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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 4 U 143/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB, StVG


Vorschriften:

ZPO § 529
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1
BGB § 831
BGB § 831 Abs. 1 Satz 1
BGB § 831 Abs. 1 Satz 2
EGBGB Art. 229 § 8 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 8 a.F.
StVG § 9 a.F.
StVG § 10 a.F.
StVG § 11 a.F.
StVG § 12 a.F.
StVG § 13 a.F.
StVG § 14 a.F.
StVG § 15 a.F.
StVG § 17 Abs. 1 a.F.
StVG § 18
StVG § 18 Abs. 1 a.F.
Zum straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab beim Betrieb eines Umschlaglagers.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Februar 2005 - 17 O 52/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.903,89 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte aus abgetretenem Recht wegen der Beschädigung eines Pkws der Marke R. Megane nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 7.2.2001 auf dem Gelände der Firma A.- S.- C.- Ü. GmbH (im folgenden: ACÜ) ereignete. Die Firma ACÜ führt regelmäßig PKW-Transporte für die Deutsche R. AG durch und unterhält zum Zwecke des Umschlags der transportierten Pkws ein Privatgelände, welches durch eine rotweiße Schranke von der öffentlichen Verkehrsfläche abgetrennt ist. Unmittelbar an der Schranke befindet sich das Verkehrszeichen 274, welches die Höchstgeschwindigkeit auf dem Gelände auf 30 km/h beschränkt. Das Gelände ist durch weiße Fahrbahnmarkierungen in einzeln nummerierte Stellplätze und Fahrstraßen unterteilt.

Die Zeugin V. (im Folgenden: V.) befuhr mit dem R. Megane eine Fahrstraße, während der Beklagte zu 2) - aus Sicht der Zeugin von links kommend - mit einem S. Toledo aus einem Stellplatz herausfuhr. Hierbei kann es zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. An dem R. entstand ein Sachschaden von unstreitig 5.396,90 EUR. Dieser Betrag bildet zusammen mit Gutachterkosten in Höhe von 507,15 EUR und einer Bearbeitungspauschale in Höhe von 25,56 EUR die Klageforderung.

Der Beklagte zu 2) ist Mitarbeiter der Firma A. S. A., die ihrerseits von der Beklagten zu 1) als Unterfrachtführerin mit dem Transport des S. Toledo beauftragt wurde.

Die Klägerin hat behauptet, dass der R. im Eigentum der Deutschen R. AG gestanden habe. ACÜ habe die von der Deutschen R. AG ausgestellte Rechnung über die Reparatur des Fahrzeugs sowie die Gutachterkosten nebst Bearbeitungsgebühr beglichen. Mit Abtretungserklärung vom 15.6.2001 (GA I Bl. 167) trat die Deutsche R. AG alle Ansprüche aus dem Schaden vom 7.2.2001 an ACÜ ab, die ihrerseits die Ansprüche mit Erklärung vom 30.12.2001 an die Klägerin abtrat.

Die Klägerin hat zum Unfallgeschehen vorgetragen, dass der Beklagte zu 2) mit wesentlich höherer als mit der auf dem Betriebsgelände geltenden Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ungebremst "in den Kreuzungsbereich" eingefahren sei und hierbei die Regel "rechts vor links" verletzt habe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 5.903,89 EUR nebst 5% Zinsen hieraus seit dem 16.1.2002 zu bezahlen.

Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Sie haben behauptet, dass die Zeugin V. mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und sie deshalb ihre Pflicht zum umschauenden Führen des Fahrzeugs verletzt habe.

Das Landgericht hat die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage abgewiesen und der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Klage in Höhe eines Betrages von 3.935,93 EUR auf der Basis einer Haftung zu zwei Dritteln stattgegeben. Auf den Inhalt angefochtenen Entscheidung wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren im Umfang der Klageabweisung weiter. Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Beklagten zu 1) hinsichtlich einer Haftung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 831 BGB der Entlastungsbeweis gelungen sei. Denn die Beklagte zu 1) habe nicht vorgetragen, dass sie die Fahrweise des Beklagten zu 2) in der Vergangenheit überwacht habe. Der Geschäftsherr müsse prüfen, ob die notwendige Sachkunde zur Ausübung des Berufes gegeben sei, und im Rahmen dieser Auswahl auch prüfen, ob der Geschäftspartner selbst eine sorgfältige Überwachung seiner Mitarbeiter vornehme. All das sei nicht geschehen.

Weiterhin wendet sich die Berufung gegen die vom Landgericht festgesetzte Mithaftung. Die Berufung vertritt die Auffassung, dass den Beklagten zu 2) in der konkreten Unfallsituation die volle Haftung treffe. So habe die Zeugin V. selbst in Kenntnis der ständig stattfindenden Verladevorgänge nicht damit rechnen müssen, dass der Beklagte zu 2) die eindeutige Vorfahrtsregelung missachte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 22.2.2005 - 17 O 52/03 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 5.903,89 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.1.2002 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 2.6.2005 (GA II Bl. 339 ff.), auf die Berufungserwiderungen vom 15.6.2005 (GA II Bl. 359 ff.) und vom 7.7.2005 (GA II Bl. 362 ff.) Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (GA II Bl. 380 ff.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

II. A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da die angefochtene Entscheidung weder unter einem Rechtsfehler leidet, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO): Die gegen die Beklagten zu 1) gerichtete Klage hat weder aus der straßenverkehrsrechtlichen Haftung noch unter der deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 831 BGB Erfolg (1.). Auch soweit das Landgericht bei der Abwägung der Verursacherbeiträge zu Lasten der Klägerin eine Mithaftung der Zedentin von einem Drittel angerechnet hat, hält die Entscheidung den Angriffen der Berufung stand (2.).

1. Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Berufung hat keinen Erfolg. Soweit das Landgericht eine Haftung der Beklagten zu 1) unter dem Gesichtspunkt der straßenverkehrsrechtlichen Halterhaftung nicht für gegeben erachtet hat, wird auf die zutreffende, von der Berufung unangefochtene Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Entgegen der Auffassung der Berufung liegen auch die Voraussetzungen für eine deliktsrechtliche Haftung nach § 831 BGB nicht vor:

a) Verrichtungsgehilfe ist nur, wer von Weisungen seines Geschäftsherrn abhängig ist (allg. Meinung BGHZ 155, 205, 210). Das demnach erforderliche Weisungsrecht setzt voraus, dass der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 831 Rdnr. 6; MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 831 Rdnr. 10; Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 831 Rdnr. 59). Nach dieser Definition können selbständige Handwerker und Unternehmer in der Regel keine Verrichtungsgehilfen i. S. des § 831 BGB sein (BGH, Urt. v. 21.6.1994 - VI ZR 215/93; BGHR BGB § 831 Abs. 1 Subunternehmer 1; Urt. v. 24.6.1953 - VI ZR 322/52 - VersR 1953, 358; Urt. v. 23.10.1973 - VI ZR 162/72 - VersR 1974, 243 f.; BGH, Urt. v. 4.6.1956 - III ZR 238/54 - VersR 1956, 504, 505; ebenso MünchKomm(BGB)/Wagner, aaO., § 831 Rdnr. 12; Staudinger, aaO., § 831 Rdnr. 60; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 831 Rdnr. 18).

b) Diese Rechtsgrundsätze stehen einer Anwendung des § 831 BGB entgegen: Es gibt kein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 2) wurde nicht von der Beklagten zu 1), sondern von der Unterfrachtführerin A. mit dem Transport betraut.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterfrachtführerin A. ihrerseits Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 1) war: Im Regelfall nimmt der Hauptfrachtführer ebenso wenig wie ein Spediteur darauf Einfluss, wie der Unterfrachtführer den Transport organisiert. Die vertraglichen Absprachen beschränken sich im Wesentlichen auf die Bestimmung der Transportart sowie der Übernahme- und Ablieferungsmodalitäten. Entzieht sich die Organisation des eigentlichen Transportvorganges der Einflussnahme des Hauptfrachtführers oder Spediteurs, so tritt ein selbständiges Transportunternehmen nicht als Verrichtungsgehilfe i. S. des § 831 BGB auf (BGHZ 80, 1, 3 f.; vgl. BGHZ 26, 152, 159). Diese den Regelfall betreffenden Rechtsgrundsätze beanspruchen auch im vorliegenden Fall Geltung, da eine qualifizierte Einflussnahme der Beklagten zu 1) auf die Organisation des von A. durchgeführten Transportes nicht vorgetragen worden ist.

In jedem Fall ist nicht erkennbar, dass der Beklagte zu 2) irgendeiner Weisung der Beklagten zu 1) unterlag. War der Beklagte zu 2) bereits nach den vorgenannten Kriterien kein Verrichtungsgehilfe i. S. des § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, so kommt es auf den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr an.

2. Die straßenverkehrsrechtliche Haftung des Beklagten zu 2) richtet sich gem. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach § 18 StVG in der bis zum 31.7.2002 geltenden Fassung, da das schädigende Ereignis vor dem 31.7.2002 eingetreten ist.

a) Gem. § 18 Abs. 1 StVG a.F. ist in den Fällen des § 7 Abs. 1 StVG auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 8 bis 15 StVG a.F. verpflichtet. Die Ersatzsicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.

b) Die Haftungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG a.F. liegen vor. Auch auf ein fehlendes Verschulden kann sich der Beklagte zu 2) nicht berufen (dazu sogleich). Schließlich hat das Landgericht bei der Gewichtung der Verursacherbeiträge der Klägerin mit Blick auf das Fahrverhalten der Zeugin V. mit Recht eine Haftungsbeteiligung von einem Drittel auferlegt.

aa) Sind an dem die Haftung begründenden Schadensereignis mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz des dem jeweiligen Fahrzeughalter entstandenen Schadens sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gem. § 17 Abs. 1 StVG a.F. von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2000 - VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 17 Rdnr. 5). Dies gilt entsprechend für die Haftung des Fahrzeugführers (§ 18 III StVG a.F.).

bb) Nach den am Maßstab des § 529 ZPO nicht zu beanstandenden, für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts ereignete sich der Unfall nicht im Kreuzungsbereich zweier als Fahrstraßen markierter Bereiche. Vielmehr stieß der Beklagte zu 2) aus einer Parkbucht kommend mit dem die Fahrstraße befahrenden PKW der Zeugin V. zusammen: Das Landgericht hat sich mit Recht auf die Ausführungen des Sachverständigen E. gestützt, der sich auf schwarz-weiß Kopien von Lichtbildern berufen hat, die anlässlich der Ortsbesichtigung vom Zeugen O. vorgelegt wurden. Die Kollisionsstellung belegt, dass der Beklagte zu 2) von einer Parkbucht kommend den Bereich der Fahrstraße kreuzte. Dieses Geschehen deckt sich mit den Aussagen des Zeugen O. (GA I Bl. 157) und der Zeugin V., die ausgesagt hat, der Beklagte zu 2) habe die Regel "auch hinsichtlich der Zufahrt zu den einzelnen Parkflächen missachtet, d. h. er habe, um auf die fragliche Parkfläche zu kommen, die Fahrspur zwischen den Parkflächen gekreuzt". Ähnlich hat sich der Zeuge D. geäußert. Er hat bestätigt, dass der Beklagte zu 2) - um auf die für ihn zuständige dritte Parkbucht zu gelangen - die Fahrtstraße gekreuzt habe (GA I Bl. 154 f.).

cc) Legt man diesen Sachverhalt zu Grunde, so verletzte der Beklagte zu 2) die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in einer den Fahrlässigkeitsvorwurf rechtfertigenden Weise: Der auf dem Umschlagschlager eröffnete Verkehr hatte eine erhebliche Intensität. Ausweislich des vom Sachverständigen zu den Akten gereichten Lichtbildmaterials (GA II B. 215) sind auf dem Lagerplatz Stellplätze für mehrere hundert Fahrzeuge ausgewiesen. Bei dieser Sachlage ist ein gefahrloses Befahren des Umschlagslagers vor allem in Zeiten gleichzeitiger Be- und Entladung mehrerer LKWs nicht gewährleistet, weshalb der Betreiber des Platzes Verkehrsregelungsmaßnahmen ergriff: Der Platz ist mit deutlich sichtbaren Markierungen versehen, die der Benutzer unschwer als Markierungen von Standplätzen und zuführenden Fahrspurbereichen erkennen muss. Es ist aus sich heraus verständlich, dass die Standplätze zum Abstellen der Pkws, die hinführenden Fahrspuren zum Anfahren der Parkplätze Verwendung finden sollen. Dennoch missachtete der Beklagten zu 2) die Markierungen und wählte stattdessen mit dem Überfahren der Parkflächen eine Fahrweise, die ohne Not ein hohes Schadensrisiko in sich trug. Dies rechtfertigt den Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens.

dd) Jedoch trifft auch die Zeugin V. den Vorwurf, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt fahrlässig missachtet zu haben, da sie sich der späteren Unfallstelle mit einer in der konkreten Situation nicht angepassten Geschwindigkeit näherte: Zwar konnte nach den Feststellungen des Sachverständigen E. nicht bewiesen werden, dass die Zeugin schneller als 30 km/h fuhr. Dennoch kann sich die Zeugin mit der Einhaltung der vom Betreiber des Platzes vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit nicht entlasten, da die Verkehrssituation ein erhöhtes Schadensrisiko in sich trug, das nur durch eine deutliche Absenkung der Geschwindigkeit beherrschbar war.

aaa) Ein als Umschlaglager genutztes Betriebsgelände stellt erhöhte Anforderungen an die Vorsicht und Sorgfalt seiner Benutzer (vgl. KG OLGR 2006, 54, 55). Nicht selten werden die Verladevorgänge unter großem Zeitdruck abgewickelt. Hinzu kommt, dass die Fahrtrichtungen keinem einheitlichen Muster folgen, sondern vom jeweiligen Standort des Transportfahrzeugs bzw. der zu verladenen Fahrzeuge abhängig sind. Ähnlich wie auf Parkplätzen und in Parkhäusern müssen die Benutzer jederzeit mit rangierenden und aus Stellplätzen herausfahrenden Fahrzeugen rechnen (zu den Sorgfaltsanforderungen beim Befahren von Parkplätzen vgl. Hentschel, aaO., § 8 StVO Rdnr. 31a). Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob mit Blick auf diese der Zweckbestimmung eines Umschlagplatzes immanenten Risiken auf Umschlagplätzen der vorliegend zu beurteilenden Art im Regelfall nicht schneller als mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf (dagegen: KG OLGR 2006, 55). Jedenfalls war eine deutliche Unterschreitung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit aufgrund der Besonderheiten der konkreten Unfallsituation geboten:

bbb) Der Unfall geschah zwischen 6 und 7 Uhr morgens, also in Anbetracht des Datums bei Dunkelheit (GA I Bl. 154). Zeitgleich wurden nach der Aussage des Zeugen D. 10 LKWs entladen. Folglich herrschte reger Verkehr (GA I Bl. 155), da die zu entladenden bzw. zu verladenden PKWs gleichzeitig in verschiedenen Richtungen und mit verschiedenen Zielen bewegt wurden. Auf den Lichtbildern ist zu ersehen, dass die Parksituation aufgrund der dicht an dicht abgestellten Fahrzeuge selbst bei guten Sichtverhältnissen nicht ohne weiteres sicher überblickt werden kann. Nach alledem ist das Landgericht mit Recht zu dem Schluss gelangt, dass auch die Zeugin V. zum Unfallzeitpunkt mit einer Vorfahrtsverletzung rechnen musste: Es lag aus Sicht der Zeugin nicht fern, dass aus einer als Stellplatz gekennzeichneten Parkfläche ein Fahrzeug herausbiegen werde, welches für die Zeugin erst im letzten Moment sichtbar würde. Entgegen der Auffassung der Berufung konnte die Zeugin nicht auf eine strikte Einhaltung des Vorfahrtsgebots vertrauen, so dass eine Gefährdung des auf den Fahrstraßen rollenden Verkehrs ausgeschlossen gewesen wäre.

ee) Unter Beachtung der in der konkreten Situation gebotenen Sorgfalt hätte die Zeugin ihre Geschwindigkeit deutlich unter die 30 km/h absenken müssen. Der Senat hegt keinen Zweifel daran, dass sich die Überschreitung der gebotenen Geschwindigkeit zumindest auf die Höhe des entstandenen Sachschadens auswirkte: Die vom Sachverständigen ermittelte Anstoßsituation (GA I Bl. 211) belegt, dass der S. beim Versuch, die Fahrtrichtung des klägerischen Megane nach links zu kreuzen, mit dem Megane zusammenstieß. Hierbei erfolgte der Anstoß im vorderen Drittel des Megane, wobei das klägerische Fahrzeug die volle Aufprallenergie des S. aufnehmen musste. Wäre der R. am Reaktionspunkt mit deutlich geringerer Geschwindigkeit gefahren, so ist zwar nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht nachgewiesen, dass der Zusammenstoß vermieden worden wäre. Dennoch ist davon auszugehen, dass das Beklagtenfahrzeug die Fahrspur des klägerischen Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Kollision bereits so weit durchschritten gehabt hätte, dass der klägerische Megane mit der Frontpartie gegen den S. gestoßen wäre. In diesem Fall wäre die Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs für den entstandenen Schaden maßgeblich, die unter Berücksichtigung der gebotenen geringeren Ausgangsgeschwindigkeit und der Bremsverzögerung deutlich unter der vom Sachverständigen für den S. ermittelten Kollisionsgeschwindigkeit (10 - 15 km/h; GA I Bl. 226) gelegen hätte. Naturgemäß wäre hierdurch am klägerischen Fahrzeug ein geringerer Sachschaden entstanden.

ff) Zusammenfassend rechtfertigen Betriebsgefahr und hinzutretendes Verschulden die vom Landgericht festgesetzte Mithaftungsquote von einem Drittel. Damit ist der Berufung ein Erfolg zu versagen, ohne die Aktivlegitimation der Klägerin weiter aufzuklären: Es finden sich keine Feststellungen zur bestrittenen Frage, ob die R. Deutschland AG tatsächlich ursprünglich Eigentümerin des beschädigten Pkws war.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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