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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 5 W 4/04
Rechtsgebiete: AVAG, EuGVÜ, BGB


Vorschriften:

AVAG § 11 Abs. 3
EuGVÜ Art. 31 Abs. 1
BGB § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 4/04

In Sachen

wegen: Klauselerteilung nach EWG-Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) vom 27.9.1968

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts am 07.04.2004 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Hermanns und des Richters am Oberlandesgericht Geib

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts vom 25.11.2003 (Gesch.-Nr. 15 O 411/03) abgeändert und dahin neu gefasst, dass das Strafurteil des Tribunal de Grande Instance von Sarreguemines vom 02.10.2000, Az. M 1613/00, durch welches der Antragsgegner zur Zahlung einer Schadensersatzforderung von FF 238.806,20 (französische Francs) und somit € 36.405,77

zuzüglich gesetzlicher Zinssatz wie folgt:

- vom 08.11.2000 bis 31.12.2000: 2,74 %

- vom 01.01.2001 bis 08.01.2001: 4,26 %

- vom 09.01.2001 bis 31.12.2001: 9,26 %

- vom 01.01.2002 bis 31.12.2002: 9,26 %

- vom 01.01.2003 bis 31.12.2003: 8,29 %

und ab dem 01.01.2004 in Höhe des dann jeweils geltenden Zinssatzes in Frankreich (Art. 1 des Gesetzes Nr. 75-619 vom 11.7.1975, nunmehr Art. L.312-2 und Art. L.313-3 Code monétaire et financier, unter der Hervorhebung, dass sich dieser Zinssatz um 5 % erhöht),

sowie FF 3.000,-- und somit € 457,34, verurteilt worden ist, mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 12.000 €.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wurde durch Strafurteil des Tribunal de Grande Instance von Sarreguemines vom 2.10.2000, Az. M 1613/00, zur Zahlung einer Schadensersatzforderung sowie von Kosten verurteilt. Die Entscheidung des französischen Strafgerichts erfolgte im Wege des Adhäsionsverfahrens.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, die Vollstreckung des Urteils im Inland zu betreiben und beantragt, vorgenanntes Urteil zuzüglich gesetzlicher Zinsen mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Dem kam das Landgericht in dem Beschluss vom 27.11.2003 (Bl. 19 f.) nur hinsichtlich der Hauptforderung und der Kosten, nicht aber hinsichtlich der - in dem französischen Urteil nicht erwähnten - Zinsen nach. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 6.1.2004 eingereichte Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die nach § 11 Abs. 3 AVAG zulässige Beschwerde ist begründet. Die Vollstreckungsklausel ist auch im Hinblick auf die beantragten Zinsen zu erteilen.

Nach Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ werden die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten mit der Vollstreckungsklausel versehen worden sind. Das EuGVÜ ist vorliegend anwendbar. Zwar wird das EuGVÜ durch die EuGVVO in ihrem Anwendungsbereich verdrängt; deren Vorschriften sind jedoch gemäß Art. 66 Abs. 1 EuGVVO lediglich auf solche Klagen bzw. öffentliche Urkunden anzuwenden, die erhoben bzw. aufgenommen wurden, nachdem die Verordnung in Kraft getreten ist, also nach dem 1.3.2002 (Art. 76 Abs. 1 EuVVO). Dem gegenüber stammt das hier in Rede stehende Urteil vom 2.10.2000.

Bei dem mit einer Vollstreckungsklausel zu versehenden Urteil handelt es sich um eine "Entscheidung" im Sinne des Art. 25 EuGVÜ, da hierdurch jede von einem Gericht eines Vertragsstaates erlassene Entscheidung zu verstehen ist. Dass dies hier im Wege des Adhäsionsverfahrens durch das Strafgericht erfolgte, ist unerheblich.

Die Entscheidung ist auch in Frankreich vollstreckbar. Allerdings enthält der Urteilsausspruch des Tribunal de Grande Instance keinen Ausspruch über geschuldete Zinsen. Dies ist allerdings unerheblich. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ergeben sich Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezüglich der Zinsen aus dem Titel eines französischen Urteils auch dann, wenn dieses keine Angaben zur Höhe der Zinsen enthält, diese sich aber ohne weiteres aus den ausländischen Vorschriften entnehmen lassen. Die für die Zwangsvollstreckung im Inland erforderliche Konkretisierung obliegt dann dem über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entscheidenden deutschen Richter (BGH, Beschluss vom 5.4.1990 - IX ZB 68/89 -, NJW 1990, 3084 f). Allerdings enthält das französische Urteil hier zu Gunsten der Antragstellerin noch nicht einmal einen Ausspruch darüber, dass die ausgeworfenen Beträge mit den gesetzlichen Zinsen zu verzinsen seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 3.3.1997, 5 W 248/96-53; Beschluss vom 30.8.2000, 5 W 251/99-61), die von anderen Senaten des Saarländischen Oberlandesgerichts (vgl. Beschluss des 7. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 9.10.1995, 7 W 81/95-10) und anderen Oberlandesgerichten (vgl. OLG Frankfurt RiW 1998, 474) geteilt wird, geht der Senat davon aus, dass dies der Erteilung der Vollstreckungsklausel bezüglich der Zinsen nicht entgegen steht. Dies ergibt sich aus Art. 1153 Abs. 1 Code Civil. Die Vorschrift lautet in deutscher Übersetzung:

"In jedem Rechtsgebiet hat die Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz zur Folge, selbst dann, wenn eine solche in der Klage fehlt oder das Urteil hierüber keinen besonderen Ausspruch enthält. Mit Ausnahme einer entgegen stehenden gesetzlichen Bestimmung ist der Zinsbeginn die Urteilsverkündung, es sei denn, dass der Richter anders entscheidet."

Die gesetzlichen Zinsen, die in Frankreich jährlich durch Dekret bestimmt werden, sind damit bei einer französischen Zahlungsverurteilung ohne weiteres geschuldet und von der Entscheidung mit umfasst. Keinen Bedenken begegnet es auch, dass der Zinssatz ab dem Tage zwei Monate nach der Zustellung des Urteils gegenüber dem gesetzlichen Zinssatz um 5 % erhöht wurde. Auch dies ergibt sich unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften des französischen Rechts, und zwar aus Art. L 313-3 des Code monétaire et financier (Ord. N° 2000-1223 vom 14.12.2000). Diese Vorschrift lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:

"Im Verurteilungsfalle wird der gesetzliche Zinssatz um 5 Punkte erhöht nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten, die mit dem Tag beginnt, an dem die gerichtliche Entscheidung vollstreckbar geworden ist, sei es auch nur gegen Sicherheitsleistung."

Die Erhöhung des Zinssatzes stellt keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public dar, was nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ der Erteilung der Vollstreckungsklausel entgegenstehen würde. Soweit ein Schädiger wegen einer im Ausland begangenen Verletzungshandlung dort zu einer höheren Schadensersatzleistung verurteilt wird als dies im Inland möglich wäre, ist alleine dadurch die deutsche öffentliche Ordnung nicht berührt. Der Antragsgegner hat vorliegend keine Zahlungen geleistet. Wenn der französische Gesetzgeber dem durch eine Erhöhung des Zinssatzes entgegen zu wirken sucht, ist dies auch mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen nicht unvereinbar (vgl. OLG Frankfurt RIW 1998, 474, 475). Letztlich sind dies auch die Erwägungen, die den deutschen Gesetzgeber zur Neufassung des § 288 BGB mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 (Bundesgesetzbl. I Seite 330) veranlasst haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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