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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 1 Verg 1/07
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3
GWB § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT

BESCHLUSS

1 Verg 1/07

Verkündet am 25.07.2007

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 4.7.2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Theis, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und der Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer beschlossen:

Tenor:

1) Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Saarlandes vom 19.1.2007 - Az.: 3 VK 05/2006 - wird zurückgewiesen.

2) Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

3) Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin und die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer und im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe:

A.

Die Antragsgegnerin, die in ein Klinikum betreibt, plante, zur Kostenersparnis die labor-diagnostische Krankenversorgung zu privatisieren. Im Sommer 20005 leitete sie ein Vergabeverfahren ein. Zu diesem Zweck wählte sie sieben Praxen für Laboratoriumsmedizin aus und forderte sie auf, Angebote zur Übernahme der Labordiagnostik abzugeben. Gegen dieses Vergabeverfahren wandte sich die Antragstellerin im März 2006 durch Stellung eines Nachprüfungsantrags. Mit Beschluss der Vergabekammer vom 19.5.2006 wurde der Antragsgegnerin aufgegeben, das Vergabeverfahren aufzuheben und bei einer erneuten Ausschreibung die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten, insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis einer öffentlichen Ausschreibung. Hiergegen legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 20.9.2006 wies der Vergabesenat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurück und bestätigte die Rechtsauffassung der Vergabekammer.

Die Antragsgegnerin leitete in der Folge erneut ein Vergabeverfahren ein. Hierzu nahm sie unter dem Datum des 4.10.2006 im Deutschen Ausschreibungsblatt eine beschränkte Ausschreibung mit vorgeschaltetem öffentlichem Teilnahmewettbewerb vor. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war der 2.11.2006 angegeben, als Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. zur Teilnahme an "ausgewählte Bewerber" der 13.11.2006. Die Abgabe des detaillierten Angebotes wurde von der Antragsgegnerin auf den 4.12.2006 terminiert. Die Bindefrist für die Angebote der Bieter sollte am 15.1.2007 enden.

Die Veröffentlichung im Deutschen Ausschreibungsblatt gelangte der Antragstellerin am 1.12.2006 zur Kenntnis. Mit gleichem Datum, bei der Antragsgegnerin jedoch ausweislich des Eingangsstempels erst am 6.12.2006 eingegangen, stellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Teilnahmeantrag.

Mit Schriftsatz vom 6.12.2006, bei der Vergabekammer eingegangen am 11.12.2006, hat die Antragstellerin einen Antrag auf Nachprüfung gestellt mit dem Ziel, das laufende Vergabeverfahren aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, bei einer erneuten Ausschreibung die Rechtsauffassung der Vergabekammer sowie des erkennenden Senates zu beachten sowie ihr Akteneinsicht zu gewähren. Sie hat die Ansicht vertreten, die Antragsgegnerin habe sowohl das falsche Publikationsorgan als auch das falsche Vergabeverfahren gewählt. Das von der Antragsgegnerin praktizierte Verfahren entspreche nicht der Rechtsauffassung der Vergabekammer und des Vergabesenats. Es habe eine öffentliche Ausschreibung erfolgen müssen. Es sei auch zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen des Markterkundungsverfahrens die Antragstellerin nicht berücksichtigt habe, obwohl der Antragsgegnerin das Interesse der Antragstellerin aus dem vorausgegangenen Vergabenachprüfungsverfahren bekannt gewesen sei.

Mit Beschluss vom 19.1.2007 hat die Vergabekammer die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt:

Soweit die Antragstellerin das Ziel verfolge, eine Aufhebung des laufenden Vergabeverfahrens bzw. eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu erreichen, sei ihr Begehren gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 GWB unzulässig, da sie die beanstandeten Verstöße nicht rechtzeitig im laufenden Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin gerügt habe. Zudem fehle es an der erforderlichen Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Ihrem Begehren, ihr die Möglichkeit zu geben, im laufenden Vergabeverfahren ein Angebot abgeben zu können, könne ebenfalls nicht entsprochen werden. Wegen der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags stehe der Antragstellerin auch kein Recht auf Akteneinsicht zu.

Gegen diesen ihr am 24.1.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2.2.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor:

Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin sei nicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB präkludiert, da der Fehler der Antragsgegnerin, nämlich die Anwendung einer nicht zulässigen Vergabeart, auf eine Rüge nicht habe beseitigt werden können. Die Antragstellerin habe zudem rechtzeitig und angemessen reagiert. Die Antragstellerin sei durch die Wahl der falschen Vergabeart seitens der Antragsgegnerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 1 GWB verletzt und somit antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet; denn das gewählte Verfahren entspreche nicht dem Beschluss des erkennenden Senats.

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt,

1) in entsprechender Abänderung der Entscheidung der Vergabekammer des Saarlandes vom 19.1.2007 - 3 VK 05/2006 - das laufende Vergabeverfahren aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, bei einer erneuten Ausschreibung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 20.9.2006 zu beachten,

2) der Antragstellerin Akteneinsicht zu gestatten,

3) die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären sowohl im Verfahren vor der Vergabekammer wie auch im Beschwerdeverfahren.

Nachdem die Antragsgegnerin durch Vorlage des Schreibens vom 9.3.2007 (Bl. 38 f. d. A.) belegt hat, dass zwischenzeitlich der Zuschlag erteilt worden ist, hat die Antragstellerin die sofortige Beschwerde in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

die Erledigung der mit der Beschwerde verfolgten Anträge in der Hauptsache festzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den zuletzt gestellten Antrag zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer.

Wegen des Beschwerdevorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Vorliegend war über die sofortige Beschwerde in der Form des nach einseitiger Erledigungserklärung zulässig geänderten Antrags auf Feststellung der Erledigung (vgl. dazu Thomas-Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 91a Rdnr. 31 ff. m. w. N.) zu entscheiden. Diesem Antrag war nicht zu entsprechen.

Die Feststellung der Erledigung hätte vorausgesetzt, dass die sofortige Beschwerde anfänglich zulässig und begründet war (vgl. zur Klage Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 91a Rdnr. 43 m. w. N.). Dieses Erfordernis ist vorliegend nicht gegeben. Zwar war die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ursprünglich zulässig gemäß §§ 116, 117 GWB; sie war jedoch von Anfang an unbegründet.

Die sofortige Beschwerde hätte in der Sache nur dann Erfolg haben können, wenn der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig und begründet gewesen wäre. Dies ist nicht der Fall. Der Antrag entsprach nicht den Voraussetzungen des § 107 GWB und war daher unzulässig.

Zulässigkeit eines Antrags auf Nachprüfung setzt gemäß § 107 Abs. 3 GWB voraus, dass der angebliche Verstoß bereits im Vergabeverfahren gerügt worden ist. Dies ist im vorliegenden Fall, wie die Vergabekammer zu Recht ausgeführt hat, nicht erfolgt.

Die Antragstellerin hat nach ihrem eigenen Vorbringen am 1.12.2006 von der von ihr nunmehr beanstandeten Ausschreibung Kenntnis erhalten. Mit gleichem Datum hat sie an die Antragsgegnerin ein Schreiben gesandt (vgl. Bl. 8 d. A.); in diesem Schreiben hat sie jedoch lediglich einen Antrag auf Teilnahme an dem Teilnahmewettbewerb gestellt, die angeblich unzulässige Ausschreibung findet dort keine Erwähnung. Erst mit Schreiben vom 6.12.2006, bei der Vergabekammer eingegangen am 11.12.2006, in dem der Antrag auf Nachprüfung gestellt wurde, wird diese Rüge erstmals vorgebracht. Damit sind die Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 GWB vorliegend nicht gewahrt.

Die Rüge war vorliegend auch nicht entbehrlich. Soweit die Antragstellerin geltend macht, der von ihr beanstandete Fehler sei nicht "heilbar" gewesen, kann dem nicht gefolgt werden; denn es ist nicht erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin nicht von der gewählten Vergabeart hätte Abstand nehmen und zu einer öffentlichen Ausschreibung hätte übergehen können.

Da die Antragstellerin im übrigen keine Gründe vorgetragen hat, aus denen die Rügeobliegenheit im zur Entscheidung stehenden Fall ausnahmsweise verzichtbar gewesen wäre (vgl. dazu Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 107 GWB Rdnr. 34 m. w. N.), hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung zu Recht bereits mangels Zulässigkeit zurückgewiesen.

Zudem fehlte es vorliegend, auch insoweit ist den Ausführungen der Vergabekammer zu folgen, an der für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags weiter erforderlichen Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB.

Wer einen Nachprüfungsantrag stellt, hat zur Voraussetzung seiner Antragsbefugnis darzulegen, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Insoweit wird nicht verlangt, dass der Antragsteller nachweisen kann, dass er bei korrekter Anwendung der Vergabevorschriften den Auftrag erhalten hätte; andererseits ist insoweit auch nicht ausreichend irgendein möglicher Schaden; nach dem Normzweck erforderlich ist vielmehr eine gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß verursachte Minderung der Chancen auf den Zuschlag (vgl. hierzu Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, aaO, § 107 GWB Rdnr. 21 ff. m. w. N.). Auch diese Voraussetzung hat die Antragstellerin hier nicht dargetan.

Unterstellt, das von der Antragsgegnerin gewählte Ausschreibungsverfahren war im konkreten Fall unzulässig, ist die Kausalität zwischen Vergaberechtsverletzung und drohendem Schaden nicht belegt. Ein Schaden drohte der Antragstellerin dadurch, dass sie sich nicht - mehr - an dem Teilnahmewetterbewerb und damit an dem Ausschreibungsverfahren beteiligen konnte; eine realistische Chance auf den Zuschlag war daher nicht gegeben. Der maßgebliche Grund hierfür lag jedoch nach der vorliegenden Sachlage nicht in der Wahl des Ausschreibungsverfahrens, sondern im eigenen Verhalten der Antragstellerin. Diese hatte nämlich nicht dafür Sorge getragen, dass sie von der Ausschreibung rechtzeitig Kenntnis erhielt und so in die Lage versetzt wurde, die dort vorgesehenen Fristen einzuhalten. Hieran hätte sich nichts Entscheidendes geändert, wenn anstelle einer beschränkten Ausschreibung eine öffentliche Ausschreibung erfolgt wäre; auch in diesem Falle hätte die Antragstellerin, da sie dem Publikationsorgan, in dem die Ausschreibung erfolgte, keine Beachtung schenkte, von der Ausschreibung nicht rechtzeitig erfahren. Die Vergabekammer ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin die Kausalität zwischen angeblichem Vergabeverstoß und einem der Antragstellerin möglicherweise durch die Nichtbeteiligung am Ausschreibungsverfahren entstandenen Schaden nicht hinreichend dargelegt hat (vgl. dazu auch zu einem vergleichbaren Fall OLG Düsseldorf, Verg 6/06).

Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, das Publikationsorgan, in dem die Ausschreibung erfolgte, sei insoweit ungeeignet; dem kann nicht gefolgt werden. Das "Deutsche Ausschreibungsblatt", vormals "Bundesausschreibungsblatt", zählt vielmehr zu den wichtigsten Ausschreibungsblättern (vgl. dazu Reichling in: Müller-Wrede, VOL/A, 2. Aufl., § 17 Rdnr. 18).

Dass der Antragstellerin auch kein Anspruch auf Akteneinsicht zustand, hat die Vergabekammer ebenfalls zutreffend ausgeführt. Dies wird mit der sofortigen Beschwerde auch nicht im Einzelnen angegriffen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur Notwendigkeit der Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten beruht hinsichtlich des Verfahrens vor der Vergabekammer auf § 128 Abs. 4 S. 3 GWB, § 80 SVwVfG und erfolgt im Übrigen im Hinblick auf § 120 Abs. 1 S. 1 GWB zur Klarstellung.



Ende der Entscheidung

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