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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: 5 AR 1/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 48
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 AR 1/04

Saarbrücken, den 26.01.2004

In Sachen

Tenor:

Der Richter am Oberlandesgericht Dr. K. scheidet wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Rechtsstreit aus.

Gründe:

I.

Zur Mitwirkung berufener Richter im Berufungsrechtszug ist der Richter am Saarländischen Oberlandesgericht Dr. K.. Dieser hat am 19.12.2003 folgenden Sachverhalt gemäß § 48 ZPO angezeigt:

"Der Geschäftsführer der Beklagten ist mir persönlich seit vielen Jahren bekannt. Herr E. und ich haben mit kurzen Unterbrechungen meinerseits zwischen 1984 und 2002 gemeinsam im Kirchenchor (Evangelische Kantorei) gesungen und zwar in ein und derselben Stimme (Tenor). Herr E. war Stimmführer, also Vertreter des Tenors im Chorvorstand und interner Koordinator der gesanglichen Tätigkeit der dem Tenor angehörigen Sänger.

Während des genannten Zeitraums habe ich daher mit dem Geschäftsführer der Beklagten bei zahlreichen Proben, Gottesdiensteinsätzen und Konzerten zusammengearbeitet. Viele Male habe ich auch an Einzelproben des Tenors in seinem Privatanwesen teilgenommen und ihn hierdurch näher kennengelernt."

Den Parteien des Rechtsstreits wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Hiervon hat die Beklagte Gebrauch gemacht. Sie hat ausgeführt, die Äußerungen des Richters seien inhaltlich zutreffend. Die so konkretisierte Bekanntschaft des Richters mit dem Geschäftsführer der Beklagten sei allerdings kein Grund, der Misstrauen in die Unbefangenheit rechtfertigen könne. Zwar könne eine persönliche Freundschaft oder eine enge Bekanntschaft die Besorgnis der Befangenheit begründen. Diese Voraussetzungen seien hier allerdings nicht erfüllt.

II.

Gemäß §§ 48, 42 Abs. 1 ZPO scheidet der vorgenannte Richter aus dem Rechtsstreit aus, da in seiner Person ein Grund vorliegt, der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen würde.

Der Richter hat objektive Gründe angezeigt, die vom Standpunkt einer objektiv denkenden Partei bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BayObLG Z 86, 352; 87, 217; NJW 99, 1875). Zu Recht geht die Beklagte zwar davon aus, dass hierfür die gemeinsame Mitgliedschaft in einem Verein - entsprechendes gilt für die gemeinsame Mitgliedschaft im Kirchenchor - nicht ausreicht (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 1764 f). Soweit sich aus der gemeinsamen Freizeitaktivität eine nähere Bekanntschaft entwickelt, kann dies allerdings zu einer abweichenden Beurteilung Anlass geben. Dies ist hier der Fall. Der Richter hat angezeigt, dass eine Vielzahl von Einzelproben in dem "Privatanwesen" des Geschäftsführers der Beklagten stattgefunden haben. Auch wenn der Anlass dieser Besuche ausschließlich die gemeinsame Chorarbeit war, ist auch aus der Sicht einer objektiv denkenden Partei der Gedanke naheliegend, dass derartige - nicht vereinzelt gebliebene - Besuche dem Richter einen Einblick in einen Lebensbereich des Verfahrensbeteiligten gegeben haben, der üblicherweise Fremden oder bloß flüchtigen Bekannten nicht offensteht. In diesem Sinne ist auch die Äußerung zu verstehen, der Richter habe den Geschäftsführer der Beklagten "hierdurch", d.h. durch die Besuche in dem Privatanwesen, näher kennengelernt. Es ist bei objektiver Betrachtung nicht von der Hand zu weisen, dass die Möglichkeit besteht, dass der zur Entscheidung berufene Richter - unbewusst - das so gewonnene Bild des ihm näher bekannt gewordenen Verfahrensbeteiligten seinem Erkenntnisprozess zugrunde legt oder aber deshalb eine eingeschränkte Sicht gewinnt, weil er den bewussten Versuch unternimmt, bestehende Vorstellungen über den Bekannten (z.B. im Hinblick auf Redlichkeit, Zuverlässigkeit u.s.w.) nicht zu verwerten.

Ende der Entscheidung

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