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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.03.2000
Aktenzeichen: 5 U 691/00-59
Rechtsgebiete: DÜG, AGB-Gesetz, VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

DÜG § 1
AGB-Gesetz § 9
AGB-Gesetz § 9 Abs. 1
AGB-Gesetz § 6 Abs. 2
VVG § 16
VVG § 17
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 691/00-59

Verkündet am 21. März 2000

In dem Rechtsstreit

wegen eines Anspruchs aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2001 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, die Richterin am Oberlandesgericht Gaillard und den Richter am Oberlandesgericht Dier

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. August 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (14 O 354/96) abgeändert und dahin neu gefasst, dass die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt wird, an den Kläger 100.000,-- DM zuzüglich Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 4 % für die Zeit vom 1. Mai 1996 bis zum 30. April 2000 und in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 18.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Wert der Beschwer der Beklagten aufgrund dieses Urteils wird - ebenso wie der Streitwert des Berufungsverfahrens - auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die am 6.2.1996 verstorbene Ehefrau des Klägers hatte einen von ihr am 19 1.1996 ausgefüllten Versicherungsantrag (Bl. 9, 7 d A.) bei der Beklagten eingereicht. Abgeschlossen werden sollte eine Risikolebensversicherung über eine Versicherungssumme von 100.000,-- DM; Versicherungsbeginn sollte der 1.2.1996 sein, als Bezugsberechtigter war der Kläger benannt. Dem Antrag beigefügt waren die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung (Bl. 18 d.A.). § 4 Abs. 1 dieser Versicherungsbedingungen lautet:

"Unsere Leistungspflicht ist - soweit nicht etwas anderes vereinbart ist -ausgeschlossen für Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrages erkennbar geworden sind, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden."

Die in dem Versicherungsantragsformular angeführte Frage, ob die Ehefrau des Klägers an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden unter anderem des Herzens leide oder gelitten habe, hatte die Ehefrau des Klägers wie folgt beantwortet: "Herz: Linksschenkelblock; Folgen: Keine".

Der Antrag ging am 23.1.1996 bei der Beklagten ein. Mit einem Schreiben vom 24.1.1996 (Bl. 8 d.A.) teilte die Beklagte der Ehefrau des Klägers unter anderem mit, es sei sichergestellt, dass sie sofort ab Eingang des Antrages vorläufigen Versicherungsschutz genieße. Mit einem weiteren an die Ehefrau des Klägers gerichteten Schreiben vom 1.2.1996 (Bl. 17 d.A.), das am 8.2.1996 unter der Adresse der Ehefrau des Klägers zuging, führt die Beklagte aus, die Prüfung des Antrages habe leider zu dem Ergebnis geführt, dass Versicherungsschutz wohl nicht zu den normalen Bedingungen übernommen werden könne; bereits jetzt zeichne sich ein Mehrbeitrag ab, der zu einer Erhöhung des Normalbeitrages führen werde, eine genaue Festlegung dieses Mehrbeitrages sei erst nach Vorlage medizinischer Unterlagen möglich. Falls die Ehefrau des Klägers, so heißt es am Ende des Schreibens weiter, unter diesen Vorzeichen weiterhin an ihrem Antrag festhalten wolle, werde sie gebeten, den beiliegenden "Ärztlichen Bericht" von ihrem Arzt ergänzen zu lassen.

Bereits am 30.1.1996 war die Ehefrau des Klägers nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Dort starb sie am 6.2.1996. Der Kläger beansprucht aufgrund der von der Beklagten erteilten Zusage vorläufigen Versicherungsschutzes die Zahlung der Versicherungssumme von 100.000,-- DM. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 100.000,-- DM und 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 26.2.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Ehefrau des Klägers habe seit 1991 unter einer Kardiomyopathie gelitten. Von dieser Erkrankung habe sie auch gewusst. Die Erkrankung habe zu ihrem Tod geführt. Deshalb sei der Versicherungsschutz nach § 4 der vereinbarten Versicherungsbedingungen ausgeschlossen.

Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 182 ffd.A.), auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht - nach der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Bl. 123 ff. d.A.) und einer Ergänzung dazu (Bl. 163 ff. d.A.) - die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, aus der Zusage der Beklagten über den vorläufigen Versicherungsschutz könne der Kläger keinen Anspruch herleiten. Denn der Versicherungsschutz sei nach § 4 Abs. 1 der vereinbarten Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Die Ehefrau des Klägers habe unter einer Kardiomyopathie gelitten. Diese sei nach dem eingeholten Sachverständigengutachten für den Tod der Ehefrau des Klägers ursächlich geworden. Dass sie unter einer Herzerkrankung leide, habe die Ehefrau des Klägers gewusst. Nur darauf komme es im Rahmen der erwähnten Ausschlussklausel an; unerheblich sei hingegen, ob der Ehefrau des Klägers auch bewusst gewesen sei, dass diese Herzerkrankung zum Tod führen könne.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er macht zum einen geltend, dass aufgrund des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens die Kardiomyopathie, unter der seine Ehefrau gelitten habe, nur mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod geführt habe; andere Ursachen seien nach dem Gutachten aber nicht ausgeschlossen. Zu Unrecht sei das Landgericht, so führt der Kläger weiter aus, auch davon ausgegangen, dass seine Ehefrau positive Kenntnis von dem Vorliegen einer Kardiomyopathie gehabt habe; eine solche Diagnose sei ihr nicht mitgeteilt worden. Ihr sei von ihrem Arzt lediglich erklärt worden, sie habe einen Linksschenkelblock, das sei aber keine Herzerkrankung. Wenn die Beklagte, so argumentiert der Kläger schließlich, trotz des Hinweises in dem Versicherungsantragsformular, dass im Bereich des Herzens ein Linksschenkelblock vorliege, vorläufige Deckung zusage, handele sie auch rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich nunmehr auf den Ausschluss ihrer Leistungspflicht berufe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an ihn 100.000,-- DM nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % vom 26.2.1996 bis zum 30.4.2000 und in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 1.5.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Landgerichts für richtig. Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergangen ist, mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien die Frage erörtert, ob § 4 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen der Beklagten einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz standhält.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch, mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsen, zu. Der Anspruch folgt aus einem zwischen der Beklagten und der Ehefrau des Klägers geschlossenen Vertrag über vorläufigen Versicherungsschutz.

1.

Dem der Ehefrau des Klägers von der Beklagten überlassenen Versicherungsantragsformular waren die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz beigefügt. Das durfte die Ehefrau des Klägers als Angebot der Beklagten auch zum Abschluss eines Vertrages über vorläufigen Versicherungsschutz entsprechend dem Inhalt der ihr überlassenen Versicherungsbedingungen ansehen. Dieses Angebot hat die Ehefrau des Klägers durch die Unterzeichnung des Versicherungsantrages und dessen Rücksendung an die Beklagte - bei der Beklagten handelt es sich um einen Direktversicherer, weshalb der Versicherungsantrag nicht von einem Versicherungsagenten aufgenommen wurde - angenommen; der Vertrag über den vorläufigen Versicherungsschutz kam danach mit Eingang des Versicherungsantrages bei der Beklagten zustande. Es handelt sich dabei um einen rechtlich selbständigen Vertrag, der von dem Zustandekommen des endgültigen Versicherungsvertrages unabhängig ist (BGH, NJW-RR 1996, 856).

2.

Nach § 3 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung beginnt der vorläufige Versicherungsschutz mit dem Tag, an dem der Antrag bei der Beklagten eingeht. Das war hier der 23.1.1996. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Ehefrau des Klägers vorläufigen Versicherungsschutz, der sich auf die für den Todesfall beantragten Leistungen erstreckte (§ 1 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen). Der Versicherungsfall, der Tod der Ehefrau des Klägers, ist am 6.2.1996 eingetreten.

3.

Der vorläufige Versicherungsschutz endete nicht nach § 3 Abs. 2 Buchstabe b) der Versicherungsbedingungen vor Eintritt des Versicherungsfalls. Nach dieser Regelung endet der vorläufige Versicherungsschutz, wenn der Antrag von der Beklagten abgelehnt wird. Letzteres ist nicht mit dem Schreiben der Beklagten vom 1.2.1996 geschehen. Mit diesem Schreiben hat die Beklagte lediglich angekündigt, voraussichtlich eine höhere Prämie fordern zu wollen. Abgelehnt im Sinne von § 3 Abs. 2 Buchstabe b) der Versicherungsbedingungen wird der Antrag aber nur, wenn der Versicherer den Abschluss des erstrebten Vertrages endgültig verweigert (BGH, NJW-RR 1996, 856). Das ist hier nicht geschehen. Abgesehen davon ging das Schreiben der Beklagten erst am 8.2.1996 unter der Adresse der Ehefrau des Klägers zu, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsfall bereits eingetreten war; auch aus diesem Grund konnte das Schreiben an dem mit Eintritt des Versicherungsfalls entstandenen Anspruch des Klägers nichts mehr ändern.

4.

Der vorläufige Versicherungsschutz ist nicht nach § 4 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Diese Klausel, nach der die Leistungspflicht des Versicherers ausgeschlossen ist für Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrages erkennbar geworden sind, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden, benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGB-Gesetz) und ist daher unwirksam.

a)

Die Klausel schränkt das von der Beklagten gegebene Leistungsversprechen - die Gewährung vorläufigen Versicherungsschutzes dahingehend, dass die vereinbarte Versicherungssumme auch bei dem Tod des Versicherten vor Abschluss des endgültigen Vertrages gezahlt wird - ein; die Klausel unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz (dazu zuletzt BGH, VersR 2001, 184, 185 m.w.N.).

b)

Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen, weil sie gegen das sich aus § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz ergebende Transparenzgebot verstößt. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Wird der Versicherungsschutz durch eine Klausel beschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer klar und deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel noch besteht (BGH, VersR 2001, 184, 185; außerdem: BGHZ 136, 394, 401 f, und BGHZ 141, 137, 143 f). Das geschieht in § 4 Abs. 1 der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung - danach ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen für "Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrages erkennbar geworden sind, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden" - nicht. Diese Klausel verdeutlicht dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht, unter welchen Voraussetzungen er damit rechne muss, dass vorläufiger Versicherungsschutz, abweichend von dem Hauptleistungsversprechen, nicht besteht.

Ausgeschlossen sein soll der Versicherungsschutz danach für Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrages erkennbar geworden sind. Dass mit Versicherungsfall der Tod des Versicherungsnehmers gemeint ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer aus den Versicherungsbedingungen noch ohne Weiteres erschließen können. Zumindest bei aufmerksamer Lektüre der Klausel wird er darüber hinaus zu der Einschätzung gelangen können, dass es nicht darauf ankommen soll, ob vor der Unterzeichnung des Versicherungsantrages erkennbar gewesen ist, dass der Versicherungsfall, also der Tod, in absehbarer Zeit (aufgrund einer bestimmten Erkrankung) eintreten könnte, sondern dass allein maßgebend ist, ob die Ursache dafür, also das Vorliegen der Erkrankung, bereits vor der Unterzeichnung des Versicherungsantrages erkennbar gewesen ist (von diesem Verständnis der Klausel ausgehend auch OLG Köln, r+s 1994, 274, 275, und OLG Hamm, NVersZ 2000, 517), obwohl auch das nicht völlig klar ist, denn allein die Verwendung des Begriffs "Ursache" könnte daran denken lassen, dass auch die ursächliche Verknüpfung zwischen der Erkrankung, die schließlich zum Tod führt, und dem Tod vorher erkennbar gewesen sein muss.

Wesentlich weniger klar ist dann aber, was mit Ursachen überhaupt gemeint ist. Das wird in der Klausel nicht verdeutlicht. Angesichts des erkennbaren Sinnzusammenhangs wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer aber immerhin annehmen können, dass damit neben Unfällen und ihren Folgen auch andere gesundheitliche Veränderungen, die schließlich zum Tod führen, angesprochen werden. Auch davon ausgehend bleiben jedoch noch weitere Fragen offen. Unklar bleibt, ob jede gesundheitliche Veränderung, die zusammen mit anderen gesundheitlichen Veränderungen oder als erstes Glied einer Kausalkette letztlich zum Tode führt, ausreichen soll oder ob lediglich die Erkrankung gemeint ist, die unmittelbar zum Tode führt. Mit anderen Worten und um ein Beispiel zu nennen, es bleibt unklar, ob schon ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Bluthochdruck als Ursache in Betracht kommen soll oder ob nur daran gedacht ist, dass die koronare Herzerkrankung, die ihrerseits durch den Bluthochdruck und andere Erkrankungen oder Risikofaktoren herbeigeführt wurde, als Ursache im Sinne der genannten Klausel genügen soll. Auch der Bluthochdruck wird ab einem bestimmten Grad als Krankheit angesehen (dazu Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 258. Aufl., 1998, Stichwort "Hypertonie"), er ist - wie etwa auch die Hypercholesterinämie (erhöhte Konzentration von Cholesterin im Blut) daneben einer der Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit (auch dazu Pschyrembel, a.a.O., Stichwort "Herzkrankheit, Koronare"). Oder, ein weiteres Beispiel, es bleibt unklar, wie die Frage zu beantworten ist, ob Ursache des Versicherungsfalles im Sinne der erwähnten Klausel bereits eine Venenwandschwäche im Bereich der Beine, daraus sich entwickelnde einzelnen Varizen (Krampfadern) oder erst eine Variköse (ausgedehnte Bildung von Krampfadern) und in deren Folge eine sich daraus entwickelnde Thrombose mit nachfolgender Embolie sein soll (auch dazu Pschyrembel, a.a.O., Stichworte "Varizen", "Variköse" und "Thrombose" sowie "Embolie"). Für eine Beantwortung dieser Fragen, die sich in ähnlicher Weise auch bei anderen Erkrankungen stellen können, lassen sich der Klausel keine Kriterien entnehmen. Es überrascht daher nicht, dass die Klausel auch in der dazu ergangenen Rechtsprechung sehr unterschiedlich verstanden wird. Während das Oberlandesgericht Köln (r+s 1997, 211, 212) im Wege einer - die Grenze zur geltungserhaltenden Reduktion der Klausel zumindest berührenden - Auslegung zu der Einschätzung gelangt, es seien nur adäquat-kausale Umstände, nämlich die für den Eintritt des Versicherungsfalls "nächsten Kausalumstände" gemeint, wobei je nach Sachlage auch gefahrerhebliche Umstände im Sinne der § 16 und 17 VVG in Betracht kämen, erwägt das Oberlandesgericht Hamm (NVersZ 2000, 517) eine solche Beschränkung auf die nächsten Kausalumstände nicht und meint darüber hinaus, aus dem Wortlaut der Klausel ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass nur gefahrerhebliche Umstände in Betracht kommen sollen (und gelangt, davon ausgehend, zu einer Unwirksamkeit der Klausel mit der Erwägung, dass sie den Vertragszweck gefährde und aus diesem Grund den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige). Welche Unklarheiten mit der Auslegung der Klausel verbunden sind, wird auch daran deutlich, dass das Oberlandesgericht Hamm (a.a.O., S. 518) unter Ursachen im Sinne dieser Klausel nicht nur Erkrankungen zu verstehen scheint, sondern auch Beschwerden, also Symptome, die darauf hinweisen, dass eine Erkrankung vorliegen könnte; solche Symptome sind zwar nach allgemeiner Auffassung gefahrerhebliche Umstände im Sinne der §§ 16 und 17 VVG, die der Versicherungsnehmer anzugeben hat, wenn der Versicherer danach fragt (dazu etwa Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 1997, Rdn. 14 zu den §§ 16, 17 VVG mwN), ob solche Symptome auch Ursache eines Versicherungsfalls sein können (oder ob als Ursache eines Versicherungsfalls lediglich Erkrankungen in Betracht kommen) erscheint aber eher zweifelhaft.

Unterschiedlich beurteilt wird vom Oberlandesgericht Köln einerseits und vom Oberlandesgericht Hamm andererseits in den erwähnten Entscheidungen auch, für wen die Ursache des Versicherungsfalls erkennbar gewesen sein muss; während das Oberlandesgericht Köln annimmt, es komme auf die Erkennbarkeit für den Versicherungsnehmer an und darüber hinaus meint, unter Erkennbarkeit sei positive Kenntnis zu verstehen, ist das Oberlandesgericht Hamm der Auffassung, die Klausel stelle darauf ab, ob irgend jemand in der Lage gewesen wäre, das Vorliegen des gefahrerheblichen Umstands bereits bei Antragstellung zu erkennen.

Es mag (vielleicht) sein, dass es, wenn man über spezielle versicherungsrechtliche Kenntnisse verfugt, möglich ist, aus der Klausel im Wege der Auslegung einen hinreichend konkreten und klaren Regelungsgehalt zu erschließen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer ist damit aber nach Überzeugung des Senats überfordert. Führ ihn ist damit nicht mehr durchschaubar, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erhält.

5.

Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 6 Abs. 1 AGB-Gesetz). An die Stelle der unwirksamen Klausel treten nach § 6 Abs. 2 AGB-Gesetz die gesetzlichen Vorschriften, sofern es solche gibt. Gesetzliche Vorschriften über den vorläufigen Versicherungsschutz gibt es nicht, weshalb auf eine andere Ausschlussklausel dazu auch nicht zurückgegriffen werden kann. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, denn sie würde voraussetzen, dass sich aus dem Vertrag hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, wie die Parteien die durch den Wegfall der unwirksamen Klausel entstandene Regelungslücke geschlossen hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten (dazu Römer, VersR 1994, 125 f. mwN und die Entscheidung des Senats, NVersZ 2001, 18, 19); solche Anhaltspunkte lassen sich den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung aber nicht entnehmen. Die unwirksame Klausel muss deshalb ersatzlos entfallen.

6.

Der Kläger hat daher nach § 1 Abs. 1 der vereinbarten Versicherungsbedingungen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme in der Höhe, wie dies in dem Versicherungsantrag beantragt worden war, also in Höhe von 100.000,-- DM. Der darauf zuerkannte Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB (alter und neuer Fassung), er besteht allerdings erst seit dem 1.5.1996. Am 30.4.1996 war den Rechtsanwälten des Klägers das Schreiben der Beklagten vom 22.4.1996 (Bl. 20 d.A.) zugegangen, mit dem die Beklagte die geltend gemachten Leistungsansprüche abgelehnt hat; bis dahin durfte die Beklagte zur Prüfung ihrer Leistungspflicht Ermittlungen anstellen, so dass vorher der Anspruch des Klägers nicht fällig geworden ist (§ 11 Abs. 1 und 2 VVG), mit der Folge, dass auch Verzug nicht eintreten konnte.

Das Urteil des Landgerichts war entsprechend abzuändern. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nach § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO war der Wert der Beschwer der Beklagten auf 100.000,-- DM festzusetzen. Das ist auch der Streitwert des Berufungsverfahrens.

Ende der Entscheidung

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