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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 1 U 126/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 185
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

1 U 126/08

Verkündet am 10.12.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und Fritsch-Scherer

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29. Januar 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 4.O.188/07 - aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den als zulässig anzusehenden Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16.3.2006 - 4 O 230/05 - an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.

II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem Landgericht vorbehalten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der A. P. Ingenieurgesellschaft für Siedlungswasserwirtschaft mbH (fortan: GmbH) mit Sitz in S.. Auf den Insolvenzantrag des Beklagten vom 24.5.2000 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 1.6.2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit vorliegendem Verfahren auf Schadensersatz in Höhe von 41.403,27 € (nebst Zinsen) wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch.

Nachdem die Klägerin zunächst außergerichtlich über die Rechtsanwälte A. & A. mit dem Beklagten wegen der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche korrespondiert hatte, reichte sie mit Schriftsatz vom 27.6.2005, eingegangen bei Gericht am 28.6.2005, Klage gegen den Beklagten ein, wobei dessen Anschrift mit "<Straße, Nr.> in F -<PLZ, Ort>" angegeben war. Über die Prüfungsstelle des Landgerichts Saarbrücken wurde der Versuch einer Zustellung nach den Vorschriften der EG-Zustellungsverordnung in Frankreich unternommen. Am 11.10.2005 wurde das Ersuchen von der Prüfungsstelle als unerledigt zurückgesandt mit dem Vermerk, dass der Zustellempfänger nach T./Albanien verzogen sei. Mit Schriftsatz vom 21.11.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Einwohnermeldeamtsanfrage in <Ort>, die ergeben hatte, dass der Beklagte in Frankreich keinen Anschriftenwechsel mitgeteilt hatte, die öffentliche Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, weil der Beklagte unbekannten Aufenthalts sei. Auf die Verfügung vom 18.11.2005, mit der der Klägerin weitere Ermittlungen in Albanien aufgegeben wurden, teilte die Klägerin mit Schreiben vom 26.1.2006 mit, dass die Deutsche Botschaft nach mehrmaligen Anfragen mitgeteilt habe, dass in der Republik Albanien kein Zentrales Melderegister bestehe, der Beklagte in der Deutschen Botschaft in T. nicht bekannt und in der dort geführten Liste nicht erfasst sei. Hierauf bewilligte das Landgericht die öffentliche Zustellung der Klage, die am 7.2.2006 an der Gerichtstafel ausgehängt wurde. Am 16.3.2006 erließ das Landgericht auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO, in dessen Ziff. 4 des Tenors die Einspruchsfrist auf einen Monat festgesetzt wurde. Mit Beschluss vom selben Tage wurde die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils bewilligt, das am 5.4.2006 an die Gerichtstafel geheftet wurde. Die Zustellung des Versäumnisurteils an die Klägerin erfolgte am 6.4.2006.

Mit Schriftsatz vom 12.4.2007, eingegangen bei Gericht am 13.4.2007, bestellten sich die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten und beantragten Akteneinsicht für den Beklagten. Die Akte wurde diesen am 25.4.2007 ausgehändigt. Mit Schriftsatz vom 9.5.2007, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, beantragte der Beklagte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist und der Frist zur Abgabe der Verteidigungsanzeige und legte gegen das Versäumnisurteil vom 16.3.2006 Einspruch ein, der mit gesondertem Schriftsatz vom selben Tag begründet wurde. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes verwiesen, in dem der Beklagte sich u. a. auf Verjährung berufen hat.

Das Landgericht hat sodann nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch das nunmehr angefochtene Urteil (Bl. 165 ff d.A.) den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Beklagten sei das Versäumnisurteil wirksam durch öffentliche Zustellung gemäß § 185 ZPO am 6.5.2006 zugestellt worden. Die auf einen Monat festgesetzte Einspruchsfrist sei daher am 9.5.2007 - dem Tag des Eingangs des Einspruchs bei Gericht - längstens versäumt gewesen. Ungeachtet der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung vorlagen, weil der Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt habe, dass er seit Februar 2000 ununterbrochen an der in der Klageschrift angegebenen Adresse gewohnt habe, sei die - richtig ausgeführte - öffentliche Zustellung jedenfalls wirksam, da keiner der Sachverhalte vorliege, bei denen ausnahmsweise von einer Unwirksamkeit einer öffentlichen Zustellung auszugehen sei. Auch dem Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten in die versäumte Einspruchsfrist sei nicht stattzugeben, da dieser verfristet sei. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zweifelsfrei fest, dass der Beklagte bereits am 11.4.2007 von seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten darüber informiert worden sei, dass ein Versäumnisurteil im Wege der öffentlichen Zustellung gegen ihn im Gericht aushängt. Im Hinblick darauf, dass eine eventuelle Unkenntnis von dem Fristablauf nicht unverschuldet gewesen sei, habe die Wiedereinsetzungsfrist gleichwohl am 11.4.2007 zu laufen begonnen. Es gereiche dem Beklagten zum Verschulden, dass er sich bei seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten nicht über die notwendige Vorgehensweise gegen das Versäumnisurteil und die insoweit erforderlichen fristgebundenen Verfahrenshandlungen informiert habe, wenn er selbst als Laie hiervon keine Kenntnis hatte. Wenn er am 11.4.2007 seine Prozessbevollmächtigten lediglich mit der Akteneinsicht beauftragt habe, so treffe ihn ein eigenes Verschulden an der Unkenntnis des Fristablaufes. Dem Beklagten könne auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist gewährt werden, da auch insoweit nicht von einem unverschuldeten Fristversäumnis ausgegangen werden könne.

Gegen dieses ihm am 8.2.2008 zugestellte Urteil (Bl. 177 d. A.) hat der Beklagte mit einem am 10.3.2008 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums (Bl. 189, 190 d. A.) Berufung eingelegt, die er mit einem am 8.4.2008 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums (Bl. 194 ff d. A.) begründet hat, und mit der er seinen erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils und Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Zur Begründung seines Rechtsmittels macht er im Wesentlichen geltend, dass das Landgericht zu Unrecht seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 16.3.2006 als unzulässig verworfen habe. Unabhängig davon, dass durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit des Versäumnisurteils und dessen öffentlicher Zustellung anzumelden seien, weil er in dem relevanten Zeitraum unverändert und ununterbrochen an der in der Klageschrift angegebenen Adresse gewohnt habe, habe ihm jedenfalls Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt werden müssen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei der Antrag auf Wiedereinsetzung fristgerecht eingereicht worden. Die Wiedereinsetzungsfrist beginne erst zu laufen, wenn das Hindernis für die Einhaltung der Frist - hier der Einspruchsfrist - tatsächlich behoben, d. h. objektiv beseitigt sei oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden könne. Dies könne vorliegend erst mit dem Zeitpunkt der Erteilung der Akteneinsicht am 25.4.2007 angenommen werden. Der tatsächliche Fristablauf sowie die Kenntnis des Anspruchsgrundes habe weder für den Beklagten noch für seine Prozessbevollmächtigten vor erfolgter Akteneinsicht bzw. Besprechung am 7.5.2007 festgestellt und geprüft werden können. Das Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO sei damit erst nach erfolgter Akteneinsicht und Besprechung am 7.5.2007 entfallen. Selbst bezogen auf den Zeitpunkt der Überlassung der Gerichtsakte im Büro der jetzigen Prozessbevollmächtigten am 25.4.2007, sei der Wiedereinsetzungsantrag vom 9.5.2007 fristgerecht gestellt worden.

Der Beklagte beantragt (Bl. 212, 194, 195 d. A.),

unter Abänderung des am 29.1.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az.: 4.O.188/07,

1. dem Beklagten Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist sowie in die versäumte Frist zur Verteidigungsanzeige zu gewähren,

2. das Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16.3.2006 - 4O 230/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, einzustellen;

3. hilfsweise das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29.1.2008, Az.: 4.O.188/07, aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Saarbrücken zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 212, 202 d. A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat auch - vorläufigen - Erfolg und führt gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Gericht erster Instanz.

I.

Zu Unrecht hat das Landgericht den Einspruch des Beklagten vom 9.5.2007 gegen das Versäumnisurteil vom 16.3.2006 gemäß § 341 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig verworfen.

Der am 9.5.2007 bei Gericht eingegangene Einspruch gegen das Versäumnisurteil war nicht verfristet, da die Einspruchsfrist durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht wirksam in Gang gesetzt wurde. Auf die weitere, durch das Landgericht erörterte und im Ergebnis verneinte Frage, ob dem Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten stattzugeben war, kommt es mithin für die Entscheidung nicht mehr an.

1. Die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils vermochte die gemäß § 339 Abs. 2 ZPO auf einen Monat festgesetzte Frist zum Einspruch gegen das Versäumnisurteil, die auf der Grundlage der Berechnungen des Landgerichts am 6.6.2006 abgelaufen wäre, im Streitfall nicht in Lauf zu setzen. Die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils war fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 185 Nr. 1 ZPO, wonach der Beklagte unbekannten Aufenthaltes sein musste, auf der Grundlage des für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Akteninhalts nicht erkennbar vorlagen.

a) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des BGH, die sich an die Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 104, 301) und des BFH (BFHE 192, 200, BFH/NV 2005, 998) anlehnt, die Zustellungsfunktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGHZ 149, 311; ähnlich BayObLG, NJW-RR 2000, 1452, 1453; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 497). In einem solchen Fall kommt das Verfahren nicht zu einem wirklichen Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedürfte (BGHZ 149, 311). Der BGH hat der erkennbar verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung im Zivilprozess aber nicht schlechthin ihre Wirksamkeit abgesprochen, sondern einschränkend ausgeführt, dass sie in Ansehung - der im seinerzeitigen und auch im vorliegenden Verfahren maßgeblichen - Einspruchsfrist unwirksam sei und diese Besonderheit mit dem Zusatz "wirkungslos" beschrieben (vgl. BGH NJW 2007, 303). Dies bedeutet im Ergebnis, dass eine unter erkennbar fehlerhafter Anwendung von § 185 ZPO ergangene Anordnung der öffentlichen Zustellung lediglich Fristen nicht in Gang setzt, im Übrigen in ihrer Wirksamkeit aber nicht berührt wird. Ansonsten ist die richtig ausgeführte öffentliche Zustellung wirksam, selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Voraussetzungen für deren Bewilligung nach § 185 ZPO nicht erfüllt gewesen sein sollten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8.11.2001, Az:: 6 W 30/2001 zit. nach iuris; OLG Hamm, MDR 1997, 1155; OLG Köln, Urteil vom 1.7.2002 - Az.: 2 U 6/92 - zit. nach iuris).

b) Das Landgericht hat die öffentliche Zustellung der Klage wie auch des Versäumnisurteils auf § 185 Nr. 1 ZPO, mithin auf den unbekannten Aufenthalt des Beklagten gestützt. Mit Schreiben vom 11.10.2005 des Präsidenten des Landgerichts Saarbrücken (Bl. 16 d. A.) wurde das Ersuchen, die Klage in Frankreich zuzustellen, zurückgegeben mit dem Zusatz, "dass der Zustellungsempfänger nach T./Albanien verzogen sei." Eine in Frankreich durchgeführte Einwohnermeldeamtsanfrage ergab, dass der Adressat keinen Wohnungswechsel angezeigt habe (Bl. 19, 19 R d. A.). Mit Schriftsatz vom 26.1.2006 (Bl. 21 d. A.) teilte der Klägervertreter mit, dass eine Anfrage in der Deutschen Botschaft in T. ergeben habe, dass in Albanien kein zentrales Melderegister bestehe, der Beklagte der Deutschen Botschaft nicht bekannt und in der dort geführten Liste nicht erfasst sei.

Demgegenüber hat der Beklagte unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung auch seiner Ehefrau glaubhaft gemacht, dass er seit Februar 2000 ununterbrochen an der in der Klageschrift angegebenen Adresse "<Straße, Nr.> in F -<PLZ, Ort>" gewohnt habe und eine Zustellung unter dieser Adresse jederzeit möglich gewesen wäre. Er hat verschiedene öffentliche Abgabebelege und andere in dem Zeitraum März bis November 2005 zugegangene Schriftstücke vorgelegt und auch sein Vorbringen unter Beweis gestellt (Bl. 50 ff d. A.). Diese Umstände wären im Ergebnis aber für die Frage der Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung bzw. ihrer Eignung, entsprechende Fristen in Lauf zu setzen, nur dann relevant, wenn die Bewilligung der öffentlichen Zustellung auf einer erkennbar fehlerhaften Anwendung des § 185 ZPO beruht. Letzteres muss auf der Grundlage des dem Senat vorliegenden Akteninhalts bejaht werden.

c) Es kann letztlich für die Entscheidung dahinstehen, ob seitens des Landgerichts von der Klägerin nicht vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung weitere Nachforschungen hätten verlangt werden müssen (ggfls. Beauftragung einer Person, die vor Ort durch Befragung von Nachbarn pp. ermittelt), was angesichts der räumlichen Nähe des Zustellungsortes und des der Klägerin zur Verfügung stehenden Verwaltungsapparates keinen unzumutbaren Aufwand verursacht hätte. Dies gilt jedenfalls im Hinblick darauf, dass die Anfrage bei dem Bürgermeisteramt in <Ort> gerade ergab, dass kein Wohnungswechsel angezeigt worden war.

Von wesentlicher Bedeutung ist aber, dass die Mitteilung des Ergebnisses des erfolglosen Zustellversuches vorliegend im entscheidenden Punkt unergiebig war. In der Akte befindet sich auf Blatt 16 lediglich eine Mitteilung des Präsidenten des Landgerichts an die erkennende Kammer, dass das Zustellungsersuchen unerledigt zurückgesandt wurde, da der Zustellungsempfänger nach T./Albanien verzogen sei. Das erwähnte Zustellungsersuchen befindet sich nicht in den Akten. Zu der entscheidenden Frage, worauf diese Erklärung beruht bzw. wer diese Erklärung abgegeben hat und mit wem die französische Zustellperson Kontakt aufgenommen hat, enthält die Mitteilung keinerlei Angaben. Es bleibt offen, ob der Beklagte dort zufällig gerade nicht anwesend war, ob versucht wurde, die Klage durch Übergabe an die Ehefrau zur späteren Aushändigung oder in anderer Weise zuzustellen, insbesondere bleibt offen, ob die Erklärung von einer autorisierten Person stammte, die über die wahren Verhältnisse informiert war. Mithin bot die für die rechtliche Bewertung durch den Senat maßgebliche Mitteilung unter Berücksichtigung der übrigen Umstände keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass der Beklagte sich an dieser Adresse nicht mehr aufhält und unbekannten Aufenthalts ist. Nach Aktenlage sind über die Mitteilung des unerledigten Zustellungsersuchens hinaus keine weiteren Unterlagen vorhanden, so dass der Senat im Rahmen der von ihm zu treffenden Entscheidung davon ausgehen muss, dass weitere Informationen, die die aufgezeigten relevanten Informationsdefizite nicht entstehen ließen, im Zeitpunkt der Bewilligung der öffentlichen Zustellung nicht vorlagen.

Die fehlende weitergehende Aufklärung, mit wem die Zustellungsperson Kontakt aufgenommen hatte und was diese im Einzelnen unternommen hatte, kann auch im Nachhinein nicht nachgeholt werden (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 303). Dies hätte vor der Bewilligung der öffentlichen Zustellung geschehen müssen, ist aber nach Aktenlage unterblieben.

2. Hieraus folgt zwingend, dass die Einspruchsfrist durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Gang gesetzt wurde und daher durch den Einspruch des Beklagten vom 9.5.2007 jedenfalls gewahrt wurde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dies nach § 189 ZPO durch anderweitigen früheren Zugang des Urteils bei dem Beklagten bewirkt worden sein soll, entsprechendes hat die Klägerin jedenfalls nicht vorgetragen. Damit ist das erstinstanzliche Verfahren fortzusetzen, das nicht zu einem wirklichen Abschluss gelangt ist, ohne dass es einer Wiedereinsetzung in evtl. versäumte Fristen bedürfte.

Da nicht auszuschließen ist, dass bei Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vorbringens der Parteien und gegebenenfalls erforderlicher Beweiserhebung zur Sache eine andere Urteilsentscheidung ergangen wäre, beruht das Urteil auch auf dem aufgezeigten Fehler. Der Rechtsstreit ist insbesondere mit Blick auf die Hinweise des Landgerichts im Termin vom 23.10.2007 (Bl. 145 d. A.) sowie in Ansehung der von ihren tatsächlichen Voraussetzungen durch das Landgericht noch näher zu prüfenden Verjährungsfrage nicht entscheidungsreif.

II.

Dem Erfordernis eines besonderen Antrags ist genügt, denn der Beklagte hat zumindest hilfsweise einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Sache an das Erstgericht gestellt (Bl. 195 d. A.). Der Senat macht von dem ihm durch § 538 Abs. 2 ZPO eröffneten Ermessen Gebrauch, die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen, da das Landgericht zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstandes noch nicht Stellung genommen hat und in Ansehung der zur erstmaligen Tatsachenfeststellung ggfls. notwendigen Beweiserhebung die Parteien der Sache nach darauf verwiesen würden, ihren Streit durch das Berufungsgericht entscheiden zu lassen. Gleichermaßen bleibt dem Landgericht die Entscheidung über den von dem Beklagten (erneut) gestellten Antrag zu Ziffer 2 2. Halbsatz (Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil) vorbehalten.

C.

Hinsichtlich der Gerichtskosten war in Anwendung des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG zu entscheiden wie geschehen. Die Entscheidung über die Kosten im Übrigen war dem zu erlassenen erstinstanzlichen Urteil vorzubehalten.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 775 Nr. 1 ZPO (so BGH JZ 77, 232; Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., Rz. 6 zu § 704 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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