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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 6 UF 71/05
Rechtsgebiete: VAHRG, ZPO, BGB


Vorschriften:

VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 1
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 2
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 2 S. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 517
ZPO § 520
BGB §§ 1587 f ff
BGB § 1587 Abs. 2
Die Versorgung bei dem im BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. ist für die Zwecke des Versorgungsausgleichs im Anwartschafts- und im Leistungsteil weiterhin als volldynamisch zu behandeln.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 28. April 2005 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken - 41 F 458/98 VA - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: 1.000 EUR.

Gründe:

I. Der am Juli 1952 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am November 1954 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am November 1977 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 18. September 1998 zugestellt. Während der Ehezeit (1. November 1977 bis 31. August 1998, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die sich nach den erstinstanzlich erteilten Auskünften der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund - weitere Beteiligte) für den Antragsteller auf 368,98 DM und für die Antragsgegnerin auf 1.651,65 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. August 1998, belaufen haben. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung beim BVV, Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G., Berlin (im folgenden: BVV), deren Ehezeitanteil nach dessen erstinstanzlich erteilter Auskunft vom 4. Januar 1999 eine jährliche Stammrente in Höhe von 25.669,70 DM und eine Überschussrente in Höhe von 3.541,92 DM ergibt.

Durch Urteil vom 11. September 2002 hat das Familiengericht die Ehe geschieden (Ziffer I des Urteilstenors) und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es unter Vorbehalt einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Übrigen - jeweils bezogen auf den 31. August 1998 - vom Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 327,91 EUR im Wege des Splittings und in Höhe von monatlich 44,38 EUR im Wege des erweiterten Splittings auf das Versicherungskonto des Antragstellers bei der BfA übertragen hat (Ziffer II des Urteilstenors).

Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, dass die Anwartschaften der Antragsgegnerin auf betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 86,80 DM im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auszugleichen seien, hinsichtlich des danach noch auszugleichenden Restbetrages von monatlich 460,89 DM bleibe die Entscheidung über den Versorgungsausgleich vorbehalten.

Mit am 30. April 2004 eingereichtem Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, nunmehr abschließend den Versorgungsausgleich dahin zu regeln, dass die Entrichtung von Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung angeordnet wird. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Anwartschaften der Antragsgegnerin auf die betriebliche Altersversorgung beim BVV volldynamisch seien. Eine Beitragszahlung sei der Antragsgegnerin zuzumuten, da ihr - insoweit unstreitig - seit September 1998 monatlich 1.800 DM für die Vermögensbildung zur Verfügung stünden und sie über weiteres Vermögen verfüge, das nach ihren Angaben im Zugewinnausgleichsverfahren bei Beendigung des Güterstandes einen Wert in Höhe von 228.437,11 DM gehabt habe.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten und hat beantragt, für die noch nicht ausgeglichenen Anwartschaften den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzusehen. Sie hat vorgetragen, dass sie - insoweit unstreitig - zum 31. Juli 2004 bei der <Bankbezeichnung> ausgeschieden sei mit der Folge, dass seit dieser Zeit keine weiteren Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung beim BVV mehr erworben würden. Diese Anwartschaften seien im Übrigen als statisch anzusehen, weil die Altersversorgung beim BVV auf einem Deckungskapital beruhe und Steigerungen nur aus Kapitalerträgen erzielt werden könnten, die aber wegen der derzeit niedrigen Kapitalmarktzinsen nicht mehr ausreichend seien. Der Antragsgegnerin sei es auch nicht zuzumuten, die zum Ausgleich der Anwartschaften erforderlichen Beiträge aufzubringen, nachdem sie nicht mehr für die <Bankbezeichnung> tätig sei und Scheidungsfolgekosten in Höhe von 36.665,93 EUR zu tragen habe.

Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, angeordnet, dass die Antragsgegnerin auf dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 235,65 EUR, bezogen auf den 31. August 1998, durch Beitragszahlung in Höhe von 53.955,69 EUR begründet.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt. Sie rügt, dass das Familiengericht die Versorgungsanwartschaften beim BVV nicht als statisch behandelt habe und verweist darauf, dass auch der BVV selbst nicht von einer dynamischen Anwartschaft ausgehe. Im Übrigen wiederholt sie hilfsweise ihre Einwände gegen die Verpflichtung zur Kapitalzahlung.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6, 517, 520 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Entscheidung des Familiengerichts, gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG den Ausgleich der bislang noch nicht ausgeglichenen Versorgungsanwartschaften der Antragsgegnerin beim BVV durch Beitragszahlung anzuordnen, hält den Beschwerdeangriffen stand.

Da sich die in dem Scheidungsverbundurteil vom 11. September 2002 noch nicht bereits im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ausgeglichenen, einer späteren Entscheidung vorbehaltenen unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der Antragsgegnerin beim BVV nicht gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger richten (§ 1 Abs. 3 VAHRG), kommt - neben dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach §§ 1587 f ff BGB - nur noch ein Ausgleich nach § 3 b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VAHRG in Betracht, sofern, wovon vorliegend auszugehen ist, der Antragsteller die Voraussetzungen für eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht erfüllt.

Das Familiengericht hat zutreffend angenommen, dass die Anwartschaften der Antragsgegnerin beim BVV als volldynamisch anzusehen sind. Dass diese Versorgung nach ihrer Struktur geeignet ist, die Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen von einer volldynamischen Versorgung auszugehen ist, hat der Bundesgerichtshof bereits mit Beschluss vom 25. März 1992, dem sich der Senat anschließt, entschieden (FamRZ 1992, 1051); diesbezüglich sind keine Änderungen eingetreten, solche werden auch nicht geltend gemacht. Somit ist es letztlich allein entscheidend, ob die Versorgung beim BVV im Anwartschafts- und Leistungsteil mit hinreichender Sicherheit auch zukünftig in gleicher oder annähernd gleicher Weise wie die Beamtenversorgung bzw. die gesetzliche Rentenversicherung angepasst wird, wobei für diese Prognose die bisherige Entwicklung als Indiz herangezogen werden kann (vgl. BGH, a.a.O.; BGH, FamRZ 2004, 1474, m.w.N.). Der Vergleich der Versorgungsanrechte und Versorgungen beim BVV mit der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt folgendes Bild:

 ErhöhungBVVBeamtenversorgunggesetzliche Rentenversicherung
19962,50 %0,00 %0,95 %
19972,75 %1,30 %1,65 %
19982,75 %1,50 %0,44 %
19992,75 %2,80 %1,34 %
20002,75 %0,00 %0,60 %
20012,75 %1,70 %1,91 %
20023,40 %2,10 %2,16 %
20031,50 %1,74 %1,04 %
20040,00 %1,25 %0,00 %
20050,00 %0,00 %0,00 %
Zusammen:21,15 %12,39 %10,09 %
linearer Durchschnitt nach BGH, FamRZ 1992, 1051:2,12 %1,24 %1,01%

Dieser Vergleich zeigt, dass in den Jahren 1996 bis 2005 die Steigerungsraten bei den Anrechten und den Versorgungen beim BVV sogar höher waren, als in der Beamtenversorgung oder der gesetzlichen Rentenversicherung. Anhaltspunkte dafür, dass sich hieran in Zukunft etwas ändern könnte, sind weder ersichtlich noch dargetan. Insbesondere reicht der Hinweis auf die niedrigen Zinsen auf den Kapitalmarkt nicht aus, um diesbezüglich vernünftige Zweifel begründen zu können, da dieser Zustand schon seit mehreren Jahren besteht, ohne dass die Steigerungsraten beim BVV hinter denen in der Beamtenversorgung bzw. der gesetzlichen Versicherung zurückgeblieben sind. Ebenso wenig genügt die Erwägung, dass sich die Altersstruktur der Versorgungsempfänger beim BVV ungünstig entwickle, was zu entsprechend niedrigeren Anpassungen führe, da dies für die Beamtenversorgung und die gesetzliche Rentenversicherung in gleicher Weise zutrifft, so dass trotz dieses Umstandes nicht zu erwarten ist, dass die Wertentwicklung beim BVV in Zukunft - nennenswert - hinter der der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung zurückbleiben wird.

Nach alledem hat das Familiengericht die betriebliche Altersversorgung der Antragsgegnerin zu Recht als volldynamisch angesehen und entsprechend in den Versorgungsausgleich einbezogen. Eine Änderung gegenüber der Berechnung des Familiengerichts ergibt sich allerdings insofern, als zu berücksichtigen ist, dass die Antragsgegnerin zum 31. Juli 2004 auf Grund der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bei der <Bankbezeichnung> aus der betrieblichen Altersversorgung beim BVV ausgeschieden ist und dort keine weiteren zusätzlichen Anwartschaften mehr erwerben kann (vgl. BGH, FamRZ 1990, 605, 606). Dies hat Auswirkungen auf die Bestimmung des Ehezeitanteils, da nicht mehr wie bisher vom 1. November 2019 als Ende der Betriebszugehörigkeit ausgegangen werden kann, sondern vom 31. Juli 2004. Außerdem ist der Ehezeitanteil der Überschussrente nicht durch Hochrechnung bis zur festen Altersgrenze (bzw. dem Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens aus der betrieblichen Altersversorgung) zu ermitteln, da die Bemessungsgrundlage für die Zusage der Überschussrente allein die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bis dahin erworbene Überschussbeteiligung ist; diese ist daher (unter Heranziehung von § 1587 a Abs. 5 BGB) ohne Hochrechnung, allerdings aufgeteilt nach Zeiten vorehelicher und ehelicher Betriebszugehörigkeit in den Versorgungsausgleich einzubeziehen (BGH, FamRZ 1992, 1051, 1055, m.w.N.).

Aus der unbeanstandet gebliebenen und zu keinen Bedenken Anlass gebenden Auskunft des BVV vom 12. Januar 2006 (Bl. 149 d.A.) ergibt sich bei Ausscheiden der Antragsgegnerin zum 1. August 2004 unter Berücksichtigung der Beitragsfreistellung ab diesem Zeitpunkt eine monatliche Stammrente in Höhe von 668,29 EUR oder 1.307,06 DM per 1. November 2019. Der nach Monaten und unter entsprechender Anwendung von § 1587 Abs. 2 BGB zu ermittelnde Ehezeitanteil (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2001, 284, 286) beträgt 67,0241 % (= Betriebszugehörigkeit während der Ehezeit <1. November 1977 bis 31. August 1998>: 250 Monate / Gesamtzeit der Betriebszugehörigkeit <1. Juli 1973 bis 31. Juli 2004>: 373 Monate); es ist daher ein Betrag in Höhe von 876,05 DM in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Nach der Auskunft des BVV vom 12. Januar 2006 hat die Antragsgegnerin bis zum Ende der Ehezeit eine Überschussrente in Höhe von monatlich 150,91 EUR oder 295,15 DM erworben. Der ohne Hochrechnung zu ermittelnde Ehezeitanteil (s.o.) beträgt 82,7815 % (= Betriebszugehörigkeit während der Ehezeit <1. November 1977 bis 31. August 1998>: 250 Monate / Gesamtzeit der Betriebszugehörigkeit bis zum Ende der Ehezeit: <1. Juli 1973 bis 31. August 1998>: 302 Monate); es ist daher ein Betrag in Höhe von 244,33 DM in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Durch Beiträge auszugleichen sind demnach noch 473,39 DM (= < 876,05 DM + 244,33 DM> / 2 - bereits ausgeglichen: 86,80 DM). Bei einem aktuellen Rentenwert in Höhe von - bezogen auf das Ehezeitende - 47,65 DM und einen Umrechnungsfaktor von Entgeltpunkten in Beiträge in Höhe von 10.910,235 ergibt sich ein Gesamtbeitrag in Höhe von 108.389,91 DM oder 55.418,88 EUR. Da das Familiengericht der Antragsgegnerin lediglich die Entrichtung von Beiträgen in Höhe von 53.955,69 EUR aufgegeben hat, ist die angefochtene Entscheidung insoweit nicht zu beanstanden; an einer Abänderung zu Gunsten des Antragstellers ist der Senat wegen des unter den gegebenen Umständen zum Tragen kommenden Verbots der reformatio in peius gehindert.

Weitere Voraussetzung für die Verpflichtung zur Begründung von Rentenanwartschaften durch Beitragszahlung ist, dass dies dem Verpflichteten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch zumutbar ist. Dies hat das Familiengericht zutreffend bejaht. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach den vom Antragsteller unwidersprochen vorgetragenen Vermögensverhältnissen die Antragsgegnerin nicht über Gebühr belastet wird, wenn sie die Beiträge in Höhe von 53.955,69 EUR aufbringen muss. Denn die Antragsgegnerin verfügte zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags unstreitig über ein Endvermögen im Wert von mindestens 228.437,11 DM und ihr standen ab September 1998 monatlich mindestens 1.800 DM für Zwecke der Vermögensbildung zur Verfügung. Auch hat das Familiengericht unwidersprochen angenommen, dass sich die Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin nach ihrem Ausscheiden bei der <Bankbezeichnung> nicht verschlechtert haben. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin ohne weiteres die Mittel hat, um die Rentenbeiträge aufbringen zu können, und zwar unabhängig davon, ob und inwieweit sie sog. Scheidungsfolgekosten in Höhe von rund 40.000 EUR hatte.

Letztlich ist es für die vorliegende Entscheidung auch ohne Belang, ob die Begründung weiterer Rentenanwartschaften zu Gunsten des Antragstellers Einfluss auf seinen Unterhaltsanspruch gegen die Antragsgegnerin haben wird, da davon - jedenfalls unter den gegebenen Umständen - die Frage der Zumutbarkeit der Beitragszahlung nicht abhängt.

Nach alldem hat der angefochtene Beschluss Bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 49 Nr. 2 i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 621 e Abs. 2 ZPO i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO bzw. 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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