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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 5 W 15/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 1
Rechtliche Wertungen des Sachverständigen führen regelmäßig nicht zu seiner Befangenheit, wenn er sich dabei im Rahmen der ihm gestellten Beweisfragen bewegt.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27.11.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts vom 11.11.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 4.525 Euro.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind gesetzliche Erben nach E. E.. Sie streiten über behauptete Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kläger gegen die Beklagte, denen die Übertragung des Hausanwesens in an die Beklagte zu Grunde liegen.

Mit Beweisbeschluss vom 2.5.2002 (GA Bl. 347) hat das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Verkehrswertes des streitgegenständlichen Hausgrundstückes in den Jahren 1993 und 1999 angeordnet. Zum Sachverständigen wurde der Architekt Dr. R. G. bestimmt. Dieser fragte am 25.10.2002 (Bl. 367) schriftlich bei Gericht an, ob das "Leibgeding", welches seit dem 14.5.1993 in Abteilung II des Grundbuches zu Gunsten des Erblassers eingetragen war, bei der Ermittlung des Wertes berücksichtigt werden soll. Mit Beschluss vom 15.11.2002 (Bl. 376) gab das Landgericht dem Sachverständigen auf, die Beweisfrage alternativ, d.h. mit und ohne Berücksichtigung des "Leibgedings" zu beantworten. Am 6.4.2003 erstattete der Sachverständige sein Gutachten (Bl. 418). Hierzu nahm der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 22.5.2003 (Bl. 461 ff.) sachlich Stellung, wobei er insbesondere rügte, dass die Bewertung des Wohnungs- und Benutzungsrechts vom Gutachter auf Grund einer Ex-ante-Betrachtung erfolgt sei. Der Gutachter habe - zu Unrecht - die statistische Lebenserwartung des Erblassers - überdies ermittelt nach einer veralteten Sterbetafel - zu Grunde gelegt. Die Bewertung der Pflegeverpflichtung falle ohnehin nicht in das Sachgebiet des Gutachters. Der Beklagtenvertreter führt weiter aus, dass sich der Wert der Pflegeverpflichtung auf einen weitaus höheren als den vom Gutachter festgesetzten Betrag belaufe. Überdies liege "im Hinblick auf die Beweisfrage noch nicht einmal eine Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung vor, weshalb die Beklagte den Gutachter (ablehne)" (Bl. 470, 471).

Mit Schriftsatz vom 17.9.2003 stellte der Beklagtenvertreter "klar", dass vorgenannte Ausführungen ein Ablehnungsgesuch beinhalten sollten. Befangenheitsgründe lägen insbesondere dann vor, wenn - wie hier - im Hinblick auf die Beweisfrage noch nicht einmal eine Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung vorgenommen worden sei.

Das Landgericht wies mit Beschluss vom 11.11.2003 den Befangenheitsantrag zurück. Die vorgebrachten Gründe seien nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu begründen, sondern könnten allenfalls dazu führen, dass dieser sein Gutachten erläutern bzw. ergänzen oder ein anderer Sachverständiger beauftragt werden müsse. Soweit das Fehlen einer Schlüssigkeitsprüfung gerügt werde, sei dies unverständlich, da in der in Bezug genommenen Entscheidung (OLG Köln NJW-RR 1987, 1198 f) die Befangenheit des Sachverständigen gerade daraus hergeleitet worden sei, dass dieser das Vorbringen der Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit untersucht habe, statt die ihm gestellte Beweisfrage zu beantworten. Der Sachverständige habe sich bei der Bewertung des Wohnungsrechts und der Pflegeverpflichtung auch keine disziplinübergreifenden Kenntnisse angemaßt, sondern sich an den Inhalt der Akte und der Urkunde vom 1.3.1993 gehalten.

Gegen diesen, dem Beklagtenvertreter am 14.11.2003 zugestellten (Bl. 550) Beschluss richtet sich die mit am 1.12.2003 eingegangenem Schriftsatz eingelegte sofortige Beschwerde. Der Beklagtenvertreter führt aus, dass sich die Befangenheit des Sachverständigen daraus ergebe, dass er als Gutachter zu der zwischen den Parteien äußerst umstrittenen Frage, wie die Pflegeleistungen der Beklagten für ihren Vater zu bewerten seien, Stellung genommen habe. Hierfür fehle ihm als Bausachverständigem evident die Sachkunde. Dass er seine Einschätzung auf den Übergabevertrag aus dem Jahre 1993 gestützt habe, stehe dem nicht entgegen, da diese Wertangabe ausdrücklich nur "zur Kostenregelung" erfolgt sei. Auch soweit der Sachverständige die Bewertung des Wohnrechts und der Pflegeversicherung anhand der statistischen Lebenserwartung des Erblassers und nicht nach seiner tatsächlichen Lebensdauer ermittelt habe, habe er eine Frage beantwortet, die allein dem Gericht obliege.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21.1.2004 der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Sachverständigen Dr. G. abgelehnt.

Gem. § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Demnach liegt eine zur Ablehnung berechtigende Befangenheit dann vor, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (BGH, Beschl. v.13. 1.1987 - X ZB 29/86 - BGHR ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1 Unparteilichkeit 1; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 406 Rd. 8; MünchKomm (ZPO)/Damrau, 2. Aufl. § 406 Rdn. 5).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Allerdings hat der Sachverständige im Rahmen seiner Ausführungen zum "Wert des Leibgedinges" (Ziffer 13 des Gutachtens, GA Bl. 454) bei der Ermittlung des Barwertes der Wohnung die statistische Lebenserwartung des Berechtigten zugrunde gelegt und den Jahreswert der Pflegeversicherung entsprechend der im notariellen Vertrag vorgenommenen Schätzung mit 24.000 DM beziffert. Damit hat er - jedenfalls inzident - eine rechtliche Bewertung dieser Parameter vorgenommen, welche die Beklagte - ob zu Recht oder zu Unrecht kann hier dahinstehen - als fehlerhaft erachtet. Dies führt indes nicht zur Befangenheit des Sachverständigen. Die rechtliche Entscheidung des Rechtsstreits ist zwar ausschließlich Sache des Gerichts. Soweit einem Sachverständigen jedoch eine Beweisfrage gestellt wird, deren Beantwortung die rechtliche Bewertung von Einzelfragen praktisch unvermeidbar macht, führt die Ausführung des Gutachtenauftrages nicht bereits aus diesem Grunde zu einer Befangenheit des Sachverständigen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 24. 06. 1999, 14 W 44/99, OLG Report 2000, 18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. 04. 1994, 18 a W 9/94, MDR 1994, 725). So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 15.11.2002 (Bl. 376) dem Sachverständigen aufgegeben, die Beweisfrage alternativ, d.h. mit und ohne Berücksichtigung des "Leibgedings" zu beantworten, so dass er dieses zu bewerten hatte. Da ihm keine Vorgaben zu den dabei relevanten Frage, von welcher Lebenserwartung des Berechtigten auszugehen und wie die Pflegeverpflichtung zu bewerten ist, gemacht wurden, hat der Sachverständige - ausgehend von dem notariellen Vertrag - ihm naheliegend erscheinende Werte zugrunde gelegt. Ein solches Vorgehen des Sachverständigen ist für eine vernünftige Partei ohne weiteres nachvollziehbar, zumal ihr und dem Gericht die Möglichkeit verbleibt, die Feststellungen und Folgerungen des Sachverständigen rechtlich selbständig zu bewerten und ggf. zu einer anderen Würdigung zu kommen (vgl. hierzu Hanseatisches OLG Hamburg a.a.O.)

Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf die Entscheidung des OLG Köln (Beschluß vom 30.12.1986 - 20 W 65/86, NJW-RR 1987, 1198) bezieht, verkennt sie, dass der dortige Sachverhalt gänzlich anders gelagert war. In jenem Verfahren hat der Sachverständige statt die ihm abstrakt gestellte Beweisfrage zu beantworten, das Vorbringen der Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit untersucht und in seinem Gutachten feststellt, angesichts des Inhalts der von ihm ermittelten Parteivereinbarungen komme es auf die Beweisfrage nicht an. In dem dortigen Verfahren hat sich der Sachverständige demnach an Stelle des Gerichts gesetzt, während er hier lediglich den Auftrag des Gerichts ausführte.

Die Beklagte stützt die Beschwerde des Weiteren darauf, dass er als Gutachter zu der zwischen den Parteien äußerst umstrittenen Frage Stellung genommen (habe), ob und seit wann der Erblasser in welche Pflegestufe einzustufen gewesen sei. Hierfür fehle ihm als Bausachverständiger die Sachkunde. Dieser Vorwurf geht fehl. Der Sachverständige hat weder Ausführungen dazu ob, noch dazu inwieweit und ab welchem Zeitpunkt der Erblasser pflegebedürftig war, vorgenommen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens war - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 21. 01. 2004, 5 W 7/04-3) mit einem Fünftel des Wertes der Hauptsache zu bemessen. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 574 ZPO) nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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