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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 212/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 12 Abs. 1
StGB § 56 Abs. 2
StGB § 57 Abs. 1
StGB § 57 Abs. 2
StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2
StGB § 57 Abs. 2 S. 2
StPO § 465 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

1 Ws 212/06

In der Strafvollstreckungssache

wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges

hat der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 19. Oktober 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Balbier die Richterin am Oberlandesgericht Burmeister den Richter am Oberlandesgericht Wiesen nach Anhörung des Verteidigers des Angeklagten beschlossen: Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 26. September 2006 wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer II des Landgerichts Saarbrücken vom 21. September 2006 aufgehoben und die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der durch Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 12. Oktober 2005 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 3 Monaten und einer Woche abgelehnt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der im Tenor genannten Strafe angeordnet. Die zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (§§ 454 Abs. 1, 2, 311 StPO) führt zu Aufhebung der Aussetzungsentscheidung.

Nach § 57 Abs. 2 Nr 2 StGB kann das Gericht die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zur Bewährung aussetzen, wenn die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen und die übrigen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB erfüllt sind.

Besondere Umstände sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung solche, die über die bereits gestellte günstige Sozialprognose hinaus eine Aussetzung der Hälfte der Strafe auch unter Berücksichtigung der vom Strafrecht geschützten Interessen ausnahmsweise rechtfertigen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 1997 - 1 Ws 53/97 -; 21. Oktober 1999 - 1 Ws 187/99 -; 14. Dezember 2001 - 1 Ws 200/01- ; OLG Stuttgart MDR 1993, 157; OLG München NStZ 1987, 74; OLG Koblenz StV 1991, 428; OLG Hamm StV 1998, 503; Tröndle-Fischer, StGB 53. A., § 57 Rn. 29 m.w.N.). Als geeignet angesehen werden zum einen Umstände, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen ein besonderes Gewicht haben (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1997, 323; OLG Hamm, StV 1998, 503; Thüring. OLG, StV 1998, 504; OLG München, NStZ 1987, 74). Auch kann es ausreichen, wenn eine größere Anzahl nur durchschnittlicher Milderungsgründe vorliegt, diese aber insgesamt ein solches Gewicht haben, dass sie den Grad der besonderen Umstände i. S. d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB erreichen (vgl. OLG Düsseldorf, StV 1989, 24; OLG Bamberg, StV1994, 252). Die Umstände müssen die Tat, ihre Auswirkungen bzw. die Entwicklung der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt vergleichbarer Fallgestaltungen so deutlich abheben und in einem so milden Licht erscheinen lassen, dass eine Strafaussetzung ohne Gefährdung der allgemeinen Interessen verantwortet werden kann.

Diesen Anforderungen genügt die von der Strafvollstreckungskammer vorgenommene Abwägungsentscheidung schon deshalb nicht, weil sie nur täterbezogene Umstände in den Blick nimmt, ohne diese zu den tatbezogenen Umständen, namentlich zu Art, Umfang und Dauer der Tatbegehung in Beziehung zu setzen. Zudem handelt es sich bei den von der Strafvollstreckungskammer angeführten Umständen der - erst 5-monatigen - beanstandungsfreien Führung im (offenen) Vollzug, eines fortbestehenden sozialen Empfangsraumes bei den Eltern und der bloßen Aussicht auf einen Arbeitsplatz trotz bisher fehlender Ausbildung überwiegend um solche, die lediglich zur Begründung einer positiven Sozialprognose geeignet sein mögen, nicht aber um besondere Umstände i.S. des § 57 Abs. 2 S. 2 StGB. Ohne Darstellung der Anlasstaten kann deshalb auch dem Umstand als solchem, dass es sich bei dem Verurteilten um einen Erstverbüßer handelt, ebenso wenig entscheidendes Gewicht zukommen wie der Tatsache, dass der Verurteilte (bisher) nicht aufgrund eines Gewaltdelikts in Erscheinung getreten ist und geständig war.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es bei der Entscheidung nach § 57 Abs. 2 StGB nicht wie bei § 56 Abs. 2 StGB darum geht, ob ein Straftäter für seine Tat überhaupt Strafe verbüßen soll, sondern darum, ob ein Straftäter, der bereits die Hälfte einer nicht unerheblich langen Freiheitsstrafe verbüßt hat, schon vor Ablauf von zwei Dritteln der Strafe bedingt entlassen werden soll, weshalb es im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, den Umständen der Tat ein geringeres und den besonderen Umständen in der Persönlichkeit des Täters ein größeres Gewicht beizumessen als bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB (vgl. OLG Frankfurt, StV 2005, 277; Thüring. OLG, StV 1998, 503; OLG Stuttgart, StV 1995, 261; OLG Zweibrücken, MDR 1979, 601).

Vorliegend können in den Taten indes nicht nur keine Umstände zugunsten des Verurteilten, stattdessen aber zahlreiche negative Faktoren gefunden werden, angesichts derer bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung die bedingte Entlassung des Verurteilten - nach Auffassung des Senats zumindest derzeit - noch nicht verantwortet werden kann.

Gegenstand der Verurteilung war nicht ein einmaliges Versagen des Verurteilten, sondern eine Vielzahl professionell geplanter Taten, die über den Zeitraum eines Jahres hinweg begangen wurden. Ausweislich der Urteilsfeststellungen war der Verurteilte bei der Begehung der 17 Taten des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs jeweils in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung (§§ 263 Abs. 5, 267 Abs. 4 StGB) - es handelt sich jeweils um Verbrechen i.S. des § 12 Abs. 1 StGB - eingebettet in die auf dauerhafte Zusammenarbeit angelegte kriminelle Struktur einer Bande. Er hat bei der Anmietung hochwertiger Fahrzeuge zum Zwecke der Verschiebung ins Ausland bzw. deren (versuchtem) Verkauf jeweils auch persönlich erhebliche kriminelle Energie aufgewendet. Durch die Taten sind beträchtliche Vermögensschäden verursacht worden, ohne dass mit einer Wiedergutmachung durch den Verurteilten gerechnet werden könnte.

Angesichts dieser negativen Tatfaktoren kann auch dem Geständnis des Verurteilten nicht das entscheidende Gewicht zukommen, zumal der Verurteilte sich noch vor dem Amtsgericht Kassel, dessen Einzelstrafen in die von dem Landgericht Saarbrücken gebildete Gesamtstrafe einbezogen worden waren, darauf berufen hatte, zwei der Taten zur Begleichung eigener, nicht unerheblicher Schulden unter dem Einfluss zweier unbekannter Männer, möglicherweise russischer Herkunft begangen zu haben. Diese Erklärung ist weder Ausdruck besonderer Aufklärungshilfe noch lässt sie die sichere Erwartung zu, der Verurteilte werde künftig auch beim Auftreten von Schwierigkeiten der Versuchung widerstehen, seine finanziellen Verhältnisse durch Straftaten aufzubessern.

Die angefochtene Entscheidung war daher mit der Kostenfolge entsprechend § 465 Abs. 1 StPO aufzuheben und die bedingte Entlassung des Verurteilten zum Halbstrafenzeitpunkt abzulehnen, ohne dass es noch darauf ankommt, dass gegen den Verurteilten am 22. September 2006 im Verfahren 36 Js 848/05 Anklage wegen einer am 16. März 2005 begangenen gefährlichen Körperverletzung erhoben wurde und die Unschuldsvermutung des Art. 6 II EMRK der Berücksichtigung dieser noch nicht abgeurteilten Tat im Rahmen der hiesigen Prognosebeurteilung nicht entgegen stünde.

Ende der Entscheidung

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