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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 6 UF 73/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 620 Nr. 6
ZPO § 620 f
ZPO § 628 Satz 1 Nr. 4
ZPO § 769
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

6 UF 73/03

Verkündet am 24. Juni 2004

In der Familiensache

wegen negativer Feststellungsklage

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht Sittenauer als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Cronberger und den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. Juni 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis - 23 F 65/03 UE - teilweise dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien haben am April 1988 miteinander die Ehe geschlossen, aus der die Kinder C., geboren am Januar 1994, und S., geboren am Dezember 1996 hervorgegangen sind. Die Ehe wurde durch das am 8. August 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis - 23 F 14/02 - seit demselben Tag rechtskräftig - geschieden. Im Rahmen des Scheidungsverbunds hatte die Beklagte Stufenklage erhoben (Eingang bei Gericht am 6. März 2001) mit den Anträgen, den (hiesigen) Kläger zu verurteilen, Auskunft über seine Einkommensverhältnisse etc. zu erteilen und an die (hiesige) Beklagte nachehelichen Unterhalt zu zahlen, dessen Bezifferung der Auskunftserteilung (sic!) vorbehalten bleibe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. März 2001 stellte die Beklagte bezüglich des nachehelichen Unterhalts den Klageantrag aus der vorerwähnten Klageschrift; der Kläger erkannte den Auskunftsanspruch an, woraufhin gegen ihn ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erging. Nachdem der Kläger Auskunft erteilt und deren Vollständigkeit im Verhandlungstermin vom 8. August 2002 eidesstattlich versichert hatte, wurde das Unterhaltsverfahren auf Antrag beider Parteien gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO vom Scheidungsverbund abgetrennt. Zudem erklärte die Beklagte den in dem Unterhaltsverfahren mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 gestellten Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung - mit Zustimmung des Klägers - für erledigt und behielt sich die Bezifferung des Unterhaltsanspruchs vor. Das Familiengericht gab der Beklagten auf, binnen vier Wochen die Unterhaltsklage zu beziffern. Seither wurde das Unterhaltsverfahren nicht mehr weiterbetrieben, sondern nach rund sechs Monaten weggelegt.

Parallel dazu erwirkte die Beklagte gegen den Kläger die am 14. März 2002 verkündete einstweilige Anordnung des Familiengerichts - 23 F 14/02 EA I -, worin dem Kläger aufgegeben wurde, u.a. ab Februar 2002 an die Beklagte Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 282 EUR zu zahlen.

Die Parteien streiten vorliegend um nachehelichen Unterhalt.

Die Beklagte betreut die gemeinsamen Kinder der Parteien und bewohnt mit diesen mietfrei das frühere eheliche Hausanwesen, das im Eigentum beider Parteien steht. Sie arbeitet beim E. und erzielt dort ein monatliches Nettoeinkommen von 825,23 EUR, wobei sie monatliches Fahrtkosten von 102,26 EUR aufzuwenden hat.

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und gelernter Maschinenmechaniker. Nachdem er bei mehreren Firmen angestellt war, arbeitete er seit Anfang 2002 bei der Firma P., wo er jedoch entlassen wurde; ab Juni 2002 war er bei der Firma J. C. S. GmbH beschäftigt und erzielte dort ein monatliches Nettoeinkommen von 2.188 EUR; seit November 2003 arbeitet er bei der Firma M. GmbH in L.. Er hat berufsbedingte Fahrtkosten von monatlich 153 EUR und zahlt auf ein gemeinsames Hausdarlehen der Parteien monatlich 475,50 EUR.

Mit seiner am 14. März 2003 eingereichten und der Beklagten am 25. März 2003 zugestellten Klage verlangt der Kläger die Feststellung, dass der Beklagten ab Rechtshängigkeit der Klage kein höherer Ehegattenunterhaltsanspruch als 57,14 EUR monatlich zustehe; in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2003 hat der Kläger zudem die Feststellung begehrt, dass ab dem 1. April 2003 kein Ehegattenunterhalt mehr geschuldet werde.

Der Kläger hat vorgetragen, neben seinen Bezügen als Angestellter über keine weiteren Einkünfte zu verfügen. Auf Seiten der Beklagten sei nach der Scheidung nicht mehr der in dem einstweiligen Anordnungsverfahren angenommene angemessene Wohnwert von monatlich 800 DM in Ansatz zu bringen, sondern der marktgerechte Mietzins, der unter den gegebenen (unstreitigen) Umständen (freistehendes Einfamilienhaus, Baujahr 1992, Wohnfläche ca. 90 qm zuzüglich Spielzimmer im Keller und nicht ausgebautes Obergeschoss) bei monatlich mindestens 511 EUR liege. Unter Berücksichtigung all dessen könne die Beklagte keinen bzw. allenfalls noch einen Ehegattenunterhalt von 57,14 EUR für die Zeit bis April 2003 beanspruchen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, dass die Teilungsversteigerung des gemeinsamen Hausanwesens in die Wege geleitet würde, so dass sich die vom Kläger geleisteten Zahlungen auf das Haus nicht mehr unterhaltsmindernd auswirkten. Für die Berechnung des Unterhalts sei von einem Wohnwert von höchstens 400 EUR auszugehen. Im Übrigen habe der Kläger erhebliche Zinseinnahmen aus Kapitalvermögen. Er müsse sich zudem weitere Einkünfte anrechnen lassen, weil er für die Firma seiner Lebensgefährtin tätig sei, indem er für diese die Verhandlungen mit potenziellen Kunden führe.

Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, an die Beklagte einen höheren Unterhalt als monatlich 57,14 EUR für die Zeit vom 25. bis 31. März und 15 EUR für die Zeit ab April 2003 zu zahlen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Sie trägt vor, dass der Kläger seit November 2003 bei der Firma M. GmbH in L. ein Gehalt in Höhe seiner früheren Einkünfte beziehe. Der Kläger habe auf Grund seiner früheren selbstständigen Tätigkeit Steuernachzahlungen in Höhe von 44.365,37 DM im Jahr 1998 und in Höhe von 40.705,97 DM im Jahr 1999 erbringen müssen, was belege, dass er insoweit Gewinne von mindestens 80.000 bis 90.000 DM erzielt habe. Das Familiengericht sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit nicht hinreichend dargelegt habe. Diese Tätigkeit führe der Kläger für die Firma S. fort. Inhaberin dieser Firma sei - insoweit unstreitig - seine Lebensgefährtin, die aber nicht die notwendigen Fachkenntnisse habe und nur vorgeschoben sei. So erhalte die Firma S. Aufträge zur Herstellung von Sondermaschinenersatzteilen, die sie schwerpunktmäßig bei einer französischen Firma in T. fertigen lasse; dabei seien für die Ausarbeitung von Angeboten und Herstellungsanweisungen detaillierte technische Kenntnisse erforderlich, über die die Lebensgefährtin des Klägers nicht verfüge. Dieser habe für die Firma S. seit Juli 2000 Umsätze von mindestens 1,5 Millionen EUR erwirtschaftet, was ein entsprechendes Entgelt von mehr als 3.000 EUR rechtfertige. Er habe seit der Trennung der Parteien seine Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung systematisch reduziert und könnte bei gehörigen Anstrengungen allein damit ein Einkommen erzielen, das es ihm erlaube, den titulierten Ehegattenunterhalt zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er trägt vor, dass er von der Beklagten mit unbändigem Hass verfolgt werde, so dass er regelrecht psychisch erkrankt sei. Durch den dabei ausgeübten Telefonterror habe sie dem Kläger auch beruflich erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Dabei gehe die Beklagte sogar so weit, dass sie gegenüber Firmen behaupte, der Kläger habe sich mit einer Summe von 700.000 EUR aus dem Staub gemacht. Bei der Firma M. habe er ein Jahresbruttoeinkommen von rund 50.000 EUR. Die früher ausgeübte selbstständige Tätigkeit habe er längst aufgegeben, weil er insoweit von der Beklagten denunziert worden sei und ihm in seinen Arbeitsverträgen eine Nebentätigkeit untersagt gewesen sei. Derzeit arbeite er in leitender Funktion täglich neun bis zehn Stunden, so dass jegliche zusätzliche Tätigkeit überobligationsmäßig wäre. Tatsächlich erbringe er für die Firma S. keinerlei Leistungen. Vielmehr würden die Geschäfte der Firma von seiner Lebensgefährtin persönlich abgewickelt. Diese habe jahrelang als leitende Sachbearbeiterin in der entsprechenden Branche gearbeitet, sei derzeit in einer größeren Schreinerei als Buchhalterin tätig und absolviere an einer Fernuniversität ein Studium der Wirtschaftsinformatik.

II.

Die zulässige Berufung ist schon deshalb begründet, weil die Klage, soweit das Familiengericht sie nicht bereits rechtskräftig als unbegründet abgewiesen hat, unzulässig ist, worauf der Senat die Parteien hingewiesen hat.

Vorliegend hat der Kläger eine negative Feststellungsklage erhoben, zu deren Zulässigkeit es eines besonderen Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO bedarf. Daran fehlt es hier jedoch.

Es gilt der Grundsatz, dass das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs entfällt und sich die Feststellungsklage mit sofortiger Wirkung als unzulässig darstellt, sobald eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1532; Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 1999, 1210, jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 816).

Daran ändert es nichts, dass, wie hier, das Feststellungsinteresse damit begründet wird, dass im Rahmen eines Scheidungsverfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 620 Nr. 6 ZPO eine Entscheidung über den - auch nachehelichen - Ehegattenunterhalt getroffen wurde, hinsichtlich derer eine anderweitige Regelung nach § 620 f ZPO angestrebt wird. Einstweilige Unterhaltsanordnungen ergehen in einem summarischen Verfahren und regeln das Unterhaltsverhältnis der Parteien nicht abschließend. Es handelt sich allein um eine einstweilige prozessuale Regelung (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 424; OLG Hamm, FamRZ 1997, 431). Sie sind insbesondere der materiellen Rechtskraft nicht fähig. Das materielle Unterhaltsverhältnis ist vielmehr in einem Hauptsacheverfahren zu klären, das entweder die Leistungsklage des Unterhaltsgläubigers oder die (negative) Feststellungsklage des Unterhaltsschuldners zum Gegenstand haben kann. Für ein derartiges Hauptsacheverfahren ist ein vorausgegangenes einstweiliges Unterhaltsverfahren materiell-rechtlich bedeutungslos (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 1288, m. w. N.).

Entsprechend diesen Grundsätzen hat der negativen Feststellungsklage des Klägers von Anfang an das besondere Feststellungsinteresse gefehlt. Denn es erging nicht nur eine einstweilige Anordnung zur Regelung des Ehegattenunterhalts, sondern es ist nach wie vor die aus dem Scheidungsverbund abgetrennte Unterhaltsstufenklage, gerichtet auf Zahlung nachehelichen Unterhalts auch für den hier maßgebenden Klagezeitraum rechtshängig. Diese Klage kann auch hinsichtlich des Zahlungsantrags nicht mehr einseitig zurückgenommen werden (§ 269 Abs. 1 ZPO), nachdem im Scheidungstermin u. a. zu sämtlichen Anträgen der im Verbund erhobenen Klage, also auch zu dem noch unbezifferten Zahlungsantrag, mündlich verhandelt worden war (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, 2. Aufl., § 254, Rz. 4 und § 269, Rz. 8; Hartmann in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62 Aufl., § 269, Rz. 15; a.A. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 254, Rz. 7). Daher konnte eine Rücknahme der bislang nicht erledigten Unterhaltsklage bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage ohne die Einwilligung des Klägers nicht mehr erfolgen.

Unter diesen Umständen musste der Kläger die Fortsetzung des bereits rechtshängigen Unterhaltsverfahrens erzwingen, um dort eine anderweitige Entscheidung im Sinne von § 620 f ZPO herbeizuführen, weil nur dadurch einander widersprechende Entscheidungen von vornherein ausgeschlossen sind und dies zudem der kostengünstigere und einfachere Weg zur Erreichung des Klageziels ist. Auch ist die negative Feststellungsklage nicht erforderlich, um dem Kläger einstweiligen Rechtsschutz zu ermöglichen, denn diesen kann er in analoger Anwendung des § 769 ZPO auch im Rahmen der bereits rechtshängigen Leistungsklage erhalten (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 816, m. w. N.).

Nach alledem ist die negative Feststellungsklage vorliegend unzulässig.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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