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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 5 U 356/04
Rechtsgebiete: BUZ


Vorschriften:

BUZ § 1 Abs. 1
BUZ § 2 Abs. 1
BUZ § 2 Abs. 3
BUZ § 2 Nr. 1
Die rückschauende Feststellung von Berufsunfähigkeit verlangt die Klärung, wann nach sachverständiger Einschätzung in der Vergangenheit ein gut ausgebildeter, wohl informierter und sorgfältig handelnder Arzt nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft erstmals einen gesundheitlichen Zustand des Versicherungsnehmers als gegeben angesehen hätte, der keine Besserung mehr erwarten ließ.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.5.2004 - 12 O 133/03 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert wird auf 6.586,80 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

I. Der Kläger, von Beruf Betonmaurer, nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsvertrag Nr.).

Am 21.12.2001 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Verletzung am rechten Fuß zuzog. Seit dem Unfalltag ist er arbeitsunfähig erkrankt geschrieben. Bei der Erstbehandlung am 21.12.2001 wurde - entgegen der nunmehr unstreitigen Diagnose "Maisonneuve-Fraktur" - lediglich eine Distorsion des rechten Sprunggelenks diagnostiziert. Auch bei einem am 25.1.2002 durchgeführten MRT wurde lediglich die Fraktur des rechten Sprunggelenks bestätigt.

Am 27.6.2002 fand ein Arbeitsversuch statt, der jedoch vom Kläger aufgrund von Schmerzen durch die Verletzung abgebrochen wurde.

Mit Schreiben vom 14.1.2003 erkannte die Beklagte die Berufsunfähigkeit des Klägers an und gewährte diesem rückwirkend ab dem 1.7.2002 die vertraglich vereinbarte Beitragsbefreiung sowie eine Rentenzahlung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für die Zeit vom 1.1.2002 bis 30.6.2002.

Der Kläger hat behauptet, er sei seit dem Unfall vom 21.12.2002 berufsunfähig, so dass die Beklagte bedingungsgemäß ab dem 1.1.2002 zur Leistung verpflichtet sei. Bei der Prognose, ob von Anfang an Berufsunfähigkeit eingetreten sei, sei - in Anlehnung an § 2 Abs. 3 BUZ - auf einen Zeitraum von 6 Monaten abzustellen. Eine - gegebenenfalls sein Leiden verbessernde - Operation sei ihm nicht zuzumuten gewesen, da sie mit erheblichen Risiken verbunden gewesen wäre.

Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, dass Berufsunfähigkeit nicht von Anfang an - und sicher nicht bis Juli 2002 - hätte prognostiziert werden können. Aus der Erstbehandlung mit der Diagnose "Sprunggelenkfraktur" hätten sich keine Anhaltspunkte für knöcherne Traumafolgen ergeben, dies gelte auch für die MRT-Aufnahme vom 25.1.2002. Auch die weiteren Arztberichte vom 9.4.2002 und 28.5.2002 des Chefarzts Priv.-Doz. Dr. L. hätten eine Berufsunfähigkeit des Klägers nicht festgestellt. Der Kläger habe sogar im Anschluss an die MRT-Aufnahme vom 9.7.2002 an einer Reha-Maßnahme teilgenommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger den Nachweis, dass er bereits ab dem Unfalltag zu mindestens 50 % außerstande gewesen sei, seinen Beruf als Maurer auszuüben und damit berufsunfähig gewesen sei, nicht geführt habe. Der Sachverständige, dem dargelegt worden sei, dass es darauf ankomme, zu welchem Zeitpunkt ein gut informierter, sorgfältiger, wohl ausgebildeter Arzt erstmals zu der Einsicht gelangt wäre, dass eine Steigerung der Berufsfähigkeit des Klägers vor Ablauf von drei Jahren nicht mehr zu erwarten sei, habe nachvollziehbar und überzeugend ausgesagt, dass dies erstmals nach dem Fehlschlagen des Arbeitsversuchs im Juni 2002 der Fall gewesen wäre. Der Sachverständige habe bekundet, dass im Januar 2002 eine günstige Prognose für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers noch nicht ausgeschlossen gewesen sei. Denn es sei zu diesem Zeitpunkt durchaus noch möglich gewesen, dass die Fraktur wieder fest verheile. Bis zur Durchführung des Arbeitsversuchs sei eine sichere Prognose über die Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit nicht zu stellen gewesen. Somit sei eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit erst im Juni 2002 eingetreten.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Landgerichts beanstandet. Nach Ansicht des Klägers habe das Landgericht verkannt, dass bei der Frage des Eintritts der Berufsunfähigkeit darauf abgestellt werden müsse, wann erstmals ein Zustand und damit ein objektives Krankheitsbild gegeben sei, der nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartung auf Besserung mehr rechtfertige, nicht jedoch, wann ein gut informierter, sorgfältiger und wohlausgebildeter Arzt zu der Einsicht des Erkennens des Zustandes gekommen sei. Da als Zustand auf die Maisonneuve-Fraktur abzustellen sei und sich an diesem Krankheitsbild bis zum Ablauf von 6 Monaten nach dem Unfall - auf diesen Zeitraum sei für die Prognose entgegen der Auffassung des Landgerichts abzustellen - keine positiven Änderungen ergeben hätten, habe von Anfang an Berufsunfähigkeit vorgelegen. Im übrigen vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.438,30 EUR nebst jährlicher Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1.7.2002 zu zahlen sowie 148,50 EUR nebst jährlicher Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszins aus jeweils 24,75 EUR seit dem 1.1.02, 1.2.02, 1.3.02, 1.4.02, 1.5.02, 1.6.02.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

II. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in der Zeit vom 1.1.2002 bis 30.6.2002 aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag i.V.m. § 1 Abs. 1 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im folgenden: BUZ-Bedingungen), da er nicht nachgewiesen hat, dass er in dieser Zeit zu mindestens 50 % berufsunfähig war.

Zwar erlitt der Kläger - unstreitig - aufgrund des Arbeitsunfalls vom 21.12.2001 eine Maisonneuve-Fraktur, aufgrund der er mittlerweile zu mehr als 50 % berufsunfähig ist; die Beklagte erbringt ihm deswegen seit dem 1.7.2002 bedingungsgemäß aufgrund sechsmonatiger ununterbrochener Unfähigkeit, seinen letzten Beruf auszuüben, Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (§ 2 Abs. 3 BUZ-Bedingungen). Der Kläger hat jedoch nicht nachgewiesen, dass er bereits zu einem früheren Zeitpunkt - wie er vorträgt ab Unfalleintritt - berufsunfähig war.

Vollständige Berufsunfähigkeit bedeutet nach § 2 Abs. 1 BUZ, dass der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

Bei der Feststellung des Zeitpunkts des Beginns des Versicherungsfalls ist dabei nicht auf die Krankheit selbst, die zu dem Zustand der Berufsunfähigkeit führt, abzustellen, Ebenso wenig ist die mit dem körperlichen Prozess verbundene Unfähigkeit zur Berufsausübung allein maßgebend. Denn sie bleibt als bloße Arbeitsunfähigkeit so lange unbeachtlich, bis ein Zustand erreicht wird, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung der halben Arbeitskraft in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist (BGH, Urt. v. 22.2.1984 - IVa ZR 63/82, VersR 1984, 630). Vielmehr ist auf das Vorliegen einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung abzustellen, welche zur Folge hat, dass der Versicherte ganz oder teilweise "voraussichtlich dauernd" außerstande ist, seinen Beruf anzuüben (Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl., § 2 BUZ, Rdn. 4). Entscheidend daher der Zeitpunkt, zu dem erstmals die Prognose gestellt werden kann, dass der Zustand des Versicherten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartungen auf eine Besserung mehr rechtfertigt (BGH , a.a.O.). Dieser Zeitpunkt ist "rückschauend" zu ermitteln (BGH, a.a.O., BGH, VersR 1989, 903, 904; BGH, VersR 1990, 724, 730).

Welche Kriterien die "rückschauende" Betrachtung zu leiten haben, ergibt sich aus dem Sinn des Versicherungsvertrages. Danach darf ein Versicherer durch eine Verzögerung seiner Leistungsbereitschaft nicht den Vorteil genießen, aufgrund des Fortschritts der medizinischen Wissenschaft und ihrer Erkenntnismöglichkeiten von Besserungs- und Heilungserwartungen zu profitieren, die er zu dem Zeitpunkt, für den der Versicherungsnehmer Berufsunfähigkeit geltend gemacht hat, noch gar nicht ins Feld hätte führen können. Umgekehrt darf ein Versicherungsnehmer, dem Leistungen erst für den Fall einer vorauszusagenden Dauerhaftigkeit seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihrer Auswirkungen auf seinen Beruf versprochen worden sind, nicht aus der späteren Erkenntnis der Enttäuschung von ernsthaften Hoffnungen auf seine Gesundung die aufgrund Zeitablaufs zu stellende Diagnose zum Inhalt einer früher so bei sachgerechter Prüfung nicht gebotenen Prognose machen.

Somit ist weder auf die Prognose der den Versicherten - in der Vergangenheit - behandelnden Ärzte, noch auf den Zustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen, hier also weder auf die Feststellungen der den Kläger untersuchenden Ärzte zurückzugreifen, noch auf die - nunmehr - unstreitig vorliegende Berufsunfähigkeit. Vielmehr ist darauf abzustellen, wann nach sachverständiger Einschätzung ein gut ausgebildeter, wohl informierter und sorgfältig handelnder Arzt nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft erstmals einen Zustand des Versicherungsnehmers als gegeben angesehen hätte, der keine Besserung mehr erwarten ließ.

Bei der zu treffenden Prognoseentscheidung, "voraussichtlich dauernd", ist auf einen Zeitraum, dessen genauer Bestimmung es hier nicht bedarf abzustellen (OLG Hamm, RuS 1988, 90; Prölls/Martin, a.a.O., § 2 BUZ, Rdn. 4). Der Ansicht des Klägers, es sei hierbei in Anlehnung an § 2 Abs. 1 BUZ lediglich darauf zu sehen, ob mit einer Wiedereingliederung in das Arbeitsleben (zu mehr als der Hälfte der Arbeitskraft) binnen sechs Monaten zu rechnen ist, kann nicht gefolgt werden. Das ergibt sich aus den dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. nur BGH, VersR 2003, 454, m.w.N.).

Von dessen Sprachverständnis ausgehend ist unter "voraussichtlich dauernd" jedoch nicht, wie der Kläger meint, ein - relativ - kurzer Zeitraum von einem halben Jahr zu verstehen, sondern ein darüber länger hinausgehender, nicht überschaubarer Zeitraum. Unter "dauern oder dauernd" ist nach dem deutschen Sprachverständnis nämlich "für längere Zeit in gleich bleibender Weise vorhanden" zu verstehen. Es widerspricht diesem Verständnis, wenn bereits bei der Prognose, dass eine Arbeit jedenfalls innerhalb eines halben Jahres nicht wieder aufgenommen werden kann, von Berufsunfähigkeit auszugehen sein soll; vielmehr kommt es darauf an, ob eine Veränderung des aktuellen Berufsunfähigkeit begründenden Zustands "nicht absehbar" ist (vgl. BGH, VersR 95, 1039; Oberlandesgericht Hamm, r+s 1988, 90, Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung, Rdn. 318). Auch der Vergleich mit § 2 Abs. 3 BUZ überzeugt nicht. § 2 Abs. 3 BUZ stellt eine Fiktion zugunsten des Versicherungsnehmers dar, dem auf Dauer kein Nachteil dadurch entstehen soll, dass eine Prognose der Dauerhaftigkeit nach § 2 Nr. 1 BUZ nicht gestellt werden kann (vgl. Prölls/Martin, a.a.O., § 2 BUZ, Rdn. 63). Dass im Umkehrschluss ausreichend sein soll, dass eine Prognose dahingehend gestellt werden kann, der Versicherungsnehmer könne für die Dauer von - wenigstens - 6 Monaten nicht in seinem Beruf tätig werden, um die Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit nach § 2 Nr. 1 BUZ zu begründen, ergibt sich hieraus nicht. Im Gegenteil macht die Fiktion des § 2 Abs. 3 BUZ deutlich, dass "an sich" auch nach sechsmonatiger Berufsunfähigkeit von ihrer Dauerhaftigkeit noch nicht ausgegangen werden kann.

Von diesen Voraussetzungen ausgehend hat der Sachverständige Dr. S1 nachvollziehbar dargelegt, dass hier erstmals nach dem Arbeitsversuch am 27.6.2002 davon ausgegangen werden konnte, dass der Kläger auf absehbare Zeit nicht wieder in seinem Beruf arbeiten konnte.

Der Sachverständige führt in seinem Gutachten vom 22.11.2003 aus, dass - nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft - direkt nach dem Unfall am 21.12.2001 die Verletzung des Klägers - Maisonneuve-Fraktur - hätte erkannt werden können (S. 17 des Sachverständigengutachtens). Wenn die Verletzung direkt erkannt worden wäre, wäre eine Operation angezeigt gewesen, da die konservative Behandlung einer Maisonneuve-Verletzung schlechte Ergebnisse zeige. Auch in diesem Fall müsse in 11 % der Fälle mit Arthrosen gerechnet werden. Selbst bei einer langfristigen konservativen Gipsbehandlung hätte der Kläger bei komplikationslosem Verlauf nach 4-5 Monaten in seinem Beruf wieder arbeiten können (S. 20 des Sachverständigengutachtens). Auch am 22.1.2002 hätte eine operative Therapie noch zu 90 % zu einem guten Ergebnis geführt, ebenso wäre eine Gipsruhigstellung noch eine Möglichkeit zur Heilung gewesen (S. 20 des Sachverständigengutachtens). Auf Nachfrage des Senats hat der Sachverständige Dr. S1 mit Schreiben vom 17.12.2004 angegeben, dass bei einer Operation im April 2002 ein operativer Korrekturversuch mit einem wesentlich erhöhten Risiko verbunden gewesen wäre, wobei die Erfolgsaussichten zweifelhaft - allerhöchstens 40 % - gewesen wären; die Ruhigstellungsdauer und die Dauer der Rehabilitation hätten sich auf sechs Monate erhöht. Auf Nachfrage hat er ausgeführt, dass das Ergebnis der durchgeführten konservativen Behandlung letztlich aber erst durch die Arbeitsprobe feststellbar wurde, da es zuvor noch möglich gewesen sei, dass der Kläger arbeits- bzw. berufsfähig hätte werden können.

Allerdings bestanden diese die Prognose der Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit ausschließenden Rehabilitationserwartungen nur unter der Voraussetzung, dass sich der Kläger einer Operation oder zumindest einer längerfristigen konservativen Behandlung unterzog. Einem Versicherungsnehmer obliegt es indessen nach den Vertragsbedingungen nicht ausdrücklich, sich ärztlich behandeln zu lassen (vgl. VersHdb/Rixecker, § 46 Rdn. 210, 214, m.w.N.). Vor allem Eingriffe, wie eine mit einer Anästhesie verbundene Operation muss er nicht im Interesse des Versicherers auf sich nehmen. Ist aber davon auszugehen, dass ein Versicherungsnehmer sich operieren lassen wird, hat er eine Operation bereits fest geplant. (Oberlandesgericht Hamm, VersR 1995, 1039, 1040) oder räumt er ein, keine, möglicherweise nicht von anderen geteilten oder auch "objektiv" unvernünftig erscheinende, aber doch subjektiv verständliche Gründe gehabt zu haben, sich einem ärztlichen Eingriff zu verweigern, so kann er nicht im Nachhinein anführen, die Bestimmung des Zeitpunkts des Eintritts von dauernder Berufsunfähigkeit müsse die Chancen einer bei alsbaldiger Operation zu erwartenden Gesundung gewissermaßen "ausblenden".

Somit ergibt sich aus dem Gutachten Dr. S1, dass zwar aus medizinischer Sicht insbesondere bei richtiger Erkenntnis der Verletzung des Klägers diesem von Anfang an zu einem operativen Eingriff geraten worden wäre. Dem hätte sich der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2004 hierzu gehört worden ist, entgegen seinem früheren Sachvortrag unterzogen. Daher ist nicht, wie der Kläger behauptet, von Anfang an davon auszugehen gewesen, dass er berufsunfähig ist. Auch zu späteren Untersuchungszeitpunkten konnte, wie der Sachverständige schlüssig dargelegt hat, eine entsprechende Prognose noch nicht gestellt werden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung am 22.1.2002 bestand sowohl bei Durchführung einer Operation als auch bei einer konservativen Gipsbehandlung die - wenn auch bei der konservativen Behandlung relativ geringere - Möglichkeit einer vollständigen Genesung; ebenso hätte eine Operation im April 2002 in 40 % der Fälle noch zu einem Erfolg geführt. Letztlich konnte daher erstmals sicher nach dem Scheitern des Arbeitsversuchs Ende Juni 2002 davon ausgegangen werden, dass der Kläger in seinen Beruf nicht zurückkehren wird. Denn bis zur Durchführung des Arbeitsversuchs bestand eine nicht nur ganz theoretische Möglichkeit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Damit hätte jedoch vor Durchführung des Arbeitsversuchs kein Mediziner - ausgehend von dem Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchungen im Dezember/Januar/April die Prognose der Berufsunfähigkeit mit der erforderlichen Überzeugungskraft gestellt.

Somit hat der Kläger, der für das Vorliegen seiner Berufsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet ist (Prölls/Martin, a.a.O., § 2 BUZ, Rdn. 57), nicht nachgewiesen, dass er in dem streitgegenständlichen Zeitraum bereits berufsunfähig war, so dass er keinen Anspruch aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für den Zeitraum vor dem 1.7.2002 hat.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, da die Fortbildung des Rechts zur Frage der Auslegung der Auslegung der "rückschauenden Betrachtung" im Rahmen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 3 Nr. 2).

Ende der Entscheidung

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