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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: 5 U 389/02
Rechtsgebiete: VVG, BGB, AKB, ZPO, BJagdG


Vorschriften:

VVG § 2
VVG § 2 Abs. 2
VVG § 2 Abs. 2 Satz 2
VVG § 5 Abs. 1
BGB § 119
BGB § 119 Abs. 1
AKB § 12
AKB § 12 Abs. 1 I d
AKB § 12 Abs. 1 II e
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 236
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1
BJagdG § 2 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 389/02

Verkündet am 30.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26.3.2003 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Professor Dr. Rixecker, die Richterin am Oberlandesgericht Hermanns und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29.5.2002 (14 O 337/01) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.353,97 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht Ansprüche aus einer Fahrzeugversicherung für seinen Pkw Renault Twingo (amtl. Kennzeichen HOM-I, geltend. Er befuhr am 17.10.2000 gegen 6.25 Uhr die BAB 6 Mannheim - Saarbrücken in Höhe der Anschlussstelle Sankt Ingbert - Mitte. Dort befand sich eine aus ca. 13 Tieren bestehende Wildschweinrotte auf der Fahrbahn. Mehrere vor dem Kläger fahrende Fahrzeuge führen in diese Wildschweinrotte hinein. Dem Fahrer B des unmittelbar vor dem Kläger fahrenden Pkws gelang es, sein Fahrzeug zum Stehen zu bringen, ohne dass es zu einem Kontakt mit dem Vordermann kam. Der Kläger konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten, fuhr auf das Fahrzeug B auf und schob dieses auf das davor stehende Fahrzeug. Der PKW des Klägers erlitt bei diesem Unfall einen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 15.500 DM, der Restwert 2.500 DM.

Seine ursprünglich bei der Beklagten bestehende Fahrzeugvollversicherung hatte der Kläger zum 30.4.2000 gekündigt und lediglich als Fahrzeugteilversicherung fortgeführt. Nachdem er in seiner Haftpflichtschadenanzeige wegen des o. g. Unfalls eine jährliche Fahrleistung von bis zu 25.000 km angegeben hatte, wollte die Beklagte, die bisher aufgrund des Versicherungsantrags des Klägers nur von einer Fahrleistung von 15.000 km ausgegangen war, für das laufende Versicherungsjahr die Prämie erhöhen. Sie übersandte dem Kläger deshalb einen neuen Versicherungsschein vom 20.11.2000 (Ausfertigungs-Nr.006, Bl. 6 d.A.) für die Zeit ab dem 1.1.2000, in dem aber versehentlich die Kündigung der Fahrzeugvollversicherung zum 30.4.2000 unberücksichtigt blieb und der deshalb eine Fahrzeugvollversicherung auswies. Dazu kam es, weil die Beitragsanpassung in dem EDV-System der Beklagten nur zum Jahresbeginn durchgeführt werden kann und deshalb rückwirkend zum 1.1.2000 vorgenommen werden musste, wodurch die nachfolgende Umwandlung der Vollkasko- in eine Teilkaskoversicherung ebenso wie eine im Juli 2000 erfolgte Änderung des amtlichen Kennzeichens wieder inaktiviert wurden. Die notwendige manuelle Korrektur wurde versäumt. Die erhöhte Prämie zog die Beklagte aufgrund einer bestehenden Einzugsermächtigung des Klägers mit der Monatsbuchung für Dezember 2000 ein.

Aufgrund einer - inhaltlich streitigen - Anfrage der Lebensgefährtin des Klägers bei einem Außendienstmitarbeiter in der Geschäftsstelle Homburg der Beklagten wurde noch im Dezember 2000 in der Hauptverwaltung der Beklagten die fehlerhafte Policierung vom 20.11.2000 bemerkt. Dem Kläger wurde deshalb am 19.12.2000 der zuviel erhobene Beitrag für die Vollkaskoversicherung wieder erstattet. Außerdem wurde ihm für das Versicherungsjahr 2001 mit Datum vom 11.12.2000 ein Nachtrag zum Versicherungsschein (Bl. 31 d. A.) übersandt, der nur noch eine Fahrzeugteilversicherung und das geänderte amtliche Kennzeichen ausweist. Mit Schreiben vom 11.1.2001 (Bl. 32 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Abbuchung des Vollkasko-Beitrags Anfang Dezember 2000 sei versehentlich erfolgt und dem Kläger inzwischen erstattet worden. Der Versicherungsschutz in der Fahrzeugvollversicherung sei zum 1.5.2000 erloschen.

Im Rahmen der Fahrzeugteilversicherung erstattete die Beklagte dem Kläger wegen des vorgenannten Unfalls lediglich den Glasbruchschaden von 572,69 DM abzüglich einer Selbstbeteiligung von 300 DM (= 272,69 DM). Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger seinen weiteren Schaden von 12.427,31 DM (6.353,97 €) nebst Zinsen geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die Übersendung des Versicherungsscheins vom 20.11.2000 und die nachfolgende Abbuchung der erhöhten Prämie sei der ursprüngliche Vollkaskoversicherungsvertrag rückwirkend wieder in Kraft gesetzt worden. Er hat behauptet, er habe der Abbuchung nicht widersprochen. Die Nachfrage seiner Lebensgefährtin in der Geschäftsstelle Homburg habe nicht den erhöhten Abbuchungsbetrag zum Gegenstand gehabt, sondern sei auf Veranlassung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten erfolgt, um den Umfang der Fahrzeugversicherung zu klären. Weiter hat der Kläger behauptet, er sei, bevor er auf das Fahrzeug des Herrn B aufgefahren sei, über einen Wildschweinkadaver gefahren und habe deshalb nicht effektiv bremsen können; sehr Sicherheitsabstand sei ausreichend gewesen.

Die Beklagte hat behauptet, die Lebensgefährtin des Klägers habe sich an die Geschäftsstelle Homburg gewandt, weil im Dezember 2000 der erhöhte Abbuchbetrag aufgefallen sei. Die Beklagte hat deshalb die Auffassung vertreten, eine vertragliche Vereinbarung mit dem Inhalt des Versicherungsscheins vom 20.11.2000 sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Jedenfalls habe die Beklagte ihre Vertragserklärung durch die Schreiben vom 11.12.2000 und 11.1.2001 wirksam angefochten. Schließlich sei sie selbst bei einem bestehenden Vollkaskoversicherungsvertrag nach § 2 Abs. 2 VVG leistungsfrei. In der Fahrzeugteilversicherung sei der streitgegenständliche Schadensfall nicht versichert, weil - so hat die Beklagte behauptet - es zu einer Berührung zwischen dem Fahrzeug des Klägers und den Wildschweinen nicht gekommen sei und deshalb ein reiner Auffahrunfall vorgelegen habe, der auf einen zu geringen Sicherheitsabstand zurückzuführen sei.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 29.5.2002 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Ein Vollkaskoversicherungsvertrag habe zwischen den Parteien nicht bestanden. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger die Übersendung des Versicherungsscheins vom 20.11.2000 überhaupt als Antrag auf Abschluss eines solchen Vertrages habe verstehen dürfen. Denn die Beklagte habe jedenfalls eine solche Erklärung durch die Zusendung des Nachtrags zur Kraftfahrtversicherung vom 11.12.2000 und die gleichzeitige Gutschrift der zuviel eingezogenen Prämie wirksam wegen eines Erklärungsirrtums gemäß. § 119 BGB angefochten. In der Fahrzeugteilversicherung sei der streitgegenständliche Schaden nach § 12 Abs. 1 I d AKB nicht versichert, denn es liege schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers kein Wildschaden vor. Er habe zwar behauptet und unter Beweis gestellt, er sei in die Wildschweinrotte bzw. Kadaver hineingefahren und habe deshalb nicht mehr effektiv genug bremsen können. Das Hineinfahren in die Wildschweinrotte bzw. Kadaver habe aber nach seinem Vortrag sein Fahrzeug jedenfalls nicht beschleunigt und der Kläger habe auch nicht behauptet, er habe infolge dieses Ereignisses spätererer weniger intensiv gebremst. Der Abstand zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem vor ihm fahrenden Fahrzeug sei unklar und könne durch Vernehmung des vom Kläger als Zeugen dafür angebotenen Fahrers B nicht geklärt werden. Dafür fehle es an konkreten tatsächlichen Anknüpfungspunkten wie der gefahrenen Geschwindigkeit und einer Entfernungsangabe in Metern; der subjektiven Einschätzung des Abstandes durch einen Zeugen komme kein Beweiswert zu. Es sei deshalb aufgrund des Anscheinsbeweises von einem klassischen Auffahrunfall auszugehen, für den die Beklagte nicht eintrittspflichtig sei.

Gegen dieses ihm am 4.6.2002 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 4.7.2002 eingelegten und am 19.8.2002 begründeten Berufung, mit der er sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Zeitgleich mit der Berufungsbegründung hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sein Prozessbevollmächtigter ausgeführt: Er habe am 5.8.2002, einem Montag, einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unterzeichnet und anschließend den Schriftsatz der Mitarbeiterin B zum Einkuvertieren gegeben mit der Anweisung, ihn noch am gleichen Abend in den Nachtbriefkasten zu werfen. Am nächsten Morgen habe ihn Frau B informiert, dass sie dies versäumt habe. Frau B sei gelernte Sekretärin und seit 10 Jahren in seinem Büro tätig. Sie habe die Aufgabe, nachmittags die abgehende Post versandfertig zu machen und zur Post zu bringen bzw. Fristsachen in den Nachtbriefkasten des Landgerichts einzuwerfen. Bei dieser Tätigkeit, bei der sie von der Bürovorsteherin und ihm selbst kontrolliert und überwacht werde, habe sie sich bisher keinerlei Versäumnisse zu schulden kommen lassen. Ihr sei auch erläutert worden, wie wichtig Fristen seien und welche Folgen eine Fristversäumnis habe. Am Abend des 5.8.2002 sei sie ausnahmsweise nicht unmittelbar zum Nachtbriefkasten gegangen, der auf ihrem Heimweg liege, sondern zu einem mit Freunden verabredeten Treffpunkt gefahren mit der Absicht, den Brief nach de, Treffen zwischen 21 Uhr und 21.30 Uhr in den Nachtbriefkasten einzuwerfen. Im Laufe des Abends habe sich jedoch eine angeregte Unterhaltung entwickelt und sei ein Geburtstag gefeiert worden, so dass sie sich keine Gedanken mehr über den rechtzeitigen Einwurf des Schriftsatzes gemacht und diesen erst am nächsten Tag in ihrer Tasche bemerkt habe.

Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, die Übersendung eines neuen Versicherungsscheins könne nicht als Anfechtung des bestehenden Versicherungsvertrages ausgelegt werden. Außerdem behauptet der Kläger weiterhin, vor dem Auffahren auf das Fahrzeug des Herrn B sei er in die auf der Straße liegenden Wildschweinkadaver hineingefahren und habe deshalb nicht ausreichend bremsen können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 337/01 - vom 29.5.2002 zu verurteilen, an den Kläger 6.353,97 € nebst 4 % Zinsen seit dem 7.6.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 19.3.2003 (Bl. 106 ff. d. A.) 26.3.2003 (Bl. 112 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

A. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass der Kläger die Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO versäumt hat, weil er die Berufung gegen das ihm am 4.6.2002 zugestellte landgerichtliche Urteil erst am 19.8.2002 begründet hat. Denn ihm ist auf seinen Antrag gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der am 19.8.2002 eingegangene Antrag ist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 234 ZPO gestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat von der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach seinem durch eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin B glaubhaft gemachten Vortrag am 6.8.2002 erfahren. Die Formerfordernisse des § 236 ZPO sind gewahrt, die versäumte Prozesshandlung ist innerhalb der Frist des § 234 ZPO nachgeholt worden.

Der Kläger hat gemäß §§ 233, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass weder ihn noch seinen Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trifft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (B. v. 13.12.2001 - VII ZB 19/01, BGHReport 2002, 246) muss der Anwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren, die gewährleistet, dass der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist das geschehen und die weitere Beförderung organisatorisch zuverlässig vorbereitet, so dürfen die fristwahrenden Maßnahmen, zu denen auch ein Fristverlängerungsantrag gehört, als erledigt angesehen werden. Diese Voraussetzungen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach seinem durch eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin B glaubhaft gemachten Vortrag erfüllt. Danach hat er am 5.8.2002, einem Montag, an dem die Berufungsbegründungsfrist ablief, einen Fristverlängerungsantrag diktiert und unterzeichnet und hat die Mitarbeiterin B den Schriftsatz am Ende ihres Arbeitstages weisungsgemäß mitgenommen, um ihn noch am selben Abend in den Nachtbriefkasten zu werfen.

Für bloße Hilfstätigkeiten wie den tatsächlichen Einwurf der Post in den Nachtbriefkasten darf der Anwalt Hilfskräfte einsetzen, die nicht über die Qualifikation zu verfügen brauchen, die für die selbständige Fristenberechnung und -kontrolle verlangt wird (BGH, B. v. 27.2.2002 - I ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1070). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, dass die Mitarbeiterin B bereits seit 10 Jahren bei ihm beschäftigt sei, regelmäßig die Aufgabe habe, am Nachmittag die ausgehende Post versandfertig zu machen und - soweiterforderlich - in den Nachtbriefkasten zu werfen und sie sich dabei in der Vergangenheit nie Versäumnisse habe zuschulden kommen lassen, was durch die Bürovorsteherin und ihn selbst überwacht werde. Frau B seien auch die Bedeutung der Fristen und die Folgen einer Fristversäumnis erläutert worden. Die Mitarbeiterin B hat an Eides statt versichert, dass sie "üblicherweise" die Fristpost auf dem Nachhauseweg in den Nachtbriefkasten werfe und dies nur ausnahmsweise vergessen habe, weil sie durch ein Treffen mit Freunden und eine Geburtstagsfeier abgelenkt gewesen sei. Damit ist glaubhaft gemacht, dass weder den Kläger noch seinen Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trifft.

B. Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Ein Entschädigungsanspruch aus einer Fahrzeugvollversicherung gemäß § 12 Abs. 1 II e AKB steht dem Kläger nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob dadurch, dass der Kläger dem Inhalt des Versicherungsscheins vom 20.11.2000, der eine fortbestehende Vollkaskoversicherung auswies, nicht binnen eines Monats schriftlich widersprochen hat, gemäß § 5 Abs. 1 VVG (in der bis zum 31.7.2001 geltenden Fassung) für die Zeit ab dem 1.5.2000 ein Vollkaskoversicherungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob - wie das Landgericht meint - die Beklagte einen solchen Vertrag durch Zusendung des die Zeit ab dem 1.1.2001 betreffenden Nachtrags zur Kraftfahrzeugversicherung vom 11.12.2000 und gleichzeitige Erstattung des für 2000 zu viel eingezogenen Beitrags noch im Dezember 2000 wegen eines Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB (vgl. zur Anwendbarkeit von § 119 Abs. 1 BGB auf Eingabefehler bei der Nutzung einer EDV-Anlage OLG Köln, r+s 2001,175; OLG Hamm, NJW 1993, 2321) wirksam angefochten hat oder ob eine unverzügliche Anfechtungserklärung, die unzweideutig erkennen lassen muss, dass das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigt werden und gerade wegen eines Willensmangels - keinen Bestand haben soll (BGH, Urteil vom 14.11.2001 - IV ZR 181/00, VersR 2002, 88), fehlt.

Denn in jedem Fall ist die Beklagte nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung aus der Fahrzeugvollversicherung frei. Wenn durch die widerspruchslose Übersendung des Versicherungsscheins vom 20.11.2000 zwischen den Parteien ein Vollkaskoversicherungsvertrag zustande gekommen ist, handelte es sich dabei um eine Rückwärtsversicherung im Sinne von § 2 VVG, weil der materielle Versicherungsbeginn (1.5.2000) zeitlich vor dem formellen Versicherungsbeginn lag. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG ist der Versicherer bei einer Rückwärtsversicherung leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages schon weiß, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Das war hier der Fall: Bei Vertragsschluss im November 2000 war der Versicherungsfall bereits eingetreten und dem Kläger auch bekannt.

§ 2 Abs. 2 Satz 2 VVG ist zwar grundsätzlich abdingbar, eine von § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG abweichende Vereinbarung liegt jedoch hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U. v. 21.3.1990 - IV ZR 40/89, VersR 1990, 618, 619; U. v. 16.6.1982 - IV a ZR 270/80, VersR 1982, 841, 843) ist § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG regelmäßig für alle nach Abgabe des Antrags durch den Versicherungsnehmer, aber vor Vertragsschluss eintretenden Versicherungsfälle stillschweigend abbedungen, weil der Versicherungsnehmer auf den weiteren Verlauf nach Abgabe des Antrags im allgemeinen keinen Einfluss mehr hat. Anders ist es dagegen, wenn der gewünschte materielle Versicherungsbeginn vor Abgabe des Antrags durch den Versicherungsnehmer liegt (BGH, Urteil vom 19.2.1992 - IV ZR 106/91, VersR 1992, 484). Denn Sinn des § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG ist, dass keine der Vertragsparteien von den für sie günstigen Umständen bei Vertragsschluss wissen darf. Das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer ist wesentlich von der Gleichwertigkeit der Leistungen bestimmt, nämlich dass der Prämienzahlung eine ständig gegenwärtige Gefahr gegenübersteht, der Versicherungsfall könne eintreten. § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG will diese Gleichwertigkeit der Leistungen sicherstellen. Sie wäre deutlich gestört, ließe man zu, dass der Versicherungsnehmer auch schon bei Antragstellung Kenntnis vom Versicherungsfall haben dürfe. In diesem Falle verspräche der Versicherer von vornherein eine sichere Geldleistung, die in der Prämie nicht berücksichtigt ist Ohne ein zum Ausdruck gekommenes oder aus den Umständen zweifelsfrei zu schließendes Einverständnis des Versicherers damit, dass er auch für einen Versicherungsfall einstehen will, den der Versicherungsnehmer schon bei Antragstellung kannte, kann nicht angenommen werden, die Vertragsparteien hätten auch für diesen Fall § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG abbedungen. Im vorliegenden Fall, in dem das Angebot zum Vertragsschluss nicht vom Versicherungsnehmer sondern - durch Übersendung des Versicherungsscheins - vom Versicherer ausging - kann nichts anderes gelten. Der VN, der beim Empfang des Vertragsangebotes des Versicherers weiß, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, kann - ohne eine eindeutige dahingehende Erklärung des Versicherers - nicht annehmen, dass der Versicherer ihm auch dafür Versicherungsschutz gewähren will, selbst wenn er davon ausgehen muss, dass der Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer ebenfalls bekannt ist.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus der Fahrzeugteilversicherung i.V.m. § 12 Abs. 1 I d AKB. Danach umfasst die Fahrzeugteilversicherung Schäden durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U. v. 18.12.1991 - IV ZR 204/90, VersR 1992, 349) ist Voraussetzung, dass es zu einer Berührung mit dem Wild gekommen und diese Berührung für den Schaden kausal geworden ist. Letzteres hat der Kläger nicht bewiesen.

a. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat steht zwar fest, dass es zu einer Berührung des klägerischen Fahrzeugs mit auf der Fahrbahn liegenden Wildschweinkadavern gekommen ist. Der Zeuge B der sich mit seinem Fahrzeug vor dem Kläger befand, hat bestätigt, dass er selbst über Wildschweinkadaver gefahren sei und der Kläger sie ebenfalls überrollt haben müsse, bevor dieser auf sein Fahrzeug aufgefahren sei, weil er erst mindestens 20 Meter hinter den Kadavern zum Stehen gekommen sei.

Der Senat geht weiter davon aus, dass es sich bei den Wildschweinen noch um Haarwild im Sinne von § 12 Abs. 1 I d AKB gehandelt hat, auch wenn sie vor der Berührung mit dem Fahrzeug des Klägers von den vorausfahrenden Fahrzeugen bereits getötet worden waren. Nach Auffassung des OLG München (VersR 1986, 863, 864) schützt zwar die Wildschadensklausel des § 12 Abs. 1 I d AKB nur gegen typische Wildgefahren, die bei getötetem oder aus sonstigen Gründen bewegungslos auf der Fahrbahn liegendem Haarwild nicht mehr gegeben seien. Komme es zu einem Zusammenstoß, verwirkliche sich eine dem Verkehrsgeschehen immanente Gefahr, wie sie auch bei einem beliebigen anderen Hindernis bestehe, mit dem jeder Verkehrsteilnehmer jederzeit rechnen müsse. Diese Rechtsprechung findet jedoch im Wortlaut von § 12 AKB, nach dem sich zwar das Fahrzeug, nicht aber das Wild in Bewegung befinden muss, keine Stütze. Sie erfasst auch das von Haarwild für den Straßenverkehr ausgehende Risiko jedenfalls dann nicht hinreichend, wenn - wie hier - im Rahmen eines einheitlichen Geschehens das Haarwild in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang von mehreren Fahrzeugen erfasst und überrollt wird und es vom Zufall abhängt, ob das Wild bereits von dem ersten oder von nachfolgenden Fahrzeugen getötet wird (so auch OLG Nürnberg, NJW-RR 1994, 537; Prölss/Martin/Knappmann, VVG 26. Aufl., § 12 AKB Rn. 42). Ob etwas anderes gilt, wenn sich ein Wildkadaver bereits seit längerer Zeit auf der Fahrbahn befindet und kein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem zum Tode führenden ersten Zusammenstoß mit einem Fahrzeug und der späteren, für einen Unfall ursächlichen Berührung des Wildes durch ein anderes Fahrzeug besteht, bedarf hier keiner Entscheidung.

b. Es steht jedoch nicht fest, dass der zum Schaden führende Unfall durch den Zusammenstoß des klägerischen Fahrzeugs mit den Wildkadavern verursacht worden ist. Nach dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 I d AKB ist die Ursächlichkeit zwischen Zusammenstoß und Schaden Tatbestandsvoraussetzung für den Deckungsschutz (BGH, U. v. 18.12.1991 - IV ZR 204/90, VersR 1992, 349, 350; Prölss/Martin/Knappmann, VVG 26. Aufl., § 12 AKB Rn. 42; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl., § 12 AKB Rn. 61). Die Beweislast dafür trägt der Kläger.

Der Versicherungsnehmer kann den Beweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Zusammenstoß mit dem Wild und dem Unfall grundsätzlich im Wege des Anscheinsbeweises führen (BGH, a.a.O.). Der Beweis des ersten Anscheins greift aber nur bei typischen Geschehensabläufen ein, d.h. in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt hier nicht vor. Feststeht, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug Wildschweinkadaver überrollt hat und anschließend auf das Fahrzeug des Zeugen B - aufgefahren ist. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, nach dem das Überfahren von Wild oder Kadavern den Bremsweg regelmäßig so verlängert, dass ein rechtzeitiges Anhalten hinter auf der Fahrbahn stehenden anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr möglich ist, gibt es nicht. Ob es gelingt, das Fahrzeug rechtzeitig zum Stehen zu bringen, hängt von zahlreichen anderen Faktoren wie vor allem der gefahrenen Geschwindigkeit, dem eingehaltenen Abstand und der Verzögerung ab, mit dem das vorausfahrende Fahrzeug zum Stillstand gebracht wird.

Nach den Aussagen der Zeugen B. und T ist offen, ob der Kläger sein Fahrzeug rechtzeitig hinter den auf der linken Fahrspur stehenden Fahrzeugen hätte anhalten können, wenn er nicht zuvor über die Wildschweinkadaver gefahren wäre. Der Zeuge B. hat zwar bestätigt, dass das Überfahren der Wildschweinkadaver auch bei ihm das Anhalten verzögert habe. Gleichzeitig hat er jedoch betont, dass sowohl er als auch zwei weitere vor ihm fahrende Fahrer - trotz Überfahrens der Kadaver - ihr Fahrzeug jeweils hinter dem vorausfahrenden zum Stehen bringen konnten. Der Kläger, der aus seiner Sicht sehr schnell gefahren sei, sei der einzige gewesen, bei dem es nicht gereicht habe. Auch der Zeuge T der den Unfall polizeilich aufgenommen und ein Bußgeldverfahren gegen den Kläger eingeleitet hat, meinte sich zu erinnern, dass ihm an der Unfallstelle gesagt worden sei, der Kläger sei wegen überhöhter Geschwindigkeit oder aus Unachtsamkeit aufgefahren. Aufgrund dieser Aussagen kam man zumindest nicht ausschließen, dass es zu einem Auffahrunfall auch gekommen wäre, wenn der Kläger nicht zuvor Wildschweinkadaver überfahren hätte. Der dem Kläger obliegende Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen denn Zusammenstoß mit den Wildschweinkadaver und dem eingetretenen Schaden ist deshalb nicht geführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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