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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.07.2002
Aktenzeichen: 1 U 81/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 598
BGB § 917
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLANDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 81/02

Verbündet am 24. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Theis, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein und der Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. November 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 16 O 444/00 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Klägerin wird auf 10.225 EURO festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter, in gelegener Hausgrundstücke. Beide Grundstücke grenzen unmittelbar an eine öffentliche Straße, die an. Auf dem Grundstück der Beklagten verläuft ein Weg in den rückwärtigen Bereich beider Grundstücke, den die Klägerin und ihre Angehörigen in der Vergangenheit benutzten, um Fahrzeuge im Hof des Grundstücks der Klägerin abzustellen.

Seit Juli des Jahres 2000 verweigert die Beklagte die weitere Benutzung des in ihrem Eigentum stehenden Weges. Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die auf Duldung eines Notwegs gerichtete Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Klägerin kann nicht von der Beklagten die Einräumung eines dinglichen Notwegs (§ 917 BGB) veranspruchen.

a) Wie der Bundesgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, sind angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, bei der Beurteilung der Frage, ob eine notwendige Verbindung fehlt, strenge Anforderungen zu stellen; Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit rechtfertigen noch nicht die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabes kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Fälle überaus zahlreich sind, in denen Wohngrundstücke nicht mit einem Kraftfahrzeug erreicht werden können (BGHZ 75, 315, 319). Deshalb ist es nicht angängig, in Fällen, in denen es für das platzmäßig an sich mögliche Abstellen von Kraftfahrzeugen auf einem Wohngrundstück an der hierfür erforderlichen Zufahrt fehlt, grundsätzlich einen Notweganspruch zuzubilligen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände einen solchen Anspruch zu verneinen (BGHZ 75, 315, 318).

b) Nach diesen Maßstäben steht der Klägerin ein Notwegerecht gegen die Beklagte nicht zu. Die ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks der Klägerin ist auch gewährleistet, wenn sie nicht die Möglichkeit hat, darauf Kraftwagen abzustellen. Ein Notwegeanspruch kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann nicht zugebilligt werden, wenn, wie hier, davon auszugehen ist, dass Kraftfahrzeuge vor dem Grundstück, in seiner nächsten Nähe oder in benachbarten Straßen abgestellt werden können (BGHZ 75, 315, 318).

2. Eine Duldungspflicht kann auch nicht aus einem schuldrechtlichen Gestattungsvertrag, der als Leihe (§ 598 BGB) zu bewerten ist, hergeleitet werden.

a) Zwar hat die Beklagte die Benutzung ihres Grundstücks als Zugang zum hinteren Grundstücksteil der Klägerin über mehrere Jahre geduldet. Daraus kann die Klägerin aber allenfalls einen Leihvertrag (§ 598 BGB) herleiten. Der durch schlüssiges Verhalten zu Stande gekommene Vertrag ist im Hinblick auf seine wirtschaftliche Tragweite dahin auszulegen, dass der Beklagten die jederzeitige Beendigung des Schuldverhältnisses vorbehalten bleiben. Nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte durfte die Klägerin nicht annehmen, die Beklagte wolle ihr den Gebrauch des Nachbargrundstücks so lange gewähren, als ihr eigenes Gebäude genutzt wird. Dagegen steht die wirtschaftliche Erfahrung, dass ein Eigentümer, der es entschädigungslos duldet, wenn sein Nachbar oder dessen Mieter ohne Erlaubnis über sein Grundstück gehen, sich jedenfalls die freie Entschließung darüber vorbehält, ob er den beeinträchtigenden Zustand weiterbestehen lässt oder beendet (LG Gießen, MDR 1995, 257 f.). Dies hat zur Folge, dass jederzeit eine Kündigung des Leihvertrages ohne besondere Gründe möglich ist (OLG Hamm NJW-RR 1997, 137 f.).

b) Vorliegend hat die Beklagte das Leihverhältnis konkludent gekündigt. Zum einen hat die Beklagte ihren Kündigungswillen verlautbart, indem sie den auf ihrem Grundstück verlaufenden Weg im Juli des Jahres 2000 tatsächlich versperrt hat. Im Übrigen kommt der Kündigungswille auch aus dem im vorliegenden Rechtsstreit gestellten Klageabweisungsantrag zum Ausdruck.

3. Schließlich kann die Klägerin eine Duldungspflicht nicht auf eine von den Rechtsvorgängern der Beklagten erteilte schuldrechtliche Gestartung stützen. Eine solche Gestattung wirkt nicht gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger (Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl., § 917 Rn. 2).

4. Ebenso folgt der Duldungsanspruch auch nicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses als einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergibt sich allerdings ein Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das auch Mitwirkungs- und Handlungsansprüche begründen kann. Hinsichtlich des Rechts auf Mitbenutzung eines Nachbargrundstücks sind die Pflichten aus diesem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber grundsätzlich in § 917 BGB abschließend geregelt (OLG Köln NJW-RR 1992, 213; Staudinger/Herbert Roth, BGB, 2002, § 917 Rn. 1 m.w.N.).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO beruht. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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