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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 4 U 216/04
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B, ZPO, InsO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 254
BGB § 649 Satz 2
BGB § 649 Satz 2 1. Halbsatz
BGB § 649 Satz 2 2. Halbsatz
BGB § 649 Satz 2 2. Halbsatz 2. Alt.
BGB § 649 Satz 2 2. Halbsatz 3. Alt.
VOB/B § 8 Abs. 1 (2)
VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 265 Abs. 2
ZPO § 529
ZPO § 540 Abs. 1 Ziff. 1
InsO § 85
InsO § 143
Zu den Voraussetzungen der Anrechnung eines Ersatzauftrags im Sinne des § 649 Satz 2 BGB.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

4 U 216/04

Verkündet am 31.5.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Göler sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr und Dr. Knerr auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11.3.2004 - 4 O 20/99 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 109.761,80 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. H. (im Folgenden: Auftragnehmerin) die Beklagte auf Zahlung von Werklohn in Anspruch.

Die Auftragnehmerin erhielt nach Ausschreibung den Auftrag zur Kanalverlegung in dem Bauvorhaben "Sanierung der Vorflut, - S. G. - Bauabschnitt ~straße". Der vereinbarte Werklohn belief sich auf 1.850.683,79 DM. Die Arbeiten waren im Juli 1998 bis zum Schacht Nr. fortgeschritten. Danach änderten sich die Bodenverhältnisse, weshalb die Beklagte den weiteren Auftrag mit Schreiben vom 11.9.1998 kündigte. Als Ersatzauftrag bot die Beklagte Bauarbeiten im Bereich der ~straße an, der gegen Zahlung eines Werklohns von 250.000 DM ausgeführt wurde. Wie bereits telefonisch avisiert, wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 22.12.1998 (Anlage K 11; GA I 76) an die Auftragnehmerin. Das Schreiben trägt auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Hiermit erteilen wir Ihnen den Auftrag zur Erneuerung von 2 Doppelkanalhaltungen in Höhe von ca. 360.000 DM brutto.

Der Auftrag wird Ihnen als Füll- bzw. Ersatzauftrag für die Teilkündigung..."Sanierung ~straße" i. S. von § 8 Abs. 1 (2) VOB/B erteilt.

Nach Aussage Ihres sehr geehrten Herrn D. wurde das Bauende der Maßnahme ~straße auf den 31. Januar 1999 von Ihnen neu festgelegt. Auch diesen Endtermin werden wir nicht akzeptieren."

Mit einem weiteren Schreiben vom 22.12.1998 (Anlage K 10, GA I Bl.75) erteilte die Beklagte der Auftragnehmerin einen Auftrag für die Erneuerung der Haltung in der ~straße. Das Auftragschreiben enthält den Zusatz:

"Füll- bzw. Ersatzauftrag für Teilkündigung vom 11.9.1998; Baubeginn sofort."

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zuletzt Zahlung des noch offenstehenden Rechnungsbetrags aus der Schlussrechnung vom 22.9.1999 in Höhe von 279.495 DM begehrt. In diesem Betrag ist eine Mehrforderung in Höhe von 256.088,16 DM gegenüber dem Angebot enthalten. Der Kläger hat hierzu die Auffassung vertreten, die Auftragnehmerin sei deshalb berechtigt, die zusätzlichen Kosten zu berechnen, da Erschwernisse in den Bodenverhältnissen aufgetreten seien. Darüber hinaus hat der Kläger Zahlung des Kündigungsausfalls begehrt, den er aufgrund eines Rechenfehlers statt mit 226.847,61 DM mit 256.847,61 DM beziffert. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, als Ersatzauftrag könne nur der erste Abschlag des Auftrags berücksichtigt werden, da die weiteren Arbeiten im zweiten Abschnitt und für den Auftrag ~straße außerhalb der Ausführungsfrist für den ursprünglichen Bauvertrag ~straße erbracht worden seien. Dass die Auftragnehmerin mit den Bauarbeiten für den Auftrag ~straße im Juli 1998 fast drei Monate in Rückstand gewesen sei, sei von der Auftragnehmerin nicht zu vertreten. In jedem Falle hätte der Rückstand bis Anfang 1999 ganz oder zum Teil aufgeholt werden können.

Am 30.6.2000 verkaufte und übertrug die Auftragnehmerin die streitgegenständliche Forderung an die Firma C. C. B. mbH (im Folgenden: Zessionarin) mit der Maßgabe, dass die Auftragnehmerin die laufenden Prozesse weiterführen solle (GA III Bl. 370 f.). Der Kläger ist am 1.12.2001 zum Insolvenzverwalter über ihr Vermögen bestellt worden und hat den Rechtsstreit aufgenommen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 536.343,15 DM nebst Zinsen an die Firma C. C. B. mbH in C. zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage unter Klageabweisung im Übrigen lediglich hinsichtlich eines Teilbetrags von 29.981,79 EUR stattgegeben hierzu ausgeführt: Die Klage sei im zuerkannten Umfang hinsichtlich der erbrachten Leistungen in Bezug auf die beiden streitigen Positionen "Stirnabbau" und "Bodenerschwernisse" teilweise begründet. Demgegenüber stünden dem Kläger aus dem gekündigten Teil des Auftrags ~straße keine Ansprüche zu, da der entsprechende Ausfall durch Ersatzaufträge ausgeglichen worden sei. Der Kündigungsschaden berechne sich ausgehend von einer ursprünglichen Auftragssumme von 1.609.290,25 DM abzüglich des unstreitigen Schlussrechnungsbetrages über 961.127,80 DM und abzüglich des ersparten Materials für die Nichtausführung des Auftrags in Höhe von 222.132,17 DM auf 462.030,23 DM. Von diesen Beträgen sei zunächst der unstreitige Ersatzbetrag aus den Aufträgen ~straße und, erster Abschlag, in Höhe von 198.235,61 DM sowie 13.119,25 DM abzuziehen, so dass ein Kündigungsschaden in Höhe von 214.675,37 DM verbleibe. Dieser Betrag werde jedoch durch die Erlöse aufgezehrt, die aus dem weiteren Teil des Auftrags sowie aus dem Auftrag ~straße erzielt worden seien. Beide Aufträge seien im Januar 1999 begonnen und sodann ausgeführt worden. Aus den Auftragssummen dieser Aufträge in Höhe von zusammen 460.000 DM ergebe sich mit Sicherheit auch bei Berücksichtigung der Materialkosten sowie des bereits geleisteten ersten Abschlags eine Summe, die höher sei als der vom Kündigungsschaden verbleibende Betrag von 214.675,37 DM. Die Aufträge ~straße und seien als Ersatzaufträge anzurechnen, weil die Auftragnehmerin diese Aufträge in Kenntnis dessen, dass die Beklagte sie nur als Ersatzaufträge habe vergeben wollen, tatsächlich ausgeführt habe. Der Umstand, dass die Auftragnehmerin zunächst dieser Einordnung widersprochen habe, ändere nichts daran. Denn sie habe durch ihren Entschluss, die Arbeiten auszuführen, faktisch in die Behandlung dieser Aufträge als Ersatzaufträge eingewilligt. Ihr Widerspruch sei als bloße protestatio contra facto contraria zu werten.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger ausschließlich dagegen, dass das Landgericht die auf Ausgleich des Kündigungsschadens gerichtete Klage abgewiesen hat.

Der Kläger trägt vor, das Schreiben der Beklagten vom 22.12.1998 (Anlage K 10; GA 1 B. 75) habe aufgrund der Weihnachtsfeiertage erst am 4.1.1999 zur Kenntnis genommen werden können. Dem als Anlage K 11 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 22.12.1998 (GA I Bl. 76) sei kein konkretes Angebot vorausgegangen. Zwar seien die Aufträge telefonisch avisiert gewesen. Dennoch habe der Zeuge D. der Beklagten in einem Telefonat mitgeteilt, dass eine Anrechnung als Ersatzaufträge hinsichtlich der Aufträge und ~straße nur bis zum 31.1.1999 in Betracht kommen könne. Damit habe die Auftragnehmerin beide Aufträge als Ersatzaufträge nur insoweit akzeptiert, als die zu erbringenden Leistungen in einem bis zum 31.1.1999 zu bemessenden Zeitraum hätten bewirkt werden können. Dies habe der Prozessbevollmächtigte der Auftragnehmerin in einem weiteren Schreiben vom 6.1.1999 erneut klargestellt. Danach habe die Auftragnehmerin die Arbeiten aufgenommen. Erst im gerichtlichen Verfahren habe die Beklagte der Auffassung widersprochen, wonach die Aufträge und ~straße nur anteilig als Ersatzaufträge für den gekündigten Auftrag ~straße anzusehen seien.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass zwischen der Kündigung des Auftrags ~straße und der Möglichkeit der Leistungserbringung für die Aufträge und ~straße ein kausaler Zusammenhang bestanden habe. Die Auftragnehmerin habe neben dem gekündigten Auftrag im Zeitpunkt der Kündigung wenigstens zwei weitere Aufträge bearbeitet. Zum einen habe es sich dabei um das Bauvorhaben der Kanalsanierung in S.- B., zum anderen um ein Bauvorhaben im S. R. gehandelt. Ob die Auftragnehmerin bis zum 31.1.1999 dazu in der Lage gewesen wäre, angesichts der beschriebenen Auftragslage die weiteren Aufträge zusätzlich anzunehmen, spiele keine Rolle. Der Betrieb der Auftragnehmerin sei während der Winterzeit des Jahres 1998 zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufträge ~straße und nicht ausgelastet gewesen. Sie wäre daher auch ohne die Kündigung des Auftrags ~straße in der Lage gewesen, diese beiden Aufträge anzunehmen. Hinzu komme, dass die Auftragnehmerin nicht berechtigt gewesen wäre, eine Annahme der als Ersatzaufträge bezeichneten Aufträge zu verweigern, da sie mit ihrer Verweigerung gegen den über § 242 BGB anwendbaren Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB verstoßen hätte. Dieser sei trotz der Fehler der Beklagten in ihrer Willensbildung gar nichts anderes übrig geblieben, als die beiden Aufträge anzunehmen.

Mit Schreiben vom 31.2.2005 ermächtigte der Insolvenzverwalter der Zessionarin den Kläger ausdrücklich zur gerichtlichen Geltendmachung der im Berufungsverfahren noch streitigen Klageforderung (GA IV Bl. 633).

Der Kläger hat (zuletzt) beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 11.3.2004 - 4 O 20/99 - die Beklagte zu verurteilen, an Herrn Rechtsanwalt Dr. C. J., , D., in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. C. B. mbH, , C., weitere 109.761,80 € nebst 11 % Zinsen seit dem 3.3.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Auftragnehmerin wäre erst im April 1999 mit den Arbeiten für den Auftrag ~straße zum Abschluss gekommen. Daher müsse sich die Auftragnehmerin die Aufträge für die Arbeiten in der ~straße und als Ersatzaufträge anrechnen lassen, ohne dass es auf ihren Widerspruch im Schreiben vom 6.1.1999 ankomme. Die Beklagte habe der Auftragnehmerin diese beiden Aufträge nur wegen der Kündigung des Auftrags ~straße zukommen lassen. Sie sei deshalb gezwungen gewesen, die beiden Aufträge anzunehmen, da sie sich sonst dem Vorwurf des § 8 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 zweiter Fall VOB ausgesetzt hätte.

Auch soweit das Landgericht die beiden Aufträge infolge einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien als Ersatzaufträge angerechnet habe, halte die Entscheidung des Landgerichts den Angriffen der Berufung stand, da das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Auftragnehmerin vom 6.1.1999 kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sei, dem die Beklagte hätte widersprechen müssen. Auch habe dieses Schreiben keine Ablehnung der Angebote der Beklagten vom 22.12.1998 oder ein neues Vertragsangebot enthalten, dem die Beklagte erneut hätte widersprechen müssen. Demnach könne der Kläger den ihm obliegenden Beweis nicht führen, dass die Verträge über die Aufträge ~straße und mit der von ihm behaupteten Modifizierung zu Stande gekommen seien.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO verwiesen. Die Einzelheiten der mündlichen Verhandlung ergeben sich aus den Protokollen vom 1.2.2005 (GA IV Bl. 622 ff.) und 17.5.2005 (GA IV Bl. 690 f.)

II.

A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung des vertraglich vereinbarten Werklohns für den gekündigten Auftrag zur Durchführung von Kanalarbeiten in der ~straße zu, da die Werklohnforderungen für die Arbeiten und ~straße den Kündigungsschaden nach den unangefochtenen, für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts übersteigen (§ 649 Satz 2 2. Halbsatz BGB).

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist trotz der Abtretung der streitbefangenen Forderung prozessführungsbefugt:

Die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.6.2000 erfolgte Abtretung ließ die Prozessführungsbefugnis der früheren Rechtsinhaberin zunächst unberührt: Da die Rechtsnachfolge in die Sachbefugnis der streitgegenständlichen Forderung nach Rechtshängigkeit erfolgte, hatte die Abtretung der Forderung auf den Prozess gem. § 265 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss.

Ob die Prozessführungsbefugnis gem. § 85 InsO hinsichtlich einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetretenen Forderung in jedem Fall auf den Insolvenzverwalter übergeht, ist umstritten (offenlassend zur KO: BGHZ 50, 397, 399). Für eine Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters streiten vor allem prozessökonomische Erwägungen. Denn eine zügige Erledigung des Rechtsstreit würde in vielen Fällen nicht unerheblich erschwert, wenn die Prozessführungsbefugnis nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem Schuldner verbliebe. Hierbei entstehen insbesondere dann nicht unerhebliche Schwierigkeiten, wenn - wie bei einer GmbH - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Auflösung der Gesellschaft führt und der Geschäftsführer seine gesetzlichen Befugnisse zur Vertretung der Gesellschaft verliert. Auch erscheint es ungereimt, die Insolvenzmasse dem Kostenrisiko auszusetzen, ohne dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Prozessführung einzuräumen.

Demgegenüber steht die Regelung des § 85 InsO einem Übergang der Prozessführungsbefugnis entgegen: Nach dieser Vorschrift ist der Insolvenzverwalter zur Führung von Aktivprozessen über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen befugt. Dazu zählt eine bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetretene Forderung nicht (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 85 Rdn. 8 ff.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 240 Rdn. 7 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 240 Rdn. 8).

Die Frage nach der Prozessführungsbefugnis eines Insolvenzverwalters für die Geltendmachung einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschiedenen Forderung bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Beantwortung: In jedem Fall besitzt der Insolvenzverwalter die Rechtsstellung eines gesetzlichen Prozessstandschafters dann, wenn die Insolvenzmasse durch den Streit um die abgetretene Forderung nach materiellem Recht zumindest mittelbar betroffen ist. Diese Voraussetzung wird in der Kasuistik insbesondere dann bejaht, wenn die streitige Forderung lediglich Erfüllungs halber abgetreten wurde und der Zessionar die Möglichkeit besitzt, im Falle des negativen Prozessausgangs die Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden (BGHZ 50, 399). Ebenso ist die Insolvenzmasse vom Ausgang des Rechtsstreits materiell betroffen, wenn dem Zessionar nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus der abgetretenen Forderung zusteht (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1996 - IX ZR 261/95, ZIP 1996, 1307). In der neueren Rechtsprechung wird der erforderliche materielle Bezug zur Insolvenzmasse auch dann anerkannt, wenn die Zession anfechtbar erfolgte und der Verwalter die Möglichkeit besitzt, gem. § 143 InsO die Rückgewähr des anfechtbaren Rechtserwerbs zur Insolvenzmasse zu betreiben (OLG Rostock EWiR 2005, 192 mit Anmerkung Naraschweski). Nicht anders ist zu entscheiden, wenn der Verwalter befürchten muss, die Insolvenzmasse durch eine nachlässige Prozessführung nicht nur mit der prozessualen Kostenfolge zu belasten, sondern Schadensersatzansprüchen des Zessionars auszusetzen. Auf diese Gefahr weist der Kläger mit Recht hin. Denn die Zedentin hat sich im Kaufvertrag vom 30.6.2000 ausdrücklich dazu verpflichtet, an der Durchsetzung der Forderung mitzuwirken und das Klageverfahren in Abstimmung mit der Zessionarin zu betreiben.

Daneben kann der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit die Prozessführungsbefugnis auf die rechtsgeschäftliche Ermächtigung zur Prozessführung durch den Insolvenzverwalter der Zessionarin stützen. Auch hier folgt das eigene schutzwürdige Interesse des Prozessstandschafters daraus, durch eine sorgfältige Prozessführung Schaden von sich selbst und der Insolvenzmasse abzuwenden. 2. In der Sache ist die Berufung nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einem Rechtsfehler, noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Nach der Kündigung des Werkvertrags steht dem Unternehmer gem. § 649 Satz 2 1. Halbsatz BGB die vertraglich vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Kündigung durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben hat.

a) Ohne Erfolg wendet die Berufung ein, ein Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Kündigungsausfallschadens bestehe bereits deshalb, weil sich die Parteien rechtsgeschäftlich darüber geeinigt hätten, dass die Aufträge und ~straße nur zeitanteilig bis zum 31.1.1999 als Ersatzaufträge für den gekündigten Auftrag ~straße bewertet werden sollten. Dieser Frage ist das Landgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht nachgegangen. Dennoch verhilft dieser rechtliche Ansatz der Berufung nicht zum Erfolg, da der Kläger den ihm obliegenden Beweis für eine diesbezügliche rechtsgeschäftliche Einigung nicht erbracht hat.

aa) Insbesondere wurde eine rechtsgeschäftliche Einigung nicht nach den Rechtsgrundsätzen des Schweigens auf den Zugang eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens herbeigeführt.

Als kaufmännisches Bestätigungsschreiben kommt allenfalls das nicht zu den Akten gelangte Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Auftragnehmerin vom 6.1.1999 in Betracht (die Anlage K 18 zum SS vom 24.8.1999 findet sich nicht in der Akte). Es kann dahinstehen, ob das Schreiben die rechtliche Qualität eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens besitzt. Denn die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Wirkungen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens jedenfalls dann nicht eintreten, wenn der Bestätigende inhaltlich so weit vom Ergebnis der Vorberatungen abweicht, dass der Absender vernünftigerweise mit dem Einverständnis des Empfängers nicht mehr rechnen kann (BGHZ 7, 190; 40, 44; 93, 338, 343; OLG Köln, NJW-RR 2003, 612; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 148 Rdn. 16). Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Die Beklagte hat nach dem unstreitigen Sachvortrag in den Telefongesprächen stets daran festgehalten, die Ersatzaufträge in vollem Umfange auf den Kündigungsausfall anzurechnen. Nichts anderes ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Anlagen K 10 und K 11. In dieser Situation konnte die Auftragnehmerin vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass die Beklagte den gegenteiligen Rechtsstandpunkt, der im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Auftragnehmerin vom 6.1.1999 zum Ausdruck gekommen ist, wortlos akzeptiert.

bb) Auch dadurch, dass die Beklagte die Arbeiten, die nach dem Vortrag des Klägers erst nach dem Zugang des Schreibens vom 6.1.1999 begonnen wurden, widerspruchslos entgegennahm, ist keine Einigung nach Maßgabe des Schreibens vom 6.1.1999 zustandegekommen. Es ist bereits fraglich, ob die widerspruchslose Zurkenntnisnahme der Werkleistung überhaupt die rechtliche Qualität einer Willenserklärung besitzt. In jedem Fall durfte die Auftragnehmerin aufgrund der deutlich geäußerten Vorbehalte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte allein durch die widerspruchslose Zurkenntnisnahme der Arbeiten von ihrem Rechtsstandpunkt abrücken wollte.

b) Liegt mithin eine rechtsgeschäftliche Einigung über die Höhe des durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft erzielten Erwerbs nicht vor, rechtfertigt auch die Regelung des § 649 Satz 2 BGB den Klageanspruch nicht.

aa) Gem. § 649 Satz 2 2. Halbsatz 2. Alt. BGB muss sich der Unternehmer all das anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt. Hierunter zählt jeder Erwerb, der zweifelsfrei durch die Kündigung des Bestellers verursacht worden ist. Mithin hängt die Anrechnung des aus einem Ersatzauftrag erzielten Erlöses davon ab, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung des Werkvertrags und der Erteilung des Ersatzauftrags besteht (MünchKomm(BGB)/Soergel, 3. Aufl., § 649 Rdn. 15; Staudinger/Peters, BGB, 13. Aufl., § 649 Rdn. 30; Ingenstau/Korbion/Vygen, VOB, 15. Aufl., § 8 Nr. 1 VOB/B Rdn. 67).

Nach der Äquivalenztheorie ist ein Ereignis dann für den Eintritt eines Erfolges ursächlich, wenn es nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (statt aller: Palandt/Heinrichs, aaO., vor § 249 Rdn. 57). Wendet man diesen Grundsatz an, so ist die Kausalität zwischen dem Ausspruch der Kündigung und der Erteilung der beiden Aufträge nachgewiesen:

bb) Die Beklagte hat in den Schreiben vom 22.12.1998 keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Aufträge als Ersatzaufträge für den gekündigten Auftrag erteilen wollte. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auch ohne Kündigung des ursprünglichen Auftrags bereit gewesen wäre, der Auftragnehmerin einen entsprechenden Auftrag zu erteilen, sind nicht ersichtlich und werden nicht aufgezeigt. Dieser rechtliche Ausgangspunkt wird auch vom Berufungsführer nicht mehr in Frage gestellt, der mit Schriftsatz vom 22.2.2005 zugesteht, "dass die Beklagte die beiden Aufträge erteilt hat, weil vorher der streitgegenständliche Auftrag gekündigt worden ist. Insoweit sieht er (erg.: der Kläger) sehr wohl in Übereinstimmung mit dem Senat auch die kausale Verknüpfung zwischen der Kündigung und der Erteilung der beiden Aufträge" (GA IV Bl. 628).

cc) Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Besteller dürfe nicht allein darüber zu bestimmen haben, ob ein anderweitiger Erwerb angerechnet werden müsse oder nicht. Dieser Vorwurf, einem willkürlichen Handeln des Auftraggebers ausgesetzt zu sein, trifft bei genauer Betrachtung nicht zu: Zunächst muss es auf der tatsächlichen Ebene allein Sache des Bestellers sein, die Entscheidung zu treffen, den Unternehmer an Stelle des gekündigten Auftrags mit einem neuen Auftrag zu betrauen. Danach steht es dem Unternehmer frei, ob er den Auftrag annimmt oder nicht. Lehnt der Unternehmer den Auftrag ab, so hängt die normative Frage nach einer Anrechnung des entgangenen Werklohns nicht von der Willkür des Bestellers, sondern allein von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob die Ablehnung des Auftrags den Vorwurf rechtfertigt, der Unternehmer habe den entgangenen Ersatzauftrag i. S. des § 649 Satz 2, 2. Halbsatz 3. Alt. BGB böswillig ausgeschlagen.

dd) Entgegen der Auffassung der Berufung hängt die Anrechnung des Erlöses aus einem Ersatzauftrag, der in ursächlichem Zusammenhang zur Kündigung des ursprünglichen Werkvertrags erteilt wurde, nicht davon ab, ob der Betrieb des Unternehmers in der Lage gewesen wäre, die Ersatzaufträge neben oder zeitlich nach dem gekündigten Auftrag auszuführen.

aaa) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 30.9.1999 - VII ZR 206/98 (BGH NJW 2000, 205, 206) die Auffassung vertreten, dass Erträge aus anderen Aufträgen dann nicht anzurechnen sind, wenn der Betrieb des Unternehmers in der Lage gewesen wäre, diese anderen Arbeiten zeitgleich neben dem gekündigten Werkvertrag auszuführen (ebenso MünchKomm(BGB)/Soergel, § 649 Rdn. 15; Bamberger/Roth/Voit, BGB, § 649 Rdn. 19; Ingenstau/Korbion/Vygen, aaO., § 8 Nr. 1 VOB/B Rdn. 67). Dennoch verhilft diese Rechtsauffassung der Berufung nicht zum Erfolg. Denn der in der zitierten Entscheidung aufgestellte Rechtssatz steht unter der Einschränkung, dass zwischen diesen weiteren Aufträgen und der Kündigung gerade kein ursächlicher Zusammenhang besteht (BGH, NJW 2000, 206). Damit betraf der dort entschiedene Fall eine andere Konstellation: Gegenstand der dortigen Entscheidung war die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Unternehmer einen Erwerb aus solchen Aufträgen anrechnen lassen muss, die ihm völlig unabhängig von der Kündigung des Werkvertrages - möglicherweise von dritter Seite (dazu schweigt der abgedruckte Sachverhalt) - erteilt worden sind. So liegen die Dinge hier gerade nicht: Denn die Kausalität zwischen der Erteilung des Ersatzauftrages und der Kündigung ist im vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt nachgewiesen. Mithin kommt es im vorliegenden Rechtsstreit auf die Frage, ob die Auftragnehmerin zum fraglichen Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, aufgrund der schlechten Auftragslage die Ersatzaufträge neben dem gekündigten Vertrag auszuführen, nicht an.

bbb) Dass ein Erlös aus einem Ersatzauftrag auch dann angerechnet werden darf, wenn der Unternehmer selbst ohne Kündigung des ursprünglichen Vertrags über die Kapazitäten verfügt, um den Ersatzauftrag auszuführen, bestätigt die Rechtsprechung zur Anrechnung vorzuziehender Aufträge: Es ist anerkannt, dass sich der Unternehmer einen Erlös aus dem Vorziehen eines bereits erteilten Auftrags, dessen Ausführung dem Unternehmer auch ohne Kündigung des ursprünglichen Werkvertrags unschwer möglich gewesen wäre, als anderweitigen Erwerb anrechnen lassen muss, solange dem Unternehmer wegen des Vorziehens der Aufträge später keine Lücke entsteht, die voraussichtlich nicht auszufüllen ist (Bamberger/Roth/Voit, BGB, § 649 Rdn. 19; Palandt/Sprau, aaO., § 649 Rdnr. 6 f.). Mithin spricht der Umstand, dass der Unternehmer die Ersatzaufträge auch ohne Kündigung hätte abwickeln können, nicht grundsätzlich dagegen, die Erlöse aus den Ersatzaufträgen als anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft i. S. des § 649 Satz 2 Halbsatz 2 BGB anzusehen (vgl. BGHZ 131, 362, 367).

ccc) Schließlich wird das hier vertretene Ergebnis mit folgender Überlegung gestützt: Gem. § 649 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 3 BGB muss sich der Unternehmer auch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft zu erwerben böswillig unterlässt. Um Wertungswidersprüche zwischen den einzelnen Tatbestandsalternativen des § 649 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zu vermeiden, kann eine Anrechnung der Ersatzaufträge im vorliegenden Fall nur dann unterbleiben, wenn die Auftragnehmerin in der Lage gewesen wäre, die Ersatzaufträge abzulehnen, ohne sich dem Vorwurf des böswilligen Unterlassens auszusetzen.

Davon ist bei der gegebenen Sachlage nicht auszugehen: Die Auftragnehmerin hätte die Übernahme der Ersatzaufträge nach Treu und Glauben nur dann ablehnen können, wenn ihr Betrieb nach dem Ende der vorgesehenen Ausführungsfrist für den Auftrag ~straße ausgelastet gewesen wäre. Gerade das war nach den Darlegungen der Berufung im Schriftsatz vom 7.9.2004 nicht der Fall. Mit Recht erkennt die Berufung (freilich unter dem rechtlichen Blickwinkel der §§ 242, 254 BGB), dass sich die Auftragnehmerin einer Annahme der Ersatzaufträge aus Billigkeitserwägungen nicht verschließen konnte. Damit ist jedoch zugleich ein Weg zu einer zusätzlichen Liquidation des gekündigten Auftrags versperrt.

c) Kann der Anspruch auf Erstattung des Kündigungsausfalls aus der gesetzlichen Grundlage des § 649 Satz 2 1. Halbsatz BGB nicht hergeleitet werden, so kann es im Ergebnis dahinstehen, ob sich die Parteien mit den Argumenten des Landgerichtes rechtsverbindlich darauf einigten, die Ersatzaufträge vollständig auf den Kündigungsschaden anzurechnen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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