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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.09.2009
Aktenzeichen: 6 UF 40/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 628 S. 1 Nr. 4
a. Bei der im Rahmen der Abtrennung einer Folgesache nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO erforderlichen Beurteilung, ob die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde, ist auf die Zeit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags desjenigen Ehegatten abzustellen, der sich auf eine unzumutbare Härte beruft.

b. Das Bestehen einer einstweiligen Unterhaltsanordnung ist nicht geeignet, die Bedeutung zu mindern, die die Folgesache nachehelicher Unterhalt für den Unterhaltsberechtigten hat.

c. Mit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung über den Trennungsunterhalt tritt eine diesbezügliche einstweilige Anordnung außer Kraft.


SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 UF 40/09

Verkündet am 10.9.2009

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Sandhöfer, den Richter am Oberlandesgericht Sittenauer und den Richter am Amtsgericht Völker auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken vom 19. Februar 2009 - 39 F 180/06 S - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien, beide Deutsche, haben am . Dezember 1997 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe ist der Sohn M., geboren am . April 2000, hervorgegangen, der seit der im April 2005 erfolgten Trennung der Parteien bei der Antragstellerin lebt.

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die Ehe der Parteien vor Entscheidung über die Folgesache nachehelicher Unterhalt geschieden hat.

Beide Parteien haben erstinstanzlich die Scheidung ihrer Ehe begehrt, wobei der Scheidungsantrag der vormaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners am 27. Juli 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Dessen eigener Scheidungsantrag wurde aktenersichtlich der Antragstellerin nicht zugestellt; er wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 26. April 2007 gestellt, ohne dass die Antragstellerin die bis dahin unterbliebene Zustellung beanstandet hätte.

Die Antragstellerin machte am 6. März 2007 im Wege der Stufenklage die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig, die mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Juni 2009 beziffert wurde.

Mit Scheidungsverbundurteil vom 19. Februar 2009 hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und auf Anregung des Antragsgegners, aber gegen den Widerspruch der Antragstellerin die Folgesache nachehelicher Unterhalt nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO aus dem Scheidungsverbund abgetrennt.

Die gleichzeitige Entscheidung der Folgesache würde den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsgegner darstellen würde. Der Antragsgegner habe vorgetragen, dass er geschieden werden wolle, weil er beabsichtige, eine neue Ehe einzugehen. Die Dauer des Verfahrens währe nunmehr bereits über zweieinhalb Jahre, ohne dass die Folgesache Geschiedenenunterhalt bereits entscheidungsreif wäre. Die im Wege der Stufenklage geführte Folgesache sei in der Leistungsstufe noch nicht einmal beziffert worden. Ein Abschluss der Folgesache sei daher gegenwärtig nicht absehbar. Von einer außergewöhnlichen Länge der Verfahrensdauer könne bei einem Scheidungsverfahren ab einer Verfahrensdauer von zwei Jahren ausgegangen werden. Die weitere Fortdauer des Scheidungsverfahrens auf eine gegenwärtig unabsehbare Zeit stelle angesichts des Wunsches des Antragsgegners, eine neue Ehe einzugehen, eine unzumutbare Härte für diesen dar. Zu erwägen sei zudem gewesen, dass im vorliegenden Fall der Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes zwischen Ehe- und Folgesache Geschiedenenunterhalt eine geringere Bedeutung zukomme als im Durchschnittsfall. Die Abtrennung einer Folgesache Geschiedenenunterhalt sei normalerweise problematisch, weil mit Rechtskraft der Scheidung der Anspruch auf titulierten Trennungsunterhalt entfalle. Sei zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung der Geschiedenenunterhalt noch nicht beschieden, entstehe ein ungeregelter Zustand für den Unterhaltsbedürftigen. Vorliegend habe die Antragstellerin jedoch keinen Trennungsunterhaltstitel in den Händen, da ihre Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt abgewiesen worden sei. Durch eine Scheidung der Ehe vor Entscheidungsreife über den Geschiedenenunterhalt werde die Antragstellerin gegenüber dem jetzigen Zustand - der Fortdauer des Getrenntlebens in ungeschiedener Ehe ohne einen titulierten Anspruch auf Trennungsunterhalt - nicht schlechter gestellt.

Gegen den Scheidungsausspruch in diesem - ihr am 9. März 2009 zugestellten - Urteil wendet sich die Antragstellerin mit ihrer - am 30. März 2009 eingegangenen und am letzten Tage der bis zum 12. Juni 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten - Berufung.

Die von § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO vorausgesetzte unzumutbare Härte liege - unbeschadet des Umstandes, dass die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesachen den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögerte - nicht vor. Das Interesse der Antragstellerin, nicht vor Regelung der Folgesache UE geschieden zu werden, überwiege das des Antragsgegners an einer vorzeitigen Scheidung. Zutreffend habe das Familiengericht erkannt, dass eine Abtrennung im Regelfall nicht erfolgen solle, weil mit Rechtskraft der Scheidung ein Trennungsunterhaltstitel erlösche. Rechtsirrig habe es aber angenommen, dass dies hier unproblematisch sei, weil die Antragstellerin über keinen solchen verfüge. Denn das Familiengericht habe dem Antragsgegner mit einstweiliger Anordnung vom 18. November 2005 die Zahlung eines Trennungsunterhaltes von monatlich 447 EUR aufgegeben. Zwar habe das Familiengericht mit Urteil vom 11. September 2008 im Parallelverfahren auf Trennungsunterhalt die Antragstellerin mit ihrer dortigen Klage ab Oktober 2005 abgewiesen. Diese Entscheidung habe die Antragstellerin indessen mit der Berufung angegriffen, über die noch nicht entschieden sei. Mithin verfüge die Antragstellerin weiterhin über einen Trennungsunterhaltstitel. Die vorzeitige Scheidung der Ehe führe daher für die Antragstellerin hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts zu einem ungeregelten Zustand.

Dem Umstand, dass der Antragsgegner gerne geschieden werden wolle, weil er alsbald seine neue Lebensgefährtin heiraten wolle, komme keine Bedeutung zu. Der Antragsgegner habe keinerlei Gründe vorgetragen, aus denen eine alsbaldige Heirat geboten erscheine. Die Verzögerung des Verfahrens sei der Antragstellerin nicht anzulasten. Es sei der Antragsgegner, der in der Folgesache UE Änderungen in seinen Einkommensverhältnissen nicht freiwillig mitteile, weshalb jedes Mal ein neuer Auskunftsantrag gestellt werden müsse. So habe er vor der letzten mündlichen Verhandlung verschwiegen, dass er eine neue Arbeitsstelle bei der Firma D. GmbH in Z. angenommen habe, dort wieder wohnhaft sei und die Wohnung in F. am Bodensee ab Januar 2009 vermiete. Zwischenzeitlich habe sich seine Einkommenssituation wieder verändert; denn er mache geltend, dass seine Arbeitsstelle bei der Firma D. GmbH zum 31. Mai 2009 gekündigt worden sei. Über sein Einkommen ab 1. Juni 2009 schweige er sich aus. Insoweit liege die Notwendigkeit einer Neuberechnung auf der Hand, wobei die Antragstellerin wohl erneut einen Auskunftsantrag werde stellen müssen, sofern der Antragsgegner wiederum nicht ohne Verurteilung hierzu Auskunft erteile.

Die Antragstellerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner bittet um Zurückweisung der Berufung.

Die Parteien lebten bereits seit mehr als vier Jahren voneinander getrennt. Gegen die klageabweisende Entscheidung zum Trennungsunterhalt habe die Antragstellerin nicht zuletzt deshalb Berufung eingelegt, um weiterhin für viele Monate in den Genuss des Trennungsunterhalts zu kommen, obwohl ihr weder Trennungs- noch Geschiedenenunterhalt zustehe. Das Interesse des Antragsgegners an einer raschen Scheidung liege darin begründet, dass er seine Lebensgefährtin ehelichen wolle und die Antragstellerin zu Unrecht Trennungsunterhalt vereinnahme, und überwiege deren Interesse an einer Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes, zumal die Antragstellerin nicht bedürftig sei, nachdem ihr Partyservice floriere. Die immense Verzögerung des Verfahrens habe die Antragstellerin selbst zu vertreten. Ihre Prozessbevollmächtigte erwidere in sämtlichen Verfahren immer nur nach Fristverlängerung, die mit größter Arbeitsüberlastung oder urlaubsbedingter Abwesenheit begründet werde. Unrichtig sei, dass der Antragsgegner seine Einkommensverhältnisse ab Juni 2009 dem Gericht und der Antragstellerin verschwiegen habe. Vielmehr habe er dem Gericht die Kündigung sofort nach Kenntnis der bevorstehenden Arbeitslosigkeit mitgeteilt und die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners habe der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin diesen Umstand persönlich eröffnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat vollumfänglich Erfolg.

1. Die Berufung ist statthaft und auch sonst - §§ 511, 517, 519, 520 ZPO - zulässig. Wird einem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache gegen den Willen des Betroffenen stattgegeben, so liegt darin eine selbständige, durch Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch rügbare Beschwer, und zwar auch dann, wenn - wie hier - der Berufungskläger selbst auf Scheidung der Ehe angetragen hat (vgl. BGH FamRZ 1996, 1070; 1996, 1333; 1986, 898; 1984, 254; Senatsurteil vom 29. Juli 2004, OLGR Saarbrücken 2004, 660 m.w.N.).

2. Die Berufung ist begründet.

Unter Verstoß gegen das in § 623 Abs. 1 S. 1 ZPO niedergelegte Verbundprinzip hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt, ohne zugleich in der Folgesache nachehelicher Unterhalt zu erkennen. Das mithin unzulässige Teilurteil verfällt wegen § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 und S. 3 i.V.m. § 301 ZPO - vom Antrag der Antragstellerin unabhängig - der Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht über die wechselseitigen Scheidungsanträge und die Folgesachen Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt. Denn die Voraussetzungen des vom Familiengericht zur Rechtfertigung der Abtrennung letzterer Folgesache herangezogenen § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO liegen nicht vor.

Diese Vorschrift verpflichtet das Familiengericht zu amtswegiger (BGH FamRZ 2005, 191) Ausübung seines ihm eingeräumten Ermessens (BGH FamRZ 1991, 1043) hinsichtlich der Frage, ob die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.

a) Von der Berufung unangegriffen hat das Familiengericht angenommen, dass sich vorliegend durch die gleichzeitige Entscheidung über die Scheidungsanträge und alle Folgesachen der Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde.

Hiervon ist bei einer - im Falle der Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes zu gewärtigenden - Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren in der Regel auszugehen (BGH FamRZ 1986, 898; Senatsurteil vom 29. Juli 2004, OLGR Saarbrücken 2004, 660 m.w.N.). Insoweit ist - in Abweichung von der Handhabung des Familiengerichts - auf die Zeit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages desjenigen Ehegatten abzustellen, der sich auf eine unzumutbare Härte beruft (OLG Schleswig-Holstein, MDR 2004, 514; OLG Stuttgart, MDR 1998, 290 m.w.N.; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 628, Rz. 5a).

Der Scheidungsantrag des Antragsgegners ist der Antragstellerin allerdings erst in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 wirksam zugestellt worden. Denn das Familiengericht hat es nach Lage der Akten unterlassen, die Zustellung des Scheidungsantragsschriftsatzes des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners vom 4. Mai 2006 an die Antragstellerin zu veranlassen.

Jedoch hat der Antragsgegner seinen Scheidungsantrag - erstmals - in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 gestellt, so dass dieser - in entsprechender Anwendung von § 261 Abs. 2 Alt. 1 ZPO (OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 1439; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 261, Rz. 3) - in diesem Zeitpunkt rechtshängig wurde. In Ansehung dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass die zuvor unterbliebene Zustellung des Scheidungsantrags des Antragsgegners jedenfalls auch durch die rügelose Einlassung der Antragstellerin nach § 295 Abs. 1 ZPO - ex nunc - geheilt wurde, da sie nicht zu den unverzichtbaren Verfahrenshandlungen gehört, deren Verletzung einer Heilung wegen § 295 Abs. 2 ZPO nicht zugänglich sind (vgl. BGHZ 25, 66; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 295, Rz. 3 und § 253, Rz. 26a).

Ist daher zur Beurteilung der Verfahrensdauer hier der 26. April 2007 als Ausgangspunkt zu nehmen, so waren im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Familiengerichts lediglich knapp 22 Monate verstrichen.

Es kann jedoch vorliegend dahinstehen, ob die von § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO vorausgesetzte außergewöhnliche Verzögerung schon eingetreten sein muss oder ob diesbezüglich eine Prognose statthaft ist, die die voraussichtliche weitere Dauer des Verfahrens in der Folgesache einbegreifen darf (so BGH FamRZ 1986, 898; a.A. OLG Köln, FamRZ 2000, 1294 [Leitsatz, Volltext in juris]).

b) Denn jedenfalls vermag der Senat der weiteren Annahme des Familiengerichts, im Aufschub der Scheidung sei unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den - sich allein hierauf berufenden - Antragsgegner zu sehen, nach der gebotenen Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BGH FamRZ 1986, 898) nicht beizutreten.

Dass die außergewöhnliche Verzögerung des Scheidungsausspruchs von über zwei Jahren für sich allein gesehen keine unzumutbare Härte darstellt, entspricht einhelliger Meinung, da ansonsten der letzte Halbsatz des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO überflüssig wäre (vgl. dazu Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 628, Rz. 6 m.w.N.).

Da die Vorschriften über den Verbund dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dienen und dieser Zweck nicht vereitelt werden darf, ist § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO eng auszulegen. Der Einführung des Scheidungsverbundes liegen nämlich Erwägungen zugrunde, die eine umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zusammen mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Interesse der Ehegatten betreffen. Danach ist Sinn und Zweck des Verbundes die Vermeidung der Rechtslage, die dadurch eintreten kann, dass eine Streitpartei ihren Status als Ehegatte durch die Rechtskraft des Scheidungsurteils verliert, ohne dass eine Regelung über die Folgen getroffen ist (OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 64; OLG Köln, FamRZ 1998, 301).

aa) Der Antragsteller beruft sich zur Darstellung seines Interesses an einer möglichst raschen Scheidung darauf, dass er seine neue Lebensgefährtin heiraten möchte. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass es mittlerweile gesellschaftlich anerkannt ist, mit seinem Partner zusammenzuleben, ohne verheiratet zu sein. Etwas anderes mag dann gelten können, wenn ein Kind aus der neuen Verbindung erwartet wird oder die Lebenserwartung des Ehegatten, der nach der Scheidung wieder heiraten will, durch hohes Alter oder schlechten Gesundheitszustand begrenzt ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2009, 710; KG FamRZ 2001, 928). Solches hat der Antragsgegner indes hier nicht dargetan.

bb) Soweit der Antragsgegner vorbringt, die Antragstellerin verschleppe das Scheidungsverfahren mit dem Ziel, möglichst lange Trennungsunterhalt vom Antragsgegner fordern zu können, kann er auch damit nicht gehört werden.

Zwar kann ein Parteiverhalten, das der prozessualen Förderungspflicht nicht entspricht, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden (BGH FamRZ 1986, 898; OLG Hamm, FamRZ 2009, 711; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 64; OLG Frankfurt, FamRZ 1986, 921; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 458). Für die Annahme eines derart einseitigen Verstoßes der Antragstellerin entbehrt die Akte indessen ausreichender Anhaltspunkte.

(1) Der Verfahrensgang nach Zustellung der Unterhaltsstufenklage der Antragstellerin vom 5. März 2007 an den Antragsgegner am 19. März 2007 zeigt, dass beide Parteien zur Verfahrensverzögerung beigetragen haben.

Der Antragsgegner hat den Auskunfts- und Belegerteilungsanspruch der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 19. März 2007 anerkannt. In der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 hat der Antragsgegner seinerseits einen Auskunfts- und Belegerteilungsanspruch geltend gemacht, auf den im Termin - nach Anerkenntnis durch die Antragstellerin - durch Teilanerkenntnisurteil erkannt wurde.

Im Termin vom 19. Juni 2007 hat die Antragstellerin einen neuen Auskunfts- und Belegerteilungsantrag gestellt, den der Antragsgegner anerkannt hat; es erging in der Sitzung entsprechendes Teilanerkenntnisurteil.

Die Folgesache nachehelicher Unterhalt wurde sodann aktenersichtlich von beiden Parteien bis Oktober 2008 - und damit fast anderthalb Jahre - nicht betrieben. Das Familiengericht hat am 1. Oktober 2008 Termin zur mündlichen Verhandlung im Verbundverfahren auf den 20. November 2008 anberaumt und diesen im Hinblick auf den Mandatswechsel auf Seiten der Antragstellervertreter auf deren Antrag - gegen den Widerspruch der Antragsgegnerseite - auf den 25. November 2008 verlegt.

In diesem Termin hat die Antragstellerin einen neuen Auskunfts- und Belegerteilungsantrag gestellt, der nach entsprechendem Anerkenntnis der Gegenseite durch Teilanerkenntnisurteil zuerkannt wurde. Es wurde Verkündungstermin auf den 15. Januar 2009 bestimmt, der mit Beschluss vom 15. Januar 2009 auf den 5. Februar 2009 und mit Beschluss vom 5. Februar 2009 auf den 19. Februar 2009 jeweils "zum Spruch weitervertagt" wurde.

(2) Dieser Verfahrensgang lässt nicht den Schluss zu, dass die Dauer des Scheidungsverbundverfahrens einseitig der Antragstellerin anzulasten ist.

Im Rahmen der Beurteilung ihres Prozessverhaltens ist zunächst zu berücksichtigen, dass es dem Verbundgedanken entspricht, das Interesse des Ehegatten an wirtschaftlicher Sicherung hoch zu bewerten (Beschluss des 9. Zivilsenats, FamRZ 1980, 282; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 628, Rz. 8 m.w.N.), wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die Antragstellerin wegen der Betreuung des gemeinsamen Sohnes unter Umständen nur eingeschränkt verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weshalb sie - als wirtschaftlich schwächere Partei - ein beachtens- und schützenswertes Interesse daran hat, dass im Falle der Scheidung ihrer Ehe auch ihre wirtschaftliche Absicherung geregelt ist, damit sie ihre Dispositionen für die Zukunft treffen kann (OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 64; OLG Schleswig-Holstein, MDR 2004, 514). Die Regelung des Nachscheidungsunterhalts hat, weil sie die gegenwärtige Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten unmittelbar berührt, mehr Bedeutung als etwa eine im Scheidungsverbund veranlasste Regelung güterrechtlicher Verhältnisse (BGH FamRZ 1986, 898).

Auch wegen der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs erst im März 2007 - nach Eintritt der Entscheidungsreife des Verbundes im Übrigen durch Eingang aller Auskünfte zum Versorgungsausgleich und Terminierung der mündlichen Verhandlung auf den 20. März 2007 - kann der Antragstellerin keine schuldhafte Verfahrensverzögerung vorgeworfen werden. Zu dieser Zeit war das Trennungsunterhaltsverfahren anhängig und es liegt nahe, dass sie dessen Verlauf und etwaige Vergleichsverhandlungen abwarten wollte (vgl. dazu OLG Hamm, FamRZ 2009, 710).

Soweit der Antragsgegner diverse Fristverlängerungsanträge der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin anführt, so sind diese jeweils mit Arbeitsüberlastung oder Urlaub begründet und diese Begründungen auch so vom Familiengericht akzeptiert worden. Ein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin kann hieraus mithin nicht hergeleitet werden (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2009, 710).

Der Antragsgegner hat zudem - worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist - vollständige Auskünfte regelmäßig erst nach Verurteilung hierzu erteilt, anstatt selbst alles daran zu setzen, das Verfahren zu beschleunigen, zumal er aufgrund der einstweiligen Anordnung im Trennungsunterhaltsverfahren an die Antragstellerin monatlich 447 EUR Unterhalt zu leisten hat.

Dass das Verfahren nach der Sitzung vom 19. Juni 2007 bis Ende September 2008 nicht fortbetrieben wurde, hat die Antragstellerin jedenfalls nicht alleine zu verantworten. Dem Antragsgegner stand es nach jedem einzelnen Teilanerkenntnisurteil frei, auf Fortsetzung des Verfahrens anzutragen mit der Folge, dass Termin zu bestimmen und die Antragstellerin gezwungen gewesen wäre, ihren unbestimmten Leistungsantrag zu beziffern oder aber darzulegen, dass die Auskunft nicht vollständig erteilt worden sei (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 254, Rz. 11 f.; Rixecker, MDR 1985, 633). Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass der Antragsgegner sich widersprüchlich verhält. Das Familiengericht hatte ihm im Trennungsunterhaltsverfahren mit einstweiliger Anordnung vom 18. November 2005 die Zahlung eines Trennungsunterhalts von monatlich 447 EUR aufgegeben. Eine Abänderung dieser einstweiligen Anordnung hat der Antragsgegner aber erstmals mit Schriftsatz vom 28. Juli 2009 begehrt. Daraus ist angesichts des hochstreitig geführten und umfangreichen Hauptsacheverfahrens wegen Trennungsunterhalts zu schließen, dass er bis dahin der Ansicht war, der Antragstellerin jedenfalls in dieser Höhe Unterhalt zu schulden, zumal der Antragsgegner auch keine Rückzahlungsklage wegen - auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung - überbezahlten Unterhalts rechtshängig gemacht und daher in Kauf genommen hat, dass die geleisteten Beträge unter Umständen - im Falle der Entreicherung der Antragstellerin - unwiederbringlich verloren sind. Insofern ist der Vortrag des Antragsgegners in der Berufungserwiderung, der Antragstellerin stehe kein Anspruch auf Trennungsunterhalt zu, nur schwer nachvollziehbar.

Damit steht in Zusammenhang, dass die Antragstellerin derzeit über keinen gesicherten Unterhaltstitel verfügt. Entgegen ihrem aus der Berufungsschrift hervortretenden Rechtsverständnis bliebe zwar die bestehende einstweilige Anordnung - vorbehaltlich ihrer Abänderung - wegen §§ 621 g S. 2, 620 f Abs. 1 S. 1 ZPO über die Rechtskraft der Ehescheidung hinaus wirksam (BGH FamRZ 1981, 242). Die vorzeitige Scheidung der Ehe würde daher für die Antragstellerin - jedenfalls zunächst - nicht zu einem (völlig) ungeregelten Zustand führen. Indessen kann die einstweilige Anordnung jederzeit abgeändert werden und hat eine deutlich geringere Bestandskraft als ein Hauptsachetitel auf Trennungsunterhalt, der den erheblich strengeren Abänderungsvoraussetzungen des § 323 ZPO unterliegt. Zwar soll nach verbreiteter Meinung das Bestehen einer einstweiligen Anordnung eher für eine Abtrennung streiten, weil sich so die Bedeutung der Folgesache vermindere (OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 98; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 628, Rz. 8 m.w.N.). Indessen ist der Senat der Auffassung, dass mit einer einstweiligen Anordnung regelmäßig dem Interesse des Ehegatten, der die Beibehaltung des Verbunds verlangt, nicht entsprochen wird (OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 1525). Er will mit dem Scheidungsausspruch zugleich eine rechtskräftige Entscheidung über die Folgesache. Eine einstweilige Maßnahme vermag dies nicht zu bieten. Vorliegend kommt Folgendes hinzu: Zum einen hat der Antragsgegner das Bestehen eines Trennungsunterhaltsanspruchs von Beginn an bestritten; die Antragstellerin konnte also nicht davon ausgehen, dass er die einstweilige Anordnung solange hinnehmen würde. Zum anderen tritt - in Fortdenkung des Grundsatzes der Nichtidentität von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt (vgl. dazu grundlegend BGH FamRZ 1981, 242) - nach herrschender, vom Senat geteilter Meinung mit Rechtskraft (zu diesem Erfordernis BGH FamRZ 2000, 751) der Hauptsacheentscheidung über den Trennungsunterhalt eine diesen bezüglich bestehende einstweilige Anordnung wegen § 621 g S. 2 i.V.m. § 620 f Abs. 1 S. 1 ZPO endgültig außer Kraft (Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2. Aufl. 2004, Rz. 71; Ebert, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2. Aufl. 2007, § 2, Rz. 226; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl. 2009, Kapitel 5, Rz. 257; Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein/Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. Aufl. 2008, 6. Kapitel, Rz. 597 b; Musielak/Borth, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 620 f, Rz. 7; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 620 f, Rz. 17; a.A. OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 855; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO; 30. Aufl. 2009, § 620 f, Rz. 2). Angesichts des auf den 22. Oktober 2009 in der Trennungsunterhaltssache anberaumten Senatstermins könnte daher in absehbarer Zukunft ein ungeregelter Zustand eintreten.

Genau eine derartige Situation der Unsicherheit soll durch die gesetzliche Regelung des § 623 Abs. 1 S. 1 ZPO, der eine gleichzeitige Entscheidung von Scheidungs- und Folgesache vorschreibt, vermieden werden (OLG Hamm, FamRZ 2009, 710).

Schlussendlich ist die Zeitdauer des Verfahrens abwägungsrelevant (OLG Köln, FamRZ 2000, 1294 [Leitsatz, Volltext in juris]); diese bewegt sich hier am unteren Bereich derjenigen, ab der von einer außergewöhnlichen Dauer des Verfahrens gesprochen werden kann.

Die zusammenfassende Würdigung all dieser Umstände führt dazu, dass derzeit eine gleichzeitige Entscheidung in der Ehe- und den Folgesachen für den Antragsgegner keine unzumutbare Härte bedeutet.

Von einer eigenen Sachentscheidung unter Einbeziehung der beim Familiengericht anhängig gebliebenen Folgesache (siehe dazu BGH NJW-RR 1994, 381) sieht der Senat ab, weil diese noch nicht entscheidungsreif ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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