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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 13.04.2000
Aktenzeichen: A 1 S 22/99
Rechtsgebiete: VwVfG LSA, AO


Vorschriften:

VwVfG LSA § 94 Abs. 2 Satz 1 a. F.
VwVfG LSA § 94 Abs. 1 a. F.
VwVfG LSA § 48
VwVfG LSA § 94 a. F.
AO § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: A 1 S 22/99

Datum: 13.04.2000

Gründe:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Rückforderungsbescheides.

Mit Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt - im folgenden MW - vom 11. Februar 1992 wurde der S.. Maschinenfabrik S. - S.. - ein Investitionszuschuß in Höhe von 43.585.000,00 DM aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" und aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für die Errichtung einer Betriebsstätte bewilligt.

Unter dem 10. Dezember 1992 wurde das MW von der S.. aufgefordert, einen Förderbetrag in Höhe von 12.024.799,74 DM auf ihr Konto bei der Klägerin (Kto.-Nr. ......) zu überweisen. Mit Schreiben der S.. vom 23. Dezember 1992 wurde dem MW folgendes mitgeteilt:

"Ich/Wir habe(n) meine/unsere Forderung(en) Ihnen gegenüber von DM 12.024.800,- gemäß Investitionszuschußbescheid vom 11.02.1992 (Projekt Nr. 22153342) und Mittelabruf vom 10.12.1992 mit sämtlichen Rechten abgetreten an die VEREINSBANK Aktiengesellschaft E., so daß diese Bank allein berechtigt ist, Zahlungen entgegenzunehmen und über die Forderung(en) zu verfügen.

Ich/Wir bitte(n) Sie, der Bank auf beiliegendem Formular zu bestätigen, daß die Forderung(en) zu Recht besteht/bestehen, und daß Rechte Dritter bezüglich der Forderung(en) oder eigene, zur Aufrechnung geeignete Ansprüche nicht vorhanden sind.

Den Gegenwert bitte(n) ich/wir, bei Fälligkeit direkt an die Bank zu zahlen."

Ebenfalls unter dem 23. Dezember 1992 zeigte die Bayerische Vereinsbank AG - Filiale E. - dem MW gegenüber die teilweise Abtretung der gewährten Fördermittel zu ihren Gunsten an:

"Wir haben die obenbezeichnete(n) Forderung(en) übernommen.

Somit dürfen Sie Zahlungen aus dieser/diesen Forderung(en) nur an uns leisten.

Die Zahlungsbedingungen bleiben unverändert.

Bitte senden Sie uns den beiliegenden Vordruck unterschrieben zurück."

Der Abtretungsanzeige war eine vorformulierte Erklärung beigefügt, die wie folgt lautet:

"An Bayerische Vereinsbank AG Filiale E.

Projekt Nr. 22153342

S.. Maschinenfabrik S. GmbH

hier: Bestätigung des Drittschuldners

Zuschußabruf in Höhe von DM 12.024.800,- vom 10.12.1992

Forderungsabtretung vom 23.12.1992

Der Zuschuß ist bewilligt. Die Zahlung erfolgt zu gegebener Zeit (im Rahmen der Auszahlungsfristen für Investitionszuschüsse) ausschließlich auf das bei der Bayerischen Vereinsbank AG Filiale E. geführte Konto Nr. ..... (BLZ ......). Mögliche Rückforderungsansprüche werden ausschließlich gegenüber der Firma S.. Maschinenfabrik S. geltend gemacht.

Magdeburg, den 23.12.1992 Ministerium für Wirtschaft Technologie und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt"

Diese Erklärung wurde von einem Mitarbeiter des MW unterzeichnet.

Sodann überwies die Landeshaushaltskasse Sachsen-Anhalt auf das von der S.. angegebene, bei der Klägerin geführte Konto einen Betrag von 12.024.799,74 DM. Auf der Überweisung ist als Empfänger die S.. ausgewiesen.

Auf der Grundlage gleicher Erklärungen wurde auf das Konto der S.. bei der Klägerin ein weiterer Betrag in Höhe von 13.999.999,94 DM überwiesen. Als Empfänger ist wiederum die S.. aufgeführt.

Mit Beschluß vom 30. Juni 1994 eröffnete das Amtsgericht Halle - Saalkreis das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der S.. und übertrug die Verwaltung des Vermögens dem Wirtschaftsprüfer N.. Im Juli 1994 meldete das MW Forderungen, die u. a. die vorgenannten Zahlungen umfassen, zur Gesamtvollstrekungstabelle an. Die Forderungen wurden in der geltend gemachten Höhe festgestellt.

Mit einem an den Vermögensverwalter der S.. gerichteten Bescheid vom 29. Mai 1995 widerrief der Beklagte den Zuwendungsbescheid des MW vom 11. Februar 1992 mit der Begründung, daß angesichts der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der mit der Förderung angestrebte Primäreffekt nicht erreicht worden sei.

Mit Bescheid vom 8. Juni 1995 wurde die Klägerin unter Hinweis auf den Widerruf des Zuwendungsbescheides von dem Beklagten aufgefordert, ihm einen Betrag in Höhe von 26.024.799,68 DM zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen: Der Anspruch auf Zahlung von Fördermitteln aus dem Zuwendungsbescheid des MW habe von der S.. nur mit den sich aus dem Zuwendungsverhältnis ergebenden Beschränkungen abgetreten werden können. Der abgetretene Anspruch sei deshalb mit dem Risiko der Rückzahlungsverpflichtung für den Fall einer Aufhebung des Zuwendungsbescheides belastet gewesen.

Den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 1996 zurück: Die Klägerin sei gem. § 94 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA a. F. erstattungspflichtig. Derjenige, der die öffentlichen Gelder tatsächlich erhalten habe, sei Zuwendungsempfänger i. S. dieser Regelung. Selbst wenn die S.. neben der Klägerin erstattungspflichtig sei, stehe es in seinem Auswahlermessen, wem gegenüber er den Rückforderungsanspruch geltend mache. Der Erklärung, mögliche Rückforderungsansprüche ausschließlich gegenüber der S.. geltend zu machen, komme keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Das MW habe keine Willenserklärung abgeben wollen. Selbst wenn eine Willenserklärung vorliege, sei diese angefochten worden.

Ihre dagegen erhobene Klage hat die Klägerin im wesentlichen wie folgt begründet: Sie sei nicht Zuwendungsempfängerin bzw. Erstattungspflichtige i. S. des § 94 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA a. F. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Rückforderungsregelung seien Erstattungspflichtiger und Zuwendungsempfänger grundsätzlich identisch. Der Widerruf des Zuwendungsbescheides gegenüber dem Zuwendungsempfänger führe dazu, daß grundsätzlich nur dieser die Zuwendung zu erstatten habe. Erstattungspflichtig sei deshalb allein die S... Die Abtretung von Zahlungsansprüchen der S.. gegenüber dem MW an sie führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Da der Anspruch auf Auszahlung des bewilligten Zuschusses von der S.. nur als Sicherheit an sie abgetreten und der Zuschuß vor Eintritt des Sicherungsfalls weisungsgemäß auf das bei ihr geführte Konto der S.. überwiesen worden sei, bleibe die S.. Leistungsempfängerin und damit Schuldnerin des Rückzahlungsanspruchs. Diese Betrachtungsweise werde durch die vom MW unterzeichnete Erklärung gestützt, wonach mögliche Erstattungsforderungen ausschließlich gegenüber der S.. geltend gemacht würden. Aus dieser Erklärung folge, daß eine Vermögensverschiebung nur zwischen dem MW und der S.. erfolgen sollte.

Durch Urteil vom 17. November 1998 hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben: Eine Erstattungspflicht der Klägerin sei nicht gegeben. Erstattungspflichtig sei der Zuwendungsempfänger. Durch die teilweise Abtretung des Zuwendungsanspruchs sei die Klägerin indes nicht Zuwendungsempfängerin i. S. des § 94 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA a. F. geworden. Es sei nur die Forderung und nicht das gesamte Zuwendungsverhältnis übergegangen. Die Forderungsabtretung sei im übrigen für die Abwicklung des Subventionsverhältnisses ohne Bedeutung geblieben. Denn die Subvention sei nicht an die Klägerin, sondern an die S.. ausbezahlt worden.

Nach Zulassung der Berufung durch den Senat hat der Beklagte die Berufung unter Vertiefung seiner erstinstanzlichen Ausführungen fristgemäß begründet.

Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle - 1. Kammer - vom 17. November 1998 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt dem Begehren entgegen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, der Streitverfahren A 1 S 95/99 und A 1 S 96/99 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Bescheid des Beklagten vom 8. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1996 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 125 Abs. 1 VwGO). Ein Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin ist nicht gegeben.

Gem. § 94 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA in der hier noch Anwendung findenden Fassung vom 18. August 1993 (GVBl. LSA S. 412) ist die Zuwendung zu erstatten, soweit ein Zuwendungsbescheid nach Absatz 1 dieser Bestimmung widerrufen oder nach sonstigen Rechtsvorschriften mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, widerrufen oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam wird.

1. Die hiernach für eine Erstattungspflicht zunächst normierte tatbestandsmäßige Voraussetzung, daß der leistungsgewährende Bewilligungsbescheid des MW vom 11. Februar 1992 aus den in § 94 Abs. 1 VwVfG LSA a. F. genannten Gründen unwirksam geworden und damit der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gewährten Leistungen entfallen ist, kann unterstellt werden. Denn in jedem Fall ist die Klägerin nicht Schuldnerin des von dem Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruchs.

2. Wer Schuldner des Erstattungsanspruchs ist, wird in § 94 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA a. F. nicht ausdrücklich aufgezeigt. Jedoch folgt aus den den Umfang des Erstattungsanspruchs regelnden Bestimmungen der nachfolgenden Sätze 2 und 3 dieser Vorschrift, daß Erstattungspflichtiger der "Zuwendungsempfänger" ist. Eine Unterscheidung wie in § 48 VwVfG LSA in der Fassung vom 18. August 1993 (GVBl. LSA S. 412) zwischen "Begünstigten" und "Erstattungspflichtigen" weist § 94 VwVfG LSA a. F. nicht auf. Schuldner eines Rückforderungsanspruchs ist damit regelmäßig der Adressat des Zuwendungsbescheides als Subventions- bzw. Zuwendungsempfänger.

Inwieweit auch andere Personen als Schuldner eines Erstattungsanspruchs in Betracht kommen, etwa der Rechtsnachfolger des Zuwendungsempfängers oder in Fällen einer Schuldübernahme (§§ 414,415 BGB) sowie eines Schuldbeitritts (§§ 419 BGB, 25 HGB), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Mit der rechtsgeschäftlichen Übertragung einer Forderung aus einem Zuwendungsbescheid erwirbt der Dritte dagegen nicht ohne weiteres die Rechtsstellung eines Zuwendungsempfängers i. S. des § 94 VwVfG LSA a. F. Durch eine Abtretung des Anspruchs auf Förderleistungen wird der neue Gläubiger (Zessionar) lediglich Inhaber des durch den Zuwendungsbescheid begründeten Zahlungsanspruchs (BVerwG, U. v. 30.10.1992 - 7 C 24/92 -, NJW 1993, 1610, 1611). Das zwischen der Bewilligungsbehörde und dem Adressaten der Zuwendung bestehende Subventionsverhältnis bleibt davon unberührt. Durch die zivilrechtliche Abtretung kann ein Dritter nicht in ein derartiges Verwaltungsrechtsverhältnis einbezogen werden. Zwar kann ein begünstigender Verwaltungsakt über den eigentlichen Adressaten hinaus bereits einen Dritten in einer Weise einbeziehen, daß (auch) dieser als Begünstigter anzusehen ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der unmittelbare Zuwendungsempfänger durch den Bescheid verpflichtet wird, die Zuwendung an einen Dritten weiterzugeben, und wenn die Gewährung von vornherein davon abhängig gemacht wird, daß der Dritte sich den Bedingungen des Bescheides unterwirft (BVerwG, U. v. 26.8.1999 - 3 C 17.98 -, NVwZ-RR 2000, 196). Diese Voraussetzungen liegen nach dem zweifelsfreien Inhalt des Zuwendungsbescheides des MW vom 11. Februar 1992 jedoch nicht vor. Inwieweit im übrigen im Rahmen des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung, der die Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Steuern oder Steuervergütungen zum Gegenstand hat, abweichende Grundsätze Anwendung finden (vgl. BFH BStBl. 95, 846, 849; s. auch Siebelt/Eckert, DVBl. 1995, 1114, 1123, die unter Hinweis auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung den Zessionar als Rückforderungsadressaten ansehen), ist für den Anwendungsbereich der hier maßgeblichen subventionsrechtlichen Regelung des § 94 VwVfG LSA a. F. nicht von Bedeutung.

Durch die Abtretung der Zahlungsansprüche aus dem Zuwendungsbescheid des MW vom 11. Februar 1992, deren Wirksamkeit unterstellt werden kann, ist die Klägerin nach alledem nicht Zuwendungsempfängerin geworden. Sie ist damit nicht Schuldnerin des von dem Beklagten geltend gemachten Rückforderungsanspruchs (so wohl auch Stelkens und andere, VwVfG, 5. Aufl., § 49 a, Rdnr. 29 ff.).

3. Unabhängig davon ist ein Rückforderungsanspruch des Beklagten gegenüber der Klägerin auch deshalb zu verneinen, weil das MW die Zuwendungen auf ein zwar bei der Klägerin geführtes, aber eigenes Konto der S.. überwiesen hat. Da nach den ergänzenden Erläuterungen der Klägerin im Verhandlungstermin die S.. über dieses Konto auch verfügen konnte, lag wirtschaftlich und tatsächlich eine Zahlung an die S.. vor. Die mithin lediglich als Zahlstelle fungierende Klägerin ist somit nicht als Zuwendungsempfängerin anzusehen mit der Folge, daß ihr gegenüber kein Rückforderungsanspruch besteht (so bei dieser Fallkonstellation wohl auch BFH, U. v. 27.10.1992 - 7 R 49/92 -, NJW 1993, 2263). Dafür spricht schließlich die schriftliche Erklärung des MW, mögliche Rückforderungsansprüche ausschließlich der S.. gegenüber geltend zu machen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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