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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: 5 U 663/03
Rechtsgebiete: VVG, ZPO, AKB


Vorschriften:

VVG § 61
ZPO § 287
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
AKB § 12 Abs. 1
AKB § 12 I a
AKB § 12 II
AKB § 13
AKB § 13 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 663/03

verkündet am 3.3.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. 02. 2004 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, des Richters am Oberlandesgericht Geib und der Richterin am Oberlandesgericht Hermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16. 10. 2003 (Az.: 12 O 100/98) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, 15.185, 37 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 08.04. 1998 an den Kläger zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Fahrzeugvollversicherung geltend, die er für ein am 12. 08. 1996 zerstörtes Fahrzeug (Saab Cabrio) bei der Beklagten unterhielt. Der Versicherung lagen Vertragsbedingungen zugrunde, welche den AKB 95 vollinhaltlich entsprechen.

Der Kläger hat behauptet, seine frühere Ehefrau, die Zeugin K., sei mit dem Fahrzeug am 12. 08. 1996 in Frankreich auf der Landstraße zwischen W. und B. unterwegs gewesen, als dieses überraschend angefangen habe zu brennen. Beim Versuch, das Fahrzeug zum Stehen zu bringen, sei sie von der Fahrbahn abgekommen. Helfer hätten die ohnmächtige Zeugin aus dem verunfallten Fahrzeug gezogen. Das Fahrzeug selbst brannte - unstreitig - vollständig aus.

Die Beklagte hat vorgetragen, gem. § 61 VVG von der Verpflichtung zur Zahlung frei zu sein und behauptet, der Unfall habe sich so ereignet, dass die alkoholisierte Zeugin infolge überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen sei. Erst dann, als Folge dieses Unfalles, sei es zu einem Brand des Fahrzeuges gekommen. Der Kläger müsse sich das Verschulden der Zeugin K. als das seiner Repräsentantin anrechnen lassen, da diese - unstreitig - das Fahrzeug befugterweise benutzte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme abgewiesen. Die Zeugin K. habe den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt, da sie das Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1, 25 Promille und damit im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit geführt habe. Dies sei für den Unfall kausal geworden. Selbst wenn der Brand des Fahrzeuges - wie von der Zeugin geschildert - während der laufenden Fahrt begonnen habe, sei ein nicht alkoholisierter Kraftfahrer wesentlich reaktionsschneller, hätte daher den entstehenden Qualm sofort realisiert, das Fahrzeug zum Stehen gebracht und mittels eines Feuerlöschers die Flammen erstickt oder sich umgehend um Hilfe von Dritten bemüht. Die Zeugin K. sei Repräsentantin des Klägers in Form des Risikoverwalters gewesen. Das Fahrzeug habe in ihrem Eigentum gestanden und sei nur aus "Prämiengründen" auf den Kläger zugelassen worden.

In der Berufung trägt der Kläger vor, das Landgericht habe zu Unrecht die Aussage der Zeugin K. teilweise - soweit es um die Repräsentantenhaftung gehe - für glaubwürdig und teilweise - soweit es um die Menge genossenen Alkohols und den Unfallhergang gehe - für unglaubwürdig erachtet. Dies sei unzulässig, zumal die erkennende Richterin sich keinen persönlichen Eindruck von der Zeugin verschafft habe. Die in Frankreich vorgenommene Bestimmung der BAK genüge nicht den Anforderungen, die an die Messgenauigkeit von Blutalkoholuntersuchungen zu stellen seien. Das Landgericht habe auch nicht beachtet, dass der Kaskoschaden bereits durch den Brand eingetreten sei, der sich während der Fahrt ereignet habe. Die weitere Reaktion der Zeugin K. auf dieses Ereignis sei allenfalls noch für die Höhe des entstandenen Schadens ursächlich geworden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 16. 10. 2003, zugestellt am 20. 10. 2003, zu verurteilen, an den Kläger 15.185, 37 € (29.700 DM) nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger kann aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. §§ 13, 12 Abs. 1. II., I. a AKB 1995 den geltend gemachten Betrag nebst beantragter Zinsen (§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 BGB) von der Beklagten verlangen.

1.

Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag über eine Fahrzeugvollversicherung. Die Versicherungsbedingungen entsprechen inhaltlich den AKB 95. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unbestritten vorgetragen. Mit diesem neuen Vorbringen ist er nicht gemäß §§ 529 Abs. 1 i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, da dieser Gesichtspunkt vom Landgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurde (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat umfangreiche Beweiserhebungen durchgeführt, ohne darauf abzustellen oder darauf hinzuweisen, dass die Klage mangels Vortrages zum Vertragsinhalt erstinstanzlich unschlüssig war.

2.

Dem geltend gemachten Anspruch liegt - unstreitig - der versicherte Schadensfall Brand (§ 12 Abs. 1, II, I a AKB) zugrunde.

Gemäß § 13 AKB ist der Versicherer daher zum Ersatz des Schadens bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges verpflichtet. Dies ist der Kaufpreis, den der Versicherungsnehmer aufwenden müsste, um ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben. Ausweislich der Fahrzeugbewertung des Sachverständigen R. vom 17.10.1996 sind dies 30.000 DM, woraus sich - unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts von 300 DM - der ausgeurteilte Betrag ergibt. Das Gutachten R. ist für eine Schätzung des Schadens gem. § 287 ZPO ausreichend. Die Beklagte bestreitet zwar unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AKB die Höhe des Schadens. Hiermit kann sie jedoch nicht durchdringen, da das Fahrzeug unstreitig vollständig zerstört wurde. Hieraus folgt ohne weiteres, dass ein zu berücksichtigender Restwert nicht besteht.

3.

Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 61 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Dies wäre der Fall, wenn der Versicherungsnehmer - oder sein Repräsentant - den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt hätte. Hier kann dahinstehen, ob die vormalige Ehefrau des Klägers, die Zeugin K., als Repräsentantin des Klägers anzusehen ist. Jedenfalls konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass der Versicherungsfall Brand durch grobe Fahrlässigkeit der Zeugin K. verursacht wurde.

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, die Ursache des Brandes sei darin zu sehen, dass die Zeugin K. in Folge Alkoholgenusses und überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen sei, ist sie beweisfällig geblieben. Die Zeugin K. hat in ihrer Vernehmung vom 2.12.1998 den Unfallhergang anders dargestellt. Sie habe "plötzlich Qualm" vor sich gesehen, der aus der Motorhaube des Fahrzeuges gekommen sei. Daraufhin sei sie in den Graben gefahren. Dieser Schadenshergang lässt nicht nur die Möglichkeit offen, sondern spricht - im Gegenteil - dafür, dass die Ursache des Brandes nicht das "In-den-Graben-fahren" und eine dabei etwaige erfolgte Beschädigung beispielsweise der Benzinleitung war. Es ist vielmehr anzunehmen, dass bereits zuvor der Brand entstanden ist, jedenfalls aber an dem Kraftfahrzeug ein Geschehensablauf begonnen hat, der zu der Brandentwicklung führte. Dem Beweisantritt der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht nachzugehen, da das Fahrzeug unstreitig völlig zerstört wurde. Damit fehlt jedwede Anknüpfungstatsache, an Hand derer ein Sachverständiger die Brandursache ermitteln könnte.

Die erforderliche Kausalität zwischen der - auch nach Auffassung des Senats feststehenden - Fahruntüchtigkeit der Zeugin K. und dem Schadensfall lässt sich auch nicht damit begründen, dass ein nicht alkoholisierter Kraftfahrer reaktionsschneller ist, so dass man davon ausgehen könne, dass er den Qualm sofort realisiert, das Fahrzeug zum Stehen bringt und entweder bei vorhandenem Feuerlöscher selbst eine entstehende Feuerquelle erstickt oder sich umgehend um Hilfe von Dritten kümmert. Diese Annahme des Landgerichts stellt nicht mehr als eine Spekulation dar, die im Sachvortrag der Parteien keinerlei Stütze findet, zumal die Ursache des Brandes nicht feststeht und auch nicht mehr aufzuklären ist.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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