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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 03.04.2007
Aktenzeichen: 4 U 587/05
Rechtsgebiete: HOAI, ZPO, VOB/B, BGB


Vorschriften:

HOAI § 4
HOAI § 4 Abs. 4
HOAI § 16
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VOB/B § 11 Nr. 4
BGB § 254 Abs. 1
Zur Kausalität einer Vertragsverletzung für später entstandene Prozesskosten im Prozessrechtsverhältnis zu einem Dritten § 31, 823, 831.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

4 U 587/05

Verkündet am 3.4.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Architektenhaftung

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Göler sowie die Richter am Oberlandesgericht Schmidt und Dr. Dörr auf die mündliche Verhandlung vom 6.3.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9.9.2005 - 3 O 379/02 - abgeändert, soweit der Beklagte zur Zahlung einer 24.353,17 EUR übersteigenden Hauptforderung nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die weitergehende Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt 80 % der Kosten des Berufungsverfahrens und 55 % der Kosten des ersten Rechtszuges; im Übrigen fallen der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zur Last. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 17.825,53 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten als Rechtsnachfolger seines Schwiegervaters, Dipl.-Ing. W., unter dem Gesichtspunkt der Pflichtverletzung eines Architektenvertrages auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin erteilte dem Rechtsvorgänger des Beklagten im April 1997 den Auftrag, für das Bauvorhaben eines Neubaus der Betriebshalle S. die Bauplanung und Bauleitung zu übernehmen. Der Rechtsvorgänger führte im Auftrag der Klägerin mit der L. B. GmbH (im Folgenden: Bauunternehmung) Vergabeverhandlungen über Erd-, Maurer- und Betonarbeiten und erstellte den maßgeblichen Werkvertrag, der am 29.4./5.6.1997 von den Vertragsparteien unterzeichnet wurde (GA I Bl. 23 ff.).

Gemäß Ziffer 6.1. des Werkvertrags sollten die Bauarbeiten in der 19. Kalenderwoche beginnen; Fundamente, Stützen und Stützwand sollten in der 23. Kalenderwoche fertig sein. Die Gesamtfertigstellung war für die 27. KW (30.6. bis 6.7.1997) vereinbart. Der Werkvertrag enthält in Ziff. 7.1. eine Vertragsstrafenvereinbarung, in der die bauausführende Firma bei Überschreitung der Ausführungsfristen des Vertrages eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.050 DM pro Werktag, maximal begrenzt auf 10.500 DM oder 5% der Vertragssumme, versprach. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart.

Die Bauarbeiten begannen tatsächlich erst in der 20. Kalenderwoche, nachdem die Einweisung durch das Katasteramt erst am 9.5.1997 erfolgt war. Die Abnahme wurde am 13.10.1997 erklärt. Erst am 15.11.1997 waren die Arbeiten nach der Beseitigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel fertig gestellt. Sowohl der Ehemann und Bevollmächtigte der Klägerin, der Zeuge H. S., als auch dessen Mitarbeiter, der Zeuge J. G., wiesen den Rechtsvorgänger des Beklagten bei der Abnahme mehrfach ausdrücklich auf eine Inverzugsetzung und auf den Ausspruch eines Vertragsstrafevorbehalts hin. Der Rechtsvorgänger des Beklagten setzte die Bauunternehmung weder im Hinblick auf den späteren Baubeginn noch wegen Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins in Verzug. Seitens der Bauleitung wurde auch kein Vorbehalt der Vertragsstrafe bei der Abnahme angemeldet. Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Rechtsvorgänger habe mit der unterlassenen Inverzugsetzung und der unterbliebenen Erklärung des Vertragsstrafevorbehalts gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, und nimmt den Beklagten auf Zahlung der Vertragsstrafe (6.273,91 EUR) in Anspruch.

Die Klägerin hatte die Halle bereits ab dem 15.6.1997 (25. Kalenderwoche) zu einem monatlichen Mietzins von 4.463,32 EUR an die S. GmbH, deren Geschäftsführer der Ehemann der Klägerin ist, vermietet. Tatsächlich wurde die Halle der Mieterin erst am 15.11.1997 übergeben. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin weiterhin den Ausgleich dieses Mietzinsausfalls, den sie für die Dauer von 5 Monaten mit 22.316,61 EUR beziffert hat.

Nach Abschluss der Bauarbeiten erteilte die Bauunternehmung die Schlussrechnung, deren Rechnungssaldo sich nach akzeptierten Kürzungen auf 125.478,17 EUR belief. Nachdem die Klägerin von diesem Rechnungsbetrag sowohl den Verzugsschaden als auch die Vertragsstrafe in Abzug gebracht hatte, nahm die Bauunternehmung die hiesige Klägerin im beigezogenen, vor dem Landgericht Saarbrücken geführten Rechtsstreit (Aktenzeichen 10 O 265/99) auf Zahlung der Restforderung in Anspruch. In diesem Rechtsstreit erklärte die Klägerin mit dem Verzugsschaden und der Vertragsstrafe die Aufrechnung beziehungsweise machte entsprechende Zurückbehaltungsrechte geltend. Diese Einwendungen blieben im Vorprozess ohne Erfolg: Sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtszug wurde die Klägerin zur vollständigen Begleichung der Schlussrechnungssumme verurteilt. Aus dem Vorprozess entstanden der Klägerin Prozesskosten in Höhe von 9.844,58 EUR, deren Erstattung die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit begehrt. Des Weiteren nimmt die Klägerin den Beklagten auf Ausgleich der im Vorprozess titulierten Zinsen in Anspruch (6.196,69 EUR).

Der Rechtsvorgänger des Beklagten stellte am 16.3.1999 für das "Projekt: Neubau Betriebshalle S. ~" ein Honorar in Höhe von 30.252,34 DM in Rechnung (GA I Bl. 32), worauf die Klägerin Zahlung in Höhe von 26.680 DM leistete. Am 23.11.2000 berechnete der Beklagte für die Erstellung der Genehmigungs- und Ausführungsplanung gemäß § 16 HOAI ein weiteres Honorar in Höhe von 20.578,45 DM.

Die Klägerin hat behauptet, die Halle sei vor dem 15.11.1997 nicht bezugsfertig gewesen. Das Architektenhonorar sei pauschal vereinbart worden, welches sich für die Bauplanung auf 15.000 DM, für die Bauleitung auf 3.000 DM und für die Außenanlagen auf 5.000 DM belaufen habe. Zuzüglich zur gesetzlichen Mehrwertsteuer entspreche die Honorarforderung dem gezahlten Betrag in Höhe von 26.680 DM. Unmittelbar nach dem Zugang der Rechnung vom 16.3.1999 habe der Zeuge G. mit dem Beklagten telefoniert und in diesem Telefonat Einigkeit erzielt, das Honorar pauschal mit 26.680 DM abzugelten. Hinsichtlich der Rechnung vom 23.11.2000 handele es sich um eine Doppelberechnung. Schließlich erhebt die Klägerin gegen die Geltendmachung dieses Rechnungsbetrages die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 44.671,79 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2002 zu zahlen.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der verzögerte Baubeginn könne nicht zu seinen Lasten gehen, da nicht rechtzeitig eingemessen worden sei. Hinsichtlich der entstandenen Schäden müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen, da sie durch den baukundigen Zeugen J. G. vertreten gewesen sei, der auch das Abnahmeprotokoll unterschrieben habe. Dieser Zeuge sei selbst in der Lage gewesen, die Bauunternehmung in Verzug zu setzen beziehungsweise einen Vertragsstrafevorbehalt geltend zu machen. Prozesskostenerstattung könne die Klägerin allenfalls für die erstinstanzlichen Kosten des Vorprozesses verlangen, da das Rechtsmittel der Berufung von vornherein aussichtslos gewesen sei. Weiterhin hat die Beklagte behauptet, dass die Halle spätestens ab dem 14.8.1997 nutzbar gewesen sei.

Hinsichtlich der Honorarrechnung vom 23.11.2000 handele es sich nicht um eine Doppelberechnung. Vielmehr habe die Klägerin mündlich den zusätzlichen Auftrag erteilt, alles Notwendige für die Einmessung des Bauvorhabens zu veranlassen. Für die Genehmigungsplanung habe man 2% in Rechnung gestellt, was dem Mindesthonorar entspreche. Ebenso seien die Tätigkeiten bei der Ausführungsplanung erbracht worden. Der Beklagte berühmt sich aus der Rechnung vom 16.3.1999 noch eines Restanspruchs in Höhe von 1.826,51 EUR und erklärte mit diesem und dem noch offen stehenden Rechnungsbetrag der Rechnung vom 23.11.2000 vorprozessual die Aufrechnung gegen die Klageforderung.

Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe eines Betrages von 28.008,72 EUR stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung erstrebt der Beklagte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung, soweit er zur Zahlung eines über 10.183,19 EUR hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist.

Der Beklagte wendet sich zunächst gegen die Auferlegung der zweitinstanzlichen Kosten des Vorprozesses: So könne die Erstattungsfähigkeit nicht allein daraus hergeleitet werden, dass eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung im Interesse des Beklagten gelegen habe. Auch sei nicht die Rechtslage, sondern die tatsächliche Sachlage zweifelhaft gewesen, weshalb erstinstanzlich eine umfassende Beweisaufnahme durchgeführt worden sei. Die Klägerin hätte eine Bindung des Beklagten an das Prozessergebnis des Vorprozesses auch durch eine Streitverkündung erreichen können.

Hinsichtlich des zuerkannten Vertragsstrafeanspruchs müsse sich die Klägerin ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen (berechtigte Forderung: nur 3.136,96 EUR). Denn es hätte dem Zeugen G. ins Auge springen müssen, dass der geäußerte Wunsch auf Ausspruch eines Vertragsstrafevorbehaltes im Protokoll nicht aufgenommen worden sei. Man habe sich bei der Abnahme in kleiner Runde befunden. Auch sei die nicht erfolgte Aufnahme in das Protokoll offensichtlich gewesen. Da der Umfang der Urkunde übersichtlich und nicht verwirrend gewesen sei, sei ein Irrtum des Rechtsvorgängers des Beklagten augenfällig gewesen.

Schließlich vertieft der Beklagte den Einwand, die Klageforderung müsse mit Blick auf die vorprozessual erklärten Aufrechnungen mit eigenen Honoraransprüchen gemindert werden. Das Landgericht habe verkannt, dass die nach wie vor bestrittene Einigung allenfalls die Rechnung des Jahres 1999, nicht hingegen die zum Zeitpunkt der Einigung noch nicht vorgelegte Rechnung vom 23.11.2000 habe einbeziehen können. Beide Rechnungen seien klar voneinander abgrenzbar. Die Rechnung von 23.11.2000 habe sich auf § 16 HOAI bezogen. Die Rechnung aus dem Jahr 1999 habe die Tragwerksplanung, ein anderer Ausdruck für Statik, und die Planung der Außenanlage zum Gegenstand gehabt. Erst nach Überprüfung des Sachverhalts sei dem Beklagten aufgefallen, dass sein Rechtsvorgänger offensichtlich nicht mehr dazu gekommen sei, seine "reinen" Architektenleistungen in Rechnung zu stellen. Dies sei dann mit der weiteren Rechnung vom November 2000 geschehen. Eine Nachforderung erscheine nicht treuwidrig, da das Vertrauen der Klägerin, keinen Nachforderungen ausgesetzt zu werden, nicht schutzwürdig gewesen sei. Denn andernfalls wäre das Mindesthonorar für sämtliche Leistungen buchstäblich verschenkt worden. Die Klägerin müsse sich nach wie vor in voller Höhe den Rechnungsbetrag der Honorarrechnungen anrechnen lassen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 3 O 379/02 - die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte zur Zahlung eines 10.183,19 EUR nebst Zinsen übersteigenden Betrages verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie vertritt die Auffassung, es könne ihr nicht vorgeworfen werden, im Vorprozess von einer Streitverkündung gegenüber dem Beklagten Abstand genommen zu haben. Denn durch diese Streitverkündung wären zusätzliche Anwaltskosten entstanden. Auch sei kaum davon auszugehen, dass der Beklagte als Streithelfer das erstinstanzliche Urteil im Vorprozess akzeptiert hätte. Die Klägerin habe im dortigen Berufungsverfahren das Urteil des Landgerichts auch dahingehend angegriffen, dass die Vertragsstrafe durchaus gegenüber der Bauunternehmung bereits mit Schreiben vom 26.9.1997 geltend gemacht worden sei und damit im Rechtssinne auch wirksam vorbehalten worden sei. Schließlich habe die Klägerin im Vorprozess auch die Auffassung des Landgerichts, wonach die Bauunternehmung nicht in Verzug gewesen sei, in die Erkenntnis des Berufungsgerichts gestellt. Im übrigen habe für die Klägerin im ersten Rechtszug des Vorprozesses eine Streitverkündung deshalb nicht zur Diskussion gestanden, da sie davon ausgegangen sei, dass die Vertragsstrafe durch den Rechtsvorgänger des Beklagten geltend gemacht worden sei.

Entgegen der Auffassung des Beklagten müsse sich die Klägerin kein Mitverschulden anrechnen lassen. Weder der Zeuge S. noch der Zeuge G. hätten als Laien wissen müssen, dass der Vertragsstrafenvorbehalt im Abnahmeprotokoll aufzunehmen sei. Sie hätten vielmehr davon ausgehen dürfen, dass der Rechtsvorgänger des Beklagten die Vertragsstrafe entweder mündlich oder schriftlich zusätzlich gegenüber der Bauunternehmung geltend machen würde. Diese Schlussfolgerung habe insbesondere deshalb nahe gelegen, weil beide Zeugen davon ausgegangen seien, dass der Rechtsvorgänger in einem entsprechenden Schreiben zugleich eine Bezifferung der Vertragsstrafe vornehmen werde. Schließlich sei es für die Klägerin nicht ersichtlich gewesen, dass die Rechnung vom 16.3.1999 nur die Architektenleistungen für die Tragwerksplanung und Außenanlagenplanung beinhaltet habe. Der Umstand, dass die Architektenleistungen infolge der Erkrankung des Rechtsvorgängers des Beklagten nicht mehr in Rechnung gestellt worden seien, könne nicht zulasten der Klägerin gehen. Nachdem sich das Büro des Beklagten nach der Pauschalzahlung in Höhe von 26.680 DM mehr als anderthalb Jahre nicht mehr gemeldet habe, habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass sämtliche Leistungen mit der Bezahlung abgegolten gewesen seien.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 13.12.2005 (GA II Bl. 308 ff.), der Berufungserwiderung vom 8.2.2006 (GA II Bl. 322 ff.), auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 1.3.2007 (GA II Bl. 360) sowie den Schriftsatz der Klägervertreter vom 2.3.2007 (GA II Bl. 361 ff.) verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll (GA II Bl. 365 ff.) Bezug genommen.

II.

A. Die Berufung ist nur in Höhe eines Betrages von 513,02 EUR begründet:

Soweit das Landgericht den Beklagten zur Zahlung der hälftigen Vertragsstrafe (3.136,96 EUR), auf Zahlung von Mietausfall (5.653,54 EUR), Erstattung des Zinsanspruchs (6.196,89 EUR) sowie zur Erstattung der erstinstanzlichen Kostenlast aus dem beigezogenen Vorprozess (5.717,59 EUR) verurteilt hat, ist die angefochtene Entscheidung - mit Ausnahme des Aufrechnungseinwandes - einer Überprüfung durch den Senat entzogen, da der Beklagte diese zuerkannten Ansprüche ausweislich seines Schriftsatzes vom 1.3.2007 (GA II Bl. 360) akzeptiert. Vielmehr beschränkt der Beklagte sein Rechtsmittel wirksam auf die Prüfung, ob das Landgericht der Klägerin mit Recht Kostenerstattung für die zweitinstanzliche Prozessführung des Vorprozesses zugesprochen hat. Weiter wendet sich die Berufung hinsichtlich der zugesprochenen Vertragsstrafe dagegen, dass das Landgericht der Klägerin kein hälftiges Mitverschulden angelastet hat. Schließlich verfolgt der Kläger seinen Aufrechnungseinwand aus der Rechnung vom 23.11.2000 (10.521,59 EUR) weiter.

Im eingeschränkten Umfang der Anfechtung hat die Berufung lediglich hinsichtlich der zuerkannten Prozesskosten Erfolg (2.): Der Kläger kann nur anteilige Erstattung der zweitinstanzlichen Kosten des Vorprozesses beanspruchen. Demgegenüber war der Klägerin aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung kein Mitverschulden an der unterbliebenen Geltendmachung der Vertragsstrafe vorzuwerfen (1.). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht schließlich der Aufrechnung einen Erfolg versagt (3.).

1. Zum Vertragsstrafeanspruch:

a) Zwischen den Parteien steht im Berufungsrechtszug nicht mehr im Streit, dass der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung vertraglicher Pflichten zum Schadensersatz verpflichtet ist: Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts leistete der Rechtsvorgänger des Beklagten dem ausdrücklichen Wunsch des Zeugen S., der als Vertreter der Klägerin handelte, keine Folge, die Bauunternehmung in Verzug zu setzen und anlässlich der Abnahme zur Rechtswahrung nach § 11 Nr. 4 VOB/B einen Vertragsstrafevorbehalt zu erklären. Mit diesem Unterlassen handelte der Rechtsvorgänger des Beklagten den Interessen der Klägerin zuwider, die auf Grund der unterlassenen Handlungen keine Möglichkeit besaß, die Vertragsstrafe durchzusetzen und die Bauunternehmung wegen Nichteinhaltung der Ausführungsfristen auf Zahlung der versprochenen Vertragsstrafe (Ziff. 7 des Werkvertrags) in Anspruch zu nehmen.

b) Ohne Erfolg wendet die Berufung ein, dass sich die Klägerin hinsichtlich dieses Schadensersatzanspruchs gem. § 254 Abs. 1 BGB ein hälftiges Mitverschulden anrechen lassen müsse.

aa) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt gemäß § 254 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Schadens von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 BGB liegen nicht vor: Ein der Klägerin zuzurechnendes mitwirkendes Verschulden ist nicht nachgewiesen.

bb) Das Landgericht hat ein Mitverschulden mit dem Hinweis abgelehnt, der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht selbst um eine Erklärung des Vorbehalts gekümmert habe. Denn sie habe diese Aufgabe an den Rechtsvorgänger des Beklagten delegiert. Diese Erwägungen beleuchten nicht den gesamten Sachverhalt: Der vom Beklagten erhobene Mitverschuldensvorwurf besteht nicht allein darin, dass die Zeugen S. und G. keine eigenständigen Schritte zur Erklärung des Vorbehaltes unternommen hätten. Vielmehr wirft der Beklagte der Klägerin im Schwerpunkt vor, dass die Zeugen S. und G. in voller Kenntnis der Untätigkeit des Architekten sehenden Auges den drohenden Rechtsverlust anlässlich des Abnahmetermins tatenlos hingenommen hätten, obwohl sie unschwer in der Lage gewesen wären, den Vorbehalt selber zu erklären.

Jedoch trifft der Vorwurf dieses qualifizierten Untätigbleibens in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Ausweislich des am 13.10.1997 von dem Zeugen G. gefertigten Aktenvermerks (GA I Bl. 27) meldeten die Zeugen S. und G. noch anlässlich des Abnahmetermins die Kosten für die Folgen der Bauverzögerung und die Konventionalstrafe an. Im Schriftsatz vom 2.3.2007 (GA II Bl. 364) hat die Klägerin auf entsprechenden Hinweis des Senats unbestritten vorgetragen, dass die Zeugen mündlich anlässlich des Abnahmetermins auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe hinwiesen. Mithin kann den Zeugen kein generelles Untätigbleiben, sondern allenfalls vorgeworfen werden, nicht auf eine schriftliche Dokumentation des Vorbehalts hingewirkt zu haben. Ein solches Unterlassen begründet jedoch kein Mitverschulden i. S. des § 254 Abs. 1 BGB. Dem steht bereits entgegen, dass auch der formlose, mündlich erklärte Vorbehalt die Rechte wahrt, solange - wie im vorliegenden Fall nicht vereinbart (das Abnahmeprotokoll zeigt eine Abnahme nach § 12 Nr. 1 VOB/B (GA I Bl. 25) - keine förmliche Abnahme nach § 12 Nr. 4 VOB/B vorgenommen wird (Beck'scher Kommentar zur VOB/B, § 11 Nr. 4 Rdnr. 6; Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 11 Nr. 4 VOB/B Rdnr. 10). Mithin hätte eine förmliche Aufnahme des Vorbehalts allein zur Sicherung der Beweislage dienen können. Ein diesbezügliches Unterlassen kann den Zeugen jedoch nicht vorgeworfen werden. Beide Zeugen durften spätestens nach der schriftlichen Aufforderung vom 26.9.1997 (GA I Bl. 26) darauf vertrauen, dass der sachkundige Rechtsvorgänger des Beklagten alle erforderlichen Schritte unternehmen würde, um die Rechte der Klägerin zu wahren. Denn das Rechtsinstitut des Mitverschuldens ist nicht geeignet, eigene vertraglich übernommene Handlungspflichten an den Gläubiger zurückzureichen.

2. Soweit das Landgericht die vollständigen Prozesskosten des Vorprozesses als Schadensersatzposition anerkannt hat, ist die Entscheidung zu korrigieren: Denn nur in eingeschränktem Umfang wurde das vorwerfbare Verhalten des Rechtsvorgängers des Beklagten im Rechtssinne für die entstandenen Prozesskosten kausal.

a) Ein Verhalten wird i. S. § 249 Abs. 1 BGB für den entstandenen Schaden nur dann ursächlich, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Da die als Schadensposition geltend gemachten Prozesskosten keine schicksalhaft oder mit naturgesetzlicher Denknotwendigkeit sich ereignenden negativen Folgen der unterlassenen Inverzugsetzung und des Vertragsstrafevorbehalts durch den Rechtsvorgänger des Beklagten waren, sondern letztlich auf der freien Willensentscheidung der Klägerin beruhten, die entsprechenden Kostenpositionen von der Werklohnforderung der Bauunternehmung in Abzug zu bringen, können die aus dem Vorprozess entstandenen Prozesskosten dem Beklagten zunächst nur dann zugerechnet werden, wenn die Rechtsverfolgung der Klägerin aus Sicht eines vernünftigen Rechtsgenossen zumindest hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach. Jedoch beschreibt dieses Kriterium die Anforderungen an den Kausalitätsnachweis nicht umfassend. Denn die Prozesskosten des Vorprozesses können nur insoweit adäquat kausale Folgen der Pflichtverletzung sein, als der die Kosten verursachende Prozessverlust gerade auf der Pflichtverletzung beruht. In dem Umfang, in dem die Klägerin den Vorprozess selbst dann verloren hätte, wenn die Vertragsstrafeansprüche rechtzeitig geltend gemacht worden wären bzw. die Bauunternehmung ordnungsgemäß in Verzug gesetzt worden wäre, ist dieser negative Prozessausgang und die daraus resultierende Kostenbelastung keine kausale Folge der Pflichtverletzung.

b) Wendet man diese beiden Kriterien auf die zweitinstanzlichen Kosten des Vorprozesses an, so hat der Beklagte nicht dargelegt, dass die Einlegung des Rechtsmittels von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung hilft die Überlegung nicht weiter, ob die Klägerin im Wege einer Streitverkündung die Möglichkeit besessen hätte, den hiesigen Beklagten an das Prozessergebnis des Vorprozesses zu binden. Hier wählt die Berufung den falschen Blickwinkel: Der Beklagte ist zur Erstattung der Prozesskosten des Vorprozesses nicht deshalb verpflichtet, weil die Durchführung des Vorprozesses der Vorbereitung des hiesigen Verfahrens gedient haben mag. Vielmehr muss der Beklagte die Kosten deshalb tragen, weil sein Rechtsvorgänger eine adäquat kausale Bedingung dafür schuf, dass die Klägerin ihre primären Ansprüche gegen die Bauunternehmung nicht erfolgreich durchsetzen konnte.

c) Allerdings ist es entscheidungserheblich, dass der geltend gemachte Mietausfall unabhängig vom Fehlen der Inverzugsetzung nur in geringem Umfang begründet war. Denn nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts war die Halle ab dem 14.8.1997 bezugsfähig. Konsequent und zutreffend hat das Landgericht die Beklagte nur in Höhe eines Betrages von 5.653,54 EUR zur Erstattung des Mietzinses verurteilt. Folglich wäre die Klägerin auch bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsvorgängers im Vorprozess unterlegen, soweit der zurückgehaltene Werklohn den Betrag von berechtigtem Mietzins (5.653,54 EUR) und Vertragsstrafe (6.273,91 EUR) überstieg. Nicht erstattungsfähig und von dem zur Berufung angefallenen Klagebetrag abzuziehen waren folglich diejenigen Prozesskosten, die aus dem im Vorprozess festgesetzten Streitwert von 42.163,91 DM = 21.558,06 EUR abzüglich 11.927,45 EUR Mietzins und Vertragsstrafe = 9.630,62 EUR ohnehin entstanden wären. Da aus diesem reduzierten Streitwert 882 EUR Gerichtskosten, 1.284,05 EUR Anwaltskosten der Vorprozess-Klägerin und 1.489,50 EUR incl. Mehrwertsteuer Anwaltskosten der Vorprozess-Beklagten, insgesamt also 3.655,55 EUR ohnehin angefallen wären, war der zur Berufung angefallene titulierte Betrag unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils entsprechend herabzusetzen.

3. Schließlich bleibt die Berufung hinsichtlich der Aufrechnung ohne Erfolg. Denn das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und am Maßstab des § 529 ZPO für den Senat bindend festgestellt, dass sich die Parteien anlässlich eines Telefonats zwischen dem Zeugen G. und dem Beklagten am 28.5.1999 verbindlich darauf einigten, alle Leistungen des Rechtsvorgängers des Beklagten pauschal mit 26.680 DM abzugelten.

a) Das Landgericht hat zunächst die Feststellung getroffen, dass sich der Zeuge G. mit dem Beklagten verbindlich darauf einigte, den Rechnungsbetrag der Rechnung vom 16.9.1999 (GA I Bl. 32 - 34) von 30.252,34 DM auf 26.680 DM zu reduzieren. Zugleich - so die Feststellungen des Landgerichts - sollte dieses Gespräch eine abschließende Klärung über die Höhe des gesamten Architektenhonorars erzielen. Hieraus zog das Landgericht den zutreffenden Schluss, dass die Parteien eine Einigung über alle Leistungen des Architekten trafen. Diese Schlussfolgerung überzeugt: Im Wortlaut der Rechnung vom 16.9.1999 ist kein eindeutiger Hinweis enthalten, dass die Rechnung nicht das komplette Honorar abrechnen sollte. Wenngleich die Rechnung im Eingangstext die Anfertigung der Tragwerks- und Außenanlagenplanung als Gegenstand der Abrechnung formuliert, enthält die Rechnung zugleich eine Spezifizierung nach den Leistungsphasen 1 - 7. Die entsprechenden Leistungsbilder werden in den allgemeinen Begriffen des § 65 HOAI genannt, die mit der Beschreibung der Grundleistungen des Architekten nach § 16 HOAI identisch sind. Nach dem Verständnis des Geschäftsverkehrs liegt es näher, unter dem Leistungsbild der Entwurfs- und Genehmigungsplanung die Erstellung der Planung selbst als die begleitenden Leistungen des Tragwerkplaners zu verstehen, der nicht die entsprechenden Planungen, sondern lediglich die hierzu erforderlichen statischen Berechnungen erstellt. Demgegenüber wiegt der Umstand, dass die Rechnung nicht als Schlussrechnung bezeichnet wurde, nicht schwer. Denn das Rechnungsdatum 16.3.1999 liegt lange Zeit nach dem Abschluss jeglicher Architektenleistungen durch den Rechtsvorgänger des Beklagten. Es gab also aus Sicht der Rechnungsempfängerin keinen einsichtigen Grund, weshalb die Rechnung vom 16.3.1999 lediglich Teile des Honoraranspruchs abrechnen sollte. Dass der Zeuge G. anlässlich des vom Landgericht gewürdigten Telefonats tatsächlich das gesamte Architektenhonorar abrechnen wollte, zeigen insbesondere die handschriftlichen Vermerke des Zeugen: Der Vermerk, dass das Honorar "Statik, Ausschreibungen und Bauleitung" umfassen sollte, wäre nicht verständlich, wenn sich das Gespräch erkennbar nur auf die Teilleistung der Tragwerksplanung beschränkt hätte. Überdies hätte es einer vernünftigen Handlungsweise entsprochen, dass der Zeuge die verbindliche Einigung über das geschuldete Honorar und erst recht die Zahlung der verabredeten Summe bis zum Erhalt der alle Architektenleistungen umfassenden Schlussrechnung zurückgestellt hätte. Denn eine voreilige Zahlung der Teilforderung musste die Verhandlungsposition der Klägerin nicht unwesentlich schwächen. Ein starkes, belastbares Indiz dafür, dass auch der Beklagte die Abrede nicht anders verstand als der Zeuge G., ist im späten Rechnungsdatum der zweiten Honorarabrechnung zu erblicken. Denn hätte der Beklagte die Einigung über die Pauschale lediglich auf einen Teil des gesamten Honoraranspruchs bezogen, so ist nicht plausibel, weshalb ihm die Unvollständigkeit der Rechnungslegung erst im Zusammenhang mit der Korrespondenz über die Ersatzansprüche auffiel (GA I Bl. 117). Vielmehr hätte der Beklagte nach aller Lebenserfahrung Veranlassung sehen müssen, die zumindest ihm selbst bewusste Honorarlücke zeitnah zum Telefonat zu schließen. Eingedenk all dieser Umstände liegt der Schluss nicht fern, dass die Honorarrechnung vom 23.11.2000 vor allem von dem Wunsch getragen wurde, das als unberechtigt empfundene Schadensersatzbegehren zu sanktionieren.

b) Entgegen der Auffassung der Berufung steht es der Wirksamkeit der Vereinbarung über das Architektenhonorar nicht entgegen, dass möglicherweise die Mindestsätze des § 4 HOAI unterschritten wurden. Denn nach wohl allgemeiner, zutreffender Auffassung fällt jedenfalls nach Beendigung der Architektentätigkeit ein über die Honorarforderung abgeschlossener Vergleich nicht unter die Vorschrift des § 4 Abs. 4 HOAI. Sinn und Zweck der Bindung an die Mindestsätze ist es, einen für den Architekten ruinösen Preiswettbewerb zu verhindern. Dieser Wettbewerb kann sich nur auf einen künftigen, nicht auf einen bereits ausgeführten Auftrag beziehen (BGH, Urt. v. 25.9.1987 - VII ZR 324/85, NJW-RR 1987, 13; Urt. v. 27.2.2003 - VII ZR 169/02, BauR 2003, 748; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 4 Rdnr. 46; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 4 Rdnr. 25).

c) Einigten sich die Parteien jedoch rechtsverbindlich darüber, alle Leistungen pauschal abzugelten, so besitzen die Erwägungen dazu, ob eine Nachforderung nach erteilter Schlussrechnung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben zu vereinbaren ist (vgl. hierzu: BGHZ 120, 133, 139 f.; OLGR Saarbrücken 2006, 330), keine rechtliche Relevanz.

d) Ergänzend ist anzumerken, dass der zur Aufrechnung gestellte Anspruch - sofern er bestünde - nicht verjährt wäre, da das Architektenhonorar erstmals mit der Rechnung vom 16.3.1999 fällig gestellt wurde. Mithin wäre die Nachforderung am 23.11.2000 noch nicht verjährt gewesen, weshalb der Anspruch zur Aufrechnung gestellt werden konnte (§ 390 Satz 2 BGB a.F.; § 215 BGB).

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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