anpflanzungen andererseits anknüpft. Bei der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften folgt dies aus dem sachlichen Zusammenhang mit dem im Gesetz vorangestellten Ausscheiden von Mitgliedern aus der LPG. Beide Regelungen knüpfen daran an, dass der Regelungsbedarf wegen der Nutzung der Flächen durch die LPG besteht. Dafür spricht auch, dass § 56 Abs. 1 LwAnpG wegen der örtlichen Zuständigkeit der Flurneuordnungsbehörde auf den Sitz der Genossenschaft abstellt. Eine solche Bestimmung ist sachlich nur gerechtfertigt, wenn der Grund für die Durchführung des Bodenordnungsverfahren in einem sachlichen Zusammenhang mit der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen durch landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften steht.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der Regelung in § 53 Abs. 1 LwAnpG ebenso wie bei den weiteren Bestimmungen des Gesetzes nicht um eine allgemeine Existenzförderung zur Beseitigung von Hemmnissen, denen sich jeder landwirtschaftliche Betrieb in der Gründungsphase ausgesetzt sieht. Schon die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung des Regelwerks als "Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft (...)" verdeutlicht, dass der Zweck des Gesetzes darin besteht, den Umwandlungs- und Anpassungsprozess von einer kollektiven Form der Bodennutzung durch landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in eine vielfältig strukturierte Landwirtschaft (vgl. § 2 LwAnpG) zu befördern. Die Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften erfährt deshalb nach Maßgabe der Regelungen im Landwirtschaftsanpassungsgesetz besondere Unterstützung, sofern sie dem Gesetzeszweck, nämlich der Anpassung an eine markt- und wettbewerbsorientierte Landwirtschaft dient. Sie scheidet aus, wenn die Umwandlung abgeschlossen ist und Hindernisse bei der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften ihren Grund nicht in der vormaligen Bewirtschaftung durch landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, sondern in Verhältnissen und Umständen haben, denen jeder einzelbäuerliche Existenzgründer ungeachtet der Frage ausgesetzt ist, ob die landwirtschaftliche Nutzung in den alten oder neuen Bundesländern ausgeübt werden soll.

An dem notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang fehlt es, wenn die Bildung der einzelbäuerlichen Wirtschaft erst zu einem Zeitpunkt angestrebt wird, in dem die Umwandlung der LPG - wie hier - bereits seit fünf Jahren abgeschlossen ist. Auch der sachliche Zusammenhang besteht nicht. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Neuordnungsbedarf folge aus dem Umstand, dass Rechtsnachfolger verstorbener Grundstückseigentümer nur schwer feststellbar seien und dass infolge der über Grundstücksgrenzen hinweg ausgeübten landwirtschaftlichen Nutzung durch die örtliche LPG Grenzsteine in der Örtlichkeit nicht mehr vorhanden seien. Denn Schwierigkeiten dieser Art, deren Ursachen nicht in den besonderen Verhältnissen einer großflächigen landwirtschaftlichen Nutzung durch landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften liegen, sind Grundstückseigentümer in neuen und alten Bundesländern in gleicher Weise ausgesetzt. Ein Anspruch auf Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse wegen der Bildung einer einzelbäuerlichen Wirtschaft besteht vielmehr dann, wenn Grundstücke infolge von Meliorations- oder Straßenbaumaßnahmen zerstückelt oder von der Erschließung durch einen Weg abgeschnitten worden und infolgedessen nicht mehr sinnvoll landwirtschaftlich nutzbar sind (vgl. OVG LSA, Urt. v. 05.12.2003 - 8 K 3/02 -). Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt wären, macht der Kläger indes nicht geltend.

Sofern der Kläger geltend machen wollte, er habe einen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens nach den §§ 4 Halbs. 1, 86 Abs. 1 FlurbG, ist die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig, weil der Kläger durch die Ablehnung nicht in eigenen Rechten i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO verletzt werden kann. Die Flurbereinigung kann nach § 4 Halbs. 1 FlurbG angeordnet werden, wenn die Behörde eine Flurbereinigung für erforderlich und das Interesse der Beteiligten für gegeben hält. Nach den in den §§ 1, 37 FlurbG bestimmten Zielen dient die Flurbereinigung der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung. Ob dieses Interesse an der Flurbereinigung vorliegt, ist objektiv zu bestimmen. Entscheidend ist das wohlverstandene Interesse der Beteiligten in ihrer Gesamtheit, nicht subjektive Auffassungen Einzelner (Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Auflage, § 4, Rdnr. 5). Genügen subjektive Interessen Einzelner nicht, die Anordnung der Flurbereinigung zu rechtfertigen, so kann der Kläger nicht stellvertretend für die Teilnehmer in ihrer Gesamtheit einen Anspruch auf Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens geltend machen. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Flurbereinigung vorliegen, kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Erhebung des Pauschsatzes folgt aus § 147 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Die Erhebung der Gebühr beruht auf § 147 Abs. 1 Satz 2 FlurbG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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