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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: A 1 S 156/99
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 3887/92


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 3887/92 Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: A 1 S 156/99

Datum: 24.02.2005

Gründe:

I.

Am 3. Mai 1996 beantragte die Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1996 bei dem Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung C - ALF - Ausgleichszahlungen entsprechend der Stützungsregelung für die Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Getreide, Ölsaaten einschließlich Öllein, Eiweißpflanzen und konjunkturelle Stilllegung) gemäß der VO (EWG) Nr. 1765/92 nach Maßgabe der allgemeinen Regelung. Die Stilllegungsfläche gab die Klägerin mit 191,71 ha an.

Unter "Erklärungen und Verpflichtungen des Antragstellers" heißt es in dem Antragsformular u. a.:

"Ich erkenne die für die Beihilfezahlungen geltenden Rechtsgrundlagen (EG-Verordnungen, Verordnungen des Bundes sowie Landesvorschriften) sowie die länderspezifischen Nebenbestimmungen, von denen ich Kenntnis genommen habe, für mich als verbindlich an.

...

Mir ist auch bekannt, dass

ich nach § 3 Abs. 1 des Subventionsgesetzes verpflichtet bin, der zuständigen Behörde unverzüglich alle Tatsachen mitzuteilen, die der Bewilligung, der Weitergewährung, der Inanspruchnahme oder dem Belassen der Beihilfezahlungen entgegenstehen oder für die Rückforderungen der Leistungen erheblich sind.

falsche, unvollständige oder unterlassene Angaben zur Strafverfolgung führen können

....

Ich teile jede Abweichung von den Antragsangaben und jeden Wechsel der Nutzungsberechtigung während der Dauer der von mir übernommenen Verpflichtungen der zuständigen Behörde mit.

...

Jede Nichteinhaltung der Beihilfevoraussetzungen - auch in Fällen höherer Gewalt - werde ich der zuständigen Behörde unverzüglich schriftlich mitteilen.

...

Ich erkläre, dass die konjunkturelle Stilllegung seit dem 15.01.1996 erfolgt und ich die geltenden Stilllegungsauflagen bis zum Ende des Stilllegungszeitraumes einhalten werde.

...

Ich habe die Erklärungen wahrheitsgemäß abgegeben und werde die Verpflichtungen einhalten."

Aufgrund von anonymen Hinweisen, dass die Stilllegungsflächen wirtschaftlich genutzt würden, wurde die Stilllegungsfläche - Feldstück-Nr. 00 -, die insgesamt 24,44 ha umfasst, vom ALF besichtigt. Das hierüber erstellte Protokoll weist u. a. folgende Bemerkungen auf:

"Auf etwa 15 - 17 ha wurde die Fläche geschröpft und anschließend mit Rindern beweidet. Zum Zeitpunkt der Besichtigung befanden sich keine Tiere auf der Fläche, jedoch bestätigen die vorgefundenen Kotreste und Weidezäune die Feststellung. Die Tiere wurden auf betr. Fläche zugefüttert, was die vorgefundenen Silagereste beweisen.

Weiterhin befand sich eine Strohdieme auf betr. Fläche. Die restlichen 5 - 7 ha waren ungepflegt (hoher Pflanzenbestand).

Nach Aussagen der Herren E und D (Vorstandsmitglieder der Klägerin) wird der Kuhstall umgebaut, deshalb werden die Kühe nach dem Melken täglich auf die Stilllegungsflächen getrieben und dort mit Silage zugefüttert. Herr E sagte: Die Stilllegungsflächen werden uns sowieso gestrichen, dann treiben wir die Kühe weiter auf die Stilllegungsflächen, da er keinen anderen Ausweg sieht."

Das über das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle am 11. Juli 1996 erstellte "Ergänzungsprotokoll" des ALF gibt die Aussage von Herrn D sinngemäß so wieder, dass ihm bekannt gewesen sei, dass die Fläche nicht beweidet werden dürfe. Er habe dies auch Herrn E mitgeteilt und ihm gesagt, dass sie Ärger bekommen würden. Der anschließend aufgesuchte Herr E habe angegeben, dass sich der Ausbau des Kuhstalles verzögert habe. Um den Kuhstall schnellstens fertig zu stellen, hätten die Kühe da "raus gemusst". Er habe angeordnet, die Kühe auf die Stilllegungsflächen zu treiben, da er keine andere Möglichkeit gesehen habe.

Die ausweislich der Feststellungen des ALF beweidete Fläche (= Teilfläche der Feldstück-Nr. 00) beläuft sich auf 14,90 ha.

Mit Bescheid des ALF vom 17. Dezember 1996 wurde der Klägerin auf ihren Förderantrag vom 3. Mai 1996 eine Beihilfezahlung in Höhe von 581.040,11 DM bewilligt. Für die Stilllegungsflächen gewährte das ALF keine Beihilfe: Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei diese Fläche noch stillgelegt und erst zu einem späteren Zeitpunkt beweidet worden. Der Klägerin sei jedoch bekannt gewesen, dass eine Fläche, die als stillgelegt gemeldet worden sei, nicht beweidet werden dürfe. Die Klägerin habe bewusst gegen Fördervoraussetzungen verstoßen. Ein Antragsteller, der anspruchshindernde Tatsachen verschweige, sei dabei genauso zu behandeln wie ein Antragsteller, der falsche Angaben im Rahmen der Antragstellung abgebe. Auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der VO (EWG) Nr. 3887/92 werde deshalb auf den gesamten Stilllegungsblock im Antrags- und im Folgejahr keine Beihilfe gezahlt.

Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen wie folgt: Wegen zeitlich sich verzögernder Umbauarbeiten an Stallanlagen seien aus einer Zwangslage heraus 60 dort eingestallte hochtragende Milchkühe und Färsen auf den unmittelbar neben der Stallanlage liegenden, hier in Rede stehenden Stilllegungsflächen gekoppelt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das verantwortliche Vorstandsmitglied, Herr D, urlaubsbedingt abwesend gewesen, so dass eine gewisse Unwissenheit über die Informationspflicht sowie über die zu erwartenden Folgen dieser Handlungsweise bestanden habe. Den von ihr nicht beabsichtigten Verstoß gegen Fördervoraussetzungen bedauere sie. Ihr sei die Pflichtverletzung, die zeitweilige Nichteinhaltung der Stilllegungsauflage nicht gemeldet zu haben, nachträglich bewusst geworden.

Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs hat die Klägerin unter Vertiefung ihres Vorbringens im Rahmen des behördlichen Verfahrens Klage erhoben und beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 30. April 1996 für eine Stilllegungsfläche von 191,71 ha einen Ausgleich in gesetzlicher Höhe gemäß der VO (EWG) Nr. 1765/92 zu bewilligen und den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums C-Stadt vom 25. April 1997 aufzuheben, soweit er dem Verpflichtungsbegehren entgegensteht.

Der Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 14. Juli 1999 hat das Verwaltungsgericht Dessau - 2. Kammer - die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe die in Rede stehende Stilllegungsfläche förderungsschädlich genutzt. Dass die im Beihilfeantrag angegebene Fläche die von dem Beklagten tatsächlich vorgefundene Fläche um 14,90 ha überschritten habe, beruhe auf absichtlich gemachten falschen Angaben der Klägerin. Dabei sei es mit dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 ohne weiteres vereinbar und nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift zwingend, Angaben des Beihilfeantrags nicht nur dann als falsch anzusehen, wenn sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mit den wirklichen Verhältnissen übereinstimmten, sondern auch dann, wenn sie nachträglich falsch geworden, d. h. vom Antragsteller nach einer Veränderung der ursprünglich gegebenen Umstände nicht berichtigt worden seien. Der Klägerin sei auch die für das Eingreifen der ausgesprochenen Sanktion - Sperre des Stilllegungsausgleichs für zwei Jahre - erforderliche Absicht vorzuwerfen. Sie habe spätestens Ende Juni 1996 die Verbotswidrigkeit ihres Handelns erkannt und die Kühe daraufhin umgehend von der Stilllegungsfläche wieder abgetrieben. In Kenntnis ihrer Meldepflicht habe sie dem Beklagten gleichwohl keine Mitteilung gemacht.

Nach Zulassung der Berufung auf Antrag der Klägerin hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 234 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu der Frage eingeholt, ob auch das Unterlassen einer Mitteilung an die Behörde nach Art. 9 der VO (EWG) Nr. 3887/92 sanktionsbewehrt ist.

Durch Urteil vom 28. November 2002 - C 417/00 - hat der Gerichtshof die vorgenannte Bestimmung dahin ausgelegt, dass sich die in dieser Vorschrift vorgesehenen Sanktionen nicht auf den Fall beschränken, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat, sondern auch dann Anwendung finden, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden.

Durch Beschluss vom 7. März 2003 hat der Senat das Verfahren im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des OVG Lüneburg vom 1. August 2002 - 10 LB 191/01 - zur (sinngemäßen) Frage, ob nach dem aus Art. 2 Abs. 2 der VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 folgenden Günstigkeitsprinzip die Regelungen der VO (EG) Nr. 2419/2001 - und damit nicht die Sanktionsnormen der VO (EWG) Nr. 3887/92 - anzuwenden sind, zum Ruhen gestellt.

Aus der sodann ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2004 - C 295/02 - leitet die Klägerin her, dass vorliegend die weniger strengen Sanktionen der VO (EG) Nr. 2419/2001 eingreifen würden mit der Folge, dass ihr nach Art. 33 der VO (EG) Nr. 2419/2001 und angesichts einer Differenz zwischen angegebener und ermittelter Fläche von weniger als 20% die Stilllegungsprämie für das Jahr 1997 zu gewähren sei. Die Beihilfen für das Antragsjahr 1996 seien ihr zu bewilligen, weil ihr kein vorsätzliches Verhalten anzulasten sei. Die ihr von dem ALF noch in Anwendung von Art. 9 der VO (EWG) Nr. 3887/92 vorgeworfene Schuldform der "Absicht" sei in Anlehnung an die strafrechtliche Begriffsbestimmung als eine gesteigerte Form des Vorsatzes zu qualifizieren. Bei der Auslegung sei auch die Begründung zur VO (EWG) Nr. 3887/92 heranzuziehen. Danach seien je nach Schwere der Unregelmäßigkeiten gestaffelte Sanktionen vorgesehen. Die Begründung verweise darauf, dass dies äußerstenfalls bedeuten könne, dass Betriebsinhaber während des betreffenden und des folgenden Jahres von der Beihilferegelung ausgeschlossen würden. Auch dies deute darauf hin, dass es sich bei "Absicht" um einen erweiterten Vorsatz handele. Bei der Auslegung der Sanktionsnorm sei zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die Regelung knüpfe ausschließlich an ein Verschulden an. Die Größe der festgestellten Flächendifferenz sei unerheblich, so dass auch bei einer nur geringfügigen Flächendifferenz und im Falle eines absichtlichen Verhaltens dennoch für zwei Wirtschaftsjahre keinerlei Beihilfe für Flächen gezahlt werde. Die Schärfe der vorgesehenen Sanktion setze einen hohen Grad der Vorwerfbarkeit voraus. Ein bedingter Vorsatz genüge hierfür nicht. Die Unterstellung des Beklagten, sie habe die Meldung unterlassen, weil sie die Kürzung der Prämie habe vermeiden wollen, treffe nicht zu. Der für eine solche Meldung zuständige Herr D habe nicht beabsichtigt, eine Prämienkürzung zu umgehen. Er sei sich vielmehr unsicher darüber gewesen, ob die Unterbringung der Kühe auf der Stilllegungsfläche erlaubt sei oder nicht. Herr D habe die Absicht gehabt, seine Zweifel mit der Behörde abzuklären und festzustellen, ob es sich um einen Verstoß gegen Stilllegungsauflagen handele. Zwischen seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 27. Juni und der ersten Vor-Ort-Kontrolle am 11. Juli 1996 habe ein Zeitraum von 14 Tagen gelegen. In diesem Zeitraum sei er intensiv mit Erntearbeiten beschäftigt gewesen. Herrn D sei nicht bewusst gewesen, dass er die Abstimmung mit der Behörde zu einem bestimmten Zeitpunkt habe vornehmen müssen. Er habe die Absicht gehabt, sich noch darüber zu informieren, ob in der kurzfristigen Unterbringung der trächtigen Kühe auf der Stilllegungsfläche in Anbetracht der Zwangslage ein Verstoß gegen Stilllegungsauflagen zu sehen sei. Diese Möglichkeit sei ihm durch die Vor-Ort-Kontrolle genommen worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts C-Stadt - 2. Kammer - vom 14. Juli 1999 nach ihrem Klageantrag zu entscheiden.

Der Beklagte tritt dem Begehren entgegen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den von ihr begehrten Stilllegungsausgleich.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung - KAVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. November 1995 (BGBl. I S. 1561) werden einem Erzeuger, der, wie die Klägerin, rechtzeitig einen Antrag nach § 4 KAVO gestellt hat, die allgemeinen Ausgleichszahlungen gewährt, wenn er seine in dem jeweiligen Wirtschaftsjahr sich aus den in § 1 KAVO genannten Rechtsakten des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Einführung einer Stützungsregelung für die Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen sowie eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen ergebenden Pflichten erfüllt.

Die Klägerin hat mit ihrem Antrag die Ausgleichszahlungen nach der allgemeinen Regelung mit Flächenstilllegung beantragt (§ 1 Nr. 2 KAVO). Rechtsgrundlage für die Gewährung der begehrten Flächenbeihilfe sind die Art. 2, 7 Abs. 1 Unterabs. 1, 10 Abs. 1 der - hier gemäß Art. 14, 15 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1251/99 noch Anwendung findenden - VO (EWG) Nr. 1765/92 i. V. m. § 12 a Abs. 1 Satz 1 KAVO . Danach kann ein Erzeuger, der nach der allgemeinen Regelung Ausgleichszahlungen beantragt, einen Stilllegungsausgleich erhalten.

Vorliegend hat die Klägerin gegen die ihr obliegende Stilllegungsverpflichtung verstoßen.

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der hier noch einschlägigen VO (EWG) 762/94 dürfen stillgelegte Flächen weder einer anderen landwirtschaftlichen Erzeugung als derjenigen dienen, die in Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 1765/92 vorgesehen ist, noch einem Erwerbszweck zugeführt werden, der mit dem Anbau von Kulturpflanzen unvereinbar ist.

Hiernach ist die Klägerin auf der hier in Rede stehenden Teilfläche des Feldstücks Nr. 00 (14,90 ha) ihrer sich auf den Zeitraum vom 15. Januar bis 31. August 1996 erstreckenden Stilllegungsverpflichtung nicht nachgekommen. Eine in diesem Sinne förderungsschädliche wirtschaftliche Nutzung der Teilfläche ist nach den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 7. September 2000 bereits darin zu sehen, dass die von der Klägerin unstreitig auf diese Stilllegungsfläche getriebenen Kühe dort den abgemähten bzw. nachwachsenden Pflanzenbewuchs aufgenommen haben. Darüber besteht auch kein Streit mehr.

Zu Recht hat der Beklagte die Klägerin gemäß Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der VO (EWG) Nr. 3887/92 von der Gewährung eines Stilllegungsausgleichs in den Wirtschaftsjahren 1996 und 1997 ausgeschlossen.

Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 hat folgenden Wortlaut:

"Handelt es sich jedoch um falsche Angaben, die absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden, so wird der betreffende Betriebsinhaber ausgeschlossen von der Gewährung der betreffenden Beihilfe für das betreffende Kalenderjahr und im Fall absichtlich gemachter falscher Angaben von der Gewährung jeglicher Beihilfe nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 im folgenden Kalenderjahr entsprechend der Fläche, für die sein Beihilfeantrag abgelehnt wurde".

In Anwendung dieser Bestimmung hat es die Klägerin vorsätzlich, d. h. absichtlich i. S. der vorgenannten Regelung unterlassen, das ALF über die (förderungsschädliche) landwirtschaftliche Nutzung der Stilllegungsfläche in Kenntnis zu setzen.

Das Unterlassen der Klägerin ist sanktionsbewehrt. Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28. November 2002 (a. a. O.), an die der Senat gebunden ist, beschränkt sich die in Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 vorgesehene (verschuldensabhängige) Sanktion nicht auf den hier nicht gegebenen Fall, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen im Sinne eines positiven Tuns fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat. Die Vorschrift findet vielmehr auch dann Anwendung, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden.

Der Klägerin ist hier vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen.

Der Klägerin war zunächst bewusst, gegen die ihr obliegende Stilllegungsverpflichtung verstoßen zu haben. Ausweislich des "Ergänzungsprotokolls" des ALF hat der Leiter der Pflanzenproduktion und damit fachkundige Mitarbeiter der Klägerin, Herr D, gegenüber Bediensteten der Behörde geäußert, dass ihm bekannt gewesen sei, dass die Fläche nicht beweidet werden dürfe und er den Geschäftsführer, Herrn E, darauf hingewiesen habe, dass sie "Ärger" bekommen würden. Daraus ist zu schließen, dass ihm die förderungsschädliche Nutzung der Flächen bewusst war. Diese Kenntnis ihres seinerzeitigen Vorstandsmitglieds ist der Klägerin ohne weiteres zuzurechnen.

Für eine Kenntnis vom Pflichtenverstoß spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die - am 15. Juni 1996 - auf die hier in Rede stehende Weide getriebenen Kühe unmittelbar nach der Urlaubsrückkehr von Herrn D am 27. Juni 1996 von der Stilllegungsfläche genommen worden sind. Das Vorbringen der Klägerin, dass Herr D sich unsicher darüber gewesen sei, ob es im Rahmen der Stilllegungsauflagen gestattet sei, die Tiere auf der streitbefangenen Fläche unterzubringen, überzeugt nach dem vorgenannten Inhalt des "Ergänzungsprotokolls" ("werden wir Ärger bekommen") nicht. Der Hinweis der Klägerin auf eine "Zwangslage" rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Wenn über den Inhalt der Stilllegungsverpflichtung tatsächlich Unklarheiten bestanden hätten, wäre vor dem Hintergrund der von der Klägerin behaupteten Notsituation eine sofortige (fernmündliche) Rücksprache bei dem ALF naheliegend gewesen. Die Klägerin hätte die fraglichen und die ihrem Vorbringen zufolge für eine Unterbringung der Tiere dringend benötigten Flächen weiter nutzen können, wenn eine Rückfrage bei dem ALF die Unbedenklich der Nutzung ergeben hätte. Anderenfalls wäre das ALF jedenfalls davon in Kenntnis gesetzt worden, dass sich die förderfähigen Stilllegungsflächen angesichts ihrer (teilweisen) förderungsschädlichen Nutzung verringert haben.

Die Klägerin wusste auch von der Verpflichtung, dem ALF förderungsrelevante Veränderungen mitzuteilen. Diese Verpflichtung hat die Klägerin mit der Antragstellung ausdrücklich akzeptiert. Ihr Vorstandsmitglied D selbst hat den Förderantrag mit seiner darin ausgewiesenen Verpflichtung, der Behörde förderungsrelevante Umstände mitzuteilen, unterschrieben. Der in diesem Zusammenhang sinngemäß erhobene Einwand der Klägerin, dass Herr D die Absicht gehabt habe, Fragen eines möglichen Verstoßes gegen Stilllegungsauflagen mit der Beklagten abklären zu wollen, er hierzu aber wegen seiner zeitlichen Inanspruchnahme nicht gekommen sei, überzeugt nicht. Dass für eine kurzfristige und mutmaßlich nicht zeitintensive Klärung keine Zeit geblieben sein soll, ist nicht einsehbar. Fehl geht auch der Hinweis der Klägerin, dass Fristen für die Meldung subventionsschädlicher Tatsachen nicht bestimmt worden seien. Nach der von der Klägerin mit der Antragstellung akzeptierten Verpflichtung sind förderungsrelevante Umstände unverzüglich der Behörde mitzuteilen.

Mithin hat die Klägerin von dem (objektiven) Pflichtenverstoß ebenso gewusst wie von der ihr obliegenden Mitteilungspflicht. Wenn die Klägerin gleichwohl eine Mitteilung an das ALF unterlässt, hat sie es jedenfalls im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen, dass die Bewilligungsbehörde durch ihre unterbliebene Mitteilung keine Kenntnis davon erhält, dass die Fördervoraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind. Daraus folgt die in Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der VO (EWG) Nr. 3887/92 ausgewiesene und von dem Beklagten ausgesprochene Sanktion. Dem steht nicht entgegen, dass dort von "absichtlich gemachten Angaben" die Rede ist. Denn "Absicht" im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der vorgenannten Verordnung deckt alle Vorsatzformen ab. Eine abweichende Auslegung, die "Absicht" im rechtstechnischen Sinne begreift, würde insbesondere dazu führen, dass bei einem vorsätzlichen bzw. bedingt vorsätzlichen Verhalten keine Sanktion ausgesprochen werden könnte. Ein derartiges Normverständnis stünde mit Sinn und Zweck des hier in Rede stehenden Sanktionsgefüges erkennbar im Widerspruch.

Das in Art. 2 Abs. 2 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 zum Ausdruck kommende Günstigkeitsprinzip führt zu keiner für die Klägerin milderen Sanktion. Nach dieser Vorschrift gelten bei späteren Änderungen der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Die mithin gebotene (vergleichsweise) Gegenüberstellung der VO (EWG) Nr. 3887/92 mit der diese Verordnung zeitlich nachfolgenden und sie ersetzenden VO (EG) Nr. 2419/2001 führt im (konkreten) Fall der Klägerin dazu, dass die VO (EWG) Nr. 3887/92 ihr vorsätzliches Verhalten weniger schwer ahndet und damit als für sie günstiger anzusehen ist. Der Umstand, dass die VO (EG) Nr. 2419/2001 zwischenzeitlich durch die VO (EG) Nr. 796/2004 aufgehoben worden ist, bedarf deshalb keiner vertiefenden Würdigung (zum Günstigkeitsprinzip vgl. EuGH, U. v. 01.07.2004 - C 295/02 -; OVG Lüneburg, U. v. 14.12.2004 - 10 LC 67/02 -; VGH Kassel, U. v. 1.12.2004 - 6 UE 640/03 -).

Zu den Auswirkungen der beiden Sanktionsnormen auf die Förderung der Klägerin im Einzelnen ist auf die mit Schriftsatz des Beklagten vom 10. März 2003 erstellte Aufstellung zu verweisen. Diese Aufstellung ist hinsichtlich ihrer Schlussfolgerungen nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt der VO (EWG) Nr. 3887/92 (unstreitig) eine blockbezogene Sanktionierung zugrunde. Der Wegfall der Beihilfe gemäß Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 für das Antrags- und Folgejahr bezieht sich damit "nur" auf den Stilllegungsblock. Demgegenüber wird die Klägerin nach Art. 33 der VO (EG) Nr. 2419/2001 angesichts der von ihr vorsätzlich begangenen Unregelmäßigkeiten von den gesamten Beihilfeleistungen ausgeschlossen. Denn die Wendung "keine Beihilfe im Rahmen der betreffenden Beihilferegelung" bezieht sich - über Art. 31 Abs. 2 dieser Verordnung - auf den Beihilfeantrag "Flächen", der nicht nur den Stilllegungsausgleich umfasst, sondern sich auf sämtliche Ausgleichszahlungen erstreckt (vgl. die Definition in Art. 2 i der Verordnung unter Hinweis auf die VO (EWG) Nr. 3508/92). Hinzu kommt, dass von einer Beschränkung - wie in Art. 32 der Verordnung - auf die jeweilige "Kulturgruppe", zu der gemäß Art. 30 f. auch Stilllegungsflächen gehören, in Art. 33 nicht die Rede ist.

Ob in die Günstigkeitsprüfung auch die nunmehr geltende und auf die VO (EG) Nr. 1782/2003 gestützte Sanktionsnorm VO (EG) Nr. 796/2004 einzubeziehen ist, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil seit dem 1. Januar 2005 das bisherige Fördersystem grundlegend umgestaltet worden ist. Abgesehen davon entspricht die in den Art. 51, 53 der VO (EG) Nr. 796/2004 getroffene Regelung den Bestimmungen der Art. 32, 33 der VO (EG) 2419/2001, so dass maßgebliche Grundlage für die der Klägerin gegenüber auszusprechende Sanktion die VO (EWG) Nr. 3887/92 bleibt.

Insgesamt folgt daraus, dass der Klägerin angesichts ihres vorsätzlichen Verhaltens sowohl für das Antragsjahr 1996 als auch für das Folgejahr 1997 gemäß Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der VO (EWG) Nr. 3887/92 ein Anspruch auf einen Stilllegungsausgleich nicht zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 155.871,50 € und unter Abänderung der Streitwertentscheidung des Verwaltungsgerichts C-Stadt vom 14. Juli 1999 für das erstinstanzliche Verfahren ebenfalls auf 155.871,50 € festgesetzt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus den §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. Maßgebliches Interesse der Klägerin ist dabei die Gewährung eines Stilllegungsausgleichs sowohl für das Wirtschaftsjahr 1996 als auch für das Folgejahr 1997. Die hiervon abweichende Streitwertentscheidung des Verwaltungsgerichts, das seiner Wertbestimmung lediglich Beihilfeleistungen für das Jahr 1996 zugrunde gelegt hat, ist gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F. von Amts wegen zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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