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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 1 U 758/01
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2 Fall 1
BGB § 196
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 196 Abs. 2
BGB § 197
BGB § 198
BGB § 201
VOB/B § 16 Nr. 2
VOB/B § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1
HGB § 1
HGB § 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 758/01

Verkündet am 17. April 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Theis, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein sowie der Richterin am Oberlandesgericht Quack

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 31. August 2001 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 10 O 388/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Klägerinnen zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Klägerinnen und der Streitwert des Berufungsverfahrens werden auf 19.699,55 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Abwasserverband, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, dessen Rechtsnachfolger der beklagte Entsorgungsverband, ebenfalls eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist, erteilte den in einer Arbeitsgemeinschaft verbundenen, von der Klägerin zu 1. vertretenen Klägerinnen (fortan: die Klägerin) am 10. Oktober 1995 den Auftrag für das Bauvorhaben Abwasseranlage, schlüsselfertiger Neubau der Kläranlage (Bl. 159 ff. d.A.). Zwischen den Parteien war die Geltung der VOB/B und C vereinbart. Nach Beendigung des Werkes fertigte die Klägerin am 31. Dezember 1997 eine Schlussrechnung, die der Beklagten über ihren Prüfingenieur laut Eingangsstempel am 22. Oktober 1998 zugegangen ist (Bl. 190 d.A.). Der von der Beklagten aus der Schlussrechnung gestrichene Betrag in Höhe von 38.529,18 DM bildet den Gegenstand der am 26. Oktober 1999 eingereichten und nach der am 30. Januar 2001 bewirkten Zählung des Gerichtskostenvorschusses (Bl. 214 d.A.) am 1. Februar 2001 (Bl. 219 d.A.) zugestellten Klage.

Das Landgericht hat die Klage wegen der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.

Infolge der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung ist die Beklagte berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 222 BGB). Die Verjährungsfrist für die Klageforderung ist gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB am 31. Dezember 2000 abgelaufen. Da die Klage erst am 1. Februar 2001 zugestellt wurde und zu diesem Zeitpunkt die Verjährung jedoch schon vollendet war, fehlt es an einer rechtzeitigen Unterbrechung der Verjährung (§ 209 Abs. 1 BGB; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 208 Rn. 1).

1. Der Anspruch der Klägerin ist mit Ablauf des 22. Dezember 1998 fällig geworden. Die Verjährungsfrist begann gemäß § 201 BGB ab dem 1. Januar 1999 zu laufen.

a) Gemäß § 198 BGB beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Entstanden ist er zwar bereits mit Abschluss des Werkvertrages. Für die Verjährung maßgebend ist aber erst der Zeitpunkt der Fälligkeit (BGH NJW 1968, 1962). Bei einem der VOB/B unterliegenden Bauvertrag richtet sich die Fälligkeit der Schlusszahlung nach § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1. Danach ist die Schlusszahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der Schlussrechnung, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten nach deren Einreichung zu leisten. Für die Verjährung des Anspruchs auf die Schlusszahlung kommt es deshalb nicht allein auf die Einreichung der Schlussrechnung, sondern auf den nach § 16 Nr. 2 VOB/B zu bestimmenden Fälligkeitszeitpunkt an (BGH NJW 1982, 1815; NJW 1968, 1962). Mithin tritt die Fälligkeit spätestens mit Ablauf von zwei Monaten nach Zugang der Schlussrechnung ein.

b) Ausweislich des Eingangsstempels (Bl. 190 d.A.) ist die Schlussrechnung der Beklagten am 22. Oktober 1998 zugegangen. Die danach in Gang gesetzte Zwei-Monats-Frist ist mit Ablauf des 22. Dezember 1998 verstrichen (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Fall 1 BGB). Folglich war mit dem 23. Dezember 1998 Fälligkeit eingetreten.

c) Für die von §§ 196, 197 BGB erfassten Ansprüche beginnt die Verjährung nach § 201 BGB mit dem ersten Tag des Kalenderjahres, das auf den Fälligkeitszeitpunkt folgt (Münchener Kommentar/Grothe, BGB, 4. Aufl., § 201 Rn. 1). Folglich begann die Verjährung am 1. Januar 1999 zu laufen.

2. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwei Jahre und ist am 31. Dezember 2000 abgelaufen.

a) Die Ansprüche eines Bauunternehmers auf Vergütung für seine Bauleistungen verjähren nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB in zwei Jahren auch dann, wenn er weder Kaufmann im Sinne der §§ 1, 2 HGB ist noch selbst handwerksmäßig in seinem Betrieb mitarbeitet. Die kurze Verjährung ist nicht wegen der Person des Betriebsinhabers, sondern wegen der Art der in dem Betrieb ausgeführten Geschäfte eingeführt. Diese sollen in nicht allzu langer Zeit endgültig abgewickelt und dem Streit der Parteien entzogen sein. Es ist daher nicht darauf abzustellen, ob der Betriebsinhaber persönlich selbständiger Handwerker ist oder ob ihm diese Eigenschaft abgesprochen werden muss, insbesondere weil er selbst wegen der Größe seines Betriebes nicht an dem technischen Herstellungsprozess beteiligt ist, sondern nur die kaufmännische Geschäftsführung inne hat. Es kommt vielmehr darauf an, aus welchen Geschäften die zu beurteilenden Ansprüche hergeleitet werden, ob diese ganz oder jedenfalls im Wesentlichen aus handwerklicher Arbeit herrühren (BGHZ 39, 255, 259= NJW 1963, 1398 f.). Diese Voraussetzung ist bei Bauunternehmern in aller Regel erfüllt, auch wenn sie selbst nicht handwerksmäßig in ihrem Betriebe mitarbeiten. In diesem Fall müssen sie notwendig eine größere oder geringere Zahl handwerklich ausgebildeter Kräfte beschäftigen, um die ihnen übertragenen Arbeiten ausführen zu können (BGHZ 39, 255, 259 f.). Da die Klägerin die von ihr geschuldeten Arbeiten handwerksmäßig vornehmen ließ, ist die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB maßgeblich.

b) Die Frist des §§ 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird nicht durch die Vier-Jahres-Frist des § 196 Abs. 2 BGB ersetzt. Die Beklagte betreibt nämlich keinen Gewerbebetrieb.

aa) Als Gewerbebetrieb im Sinne des § 196 BGB ist jeder berufsmäßige Geschäftsbetrieb zu verstehen, der von der Absicht dauernder Gewinnerzielung beherrscht ist (BGH NJW 1968, 639). Auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft kann ein Gewerbe betreiben, wenn sie dabei zugleich in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen, gemeinnützigen Aufgabe tätig wird. Dann muss es sich aber um ein wirtschaftliches Unternehmen handeln. Es muss eine Tätigkeit ausgeübt werden, die nicht nur allein und herkömmlich mit der Zielrichtung einer öffentlichen Aufgabe betrieben wird. Eine solche Tätigkeit ist keine Gewerbeausübung (BGH NJW 1970, 938 f.). Wirtschaftliche Unternehmen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sind jedoch nur solche Einrichtungen und Anlagen, die auch von einem Privatunternehmer mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können und gelegentlich auch betrieben werden (BGH NJW 1982, 1815 f.; NJW 1970, 938). Das ist beispielsweise bei einer Anlage zur Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung nicht der Fall, weil die Versorgung mit Wasser oder die Beseitigung von Abwässern durch eine von der Gemeinde errichtete und unterhaltene Anlage eine rein öffentlich-rechtliche gemeinnützige Aufgabe ist (BGH NJW 1982, 1815 f.; NJW 1970, 938).

bb) Ohne Rücksicht auf eine etwaige wirtschaftliche Zielsetzung fehlt der Beklagten allein deshalb der Charakter eines Gewerbebetriebs, weil die Aufgabe der Abwasserbeseitigung, welche die Bauleistungen der Klägerin zum Gegenstand haben, öffentlichrechtlicher, gemeinnütziger Art sind und nicht von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden (BGH NJW 1982, 1815 f.; NJW 1970, 938 f.). Es ergibt sich hier zudem aus der Verbandssatzung der Beklagten, dass sie kein wirtschaftliches Unternehmen betreibt. Nach § 37 der Verbandssatzung erstrebt die Beklagte keinen Gewinn. Vielmehr sollen nach § 14 Abs. 2 der Satzung Beiträge und Gebühren lediglich kostendeckend sein. Fehlt es aber an einer gewerblichen Betätigung, so ist für die vierjährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 2 BGB kein Raum.

3. Dementsprechend ist die Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2000 abgelaufen und konnte durch die am 1. Februar 2001 zugestellte Klage (Bl. 217 d.A.) nicht mehr unterbrochen werden. Auch scheidet eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung aus (§ 270 Abs. 3 ZPO), weil die Klage nicht demnächst zugestellt wurde.

a) Ob eine Zustellung demnächst erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck des § 270 Abs. 3 ZPO. Diese Regelung ist nicht rein zeitlich zu verstehen. Nach der Rechtsprechung soll die Partei bei der von Amts wegen bewirkten Zustellung vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden, da sie von der Partei nicht beeinflusst werden können. Hingegen sind der Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. Eine Zustellung demnächst nach Einreichung einer Klage bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist, wenn die Partei oder ihr Bevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Das ist nicht der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat. Verzögerungen von weniger als zwei Wochen sind geringfügig und für eine Partei unschädlich (BGH NJW 1993, 2811 f.). Umgekehrt ist eine Verzögerung von mehr als zwei Wochen als nicht mehr geringfügig zu bewerten (BGH NJW 1986, 1347; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 270 Rn. 7).

b) Allerdings besteht keine gesetzliche Verpflichtung, den Gebühren- und Auslagenvorschuss nach Einreichung einer Klage ohne Anforderung seitens des Gerichts zu bezahlen. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger im Sinne größtmöglicher Beschleunigung zu wirken hat, um eine Zustellung demnächst im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO zu erreichen (BGH NJW 1993, 2811). Daher hat bei der Beurteilung, ob die Zustellung demnächst erfolgt ist, die bis zum Eingang der Zahlungsaufforderung verstrichene Zeit außer Betracht zu bleiben (BGH NJW 1993, 2811 f.). Daher darf die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich erst vom Zeitpunkt des Eingangs der Zahlungsaufforderung berechnet werden (BVerfG NJW 2001, 1125 f.).

c) Diese Rechtsprechung muss jedoch dahin verdeutlicht werden, dass der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter nicht unbegrenzt lange völlig untätig bleiben darf, nur weil noch keine gerichtliche Zahlungsaufforderung vorliegt.

aa)

Der Sinn der erwähnten Rechtsprechung besteht in erster Linie darin, dem Kläger die Berechnung und Einzahlung des Prozesskostenvorschusses vor oder bei Einreichung der Klage zu ersparen. Dem liegt unausgesprochen der Gedanke zu Grunde, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge werde das Gericht sodann von sich aus innerhalb angemessener Zeit den Vorschuss anfordern. Erfolgt binnen angemessener Zeit eine solche Anforderung nicht, muss der Prozessbevollmächtigte entweder die gerichtliche Berechnung und Anforderung des Vorschusses in Erinnerung bringen oder - wie es hier objektiv zu spät geschehen ist - den Vorschuss von sich aus berechnen und einzahlen oder durch die Partei einzahlen zu lassen. Das ist ihm im Rahmen einer angemessenen Fristenkontrolle zumutbar und mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Gegenpartei unerlässlich (BGH NJW 1978, 215 f.).

bb)

Die Klage war am 26. Oktober 1999 eingereicht worden. Etwa 15 Monate später hat die Klägerin am 30. Januar 2001 von sich aus den Gerichtskostenvorschuss einbezahlt. Folglich ist die Klägerin mehr als 15 Monate lang untätig geblieben, ohne bei dem Gericht Nachfrage, über die Behandlung ihrer Klage zu halten. Selbst wenn man der Klägerin eine Einreichung der Klage kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2000 zubilligt, hätte sie spätestens binnen drei Wochen die Sache bei Gericht in Erinnerung bringen müssen (BGH NJW 1978, 215 f.). Auch diese Frist wurde versäumt, weil der Gebührenvorschuss erst vier Wochen später, nämlich am 30. Januar 2001, einbezahlt wurde. Mithin scheidet auch eine demnächst erfolgte Zustellung aus.

4. Schließlich kommt eine Hemmung der Verjährung (§ 202 BGB) nicht in Betracht.

Die Parteien sind hier kein Stillhalteabkommen eingegangen. Die Parteien haben keine vertragliche Einigung erzielt, sondern lediglich Verhandlungen geführt, die keine Hemmung der Verjährung auslösen (Münchener Kommentar/Grothe, a.a.O., § 202 Rn. 10). Die konträren Auffassungen der Parteien über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bewirken keine Hemmung der Verjährung. War eine Schiedsgerichtsvereinbarung entgegen der von der Beklagten im Schreiben vom 29. März 1999 (Bl. 199 d.A.) geäußerten Rechtsauffassung nicht getroffen, so konnte die Klägerin unmittelbar die staatlichen Gerichte anrufen. Bedurfte es, um die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts herbeizuführen, noch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung, so war es Sache der Klägerin, ob sie sich auf dieses Prozedere einließ. Die Klägerin hätte nämlich von vorneherein die Einschaltung eines Schiedsgerichts ablehnen und die staatlichen Gerichte anrufen können. Ließ sich aber die Klägerin auf Verhandlungen über den Abschluss einer Schiedsvereinbarung ein, so kann daraus ein Stillhalteabkommen nicht hergeleitet werden.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO beruht.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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