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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2005
Aktenzeichen: 4 W 5/05
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 68 Abs. 1 Satz 1
GKG § 68 Abs. 1 Satz 3
GKG § 68 Abs. 3
GKG § 63 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 3
ZPO § 349 Abs. 2
ZPO § 349 Abs. 3
ZPO § 568 Satz 1
Der Streitwert einer positiven Feststellungsklage bezüglich der Feststellung der Pflicht zum Ersatz von Kosten infolge auf Grundstücken vorhandener Altlasten kann im Einzelfall mit 50 % der zu erwartenden Gesamtkosten geschätzt werden. Hierbei kann ein auf einer Teilfläche bereits entstandener und bezifferbarer Aufwand einen Anhaltspunkt für die Schätzung geben.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

4 W 5/05

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch die Richter am Oberlandesgericht Göler, Dr. Dörr und Dr. Knerr auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 10.12.2004 - 7II O 25/04 -

am 28. Januar 2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin erwarb im Rahmen der Umstrukturierung der sog. "Z. Gruppe" Grundstücke, die vormals im Eigentum der P. W. KG - später umgewandelt in die P. W. GmbH & Co. KG - gestanden hatten. Komplementär und Geschäftsführer der P. W. KG war der Beklagte. Die Grundstücke wurden auf Grund Vertrags vom 06.09.2000 (Urk.-Nr. des Notars Dr. R. - Bl. 10 d. A.) von der Z. H. GmbH & Co. KG, die diese Grundstücke im Zuge der Umstrukturierung von der P. W. GmbH & Co. KG übernommen hatte, an die Klägerin verkauft und übereignet (Bl. 3 d. A.).

Einen Teil dieser Grundstücke veräußerte die Klägerin an die Fa. (im Folgenden nur Fa. H.), welche die Grundstücksgesellschaft der L. GmbH & Co. KG ist (Bl. 3 d. A.).

Nach der Veräußerung wurde festgestellt, dass die Grundstücke mit Altlasten kontaminiert waren und ein Entsorgungsaufwand von 180.000,-- DM bis 450.000,-- DM zu erwarten war. Die Klägerin verpflichtete sich mit notariellem Vertrag vom 24.01.2002 (Urk.-Nr. des Notars Dr. R. - Bl. 17 d. A.) gegenüber der Fa. H., 40 % der Entsorgungskosten zu tragen (Bl. 4 d. A.). Die Höhe des von der Klägerin zu tragenden Anteils an den Entsorgungskosten wurde von der Fa. H. in der Folgezeit mit 420.755,-- € angegeben (Bl. 4 d. A.). In einem diesbezüglichen Rechtsstreit einigten sich die Klägerin und die Fa. H. durch Vergleich auf die Zahlung eines Betrages von 250.000,-- € (Bl. 101 d. A.).

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin beantragt, festzustellen, dass der Beklagte als Komplentär und Geschäftsführer der P. W. KG verpflichtet sei, der Klägerin alle Kosten zu erstatten, die dieser dadurch entstünden, dass sie wegen Bodenverunreinigungen auf dem Betriebsgelände der P. W. GmbH & Co. KG als Eigentümerin, Verunreinigerin bzw. Verkäuferin auf der Grundlage gesetzlicher und/oder vertraglicher Bestimmungen haftungsweise von Dritten in Anspruch genommen werde (Bl. 2 d. A.). Die Klägerin hat dies damit begründet, dass die Verunreinigungen auf Arbeiten zurückzuführen seien, die während der Zeit des Eigentums und Besitzes der P. W. KG durchgeführt worden seien (Bl. 3 d. A.).

Das Landgericht (Vorsitzender der Kammer für Handelssachen) hat die Klage mit Urteil vom 26.10.2004 (Bl. 88 d. A.) abgewiesen und den Streitwert auf Antrag des Beklagten mit Beschluss vom 10.12.2004 (Bl. 102 d. A.) auf 250.000,-- € festgesetzt. Das Landgericht ist dabei - dem Beklagtenvortrag (Bl. 100 f d. A.) folgend - davon ausgegangen, dass der zwischen der Klägerin und der Fa. H. vereinbarte Vergleichsbetrag von 250.000,-- € zugrunde zu legen sei, dass sich hieraus jedoch eine (geschätzte) Höhe der streitgegenständlichen Kontaminierungsschäden von 500.000,-- € ergebe. Das veräußerte Betriebsgelände stelle nur einen Teil der Gesamtgrundstücksfläche dar, wobei der der Klägerin verbleibende Rest sogar größer sei als die verkaufte Fläche. Die Klägerin begehre aber Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten bezüglich der Gesamtfäche. Daher sei der Streitwert im Hinblick darauf, dass nur Feststellung beantragt werde, in Höhe der Hälfte des Betrages von 500.000,-- € zu bemessen.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.12.2004 (Bl. 107 d. A.) Beschwerde eingelegt und sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Streitwert auf 25.000,-- € festzusetzen. Die Klägerin trägt vor, die Feststellungsklage sei nur zum Zweck der Verjährungsunterbrechung erhoben worden (Bl. 105 d. A.). Sie, die Klägerin, habe nicht positiv behauptet, dass Kontaminationen vorlägen, sondern nur potentiell für deren spätere Entdeckung Feststellung der Ersatzpflicht begehrt (Bl. 105 d. A.). Auf Grund der Würdigung im landgerichtlichen Urteil sei jedoch davon auszugehen, dass das Risiko des Schadenseintritts gering bzw. praktisch nicht gegeben sei und dass eine Ersatzpflicht des Beklagten auch im Falle des Schadenseintritts nicht bestehe (Bl. 105 f d. A.). Daher könne auch nicht auf die Vergleichssumme zwischen der Klägerin und der Fa. H. abgestellt werden, denn die hiervon umfassten Kontaminationen seien ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen nicht auf die Nutzung durch die P. W. KG bzw. den Beklagten zurückzuführen. Angesichts des Ziels der Verjährungsunterbrechung seien somit 25.000,-- € als Streitwert ausreichend (Bl. 106 d. A.).

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.12.2004 (Bl. 121 d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, insbesondere innerhalb der Frist der §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt. Die Beschwerdesumme ist erreicht.

Da die angefochtene Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 u. 3 ZPO der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen getroffen hat und dieser nicht Einzelrichter i. S. d. § 568 Satz 1 ZPO ist, sondern als Vorsitzender an Stelle der Kammer entscheidet, ist über die Beschwerde durch den Senat als Kollegium (§ 122 GVG) zu entscheiden (vgl. BGHZ 156, 320 ff; OLGR Schleswig 2004, 355 f).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat den Streitwert zutreffend auf 250.000,-- € festgesetzt.

1. Im Falle einer Feststellungsklage ist der Streitwert gemäß § 3 ZPO zu schätzen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Ziel der Klage nicht Verurteilung zur Leistung, sondern lediglich Feststellung ist (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rdnr. 1660). Der Streitwert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse, das der Kläger nach seinem Sachvortrag an der begehrten Feststellung hat (vgl. OLG Köln, AnwBl. 1962, 103; JurBüro 1965, 408; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1662).

Im Falle einer positiven Feststellungklage ist daher gegenüber dem Streitwert einer entsprechenden Leistungsklage ein Abschlag zu machen. Er ist in der Regel um 20 % niedriger zu bemessen als der entsprechende Zahlungsanspruch (vgl. BGH, VersR 1961, 1094; JurBüro 1975, 1598; AnwBl. 2003, 598; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1433; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1683; Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, Anh. I zu § 48 GKG, Rdnr. 53). Im Einzelfall kann der Streitwert auch niedriger sein, etwa nur die Hälfte des Wertes der Leistungsklage betragen (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 316; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1690; Hartmann, aaO., Anh. I zu § 48 GKG, Rdnr. 53).

2. Geht es um die (positive) Feststellung einer Schadensersatzpflicht, so ist für das Interesse des Geschädigten die Höhe des durch die behauptete Rechtsverletzung voraussichtlich erwachsenden künftigen Schadens maßgeblich. Hiervon ist ein Abschlag von 20 % zu machen, weil in aller Regel das Gegenwartsinteresse an einer Feststellung, die erst in der Zukunft Wirkungen auslöst, geringer ist (vgl. OLG Stuttgart, BB 1959, 460; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1774). Der nach der Klagebegründung voraussichtlich zu erwartende Schaden muss nach § 3 ZPO geschätzt werden (vgl. OLG Köln, MDR 1971, 226; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1775).

3. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht den Streitwert ausgehend von diesen Grundsätzen zutreffend bestimmt. Auszugehen davon ist, dass die Klägerin mit ihrer Klage Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten bezüglich der auf den früher von der P. W. KG genutzten Grundstücken vorhandenen Kontaminationen begehrt hat. Dabei hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.04.2004 ausdrücklich klargestellt, dass es nicht nur um die an die Fa. H. veräußerten Parzellen ging, sondern um die Gesamtheit aller seitens der Klägerin übernommenen Grundstücke (Bl. 44 d. A.). Dies entspricht auch dem Klageantrag, durch den nicht nur die Inanspruchnahme als Veräußererin, sondern auch eine solche als Eigentümerin umfasst ist.

Letztendlich sind zu Lasten der Klägerin infolge ihrer Inanspruchnahme durch die Fa. H. - wegen des mit dieser geschlossenen Vergleichs - Kosten von 250.000,-- € entstanden. Die hiervon betroffenen Grundstücke stellen nur eine Teilfläche der insgesamt vom Feststellungsbegehren betroffenen Grundstücke dar, wobei die nicht veräußerten Flächen mindestens die Größe der an die Fa. H. veräußerten haben. Daher ist es gerechtfertigt, den Gesamtschaden auf (mindestens) 500.000,-- € zu schätzen und diesen Betrag der Streitwertbestimmung zu Grunde zu legen. Da es sich um eine Feststellungsklage handelt, ist hiervon ein hälftiger Abzug gerechtfertigt.

4. Ein solcher hälftiger Abzug trägt auch den Umständen des konkreten Einzelfalls hinreichend Rechnung.

a) Ein weitergehender Abzug ist zum einen nicht deshalb gerechtfertigt, weil es nicht sicher ist, ob weitere Kontaminationen vorliegen bzw. dass die streitgegenständlichen Kontaminationen überhaupt auf die Tätigkeit der Fa. P. W. KG zurückzuführen sind. Bei zwar möglichem, aber nahezu unwahrscheinlichem Schadenseintritt kann zwar im Einzelfall der Streitwert so niedrig bemessen werden, dass er nur noch die Funktion eines "Erinnerungswertes" hat (vgl. BGH, AnwBl. 1992, 451; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 232; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1778; Hartmann, aaO., Anh. I zu § 48 GKG, Rdnr. 53). Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, denn es steht zum einen fest, dass der Klägerin infolge der Inanspruchnahme seitens der Fa. H. bereits ein nicht unerheblicher Schaden in Höhe von 250.000,-- € entstanden ist. Daher ist es nicht völlig unwahrscheinlich, dass auf den übrigen Flächen weitere Kontaminationen vorhanden sind, die zu einem Schaden in mindestens derselben Höhe führen.

Ob der Beklagte tatsächlich auf Grund seiner früheren Tätigkeit als Komplementär und Geschäftsführer für diese Kontaminationen die Verantwortung trägt oder ob dies zweifelhaft bzw. nach den Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall ist, kann für die Bemessung des Streitswerts nicht maßgeblich sein. Dies betrifft nämlich die Frage, ob der streitgegenständliche Anspruch gegen den Beklagten (ex post betrachtet) tatsächlich besteht und die Klage daher begründet ist. Dagegen ist für die Bemessung des Streitwerts allein maßgeblich, welches Interesse die Klägerin (ex ante) gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. Dieses besteht jedoch darin, dass die Klägerin Ersatz sämtlicher Schäden auf Grund der Inanspruchnahme wegen der streitgegenständlichen Kontaminationen festgestellt haben wollte. Dass die Klägerin dabei die Kontaminationen bzw. deren Hervorrufung durch den Beklagten relativiert und lediglich als "möglich" bezeichnet hat, ändert nichts daran, dass die Ersatzpflicht gleichwohl nach dem Klageantrag unbedingt festgestellt werden sollte. Der Sachvortrag der Klägerin kann bezüglich der Verursachung der Schäden durch den Beklagten zwar u. U. bereits als nicht schlüssig eingestuft werden, jedoch führt dieser Umstand nicht zu einer Herabsetzung des Streitwerts unter 50 % des Wertes einer entsprechenden Leistungsklage.

b) Zum anderen ist ein Abzug auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Feststellungsklage lediglich zur Unterbrechung der Verjährung erhoben worden wäre. In solchen Fällen hat die Rechtsprechung zwar bisweilen den Streitwert lediglich mit 40 % des Wertes des Leistungsbegehrens bemessen (vgl. OLG Frankfurt, AnwBl 1982, 436; Schneider/Herget, aaO., Rdnr. 1691).

Im vorliegenden Fall besteht jedoch für eine derart weitgehende Herabsetzung des Streitwerts kein Anlass. Die Klägerin hat immerhin vorgetragen, dass bereits allein auf den veräußerten Flächen Kontaminierungen in einer Größenordnung gegeben sind, die auch bei lediglich 40-prozentiger Inanspruchnahme der Klägerin seitens der Fa. H. zu einem Schaden von ca. 420.000,-- € führen würden. Allein dem Vergleichsschluss hat es die Klägerin zu verdanken, dass sie "nur" 250.000,-- € zu zahlen hat. Jedenfalls hat die Klägerin auf Grund ihrer tatsächlich vorgenommenen Inanspruchnahme ein wirtschaftliches Interesse nicht nur daran, die Verjährung bezüglich fiktiver, völlig ungewisser Ansprüche höchst vorsorglich zu unterbrechen, sondern konkret daran, den bereits verlorenen Betrag ersetzt zu bekommen.

Darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, dass auf den noch im Eigentum der Klägerin stehenden Parzellen Verunreinigungen in einer vergleichbaren Größenordnung vorhanden sind. Würde die Klägerin als Eigentümerin auf deren Beseitigung in Anspruch genommen, so wäre der Schaden sogar noch um ein Vielfaches höher als bezüglich der veräußerten Parzellen, da sie diesen auf jeden Fall zu 100 % würde tragen müssen. Es könnten leicht Schäden in Millionenhöhe auftreten. Auch insoweit erschöpft sich daher das Interesse der Klägerin nicht in einer Unterbrechung der Verjährung als solcher, sondern es geht dahin, zumindest dem Grunde nach festzustellen, dass der Beklagte Ersatz der mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Schäden in immenser Höhe schuldet.

Im Übrigen hat die Klägerin in der Klageschrift zum Ausdruck gebracht, dass sie zumindest von einer möglichen Haftung des Beklagten ausgehe, dieser aber eine solche bereits abgelehnt habe (Bl. 6 d. A.). Auch wenn man daher die Unterbrechung der Verjährung auch als Motiv für die Klageerhebung ansieht, so besteht doch ein weitergehendes Interesse der Klägerin an der Feststellung der bestrittenen Schadensersatzverpflichtung des Beklagten. Dem Umstand, dass eine solche Verpflichtung bezüglich der konkreten streitgegenständlichen Schäden von Anfang an zweifelhaft war, ist durch den Abzug von 50 % des zu schätzenden Wertes einer entsprechenden Leistungsklage hinreichend Rechnung getragen. Weitergehender Abzüge bedarf es nicht.

Im Hinblick auf § 68 Abs. 3 GKG ist eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren entbehrlich.

Ende der Entscheidung

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