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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.01.2003
Aktenzeichen: 5 U 383/02
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 174
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 383/02

Verkündet am 08.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4.12.2002 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Professor Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Hermanns und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 25/01 - vom 29.05.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 57.597,24 € festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien wurde 1990 eine gemischte Lebensversicherung für den Todes- und Erlebensfall mit Unfall-Zusatzversicherung geschlossen (Versicherungsschein-Nr.). Im Jahr 1998 war der Kläger infolge der mit dem Tod seiner Ehefrau verbundenen Belastungen in einem finanziellen Engpass. Er setzte sich daher am 28.12.1998 mit dem zuständigen Agenten der Beklagten, dem Zeugen M. G., in Verbindung mit dem Ziel, vorübergehend keine Versicherungsprämien zu zahlen. Der Zeuge G. erstellte eine Besprechungsnotiz, in der als Anliegen des Klägers angegeben ist: "Bitte stellen Sie die oben bezeichnete Lebensversicherung zum 01.01.99 beitragsfrei." Diese Erklärung ist vom Kläger unterschrieben. Die Beklagte übersandte dem Kläger einen Nachtrag zum Versicherungsschein vom 7.1.1999, der die Beitragsfreiheit der Versicherung ausweist.

Ab dem 1.1.2000 nahm der Kläger die Zahlung der Prämie wieder auf. Unter dem 25.1. 2000 forderte er bei der Beklagten zwei alternative Angebote zur teilweisen Wiederherstellung seines ursprünglichen Versicherungsschutzes an. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28.1.2000 mit, dass der Vertrag nur nach einem positiven Ergebnis einer neuen Gesundheitsprüfung erneut geändert werden könne. Der Kläger reichte deshalb einen Änderungsantrag vom 8.2.2000 mit einer Gesundheitserklärung bei der Beklagten ein. Dabei gab er wahrheitsgemäß an, dass er an Herzrhythmusstörungen gelitten habe. Nach Einholung einer ärztlichen Auskunft lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.4.2000 die Wiederherstellung des Versicherungsschutzes ab und teilte dem Kläger mit, sie führe den Versicherungsvertrag nur mit einer beitragsfreien Summe von 52.897 DM weiter.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Lebensversicherungsvertrag vom 4.7.1990 unter Berücksichtigung der Nichtzahlung von Beiträgen im Zeitraum vom 1.1.1999 bis 1.1.2000 unverändert fortbesteht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, den Versicherungsvertrag ohne erneute Gesundheitsprüfung zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen weiterzuführen. Die Versicherung sei nicht in einer beitragsfreie Lebensversicherung umgewandelt worden, sondern - so hat der Kläger behauptet - es sei zwischen den Parteien lediglich eine vorübergehende "Ruhensvereinbarung" getroffen worden. Außerdem hat der Kläger gemeint, die Beklagte habe seine Erklärung vom 28.12.1998 nicht ohne weiteres als Umwandlungsverlangen auffassen dürfen, sondern sei verpflichtet gewesen, Rückfrage zuhalten und ihn über die Folgen einer Umwandlung aufzuklären.

Die Beklagte hat gegenüber dem Klagebegehren eingewandt, die schriftliche Willenserklärung des Klägers vom 28.12.1999 besage unmissverständlich und uninterpretierbar, dass die Lebensversicherung beitragsfrei gestellt werden sollte. Die Beklagte hat behauptet, es sei ausgeschlossen, dass der Zeuge G. bei der Beratung des Klägers nicht unterschieden habe zwischen dem Wunsch auf Beitragsbefreiung und der Vereinbarung einer Ruhensversicherung.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Agenten G. als Zeugen abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Parteien hätten mit dem schriftlichen Antrag des Klägers vom 28.12.1998 und der Annahme der Beklagten mit Nachtrag vom 7.1.1999 wirksam die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung gemäß § 174 VVG vereinbart. Der Zeuge G. habe die Behauptung des Klägers, entgegen dem schriftlichen Antrag auf Beitragsfreistellung hätten lediglich die Prämienzahlungen einige Monate ruhen und der Vertrag mit Wiederaufnahme der Zahlungen unverändert weiter laufen sollen, nicht bestätigt, sondern vielmehr überzeugend bekundet, dass die Frage des Ruhens der Versicherung angesprochen worden sei, diese Lösung jedoch nicht in Betracht gekommen sei, weil die Beklagte das Ruhen nur anbiete, wenn maximal drei Monate keine Prämie gezahlt werden solle. Für diese Darstellung des Zeugen G. spreche auch, dass sich der Kläger unstreitig am 15.1.1999 und 8.2.1999 nach dem Rückkaufswert der Lebensversicherung erkundigt habe, dass er dem Nachtrag vom 7.1.1999 nicht widersprochen habe und zu Beginn des Jahres 2000 von der Beklagten zwei Alternativangebote mit monatlichen Beiträgen von 500 DM bzw. 300 DM erfragt habe. Folge der prämienfreien Versicherung nach § 174 VVG sei es, dass der VN keinen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsvertrages habe und die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Rückänderung des Vertrages von besonderen Bedingungen, z. B. der Gesundheitsprüfung abhängig zu machen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt. Er vertritt die Auffassung, dass er einen Antrag auf Umwandlung der Lebensversicherung nicht mit der dafür erforderlichen Eindeutigkeit gestellt habe, weil er die Versicherung nicht auf Dauer habe beitragsfrei stellen wollen, sondern nur einen finanziellen Engpass nach dem Tod seiner Ehefrau habe überwinden wollen. Die Beklagte habe seinen Antrag nicht als Umwandlungsverlangen auffassen dürfen, ohne ihn zuvor über die Folgen der Umwandlung aufzuklären und zu erwägen, dass nur das Ruhen der Versicherung beantragt worden sei. Die Beweislast für eine erfolgte Beratung liege auf Seiten der Beklagten. Diesen Beweis habe die Beklagte nicht geführt, weil sich der Zeuge G. an das konkrete Gespräch nicht mehr habe erinnern können und nur bekundet habe, mit welchem Inhalt er regelmäßig solche Gespräche führe. Aus seiner Aussage ergebe sich auch nicht, dass er dem Kläger die Rechtsfolgen einer Umwandlung vor Augen geführt hätte. Im übrigen sei die Beklagte auch für den Fall, dass eine Umwandlung anzunehmen wäre, verpflichtet, den Vertrag zu den Ursprungsbedingungen fortzuführen, weil - so behauptet der Kläger - eine dauerhafte Gesundheitsverschlechterung seit der Prämienfreistellung nicht eingetreten sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 29.05.2002 - 12 O 25/01 - festzustellen, dass der zwischen den Parteien unter der Nr. abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag gemäß der Versicherungspolice vom 4.7.1990 unter Berücksichtigung der Nichtzahlung von Beiträgen im Zeitraum vom 1.1.1999 bis 1.1. 2000 unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Seine auf Feststellung des unveränderten Fortbestands des 1990 zwischen den Parteien zustande gekommenen Versicherungsverhältnisses gerichtete Klage ist unbegründet.

1. Der 1990 zwischen den Parteien geschlossene Lebensversicherungsvertrag ist durch die Erklärung des Klägers vom 28.12.1998 gemäß § 174 VVG in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt worden.

Die Umwandlung geschieht nach § 174 VVG durch ein dahingehendes "Verlangen" des Versicherungsnehmers, d.h. durch einen einseitigen Gestaltungsakt (Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG 16. Aufl., § 174 Rn 2; BGH, U. v. 24.9.1975 - IV ZR 50/74, VersR 1975, 1089, 1090). Aus der auf Umwandlung gerichteten Willenserklärung muss sich der Wille des Versicherungsnehmers nach Prämienfreiheit deshalb klar und eindeutig ergeben (BGH, U. v. 23.6.1993 -IV ZR 37/92, VersR 1994, 39, 40; U. v. 24.9.1975, a.a.O.; OLG Stuttgart, VersR 2002, 301). Ein solches eindeutiges Verlangen auf Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung liegt hier mit der Erklärung des Klägers vom 28.12.1998 vor.

Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte die Erklärung vom 28.12.1998 angesichts des unmissverständlichen und den Wunsch nach Beitragsfreistellung uneingeschränkt zum Ausdruck bringenden Wortlauts auch dann ohne weiteres als Umwandlungsverlangen hätte auffassen dürfen, wenn diese Erklärung vom Kläger persönlich und ohne Vermittlung durch den Zeugen G. abgegeben worden wäre, oder ob die Beklagte in diesem Fall zunächst hätte nachfragen und den Kläger über die Folgen einer Umwandlung hätte aufklären müssen (vgl. Römer, in: Römer/Langheid, VVG § 174 Rn 3; OLG Köln, RuS 1992, 138, 139). Denn der Kläger hat diese Erklärung tatsächlich erst nach Beratung durch den Zeugen G. abgegeben, so dass die Beklagte sich ohne weitere Nachfrage darauf verlassen durfte, dass der eindeutige Wortlaut der Erklärung auch den wahren Willen des Klägers wider gibt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts steht fest, dass der Zeuge G. den Kläger zuvor ordnungsgemäß über die verschiedenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen eine vorübergehende oder endgültige Befreiung von der Verpflichtung zur Prämienzahlung erreicht werden kann, beraten hat. Das Landgericht hat aufgrund der Aussage des Zeugen G. die Überzeugung gewonnen, dass dieser mit dem Kläger über die alternative Möglichkeit eines Ruhens der Versicherung während drei Monaten gesprochen hat und sich der Kläger bewusst für die Beitragsfreistellung entschieden hat. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser landgerichtlichen Feststellung begründen, bestehen nicht, so dass sie für den Senat bindend ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Zeuge hatte zwar keine konkrete Erinnerung mehr an das Gespräch mit dem Kläger. Er hat jedoch aus seinem handschriftlichen Vermerk "BV/H. K." auf der Besprechungsnotiz vom 28.12.1998 geschlossen, dass er während des Gesprächs mit dem Kläger Kontakt mit Herrn K. aufgenommen haben müsse. Das könne nur den Zweck gehabt haben, sich nach den Beiträgen für eine Risikozwischenversicherung zu erkundigen. Diese Besonderheit stützt die Aussage des Zeugen, er sei mit dem Kläger die verschiedenen Möglichkeiten zur Reduzierung der Beitragslast durchgegangen.

Wenn er mit dem Kläger die Frage einer Risikozwischenversicherung als milderes Mittel gegenüber einer Beitragsfreistellung erörtert hat und es - wie der Zeuge angegeben hat und der Kläger auch nicht in Zweifel zieht - objektiv so war, dass die Beklagte ein Ruhen der Versicherung nur für drei Monate akzeptiert hat, spricht alles dafür, dass der Zeuge dem Kläger auch diese Variante vorgestellt hat, der Kläger sich jedoch - weil er eine unbefristete oder jedenfalls längerfristige Beitragsfreistellung wollte - gegen das bloße Ruhen entschieden hat. Wenn der Zeuge mit dem Kläger die verschiedenen Möglichkeiten einer Minderung der Beitragslast durchgegangen ist, ist schließlich auch glaubhaft, dass er ihn auf die Folgen einer Beitragsfreistellung für den Versicherungsschutz hingewiesen haben will, weil ohne diesen Hinweis der Unterschied zwischen einem dreimonatigen bloßen Ruhen der Versicherung und einer Beitragsfreistellung bzw. die Bedeutung einer Risikozwischenversicherung nicht zu vermitteln sind.

2. Aus dem oben Ausgeführten folgt, dass dem Kläger auch ein - auf Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsschutzes - gerichteter Schadensanspruch aus pVV wegen der Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte nicht zusteht, weil die Beklagte ihren Beratungspflichten gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit der Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung durch ihren Agenten G. nachgekommen ist.

3. Die Beklagte war deshalb berechtigt, die Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsschutzes abzulehnen bzw. von einer erneuten Gesundheitsprüfung abhängig zu machen. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsschutzes nach Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung ist wie ein Neuabschluss anzusehen, zu dem der Versicherer nicht verpflichtet ist (BGH, U. v. 23.6.1993, a.a.O.; OLG Karlsruhe, VersR 1992, 1250, 1251).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Bei der Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren hat der Senat berücksichtigt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag um eine Versicherung handelt, die im Zeitpunkt der Beitragsfreistellung 1998 in Höhe von 184.190 DM für den Erlebens- und den Todesfall und in Höhe von weiteren 38.080 DM als reine Risikolebensversicherung bestand. Bei der Lebensversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall ist der Eintritt des Versicherungsfalls gewiss, der Streitwert deshalb mit 80 % der Versicherungssumme zu bemessen (BGH, B. v. 23.7.1997 - IV ZR 38/97, NJW-RR 1997, 1562), bei der Risikolebensversicherung dagegen ungewiss, so dass als Streitwert lediglich 20 % der Versicherungssumme zugrunde zulegen sind (BGH, B. v. 23.7.1997, a.a.O.; U. v. 13.12.2000 - IV ZR 279/99, NJW-RR2001, 316, 317). Im Hinblick darauf, dass eine prämienfreie Versicherungssumme von 52.897 DM zwischen den Parteien nicht im Streit ist, folgt daraus ein Gesamtstreitwert von 80 % von (184.190 DM - 52.897 DM) + 20 % von 38.080 DM = 112.650,40 DM oder 57597,24 €.

Ende der Entscheidung

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