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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: 5 W 62/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 888
ZPO § 890
ZPO § 890 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 62/04

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 08.01.2004, Az.: 4 O 125/02

am 09.06.2004

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 08.01.2004, Az. 4 O 125/02 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde tragen die Gläubiger.

3. Der Gegenstandwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch gerichtlichen Vergleich vom 09.09.2002 (Bl. 172) haben sich die Parteien unter Ziffer 1) wie folgt geeinigt:

"Die Beklagte trägt dafür Sorge, dass in der Jahreszeit zwischen dem 01.04. und dem 31.10. jedes Jahres durch geeignete Maßnahmen verhindert wird, dass von ihrem Grundstück Straße in Lärmeinwirkungen, wie schreien, stöhnen, kreischen und Musik abspielen auf das Grundstück der Klägerin in der Str. in dringen und zwar zu folgenden Tageszeiten:

In der Zeit von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr nachmittags sowie in der Zeit von 20.00 Uhr abends bis 6.30 Uhr morgens."

Am 20.10.2003 (Bl. 192) haben die Gläubiger beantragt, gegen die Schuldnerin wegen Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Ziffer 1) des Vergleiches vom 09.09.2002 ein Zwangsgeld von mindestens 2.500,00 €, ersatzweise Zwangshaft zu verhängen. Die Gläubiger behaupten, dass die Schuldnerin ihrer Verpflichtung, abends nach 20.00 Uhr Lärmeinwirkungen auf ihr Grundstück zu verhindern, in meh-reren Fällen nicht genügt habe. Wegen der Einzelheiten der von den Gläubigern behaupteten Lärmeinwirkungen wird auf die Antragsschrift vom 20.10.2003 nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach vorherigem rechtlichen Hinweis (Bl. 232) den Antrag mit Beschluss vom 08.01.2004 (Bl. 244-246) mit der Begründung zurückgewiesen, dass vorliegend der von den Gläubigern begehrte Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht zulässig sei, da es sich im vorliegenden Fall nicht um die Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung nach § 888 ZPO handele, sondern um die Vollstreckung einer Unterlassung nach § 890 Abs. 1 ZPO. Hier sei allerdings vor Festsetzung eines Zwangsgeldes dessen Androhung erforderlich, diese hingegen hätten die Gläubiger nicht beantragt, so dass der Antrag zurückzuweisen sei.

Gegen diesen ihnen am 20.01.2004 zugestellten Beschluss haben die Gläubiger mit Schriftsatz vom 03.02.2004, bei Gericht an diesem Tag eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie beantragen, den Beschluss aufzuheben und begründen dies damit, dass das Landgericht zu Unrecht angenommen habe, dass sich die Vollstreckung nach § 890 ZPO richte, vielmehr sei von einer Vollstreckung gemäß § 888 ZPO auszugehen.

II.

Die zulässige, fristgerecht eingegangene sofortige Beschwerde (§§ 569 Abs. 1, 793 Abs. 1 ZPO) ist unbegründet.

Zu Recht vertritt die angefochtene Entscheidung die Auffassung, dass der zu vollstreckende Titel die Schuldnerin nicht zu einer Handlung, sondern zu einem Unterlassen anhält, so dass sich die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO richtet.

Maßgebend für die Statthaftigkeit des von einem Gläubiger gewählten Vollstreckungsantrags aufgrund eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nach §§ 887, 888 ZPO einerseits, § 890 ZPO andererseits ist, auch wenn zunächst von ihr auszugehen ist, nicht die positive oder negative Formulierung des Urteilsausspruchs - hier: der in dem Vergleich eingegangenen Verpflichtung der Schuldnerin -, sondern ob bei verständiger Auslegung des Titels in der Sache ein Gebot zum Unterlassen oder ein Gebot zum Handeln ausgesprochen worden ist (vgl. Beschluss des Senats v. 06.04.2000 NJW-RR 2001, 163; Beschluss des Senats v. 25.07.2000 5 W 202/00-70; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 890, Rn. 2). Ausgangspunkt muss dabei sein, dass es sich bei dem dem Bemühen um Rechtsdurchsetzung zugrunde lie-genden Anspruch materiell um einen Anspruch auf Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt, grundsätzlich also die Annahme der Erzwingung einer Unterlassung einer Handlung näher liegt als die Annahme der Erzwingung der Vornahme einer Handlung.

Allerdings ist anerkannt, dass der negatorische Anspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auch die titulierbare Verpflichtung zu einem positiven Tun begründen kann, wenn sich die - regelmäßig vom Zustand einer Sache des Störers - drohende Be-einträchtigung nur durch ein solches aktives Eingreifen des Störers oder eines Dritten abwehren lässt. Erweist sich in solchen Fällen der von einem Eigentümer erhobene Unterlassungsanspruch als begründet, so tituliert und vollstreckt die Rechtsprechung daher bei einer entsprechenden Formulierung des Antrags zu Recht die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung (vgl. Staudinger/Grunsky, BGB, 13. Bearb., Neubearbeitung 1999, § 1004, Rn. 204 m.w.N.; Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl. 2002, § 1004, Rn. 53; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1768).

Anders ist es jedoch, wenn der negatorische Anspruch auf Unterlassung einer Störungshandlung gerichtet ist und damit die Störung nicht vom Zustand einer Sache des Störers ausgeht. In solchen Fällen richtet sich die Zwangsvollstreckung, auch wenn einem nur "mittelbaren Störer" aufgegeben wird, dafür zu sorgen, dass Dritte bestimmte Störungen unterlassen, nach § 890 ZPO (vgl. Staudinger Grunsky, a.a.O., § 1004, Rn. 237; Beschluss des Senats v. 26.01.2000, 5 W 3/00-3).

Im vorliegenden Fall haben die Gläubiger auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Schuldnerin im Vergleichswege vereinbart, dass diese durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge trägt, dass während eines bestimmten Zeitraums kein Lärm auf das Grundstück der Gläubiger einwirkt. Damit haben die Gläubiger zwar zunächst dem Wortlaut nach die Durchsetzung des von ihnen behaupteten Rechts im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO durchzuführen, da der Schuldnerin ein aktives Eingreifen, ein Einwirken abverlangt zu werden scheint. Allerdings ist dies mit dem Sinn des Begehrens der Gläubiger nicht vereinbar. Denn die behauptete Beeinträchtigung geht nicht vom Zustand des Anwesens der Schuldnerin aus, sondern von den dort befindlichen Jugendlichen, deren Handlungen bzw. Verhalten die von den Gläubigern behaupteten Störung darstellt. Zwar ist den Gläubigern insofern zuzugestehen, dass auch in diesem Fall die Schuldnerin auf die Jugendlichen einwirken muss, um ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich nachzukommen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass - stellte man auf die Schuldnerin allein ab - ein Unterlassen der Schuldnerin ausreichen würde, um den begehrten Erfolg, d.h. die Nichteinwirkung auf das Grundstück der Gläubiger zu erreichen. Dann kann aber nichts anderes in dem Fall gelten, in dem die Schuldnerin selbst nur mittelbarer Störer ist. Mithin begehren die Gläubiger hier eine Unterlassungshandlung, so dass sich die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich folglich nach § 890 Abs. 1 ZPO richtet.

Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO kann auch nicht in einen Antrag auf Androhung eines Ordnungsmittels umgedeutet werden. Zwar kann ein Antrag auf Festsetzung eines noch nicht angedrohten Ordnungsmittels in einen Antrag auf Androhung umgedeutet werden (vgl. Zöller, a.a.O., § 890, Rn. 12a, LG Duisburg JurBüro 1983, 1423). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass dies dem er-kennbaren Willen des Vollstreckungsgläubigers entspricht (BayObLG München NZM 1999, 769). Ob das auch für das Verhältnis eines reinen Beugemittels zu der Ausübung lepressive Elemente enthaltenden Zwangs gilt, kann dahinstehen. Denn von einem entsprechenden Willen ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Das Gericht hat die Gläubiger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Vollstreckung nach § 890 ZPO erfolge und daher eine vorherige Androhung erforderlich sei, um ein Ordnungsmittel festsetzen zu können. Die Gläubiger haben auf diesen Hinweis hin ihren Antrag nicht, auch nicht hilfsweise, umgestellt, so dass nicht davon auszugehen ist, dass eine Umdeutung ihrem erkennbaren Willen entspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 Satz 3, 91 ZPO. Der Gegenstandswert des Verfahrens richtet sich nach dem Interesse des Gläubigers an der Durchführung der Zwangsvollstreckung (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 "Zwangsvollstreckung"). Da die Gläubiger Verstöße gegen die im Vergleich festgehaltenen Ruhezeiten behaupten und zur Vermeidung weiterer Störungshandlungen die Festsetzung eines Zwangsgeldes begehren, wobei die behaupteten Verstöße seitens der Schuldnerin bestritten werden, ist es im Hinblick auf die begangenen Verstöße gerechtfertigt von dem Wert auszugehen, den die Gläubiger als Zwangsgeld begehren.

Ende der Entscheidung

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