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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 17.02.2000
Aktenzeichen: A 1 S 157/99
Rechtsgebiete: IHKG, GewStG


Vorschriften:

IHKG § 2 1
GewStG § 2 II
1. Die Beitragspflicht zur Industrie- und Handelskammer nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG setzt neben der Kammerzugehörigkeit gemäß § 2 Abs. 1 IHKG grundsätzlich die Veranlagung zur Gewerbesteuer voraus.

2. Fehlt es an einer das Gericht bindenden Feststellung der Finanzbehörden über die Gewerbesteuerpflicht durch einen Gewerbesteuermessbescheid, so haben die Verwaltungsgerichte eigenständig zu prüfen, ob das Unternehmen persönlich und sachlich gewerbesteuerpflichtig ist.

3. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb nur die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft. Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft endet mit der Beendigung der Abwicklung. Das ist der Zeitpunkt, in dem das nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibende Vermögen auf die Gesellschafter verteilt worden ist. Die Anmeldung zur Löschung im Handelsregister oder die Löschung selbst hingegen ist nicht mehr Bestandteil der Abwicklung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: A 1 S 157/99

Datum: 17.02.2000

Gründe:

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Erhebung von Kammerbeiträgen durch die Beklagte. Beide Gesellschaften sind im Handelsregister eingetragen und befinden sich seit dem 01. Januar 1997 in Liquidation.

Mit Bescheiden vom 07. April 1998 zog die Beklagte die Klägerinnen zu Kammerbeiträgen für das Kalenderjahr 1998 in Höhe von jeweils 450,00 DM heran. Den dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerinnen geltend machten, die Kammerzugehörigkeit sei entfallen, weil es nach der Verteilung des Vermögens im Zuge der Liquidation an der Gewerbesteuerpflichtigkeit fehle, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1998 zurück.

Hiergegen haben die Klägerinnen am 03. September 1998 Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, die Liquidation der Klägerin zu 2. sei im wesentlichen abgeschlossen. Eine Einschränkung ergebe sich nur aus der Tatsache, dass für sie noch ein strittiger Kaufpreisanspruch geltend gemacht werde, der von ihr sicherungshalber abgetreten worden sei, so dass die Klägerin zu 2. nur noch Ansprüche aus dem Sicherungsvertrag habe. Bei der Klägerin zu 1. hingegen sei zu keinem Zeitpunkt verteilungsfähiges Vermögen vorhanden gewesen. Sie habe eine Pension betrieben. Diese habe ihren Gesellschaftern gehört und werde von diesen fortgeführt.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 07. April 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1998 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerinnen seien zu Kammerbeiträgen heranzuziehen, weil sie als juristische Personen und Handelsgesellschaften im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhielten. Sie seien als Kapitalgesellschaften kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig, ohne dass von Belang wäre, ob sie tatsächlich Gewerbesteuer zahlten. Die Gewerbesteuerpflicht bestehe ungeachtet der Einstellung werbender Tätigkeiten, solange es möglich sei, die gewerbliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Dies sei bis zur Löschung im Handelsregister oder dem Ende der Liquidation der Fall. Dass die Löschung im Handelsregister beabsichtigt sei, sei nicht relevant.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung verweisen die Klägerinnen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 10. Juni 1999 abzuändern und die Bescheide vom 07. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Das Finanzamt Stendal hat mitgeteilt, beide Gesellschaften seien im Jahre 1998 gewerbesteuerpflichtig gewesen. Eine Veranlagung sei bisher nicht durchgeführt worden, weil die Erklärungen noch ausgestanden hätten. Wegen des Weiteren Sachverhalts wird auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin zu 1. ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage insoweit zu Unrecht abgewiesen. Denn der sie betreffende Bescheid der Beklagten vom 07. April 1998 - Aktzeichen: (...) - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 27. Juli 1998 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 1. in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung der Klägerin zu 2. hingegen ist unbegründet, weil der sie betreffende Beitragsbescheid rechtmäßig ist und sie nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG i. V. m. der Beitragsordnung der Beklagten. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern nach Maßgabe ihres Haushaltsplans durch Beiträge der Kammermitglieder auf der Grundlage einer Beitragsordnung erhoben. Kammermitglieder sind gemäß § 2 Abs. 1 IHKG u. a. juristische Personen des privaten Rechts, sofern sie im Bezirk der Kammer über eine Betriebsstätte verfügen und zur Gewerbesteuer veranlagt sind.

Zwar handelt es sich bei beiden Klägerinnen als Gesellschaften mit beschränkter Haftung gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG um eine juristische Personen privaten Rechts. Daran ändert die für beide Gesellschaften beschlossene Liquidation, aber auch die Verteilung des Vermögens im Falle der Klägerin zu 1. nichts. Denn entgegen der Auffassung der Klägerinnen geht die GmbH als juristische Person des Privatrechts nicht bereits mit dem Eintritt der Vermögenslosigkeit unter. Vielmehr ist daneben die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister erforderlich (so zu Recht: OLG Stuttgart, ZIP 1986, 647 [S. 648]; a. A.: OLG Stuttgart NJW 1969, 1492; RGZ 156, 23 [S. 26]). Dass eine Gesellschaft unabhängig von einer Löschung gleichwohl fortbestehen kann, sofern sie entgegen der Annahme des Registergerichts noch über Vermögen verfügt, steht nicht der Annahme entgegen, dass die Löschung jedenfalls den frühestmöglichen Zeitpunkt bezeichnet, von dem an die Gesellschaft als juristische Person des Privatrechts nicht mehr existent ist (so auch: Schulze-Osterloh, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl. 1988, zu § 60 Rdnr. 6; zum Streitstand und zur sog. "Lehre vom Doppeltatbestand": Bork, JZ 1991, 841 [S. 844 f]).

Gleichwohl kann jedenfalls die Klägerin zu 1. zur Zahlung von Beiträgen nicht herangezogen werden, weil sie wegen des Wegfalls der Gewerbesteuerpflicht nicht mehr Mitglied der Industrie- und Handelskammer ist. Denn gemäß § 2 Abs. 1 IHKG sind Mitglieder der IHK nur die juristischen Personen des privaten Rechts, die zur Gewerbesteuer veranlagt werden. Zwar ist es unerheblich, ob die Klägerin tatsächlich Gewerbesteuer zahlt (vgl. BVerwGE 55, 1 [S. 7 f.]), ob ihr gegenüber überhaupt ein Gewerbesteuermessbescheid ergangen oder aber von dessen Erlass abgesehen worden ist, weil ihr Gewinn im Veranlagungszeitraum unterhalb der nach § 25 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV 1991) i. d. F. der Bekanntmachung vom 21. März 1991 (BGBl. I S. 831) maßgeblichen Grenze liegt (BVerwG, GewArch 1999, 36 [S. 37]). Jedenfalls aber muss die Klägerin gewerbesteuerpflichtig sein. Fehlt es - wie hier - an einer das Gericht bindenden Feststellung der Finanzbehörden über die Gewerbesteuerpflicht durch einen Gewerbesteuermessbescheid, so haben die Verwaltungsgerichte eigenständig zu prüfen, ob das Unternehmen persönlich und sachlich gewerbesteuerpflichtig ist.

Die Gewerbesteuerpflicht hängt in sachlicher Hinsicht davon ab, dass die Kapitalgesellschaft noch Aktivitäten entfaltet. Nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 19. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2436) setzt die Gewerbesteuerpflicht eines Gewerbebetriebes voraus, dass dieser betrieben wird. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb nur die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft. In Übereinstimmung mit § 2 GewStG bestimmt § 4 Abs. 1 GewStDV zur Abgrenzung der Steuerpflicht, dass ein Gewerbebetrieb, der aufgegeben oder aufgelöst wird, bis zur Beendigung der Aufgabe oder Abwicklung Steuergegenstand i. S. d. § 2 GewStG bleibt. Nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 1 der Gewerbesteuerrichtlinien 1998 - GewStR - (BStBl. 1998 I, Sondernr. 2/1998, S. 91) erlischt die Gewerbesteuerpflicht bei Kapitalgesellschaften mit der Beendigung jeglicher Tätigkeit überhaupt, das heißt, erst wenn das Vermögen verteilt ist (vgl. Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 GewStR; vgl. ferner: Glanegger/Güroff, GewStG, 3. Auflage, zu § 2 Rndr. 187). Deshalb bleibt sie nur so lange gewerbesteuerpflichtig, wie sie noch Vermögen hat und verwaltet (vgl. Nds.OVG, KStZ 1997, 116).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genügt es für den Fortbestand der Gewerbesteuerpflicht nicht, dass der im Handelsregister eingetragene Unternehmensgegenstand bis zur Löschung der Gesellschaft noch die Möglichkeit der Wiederaufnahme einer gewerblichen Tätigkeit bietet. Denn die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft endet bereits mit der Beendigung der Abwicklung. Das ist der Zeitpunkt, in dem das nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibende Vermögen der Gesellschaft auf die Gesellschafter verteilt worden ist. Die Anmeldung zur Löschung im Handelsregister oder gar die Löschung selbst hingegen ist entgegen der im erstinstanzlichen Urteil zum Ausdruck kommenden Auffassung nicht mehr Bestandteil der Abwicklung. Das ergibt sich aus § 74 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Danach haben die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, wenn die Liquidation beendet und die Schlussrechnung gelegt ist (vgl. entsprechend für die Aktiengesellschaft: § 273 Abs. 1 Satz 1 AktG). Ist aber der Schluss der Abwicklung Voraussetzung für die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister, so muss sie der Eintragung zeitlich vorangehen. Dann aber kann die Eintragung nicht Bestandteil der Abwicklung sein. Der Einwand der Beklagten, es sei im Interesse der Rechtsklarheit erforderlich, die Kammerzugehörigkeit von der Eintragung im Handelsregister abhängig zu machen, greift nicht durch. Denn zum einen wäre damit ein größeres Maß an Rechtssicherheit nicht verbunden, weil die Gewerbesteuerpflicht nicht etwa schon dann entfällt, wenn die GmbH im Register gelöscht ist. Stellt sich nämlich nach der Löschung heraus, dass die Gesellschaft im Register zu Unrecht gelöscht worden ist, weil sie entgegen der Annahme der Registerbehörde noch über Vermögenswerte verfügt, so wäre das aufgefundene Vermögen im Wege der Nachtragsliquidation zu verteilen. Im Falle der Nachtragsliquidation aber entfällt die Gewerbesteuerpflicht nicht und infolge dessen auch nicht die mit der Beitragspflicht verbundene Kammerzugehörigkeit. Darüber hinaus überzeugt der Einwand der Beklagten auch deshalb nicht, weil der Gesetzgeber eine andere Abgrenzung vorgenommen hat und die Kammerzugehörigkeit davon abhängig macht, dass die im Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft noch tätig ist. Ist die Liquidation mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft abgeschlossen, so kann eine Tätigkeit der Gesellschaft nicht allein deshalb angenommen werden, weil es die Liquidatoren entgegen § 74 Abs. 1 Satz 1 GmbHG unterlassen haben, den Schluss der Abwicklung zum Zwecke der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister anzumelden. Ist sämtliches Vermögen einschließlich des eingebrachten Kapitals verteilt, so entfällt die Kammerzugehörigkeit mit dem Abschluss der Liquidation (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 5. Auflage 1991, zu § 2 Anm. 4. e) [S. 134]).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin zu 1. nicht Angehörige der Beklagten und damit nicht i. S. d. § 3 Abs. 1 IHKG beitragspflichtig, weil sie nach ihrem von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Vortrag ihre Liquidation abgeschlossen hat und eigenes Vermögen nicht besitzt. Die Auskunft des Finanzamtes Stendal vom 20. Dezember 1999, wonach auch die Klägerin zu 1. im Jahre 1998 noch gewerbesteuerpflichtig gewesen sei, lässt eine andere Bewertung nicht zu. Die Klägerin zu 1. ist bislang weder veranlagt worden, noch kann der Mitteilung des Finanzamtes entnommen werden, dass die Festsetzung einer Gewerbesteuer nur deshalb unterblieben ist, weil der Gewinn unter der Grenze des § 25 GewStDV liegt (vgl. dazu BVerwG, GewArch 1999, 36 [S. 37]). Vielmehr ist nach der Mitteilung des Finanzamtes eine Veranlagung für das Jahr 1998 bisher nicht durchgeführt worden, weil die Erklärungen der Klägerin zu 1. dazu noch ausstehen.

Die Klägerin zu 2. hingegen gehört der Industrie- und Handelskammer weiterhin an, weil sie noch gewerbesteuerpflichtig ist. Denn sie ist noch tätig i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG, weil ihre Abwicklung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. § 4 Abs. 1 GewStDV). Ihr Vermögen ist jedenfalls in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides noch nicht vollständig verteilt gewesen, trägt sie doch selbst vor, sie verfüge noch über - wenngleich bestrittene und zur Sicherung abgetretene - Ansprüche aus dem Verkauf ihrer Vermögensgegenstände. Ihr Vermögen ist daher noch nicht vollständig verteilt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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