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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 5 U 70/07
Rechtsgebiete: AUB


Vorschriften:

AUB § 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 70/07

Verkündet am 20. Juni 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 30.5.2007 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Groß und der Richterin am Amtsgericht Dr. Eckstein-Puhl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29.12.2006, 14 O 248/06, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 126.811,88 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger unterhält seit dem 1.1.2003 bei der Beklagten eine Unfallversicherung (Versicherungsschein-Nummer AAAAA) unter Einschluss der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 94) mit Basis-Deckung sowie der Besonderen Bedingungen mit progressiver Invaliditätsstaffel und Zusatzbedingungen.

Er nimmt die Beklagte aus einem am 31.7.2004 erlittenen Unfall - er war mit seinem Fahrrad gestürzt und erlitt eine Rippenfraktur sowie eine Schulterprellung - auf Invaliditätsleistungen in Anspruch.

Der Kläger reichte nach Meldung des Unfalles Schadensformulare bei der Beklagten ein, auf deren Grundlage diese dem Kläger mit Schreiben vom 21.9.2004 unter Bezugnahme auf den abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag ein Unfall-Krankenhaustagegeld sowie ein Genesungsgeld gewährte (Bl. 47 d.A.). In diesem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass die Unfallversicherung eine Entschädigung im Invaliditätsfall vorsehe, und belehrte den Kläger über die nach § 7 I (1) der AUB einzuhaltenden Fristen (Bl. 48 d.A.).

Nach Vorlage einer "Invaliditätsbescheinigung" lehnte die Beklagte unter Hinweis auf das Schreiben vom 21.9.2004 mit Schreiben vom 31.1.2006 Invaliditätsleistungen ab, weil die ärztliche Feststellung der Invalidität erst am 21.1.2006 und somit außerhalb der Frist des § 7 I (1) AUB erfolgt sei (Bl. 24, 25 d.A.).

Der Kläger hat geltend gemacht, die in § 7 I (1) AUB genannten Fristen nicht überschritten zu haben. Eine ärztliche Feststellung der Invalidität sei bereits mit den ärztlichen Kurzberichten des Bundeswehrkrankenhauses U. vom 17.2.2005 (Bl. 26, 27 d.A.) und vom 4.4.2005 (Bl. 28 d.A.) erfolgt, in denen die vorhandenen Schultergelenksbeschwerden dokumentiert seien. Ein Dauerschaden im linken Schultergelenk sei zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen und förmlich am 12.1.2006 festgestellt worden, wie der Bericht vom 20.1.2006 belege (Bl. 29 d.A.). Eine Berufung auf den Fristablauf sei rechtsmissbräuchlich, weil der Gesundheitsschaden in den ärztlichen Berichten vom 17.2.und 4.4.2005 bereits erwähnt worden und nur noch nicht ausdrücklich festgestellt worden sei. Das Schreiben vom 21.9.2004 habe auch nur so verstanden werden können, dass nach Abschluss der ärztlichen Behandlungen die Beklagte zu informieren sei. Insoweit sei eine Invalidität in Höhe von 70 % eingetreten.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf den Ablauf der Frist für die ärztliche Feststellung berufen, weil eine Dokumentation erst im Januar 2006 erfolgt sei; die Berufung auf die Fristversäumung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil sie den Kläger mit Schreiben vom 21.9.2004 belehrt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass der Kläger die Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität versäumt habe, weil die ärztlichen Kurzberichte hierfür nicht genügten und andere Feststellungen innerhalb der Frist nicht vorgetragen worden seien. Rechtsmissbrauch sei der Beklagten nicht vorzuwerfen, weil die Belehrung im Schreiben vom 21.9.2004 eindeutig gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft keinen Beweis über die Frage der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung eines Dauerschadens durch Vernehmung des den Kläger im Krankenhaus behandelnden Arztes bzw. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben habe. Auch verkenne das Landgericht, dass die entsprechenden Feststellungen sich bereits aus den ärztlichen Attesten vom 17.2. und 4.4.2005 ergäben, in denen davon die Rede sei, dass die schulterzentrierten Gelenkbeschwerden wieder zugenommen hätten und die entsprechende Muskulatur abgebaut sei. Legten jedoch die ärztlichen Atteste einen Dauerschaden nahe, sei die Berufung auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich. Auch sei das Schreiben vom 21.9.2004 entgegen der Auffassung des Landgerichts so zu verstehen, dass die Beklagte erst bei Abschluss der ärztlichen Behandlungen zu informieren sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 29.12.2006, 14 O 248/06,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm nach Maßgabe des Versicherungsvertrages Nr. U 500344597 Versicherungsschutz für den Unfall vom 31.7.2004 zu gewähren,

2. an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 811,88 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er kann aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherung keine Invaliditätsleistungen beansprucht. Denn es fehlt an der Anspruchsvoraussetzung der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität, § 7 1 (1) AUB.

1.

Nach § 71 (1) Abs. 2 AUB 95 genügt das Vorliegen einer durch den Unfall verursachten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, wie hier vom Kläger für die im linken Schultergelenk aufgetretenen Beschwerden als unfallbedingter Dauerschaden geltend gemacht, für sich allein nicht. Es bedarf für den Anspruch auf Invaliditätsleistung zusätzlich der Beachtung bestimmter Fristen. So muss die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt worden sein. Das dient dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Denn das Erfordernis fristgerechter Feststellung der Invalidität ist eine Anspruchsvoraussetzung, deren Nicht-Vorliegen nicht entschuldigt werden kann. Auch eine Leistungsablehnung des Versicherers ändert nichts daran, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht entsteht, wenn die Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt worden ist (zuletzt BGH, Urt. v. 7.3.2007, IV ZR 137/06, NSW AUB § 7 F.: 1995- BGH-intern, m.w.N.; BGH, Urt. v. 30.11.2005, IV ZR 154/04, VersR 2006, 352).

Allerdings sind an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. So muss sie sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens braucht noch nicht einmal richtig zu sein und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist (BGH, aaO; BGH, Urt. v. 16.12.1987, IVa ZR 195/86, VersR 1988, 286). In dieser Auslegung hält die Fristenregelung einer sachlichen Inhaltskontrolle stand und wird überdies dem Maßstab des Transparenzgebotes gerecht, § 307 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB (BGH, aaO; BGH, Urt. v. 23.2.2005, IV ZR 273/03, VersR 2005, 639Z 162, 210).

Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich aber die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache der Invalidität und die Art ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit des Versicherten ergeben. Denn die Invaliditätsbescheinigung soll dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf der Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich soll sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar sind und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen will. Deshalb können aus Gründen der Rechtssicherheit und Beweissicherung nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein (BGH, aaO).

Daraus folgt, dass die Angabe eines konkreten, die Leistungsfähigkeit des Versicherten beeinflussenden und auf das Unfallereignis zurückzuführenden Dauerschadens notwendig ist. Allein das wird den berechtigten Interessen des Versicherers gerecht, die dieser an der zeitnahen Klärung seiner Leistungspflicht hat. Nur einem Dauerschaden, zu dessen Ursache und Auswirkungen sich die Bescheinigung bereits verhält, kann der Versicherer nachgehen.

2.

Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Eine fristgerecht - nämlich bis zum 31.10.2005 - getroffene Invaliditätsfeststellung im Sinne einer von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragenen Beurteilung, ob und in welchem Umfang bestimmte Gesundheitsschädigungen auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und ob Gesundheitsschädigungen die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit auf Dauer mindern, ist innerhalb der in § 7 I (1) AUB bestimmten 15 Monatsfrist nicht erfolgt.

a.

Die von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Kurzberichte vom 17.2. und 4.4.2005 des Bundeswehrkrankenhauses U. genügen hierfür nicht. Ihnen kann eine Invaliditätsfeststellung im Sinne von § 7 I (1) AUB nicht entnommen werden. So enthält der Bericht vom 17.2.2005 zwar in der Anamnese den Hinweis auf den in Rede stehenden Unfall und eine erneute ACG Distorsion (Verstauchung des Schultereckgelenks) links bei Erstverletzung im Dienst 1976; ferner wird in dem Befund festgehalten, dass ein deutlicher Hochstand der "linken lat. Clavicula" (Schlüsselbein), eher "diskreter DS über li ACG", bei Schulterbewegjungen hier deutliche Crepitatio, ebenso "ausgeprägte Instabilität des li ACG" vorliegt. In der Diagnose ist ausgeführt, dass eine "ACG-Arthrose li bei Zustand nach Tossy -III- Verletzung" (Zerreißung der acromioclaviculären und der coracoclaviculären Bänder) 1976/2004, eine Tendinosis calcarea (Verkalkung der Rotatorenmanschette) und "V.a. alte knöcherne Benkart-Läsion" (Abriss des Pfannenrandes und der Gelenkkapsel vom Vorderrand der Gelenkpfanne) "li Schultergelenk" vorliegt.

Allerdings fehlt eine Beurteilung bestimmter Auswirkungen als Dauerschaden und die Feststellung, dass der Unfall für bestimmte Folgen ursächlich war. Es fehlt auch an einer ärztlichen Äußerung dazu, ob die in der Anamnese geschilderten Beschwerden auf dem Unfall vom 31.7.2004 beruhen. Insbesondere lässt sich dem Bericht aber auch nicht entnehmen, dass innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit des Klägers dauerhaft beeinträchtigt worden ist. Im Gegenteil wird am Ende des Berichtes vermerkt, dass zur weiteren Diagnostik ein MRT des linken Schultergelenks veranlasst worden sei und nach dessen Vorliegen eine Befundbesprechung und ein Abklären des weiteren Procedere mit dem Patienten erfolgen werde. Eine unfallbedingte Invalidität wird an keiner Stelle erwähnt.

Nichts anderes gilt für den ärztlichen Kurzbericht vom 4.4.2005. Auch wenn hier im Wesentlichen unter Wiederholung der Diagnose aus dem Bericht vom 17.2.2005 in der Anamnese vermerkt ist, dass seit der letzten Vorstellung eine Zunahme der Schultergelenksbeschwerden stattgefunden habe, wird lediglich Bezug genommen auf den Befund vom 17.2.2005 und lässt sich den Ausführungen zur bildgebenden Diagnostik nur entnehmen, dass eine aktivierte ACG Arthrose bei Clavicula-Hochstand und eine degenerative Veränderung der Supraspinatussehne festgestellt worden ist. Auch dem weiteren empfohlenen Procedere - nach Wunsch des Klägers sollte eine konservative Therapie als EAP, nämlich schwerpunktmäßig Aufbau der schulterzentrierenden Muskulatur links, manuelle Therapie HWS/ Schulter, Aufbau WS-stab. Muskulatur - durchgeführt werden und sollten je nach Erfolg dieser Therapie weitere Maßnahmen (ggf. operativer Eingriff) erfolgen- lässt sich nicht die Feststellung entnehmen, dass der Unfall für bestimmte Folgen ursächlich ist bzw. dass bestimmte, auf dem Unfall beruhende Auswirkungen einen Dauerschaden darstellen. Vielmehr wird auch hier am Ende des Berichts ausdrücklich wieder um eine Wiedervorstellung nach Abschluss der EAP gebeten. Dass in Folge des Unfalls bei dem Kläger ein Dauerschaden eingetreten ist, wird indes nicht bescheinigt.

Insgesamt enthalten die Kurzberichte keine ärztlich festgestellten unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Dauerfolgen für den Kläger.

Soweit unter dem 20.1.2006 ein weitere Stellungnahme des Bundeswehrkrankenhauses U. erstellt worden ist (Bl. 29 d.A.), liegt diese außerhalb der 15- Monatsfrist, die am 31.10.2005 ablief. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass in diesem Schreiben auf die Feststellung eines Dauerschadens am 12.1.2006 verwiesen wird. Denn auch diese Feststellung ist unzweifelhaft nicht fristgemäß erfolgt.

b.

Dafür, dass innerhalb der 15- Monatsfrist die ärztliche Feststellung der Invalidität in sonstiger Weise getroffen worden ist, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Denn es kann nicht festgestellt werden, dass überhaupt eine ärztliche Feststellung innerhalb der Frist erfolgt ist.

aa.

Zweck des in § 7 I (1) AUB enthaltenen Erfordernisses der ärztlichen Feststellung innerhalb von 15 Monaten sowie des Eintritts der Invalidität binnen Jahresfrist ist, dass der Versicherer nicht für Spätschäden, die in der Regel schwer aufklärbar und unübersehbar sind, eintreten muss. Im Interesse einer rationellen arbeits- und Kosten sparenden Abwicklung sollen Spätschäden auch im Falle unverschuldeter Fristversäumung vom Versicherungsschutz ausgenommen werden.

Ob aus Gründen der Rechtssicherheit und Beweissicherung deshalb eine schriftliche Feststellung zu fordern ist, auch wenn dies dem Bedingungswortlaut - wie hier- nicht, jedenfalls nicht eindeutig entnommen werden kann, wird nicht einheitlich beantwortet. Der Bundesgerichtshof hat, soweit ersichtlich, bislang eine Entscheidung, die sich ausdrücklich für das Erfordernis der Schriftform für die ärztliche Feststellung der Invalidität ausspricht, noch nicht getroffen, auch wenn bereits die Entscheidung vom 16.12.1987, IV a ZR 195/86 (VersR 1988, 286) ein solches Verständnis nahe legt.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich mit Blick auf die vorgenannte Entscheidung des BGH, aber auch die Entscheidung des BGH vom 25.4.1990, IV ZR 28/98 (VersR 1990, 732) überwiegend dafür ausgesprochen, dass die ärztliche Invaliditätsfeststellung in schriftlicher Form erfolgen müsse (OLG Hamm, VersR 2004, 187; OLG Stuttgart, RuS 2003, 211; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 449; OLG Oldenburg, NJW-RR 1996, 1434; OLG Frankfurt, VersR 1996, 618; OLG Koblenz, VersR 1993, 1262; OLG Köln, VersR 1989, 352; OLG München, VersR 1995, 565; siehe auch Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., AUB 94 § 7, Rdnr. 15, m.w.N.; Grimm, AUB, 2. Aufl., § 7, Rdnr. 11, m.w.N.). Denn nur die in schriftlicher Form von einem Arzt für die Invaliditätsfeststellung niedergelegten Befunde seien, worauf der BGH abgestellt habe, "erstellt" und könnten "vorgelegt" werden, und nur auf diese Weise lasse sich die Einhaltung der Frist sicher nachweisen, was nicht gewährleistet sei, wenn sich der Arzt erst nach Ablauf der 15-Monatsfrist nachträglich - rückblickend - dazu äußern müsse, wie er vor Ablauf der Frist die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers beurteilt hat. Das OLG Hamm hat in der Entscheidung vom 20.8.2003 (aaO) seine Auffassung insbesondere dadurch bestätigt gesehen, dass der BGH die Revision gegen sein Urteil vom 27.9.1995, mit dem es seine in früheren Entscheidungen vertretene Auffassung zum Schriftformerfordernis aufrechterhalten habe, nicht zugelassen habe. Das OLG Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 29.11.2001 (aaO) darüber hinaus auf die Nichtannahme der Revision gegen eine Entscheidung des OLG Hamburg vom 23.7.1997 (VersR 1998, 1412) verwiesen, in dem dieses sich ebenfalls für das Erfordernis einer schriftlichen Niederlegung ausgesprochen hat.

Auch der Senat ist der Auffassung, dass es für die Feststellung der Invalidität einer über eine bloße Befunderhebung hinausgehenden Dokumentation des Arztes bedarf, aus der sich ersehen lässt, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Versicherungsnehmer vorliegen, ob der Arzt sie als voraussichtlich dauerhaft eingeschätzt und ob er eine kausale Verknüpfung zum Unfallgeschehen herstellt hat. Denn ansonsten besteht, worauf die obergerichtliche Rechtsprechung zu Recht hinweist, die Gefahr, dass sich nachträglich nicht mit Gewissheit klären lässt, ob der Arzt noch innerhalb der Frist über eine Befunderhebung hinaus die für die Invaliditätsfeststellung erforderliche Bewertung der voraussichtlichen Entwicklung des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers vorgenommen hat. Es liegt auf der Hand, dass der Arzt, der sich rückblickend hierzu äußern soll und von dem nachträglich eine (prognostische) Einschätzung der Entwicklung des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers abverlangt wird, unter Umständen nicht frei und unbeeinflusst von der späteren tatsächlichen Entwicklung eine Beurteilung abgibt. Solche Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten werden durch eine fristgemäße Dokumentation des Arztes vermieden. Hierfür genügt nach Auffassung des Senats nicht nur ein innerhalb der Frist erstellter Arztbericht oder eine sonstige schriftliche Bescheinigung, sondern jede schriftliche bzw. elektronisch abgespeicherte und abrufbare Dokumentation in den Krankenunterlagen oder in der Patientenkartei, die eine ärztliche Feststellung einer unfallbedingten Invalidität zum Gegenstand hat (siehe hierzu auch Knappmann, aaO, Rdnr. 11; OLG Hamm, aaO).

Dass eine Dokumentation, aus der sich ein unfallbedingter Dauerschaden ergibt, erfolgt ist, ist nicht ersichtlich. Eine solche hat der Kläger auch nicht vorgelegt. Das Schreiben vom 20.1.2006, in dem ausdrücklich auf die Feststellung eines Dauerschadens am 12.1.2006 hingewiesen wird, lässt erst recht nicht den Schluss auf eine entsprechende fristgemäße ärztliche Feststellung zu. Vielmehr ergibt sich aus diesem Schreiben eindeutig, dass eine ärztlich Feststellung der Invalidität, die eine Prognose auf der Basis der erhobenen Befunde sowie eine kausale Verknüpfung eines Dauerschadens mit dem Unfallereignis erkennen lässt, tatsächlich erst im Januar 2006 getroffen worden ist.

bb.

Soweit der Kläger zum Nachweis der fristgemäß erfolgten ärztlichen Invaliditätsfeststellung den ihn im Krankenhaus behandelnden Arzt benannt hat, ist dieses Beweismittel nicht geeignet, eine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung zu belegen. Der Beweisantritt ist unerheblich, weil dadurch ärztliche Feststellungen über die Invalidität des Klägers erst getroffen werden sollen, die innerhalb der 15- Monatsfrist hätten erfolgen müssen und nicht getroffen worden sind. Denn es liegen, was der bereits mit Blick auf den Inhalt des ärztlichen Berichts vom 20.1.2006 darlegungs- und beweisbelastete Kläger hätte vortragen müssen, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der als Zeuge benannte Arzt innerhalb der 15- Monatsfrist über die Befunderhebung hinaus Feststellungen im Sinne von § 7 I (1) AUB getroffen hat.

Auch wenn man hierfür statt einer Dokumentation in dem hier verstandenen Sinn, sozusagen als Minimalvoraussetzung, genügen lassen würde, dass der Arzt das Vorliegen eines unfallbedingten Dauerschadens in bestimmter Weise nach außen kundgetan hat - auch für einen in versicherungsrechtlichen Angelegenheiten nicht bewanderten Laien kann die ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht als rein interner Vorgang in der Vorstellung eines Arztes begriffen werden - (so ausdrücklich OLG Hamm, aaO; offen gelassen OLG Karlsruhe, VersR 2005, 1230), spricht nichts für das Vorliegen einer fristgerechten Invaliditätsfeststellung.

Umstände, die erkennen lassen, dass der von ihm als Zeuge benannte Arzt innerhalb der Frist die unfallbedingte Invalidität in irgend einer Form, zum Beispiel mündlich, sofern man dies für eine ärztliche Feststellung überhaupt genügen lassen will (so OLG Karlsruhe, aaO), nach außen kundgetan hat, hat der Kläger nämlich nicht aufgezeigt. Soweit er unter Beweisantritt vorgetragen hat, in den Berichten vom 17.2. und 4.4.2005 seien die noch immer vorhandenen Schultergelenksbeschwerden dokumentiert und demgemäß sei der Dauerschaden seinerzeit, also innerhalb der Jahresfrist, schon vorhanden gewesen (Bl. 4, 44 d.A.), genügt dies nicht. Hieraus kann bereits nicht gefolgert werden, dass der als Zeuge benannte Arzt zum damaligen Zeitpunkt nach Maßgabe seiner Sachkunde und Erfahrung den - nicht in den Berichten niedergelegten (s.o.)- Schluss gezogen hat, dass bestimmte Gesundheitsschädigungen auf das Unfallereignis zurückzuführen sind und diese die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Klägers auf Dauer mindern, und er dies in irgend einer Weise nach außen zum Ausdruck gebracht hat. Dem steht aber auch der Bericht des Arztes vom 20.1.2006 entgegen, in dem es ausdrücklich heißt, dass die Feststellung des Dauerschadens erst am 12.1.2006 - und somit nicht bereits zum Zeitpunkt der Abfassung der Berichte vom 17.2. und 4.4.2005 oder jedenfalls noch innerhalb der 15-Monatsfrist - erfolgt ist.

Von daher genügt das Vorbringen des Klägers insgesamt nicht um darzulegen, dass der ihn im Krankenhaus behandelnde Arzt noch innerhalb der in § 7 I (1) AUB genannten Frist die Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens getroffen hat.

Bei dieser Sachlage kommt es auf das Beweisangebot auf Vernehmung des Arztes nicht an. Fehlt es nämlich an einem nach außen manifestierten Feststellungsakt, kann der Arzt folglich nur rückblickend aussagen, er sei bereits innerhalb der Frist von einem unfallbedingten Dauerschaden ausgegangen. Dies stellt jedoch keine fristgemäße "Feststellung" im Sinne von § 7 I (1) AUB dar. Denn damit würde die Feststellung erst mit der Zeugenaussage aus der Vorstellungswelt des Arztes heraus nach außen dringen und damit (verspätet) getroffen (OLG Hamm, aaO; OLG Köln, aaO).

Die nämlichen Erwägungen gelten, soweit der Kläger für den Eintritt einer unfallbedingten Invalidität innerhalb der in § 7 I (1) AUB genannten Frist die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat. Denn der Sachverständige vermag ebenfalls nur rückblickend Feststellungen zu treffen, was die gemäß den Bedingungen innerhalb der 15- Monatsfrist vorgesehene ärztliche Feststellung der Invalidität nicht zu ersetzen vermag.

3.

Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf ist nicht rechtsmissbräuchlich.

Zwar kann die Berufung des Versicherers auf den Fristablauf für die ärztliche Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, so dass die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Dies kann dann anzunehmen sein, wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden tatsächlich vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt worden ist bzw. aus den Befunden zwingend auf eine dauernde Beeinträchtigung zu schließen ist, etwa bei dem Verlust von Gliedmaßen oder anderer Körperteile, eine hieraus folgende Invalidität aber nicht ausdrücklich fristgerecht ärztlich festgestellt worden ist. Darüber hinaus kann sich die Berufung auf den Fristablauf als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt. Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht und seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahe legen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt. Gleiches kann anzunehmen sein, wenn der Versicherer nach Geltendmachung von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte Feststellung der Invalidität zu sorgen habe (BGH, Urt. v. 23.2.2005, IV ZR 273/03, m.w.N.). Ferner ist die Berufung auf die Fristversäumung dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer nach Fristablauf zur Feststellung der Invalidität weitere Untersuchungen zugemutet hat, die mit erheblichen körperlichen oder seelischen Unannehmlichkeiten verbunden waren, ohne ihm gleichzeitig durch Vorhalt vor Augen zu führen, dass er noch mit dem Einwand der Fristversäumung zu rechnen habe (BGH, Urt. v. 28.6.1978. IV ZR 7/77, VersR 1978, 1036; Senat, Urt. v. 22.1.2003, 5 U 363/02-44, RuS 2003, 340).

Ein solcher Fall liegt indes nicht vor.

Die Beklagte hat, nachdem der Kläger Ansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag auf Schadensformularen der Beklagten geltend gemacht hat, diesen mit Schreiben vom 21.9.2004 unter Hinweis auf § 7 I (1) AUB darüber belehrt, dass die abgeschlossene Unfallversicherung eine Entschädigung im Invaliditätsfall vorsieht und Invalidität als eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit als Unfallfolge innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein muss und spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden sein muss.

Diese Belehrung ist eindeutig. Sie lässt auch vom objektiven Empfängerhorizont keinen Deutungsspielraum in Bezug auf die zu beachtenden Fristen zu. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einwendet, auf Grund des am Ende des Schreibens enthaltenen Passus "unabhängig davon bitten wir um Mitteilung, sobald die ärztliche Behandlung und der Heilungsprozess abgeschlossen sind" sei das Schreiben nicht eindeutig bzw. so zu verstehen gewesen, dass er erst bei Abschluss der ärztlichen Behandlung die Beklagte zu informieren habe, kann dem nicht gefolgt werden. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger selbst nicht in Zweifel zieht, dass eine ärztliche Feststellung erforderlich gewesen ist, die allerdings durch eine "Information" seitens des Klägers nicht ersetzt zu werden vermag, konnte bereits mit Blick auf die Wortwahl nicht zweifelhaft sein, dass auf jeden Fall die Fristen des § 7 I (1) AUB einzuhalten sind. Denn die Umschreibung "unabhängig" impliziert, dass die Mitteilung des Abschlusses der ärztlichen Behandlung und des Heilungsprozesses ohne Einfluss auf die Einhaltung der genannten Fristen zu erfolgen hat und mit diesen weder in Zusammenhang steht noch diese ersetzt. Im Übrigen legt der Kontext nahe, dass sich die Aufforderung zur Mitteilung auf die in dem unmittelbar vorgehenden Absatz genannten Leistungen der Beklagten bezieht.

Zu einer weiter gehenden bzw. wiederholten Belehrung war die Beklagte nicht verpflichtet. Hiervon könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn sich den für sie vorliegenden ärztlichen Berichten oder sonstigen Unterlagen greifbare Anhaltspunkte für den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Dauerschaden ergeben hätten und sich ihr deshalb ein Belehrungsbedarf aufdrängen musste, oder wenn sie von sich aus ein umfassendes Gutachten auch zu Dauerfolgen des Unfalls eingeholt hätte. Hieran fehlt es.

Nach den der Beklagten bis zum Ablauf der 15-Monatsfrist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung zugänglichen ärztlichen Attesten bzw. schriftlichen Berichten (s.o.) lag der Eintritt eines Dauerschadens als Unfallfolge beim Kläger nicht nahe. Die Unterlagen ergaben im Wesentlichen, dass der Kläger auf Grund des Fahrradunfalls eine Verletzung des Schultereckgelenks davongetragen hat und zu diesem Zeitpunkt in dem betroffenen Schultergelenk bereits Vorschäden, bedingt durch eine bereits in 1976 erlittene ACG-Distorsion bzw. Tossy -III-Verletzung, vorlagen. Weiterhin, dass der Kläger, insbesondere auf der Grundlage der bildgebenden Diagnostik, therapiert werden sollte und eine Wiedervorstellung nach Abschluss der Therapie erfolgen sollte. Dass die Verletzungen nicht ausheilen, sondern der Kläger voraussichtlich auf Dauer gesundheitlich beeinträchtigen würden, war den schriftlichen Angaben der Ärzte nicht zu entnehmen.

Dies musste sich nach Art der Verletzungen auch nicht aufdrängen. Insoweit können von der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern ärztliche Fachkenntnisse und Erfahrungen grundsätzlich nicht verlangt werden (BGH, Urt. v. 30.11.2005, IV ZR 154/04, VersR 2006, 352). Legt man die ärztlichen Berichte vom 17.2.2005 und 4.4.2005 zu Grunde, gab es für die Beklagte bei vernünftiger Betrachtung keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger Dauerschäden davontragen werde. Selbst für die behandelnden Ärzte hatten solche in dem in Rede stehenden Zeitraum nicht vorgelegen, wie sich aus dem Schreiben vom 20.1.2006 zweifellos ergibt. Von der Beklagten kann aber keine größere Sach- und Fachkunde verlangt werden als von den behandelnden Ärzten. Bei einer solchen Sachlage verhält sich ein Versicherer nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er den Versicherungsnehmer, der gleichwohl den Eintritt eines Dauerschadens geltend macht, nicht auf den drohenden Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung, über deren Einhaltung er bereits zu einem früheren Zeitpunkt belehrt hat, hinweist (BGH, aaO).

Von daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO.

Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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